VPB 56.13

(Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 5. Oktober 1990)

Radio. Grundsätze für die journalistische, kritische Durchleuchtung des persönlichen Umfeldes hoher Amtsträger.

Art. 15 BB UBI. Es obliegt nicht der UBI, von Amtes wegen abzuklären, ob im Zusammenhang mit einer inkriminierten Sendung im Rahmen von Vorankündigungen oder Informationen in anderen Sendegefässen allenfalls Programmvorschriften verletzt worden sind.

Art. 55bis BV. Art. 4 Abs. 1 Konzession SRG. Programmautonomie und Gebot, den Interessen des Landes zu dienen.

- Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch, auch über politische und zeitgeschichtliche Fragen, Fakten und Meinungen Informationen zu erhalten, die nicht auf breite Zustimmung stossen, sondern provozieren, stören oder gar schockieren.

- Öffentliches Interesse an Informationen über den wirtschaftlichen, sozialen, und biographisch-historischen Kontext, in dem Träger öffentlicher Ämter stehen.

- Die Grenzen der zulässigen Kritik ist bei Politikern weiter gezogen als bei Privatpersonen.

Art. 4 Abs. 2 Konzession SRG. Journalistische Sorgfaltspflicht.

- Die UBI überprüft nicht die subjektiven Beweggründe und Absichten des Medienschaffenden, sondern objektiv, ob seine Arbeit der Verpflichtung zu genauem Recherchieren, fairem Hören und Verarbeiten von Gegenmeinungen und zur Unvoreingenommenheit gegenüber dem Ergebnis der Recherchen genügt.

- Werden Ereignisse und Fakten mit einer dem Sendegegenstand nicht durchwegs angemessenen Dramatik dargestellt, so besteht die Gefahr, dass durch starke Emotionalisierung eine rationale Auseinandersetzung erschwert oder verunmöglicht wird.

- Eine Sendung, welche sich aus Anlass der Wahl eines Bundesrates kritisch mit der Geschichte seines Familienunternehmens auseinander setzte, verletzte die Konzession nicht.

Radio. Principes régissant les investigations et critiques journalistiques relatives à l'environnement personnel d'un haut magistrat.

Art. 15 AF AIEP. Il n'appartient pas à I'AIEP d'examiner d'office si des prescriptions relatives aux programmes ont éventuellement été violées dans des annonces ou des informations radiodiffusées ou télévisées en marge d'une émission faisant l'objet d'une plainte.

Art. 55bis Cst. Art. 4 al. 1er Concession SSR. Autonomie des programmes et devoir de servir l'intérêt du pays.

- Le public a le droit d'être informé sur des questions, des faits et des opinions de politique ou d'histoire récente quand bien même ces informations ne recevraient pas un accueil généralement favorable, mais seraient tenues pour déroutantes, provocantes voire choquantes.

- Intérêt public à des informations sur le milieu économique, social, personnel et historique de magistrats en fonction.

- Les limites de la critique admise à l'égard des personnes de la vie politique sont plus larges qu'à l'égard des simples particuliers.

Art. 4 al. 2 Concession SSR. Obligation de diligence journalistique.

- L'AIEP n'examine pas les motifs subjectifs et les intentions du journaliste, mais bien objectivement si celui-ci a satisfait à l'obligation de faire des recherches approfondies, d'écouter et rendre équitablement l'opinion opposée et de n'avoir aucune opinion préconçue sur le résultat de ses recherches.

- Le fait de présenter des événements et des faits sous un jour dramatique pas toujours adapté au sujet traité risque, en suscitant l'émotion, de gêner, voire d'empêcher le déroulement d'une discussion rationnelle.

- Une émission qui, à l'occasion de l'élection d'un conseiller fédéral, a analysé de manière critique l'histoire commerciale de l'entreprise familiale de ce magistrat n'a pas violé la concession.

Radio. Principi per l'osservazione critica, giornalistica dell'ambito personale di alti magistrati.

Art. 15 DF AIER. Non spetta all'AIER di chiarire d'ufficio se, in connessione con una trasmissione oggetto di reclama sono state eventualmente violate disposizioni relative ai programmi nel quadro di avvisi o informazioni radiodiffusi o teletrasmessi.

Art. 55bis Cost. Art. 4 cpv. 1 Concessione SSR. Autonomia nella concezione dei programmi e obbligo di servire l'interesse del Paese.

- Il pubblico ha il diritto di avere anche informazioni su questioni di politica e storia contemporanea, fatti e opinioni che non incontrano un ampio consenso, anzi, provocano, disturbano o perfino scioccano.

- Interesse pubblico a informazioni in merito al contesto economico, sociale e storico-biografico di magistrati in funzione.

- I limiti posti alla critica ammessa nei confronti di politici sono più ampi di quelli nei confronti di privati.

Art. 4 cpv. 2 Concessione SSR. Obbligo di diligenza giornalistica.

- L'AIER non esamina i motivi soggettivi e le intenzioni dell'operatore dei media, bensì, oggettivamente, se il suo lavoro adempie l'obbligo di fare ricerche approfondite, ascoltare e trattare lealmente le opinioni opposte nonché di non avere preconcetti sul risultato delle ricerche.

- Se avvenimenti e fatti sono presentati con spirito drammatico non completamente adeguato all'oggetto trasmessa esiste il pericolo che, a causa dell'emotività suscitata, sia resa difficile o impossibile una discussione razionale.

- Un'emissione che, in occasione dell'elezione di un consigliere federale, ha esposto in modo critico la storia dell'impresa della famiglia di quest'ultimo non ha violato la concessione.

I

A. Am 23. März 1989 strahlte das Radio der deutschen und der rätoromanischen Schweiz (DRS) im Rahmen des Sendegefässes «Z. B.» eine Sendung mit dem Titel: «Die Villiger-Firmengeschichte; Gratwanderung zwischen Wirklichkeit und Wunsch» aus.

In der einführenden Moderation wurde nebst der Firma Villiger generell die Geschäftstätigkeit schweizerischer Unternehmen während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland erwähnt. Die Firmengeschichte des Familienunternehmens Villiger sei besonders brisant, weil aus diesem Kreis ein neuer Bundesrat an die Regierungsspitze gerückt sei. Darauf wurde eine Sequenz des Statements von Bundesrat Kaspar Villiger in der Frühjahrssession des Nationalrates zum Thema der geplanten Mobilmachungsfeierlichkeiten eingeblendet: «Wir möchten ganz einfach der Aktivdienstgeneration danken, und zwar nicht nur den Wehrmännern, sondern auch denen zu Hause, die damals in den Verwaltungen, in den Haushalten, in den Fabriken, den Betrieb des Landes sozusagen aufrecht erhielten. Wir glauben auch, dass die Jungen einen gewissen Anspruch auf eine sachliche und ehrliche Information über diese Zeit haben» (in die Sendung eingeblendeter Original-Ton von Bundesrat Kaspar Villiger in der erwähnten Nationalratsdebatte). Dieser Anspruch auf offene Information sei von der Firma Villiger bislang nicht eingelöst worden, hielt der Moderator fest. In der Jubiläumsschrift zum 90jährigen Bestehen der Firma würden für den Zeitraum von 1933 bis 1945
massgeblich drei Eindrücke vermittelt:

- Die Firmenentwicklung in Deutschland habe nach 1932 stagniert.

- Vor und insbesondere während des Krieges seien die beiden Firmeninhaber Max und Hans Villiger im 3. Reich unerwünschte Personen gewesen und hätten deshalb keine Einreisevisa mehr erhalten.

- 1945 sei in Deutschland für die Firma Villiger alles verloren gewesen.

Nach der umgehend anschliessenden Feststellung durch die Moderation, alle drei Eindrücke seien irreführend, wurden im weiteren Verlauf der Sendung die einzelnen Punkte referiert:

1. Entgegen der Aussage der Festschrift habe sich der Firmenzweig in Deutschland auch nach 1932 beachtlich entwickelt; die Zahl der Arbeitskräfte habe sich zwischen 1932 und 1939 auf 2000 Mitarbeiter nahezu verdoppelt. Befragt zur Diskrepanz zwischen der Firmengeschichte und dem Rechercheergebnis der Journalisten meinte Heinrich Villiger, unter dessen und der Verantwortung von Kaspar Villiger die Jubiläumsschrift 1978 erschienen ist: «Zwar sei der Absatz der deutschen Firmenniederlassungen in der fraglichen Zeit verdoppelt worden, der Marktanteil habe sich indessen von 1932 bis 1939 von 2,1% nur unerheblich auf 2,8% erhöht.

Die Sendeautoren hielten fest, dass der Höhepunkt der Firmenentwicklung auf das Jahr 1939 hätte gelegt werden müssen und gingen der Frage nach, unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen (politische Anpassung; Judenverfolgung und Übernahme jüdischer Firmen, Teilnahme am nationalsozialistischen Leistungswettbewerb) sich ein ausländisches Unternehmen im Deutschland der damaligen Zeit doch beachtlich entwickeln und die jüdische Cigarrenfabrik Geska erwerben konnte.

2. Entgegen dem Eindruck, den die Jubiläumsschrift erwecke, sei es Max und Hans Villiger bis in die ersten Kriegsjahre möglich gewesen, die deutschen Geschäftsniederlassungen zu besuchen. Die Frage, bis wann die damaligen Geschäftsinhaber ihre Filialen in Deutschland aufgesucht haben, wurde von verschiedenen in der Sendung zu Worte kommenden (ehemaligen) Mitarbeitern kontrovers beantwortet: Während die einen sich an Besuche bis spätestens 1940 erinnern konnten, glaubten andere, Max und Hans Villiger hätten die deutschen Niederlassungen bis 1944 aufgesucht.

Heinrich Villiger, befragt zum Aspekt der persönlichen Geschäftsbeziehungen seines Vaters beziehungsweise Onkels zu den Filialen in Deutschland, glaubte sich aus Erzählungen seines Vaters erinnern zu können, dass die beiden damaligen Firmeninhaber vermutlich 1940/1941 letztmals nach Deutschland einreisen durften; die damaligen Machthaber hätten von seinem Vater Informationen über die Schweizer Wirtschaft und Armee verlangt, was dieser abgelehnt habe; von da weg sei die Einreise nach Deutschland nicht mehr möglich gewesen. Die Filialen in Deutschland seien dann eigenmächtig von deutschen Mitarbeitern geführt worden.

3. Gemäss Recherchen der Autoren der Sendung und entgegen der Feststellung in der Jubiläumsschrift seien zwar die beiden Fabriken in München Ende des Krieges zerstört worden, die übrigen fünf Niederlassungen hätten indessen, wenn auch reduziert, bis Kriegsende weiterproduziert.

Heinrich Villiger gestand zwar zu, dies sei in der Firmenchronik wahrscheinlich etwas extensiv ausgelegt worden. Nebst der Zerstörung der beiden Münchner Werke seien indessen die Tabakvorräte von den Franzosen bei Kriegsende beschlagnahmt worden.

Auf die Frage an Heinrich Villiger zu dessen Verhältnis zur Geschichtsschreibung, vertrat auch dieser die Auffassung, die Darstellung habe den Fakten zu entsprechen; indessen sei in Rechnung zu stellen, dass die firmeneigenen Geschäftsakten über einen längeren Zeitraum nie mehr vollständig seien, Unterlagen und Dokumente gerade über den deutschen Unternehmenszweig seien verlorengegangen.

Zum Schluss der Sendung äusserte sich auch Bundesrat Kaspar Villiger - durch die Moderation angekündigt - in Form einer Stellungnahme zum Ergebnis der Sendung: Die Sendung habe versucht, zwei Thesen zu belegen, nämlich (1) sein Vater und Onkel seien nazifreundlich gewesen und hätten die Notlage jüdischer Betriebe ausgenützt, um zu expandieren; (2) sein Bruder (Heinrich) und er hätten bewusst die Festschrift von 1978 geschönt, um ein Kapitel der Firmengeschichte zu vertuschen. Die Familie Villiger habe sowohl vor als auch nach dem Zweiten Weltkrieg freundschaftliche Kontakte mit einer jüdischen Familie in München gepflegt. Ausserdem sei sein Vater auch nach dem Krieg vom vormaligen jüdischen Eigentümer, von dem in der fraglichen Zeit eine Firma erworben wurde, freundlich empfangen worden. Bezüglich der Festschrift sei festzuhalten, dass sich diese massgeblich mit dem Schweizer Zweig der Firma befasst habe und sich in erster Linie an Freunde und Lieferanten in der Schweiz richte.

B. Gegen diese Sendung erhob am 22. April 1989 E. C. (hiernach: Beschwerdeführer) zusammen mit 50 Mitunterzeichnern Beschwerde bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI).

In der Beschwerde wird beanstandet, die Sendung habe Art. 4 Abs. 2 der Konzession für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft vom 5. Oktober 1987 (Konzession SRG, BBl 1987 III 813 f.) verletzt. Diese Bestimmung lege namentlich fest, dass Ereignisse sachgerecht darzustellen und die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck zu bringen seien. Ausserdem seien für Berichterstattungen und Kommentare die anerkannten Regeln der journalistischen Berufsausübung zu beachten. Diese Grundsätze seien zufolge der selektiven Auswahl der Aussagen der befragten Personen verletzt worden; dies lasse sich insbesondere durch die Stellungnahmen zweier Personen, deren Aussagen im Rahmen der Sendung berücksichtigt worden sind, belegen. Ausserdem habe die Sendung die Punkte 6-12 der Programmgrundsätze der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) vom 28. Januar 1982 verletzt. In Punkt 6 werde namentlich festgehalten, das Publikum sei über Art und Ziel der Sendung sowie den Standort der mitwirkenden Personen zu informieren.

C. In Anwendung von Art. 19 des BB vom 7. Oktober 1983 über die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (BB UBI, SR 784.45) wurde die SRG zur Stellungnahme eingeladen.

In ihrer Stellungnahme vom 16. Juni 1990 beantragt die SRG, die Beschwerde sei abzuweisen. Gleichzeitig hat die Beschwerdegegnerin im Blick auf die Beurteilung der Faktenlage der Sendung ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten (von Prof. Georg Kreis, Historiker an der Universität Basel; hiernach: Gutachten Kreis), das Aufschluss über die Zuverlässigkeit und Qualität der Recherchen und die Einordnung der Ergebnisse in die Sendung geben soll, ins Recht gelegt.

...

II

1. ...

Der Beschwerdeführer hat in seiner Eingabe vom 22. April 1989 die beanstandete Sendung genau bezeichnet und dargetan, wodurch er Programmbestimmungen der Konzession SRG als verletzt erachtet. Im Rahmen seiner Replik beanstandet der Beschwerdeführer ausserdem die - von der SRG ebenfalls zu verantwortende - in anderen Sendegefässen erfolgte Propagierung der Sendung.

Im folgenden ist daher zu prüfen, ob diese vom Beschwerdeführer zwar nicht namentlich erwähnten, aber implizit gerügten Sendungen im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zu berücksichtigen sind, beziehungsweise inwieweit auf die entsprechenden Beanstandungen des Beschwerdeführers eingetreten werden kann. Ob die diesbezüglichen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist als Rechtsfrage von Amtes wegen zu prüfen (vgl. Gygi Fritz, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 73 und dort zitierte Entscheide).

1.1. Art. 15 Abs. 2 BB UBI verlangt, dass die beanstandete Sendung genau bezeichnet und mit kurzer Begründung angegeben wird, wodurch Programmbestimmungen der Konzession verletzt worden sind; Abs. 1 von Art. 15 ermöglicht die Beanstandung mehrerer Sendungen, diesfalls beginnt die dreissigtägige Beschwerdefrist von der letzten beanstandeten Sendung an zu laufen.

Art. 15 BB UBI formuliert Eintretensvoraussetzungen, bei deren Erfüllung dem Beschwerdeführer ein materieller Beurteilungsanspruch zusteht; diese Bestimmung enthält ein unabdingbares Minimum an Formvorschriften. Sie sind so angelegt, dass sie auch von einer Privatperson ohne unzumutbaren Aufwand erfüllt werden können (vgl. Botschaft über die Schaffung einer Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Radiofernsehen, BBl 1981 III 118).

1.2. Der Beschwerdeführer hat innert Frist in seiner Eingabe die inkriminierte Sendung gerügt, genau bezeichnet und mit kurzer Begründung dargelegt, inwieweit er Programmbestimmungen der Konzession als verletzt erachtet; diese Eingabe erfüllt mithin die Eintretensvoraussetzungen, so dass darauf einzutreten ist.

Bezüglich der in der Replik zusätzlich beanstandeten Begleitumstände und damit implizit ebenfalls als konzessionswidrig gerügten weiteren Sendungen mangelt es bereits an dem gesetzlichen Erfordernis der genauen Bezeichnung der beanstandeten Sendung beziehungsweise allenfalls mehrerer Sendungen. Es obliegt nicht der UBI, gewissermassen von Amtes wegen abzuklären, ob im Zusammenhang mit einer inkriminierten Sendung im Rahmen von Vorankündigungen oder Informationen in anderen Sendegefässen allenfalls Programmvorschriften verletzt worden sind (vgl. dazu VPB 54.46, S. 293). Die UBI ist weder allgemeines Aufsichtsorgan über die elektronischen Medien noch übt sie eine generelle Programmaufsicht über Veranstalter aus. Dem steht bereits Art. 1 BB UBI entgegen, der bestimmt, dass die UBI nur auf Veranlassung Dritter tätig werden kann (vgl. Botschaft, a. a. O. 114), sofern deren Eingabe die Beschwerdevoraussetzungen gemäss Art. 14-16 BB UBI erfüllt.

Ob überhaupt und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen auf nachträglich - unter anderem im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels - gerügte weitere Sendungen nach Ablauf der dreissigtägigen Beschwerdefrist einzutreten ist, kann offenbleiben, zumal es vorliegendenfalls, wie vorstehend dargetan, bereits an der gesetzlich erforderlichen genauen Bezeichnung der gerügten weiteren Sendungen mangelt.

1.3. Tritt die UBI auf eine Beschwerde ein, ist sie nach Art. 21 Abs. 2 BB UBI nicht an die Vorbringen der Parteien gebunden (vgl. Urteil des BGer vom 26. Januar 1990 betreffend die Sendung «Grell-Pastell», BGE 116 Ib 42). Sie prüft daher auch im vorliegenden Fall die beanstandete Sendung als Ganzes auf ihre Übereinstimmung mit den massgeblichen Programmbestimmungen, ohne durch die Anträge und Rügen des Beschwerdeführers eingeschränkt zu sein.

Die UBI ist indessen nach Art. 17 BB UBI lediglich befugt zu prüfen, ob eine Sendung Programmbestimmungen der Konzession verletzt. Dabei sind gemäss konstanter Praxis die Programmgrundsätze des Veranstalters als solche für die UBI nicht massgeblich. Diese Grundsätze können jedoch, wenn nötig, von der UBI als Interpretationshilfen für die Auslegung der Konzessionsbestimmungen beigezogen werden.

2. Nach Art. 4 Abs. 1 Konzession SRG sind die Programme unter anderem so zu gestalten, dass sie den Interessen des Landes dienen, die nationale Zusammengehörigkeit stärken und zur internationalen Verständigung beitragen.

Die UBI hat in ihrer konstanten Praxis festgestellt, dass sich diese Programmbestimmungen des Art. 4 Abs. 1 an das Programmangebot als Ganzes richten. Eine Konzessionsverletzung darf nicht schon dann bejaht werden, wenn eine Sendung keinen positiven Beitrag im Sinne dieses Programmauftrages leistet. Unzulässig ist indessen eine Ausstrahlung, die in direktem Gegensatz zu dieser Verpflichtung steht, ihr geradezu entgegenwirkt (vgl. VPB 50.52, VPB 53.48, VPB 54.14, VPB 54.47). Andererseits gehört zum verfassungsmässigen Auftrag der UBI nicht nur die Sicherstellung des konzessionskonformen Programmauftrages, sondern auch die Gewährleistung von Autonomie und Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen (vgl. VPB 50.52, S. 346 sowie BBl 1981 III 113), die den Veranstaltern bezüglich Gestaltung, Auswahl und Thematisierung einen bestimmten Spielraum gewährt.

2.1. Dieser umfassende Leistungsauftrag, wie er sich bereits aus Art. 55bis Abs. 2 BV ergibt, charakterisiert sich durch eine Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe. Bei deren Auslegung ist insbesondere auch der ebenfalls durch die Verfassung (Art. 55bis Abs. 3 BV) garantierten Programmautonomie des Veranstalters Rechnung zu tragen; es besteht gerade bei Umschreibung und Konkretisierung dieser unbestimmten, auslegungsbedürftigen Begriffe die Gefahr einer problematischen Beengung der freien Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft. Andererseits garantiert aber die BV unmissverständlich die auf die Bedingungen der elektronischen Medien zugeschnittene Form der Meinungsfreiheit, nämlich die Unabhängigkeit der Veranstalter und die Autonomie der Programmgestaltung, nur im Rahmen des Leistungsauftrages von Art. 55bis Abs. 2 BV (VPB 54.47, S. 297).

Analog der Berücksichtigung der Grundrechte im Rahmen der einfachen Rechtsanwendung durch grundrechtskonforme Auslegung von Gesetzen, hat auch hier die Konkretisierung der konzessionsrechtlichen Programmbestimmungen im Lichte des Anliegens der freien Meinungsbildung zu erfolgen (vgl. dazu auch Entscheid des BGer vom 25. April 1990 in Sache Proksch, BGE 116 IV 31 ff.).

2.2. In diesem Sinn hat die UBI in ihrer Praxis stets festgestellt, dass entsprechend dem Grundanliegen der Presse und Meinungsfreiheit jedem Veranstalter erlaubt sein muss, sich kritisch mit den verschiedensten staatlichen, gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Fragen des Lebens auseinander zusetzen. Insbesondere muss auch an Radio und Fernsehen Kritik und Opposition auch gegen dominierende politische Meinungen, herrschende Strukturen, Mehrheitsauffassungen und etablierte Ansichten und Institutionen möglich sein (vgl. VPB 54.47, S. 298); dies folgt übrigens auch aus dem Gebot, es sei der Vielfalt der Ansichten angemessen Ausdruck zu geben (Art. 55bis Abs. 2 BV). Es ist schlechthin kein Thema denkbar, das einer kritischen Erörterung an den elektronischen Medien entzogen sein darf (vgl. Müller Jörg Paul, Die Grundrechte der Schweizerischen Bundesverfassung, Bern 1991, S. 206 f.).

3. Art. 4 Abs. 2 Konzession SRG verlangt unter anderem, Ereignisse seien sachgerecht darzustellen und Ansichten seien in ihrer Vielfalt angemessen zum Ausdruck zu bringen. Ein Verstoss gegen die Programmanforderungen, wie sie sich sowohl aus Abs. 1 als auch Abs. 2 von Art. 4 Konzession SRG ergeben, setzt stets eine Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht seitens der Medienschaffenden voraus, dies zwar nicht im Sinne eines subjektiv vorwerfbaren Verhaltens, jedoch im Sinne eines objektiven Verstosses gegen die Pflicht zur Sorgfalt sowohl bei der Vorbereitung, soweit ihr Ergebnis in der Sendung Ausdruck findet, als auch bei der programmlichen Umsetzung und Gestaltung eines Themas (vgl. BGE 116 Ib 37 ff., E. 6).

3.1. Die UBI hat aus dem Gebot der sachgerechten Darstellung von Ereignissen in ihrer Praxis abgeleitet, der Hörer oder Zuschauer müsse sich durch die in einer Sendung vermittelten Fakten und Meinungen ein möglichst zuverlässiges Bild über einen Sachverhalt machen können und damit in die Lage versetzt werden, sich eine eigene Meinung zu bilden (vgl. Urteil des BGer vom 17. Oktober 1980, in: Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht [ZBl] 83/1982, S. 219 ff.; VPB 51.53, S. 330, VPB 50.18, S. 12, VPB 49.32, S. 182, VPB 54.49). Das Gebot richtet sich insbesondere an Sendungen, die den Anspruch auf Informationsvermittlung erheben. Mit dem damit angesprochenen Objektivitätsgebot wesentlich verbunden sind die Elemente «Wahrhaftigkeit» und «journalistische Sorgfaltspflicht». Wahrhaftigkeit verlangt, nichts zu sagen oder zu zeigen, was nicht nach bestem Wissen und Gewissen für wahr gehalten wird. Zur journalistischen Sorgfaltspflicht gehört insbesondere auch ein sorgfältiges Recherchieren, ein faires Hören und Verarbeiten anderer Meinungen und die Unvoreingenommenheit gegenüber dem Ergebnis publizistischer Arbeit (vgl. unter anderem VPB 50.81, S. 489).

Die im Blick auf die Realisierung einer Sendung zu beachtenden Sorgfaltspflichten lassen sich nicht allgemein formulieren, sondern nur unter Berücksichtigung einerseits des Sendegefässes und andererseits des Themas, das Gegenstand einer Sendung ist. Wo es um Informationssendungen geht, gelten bezüglich des Gebots der Sachgerechtigkeit und der zu beachtenden journalistischen Sorgfalt besondere Anforderungen (VPB 50.80, S. 485 E. 2, VPB 50.81, S. 489 E. 8; BGE 114 Ib 206 ff. E. 3a-e; ZBl 83/1982, S. 225 ff. E. 4).

3.2. Gemäss Art. 4 Abs. 2 Konzession SRG ist unter anderem die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck zu bringen.

Das Gebot der Vielfalt der Ansichten verlangt einerseits nicht ein streng numerisches Gleichgewicht von Meinungen und Gegenmeinungen. Vielmehr muss für den Zuschauer oder Zuhörer erkennbar sein, dass zu einem bestimmten Thema gegebenenfalls nicht nur eine Meinung, sondern eine Vielzahl von Meinungen besteht. Anderseits gilt gemäss ständiger Praxis der UBI diese Verpflichtung in der Regel nicht für jede Einzelsendung oder für jeden einzelnen Sendebeitrag (VPB 54.49), sondern sie ist insbesondere bei einer Mehrzahl vergleichbarer Sendungen über einen dem Thema angepassten Zeitraum hinweg zu verwirklichen. In einer Sendung allerdings, die vorhersehbar als Einzelbeitrag zu einem abgrenzbaren und kontroversen Thema konzipiert ist, kommt diesem Gebot auch bei der Beurteilung einer einzelnen Sendung eine erhöhte Bedeutung zu (vgl. VPB 53.44).

4. Nachfolgend ist zu prüfen, ob die Sendung vor den erwähnten konzessionsrechtlichen Anforderungen Bestand hat.

4.1. Die Sendung befasste sich einerseits mit dem unternehmenspolitischen Verhalten und der Geschäftspolitik der Firma Villiger während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und andererseits mit der Darstellung in der firmeneigenen Jubiläumsschrift zum 90jährigen Bestehen des Hauses Villiger, die unter der Verantwortung von Heinrich und Kaspar Villiger 1978 erschienen ist. Ausgehend vom Statement von Bundesrat Kaspar Villiger in der Frühjahrsession des Nationalrates zum Thema der geplanten Mobilmachungsfeierlichkeiten (vgl. oben I. A: Anspruch auf eine sachliche Information über diese Zeit) wurde im weiteren Verlauf der Sendung auf dem Hintergrund der Darstellung der Firmenentwicklung in der Jubiläumsschrift die Geschäftsentwicklung der deutschen Zweig-Niederlassung nachgezeichnet.

Unbestreitbar hat der Umstand, dass Aspekte des Geschäftsgebarens schweizerischer Unternehmen während des Dritten Reiches am Beispiel der Firma Villiger dokumentiert wurden, der Sendung eine gewisse Brisanz und Prominenz verliehen. Bis zu seiner Wahl in den Bundesrat war Kaspar Villiger Miteigentümer und hat massgeblich während Jahren Verantwortung für das Familienunternehmen mitgetragen. Ausserdem hatte sich Bundesrat Kaspar Villiger als neugewählter Bundesrat und Vorsteher des Militärdepartementes mit Fragen im Zusammenhang mit den geplanten Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Mobilmachung zu befassen.

Die Berücksichtigung des erwähnten Statements von Bundesrat Villiger in der Sendung und dem darin zum Ausdruck kommenden Bekenntnis zu offener und ehrlicher Information über ein Kapitel der jüngsten Schweizer Geschichte war Ausgangspunkt und Einstieg für die journalistische Umsetzung der angeschnittenen Thematik und bot aus naheliegenden Gründen Anlass, unter anderem der Frage nachzugehen, ob und gegebenenfalls wie dieser Anspruch im Rahmen der Darstellung der Unternehmensgeschichte in der Jubiläumsschrift des Hauses Villiger eingelöst wurde. Dass in der Gegenüberstellung von Anspruch und Wirklichkeit im Ergebnis auch Kritik an Bundesrat Villiger zum Ausdruck kommt, ist nicht zu bestreiten und wird zusätzlich akzentuiert durch die in der Sendung explizit geäusserte Feststellung, die Verantwortung für diese Publikation und angeblich geschönte Geschichtsschreibung liege bei Heinrich und Kaspar Villiger. Bei der konzessionsrechtlichen Würdigung dieser Kritik ist auch folgendes zu berücksichtigen:

Zu den elementaren und unbestrittenen - den elektronischen Medien gemäss Art. 55bis BV explizit durch Leistungsauftrag überbundenen - Aufgaben in einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft gehört auch die Information über politische und zeitgeschichtliche Fragen von öffentlichem Interesse. Die Öffentlichkeit hat auch ein Recht, solche Informationen zu empfangen. Diese für eine demokratische Diskussionskultur fundamentalen Prinzipien gelten nicht bloss für Informationen und Ideen, die auf breite Zustimmung stossen, ein positives Echo auslösen, sondern auch für solche, die provozieren, schockieren oder gar stören.

Namentlich bezüglich Personen, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen und zum Beispiel Träger öffentlicher Ämter sind, besteht ein legitimes öffentliches Interesse an Informationen über den wirtschaftlichen, sozialen, biographisch-historischen Kontext, in dem sie stehen, aus dem heraus sie politische und gesellschaftliche Funktionen übernehmen und in dem sie wirken oder gewirkt haben. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die Grenzen der zulässigen Kritik bei Politikern weiter gezogen sind als bei Privatpersonen. Anders als diese setzen sich die Politiker wissentlich und für die demokratische Meinungsbildung notwendig der eingehenden Kontrolle ihrer Worte und Taten, aber auch ihres gesellschaftlichen und biographisch-historischen Umfeldes durch die Medien und die Öffentlichkeit aus (vgl. dazu Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [EGMR] vom 8. Juli 1986, Lingens gegen Österreich, in: Europäische Grundrechte Zeitschrift [EuGRZ] 1986, S. 428, auszugsweise in VPB 50.112; Entscheid des österreichischen Verfassungsgerichtshofes in Sache Kurt Waldheim, in: EuGRZ 1989, S. 363 ff.).

4.2. Zu den anerkannten Regeln journalistischer Berufsausübung und mithin zur journalistischen Sorgfaltspflicht gehört, dass der Journalist keine vorgefasste Meinung bezüglich des Endproduktes seiner Arbeit hat.

Die Verpflichtung des Journalisten zur Unvoreingenommenheit gegenüber dem Endprodukt seiner Arbeit schränkt diesen weder in der Wahl des Themas noch grundsätzlich in der Interpretation des von ihm erhobenen Faktenmaterials ein. Die Aufklärung von Aspekten der Geschichte und gesellschaftlichen Wirklichkeit, denen das Erkenntnisinteresse des Journalisten gilt, setzt - analog der Arbeit des Historikers - zwangsläufig die Formulierung von Hypothesen voraus, die sich im Verlaufe der weiteren Bearbeitung eines Themas durch die Erhebung von Faktenmaterial zu impliziten oder expliziten Aussagen und Thesen verdichten können. Allerdings ist der Journalist wie der Historiker gehalten, seine Hypothesen der Verifikation und/oder Falsifikation zu unterziehen und je nach Ausgang dieser Prüfung sich einer Aussage allenfalls zu enthalten oder gegebenenfalls die angezeigten Relativierungen sichtbar zu machen.

Der Beschwerdeführer macht in seiner Replik geltend, die Journalisten seien von einer vorgefassten Meinung ausgegangen: ihr Anliegen sei es gewesen, den neuen EMD-Chef und die Mobilmachungsfeiern zu diskreditieren. In seiner Stellungnahme zur Sendung hält auch Heinrich Villiger fest, die Sendung sei bezüglich Aufbau und Ablauf darauf angelegt gewesen, negative Hypothesen mittels einseitiger Interpretation des recherchierten Faktenmaterials zu verifizieren.

Für die Beurteilung dieser Vorwürfe ist im folgenden zu prüfen, wie sich der Ablauf der Recherchearbeiten und der Vorbereitung der Sendung abgewickelt hat:

Anlass für die Recherche war offenbar die Bemerkung eines deutschen Journalisten (für den die SRG Quellenschutz geltend macht) Ende Januar 1989, die Villiger hätten im Umfeld nationalsozialistischer Personen verkehrt und Max und Hans Villiger seien Mitglieder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) gewesen. Nach Recherchen bei verschiedenen, spezialisierten Dokumentationszentren, insbesondere auch bei Simon Wiesenthal in Wien, haben sich diese Informationen nicht bestätigt, eine entsprechende NSDAP-Mitgliedschaft liess sich nicht feststellen. Die Ende Januar 1989 den Autoren der Sendung von der Firma Villiger zugestellten Firmenchroniken und die sich daran anschliessenden Recherchen bei Handelsregister- und Grundbuchämtern veranlassten im folgenden die Journalisten, der Frage nach der Diskrepanz zwischen den Geschäftsaktivitäten während des Dritten Reiches und deren Darstellung in den Firmenchroniken nachzugehen. Zwischenzeitlich, am 1. Februar 1989, wurde Kaspar Villiger in den Bundesrat gewählt. Am 6. März 1989 sprach er vor dem Nationalrat, äusserte sich dabei zu den Mobilmachungsfeierlichkeiten und führte aus, die jüngere Generation habe ein gewisses Anrecht auf eine sachliche und ehrliche
Information über die fragliche Zeit. Dies veranlasste die Journalisten, die Sendung unter den Titel zu stellen: «Villiger-Firmengeschichte: Gratwanderung zwischen Wirklichkeit und Wunsch».

Ebenfalls am 6. März 1989 fand ein Telefongespräch der Autoren mit Heinrich Villiger zum Thema Aktivitäten während des zweiten Weltkrieges statt; dabei ging es offenbar namentlich um den Kauf der jüdischen Firma Geska, zu dem Heinrich Villiger ausführte, es sei damals der volle Wert, unter anderem auch mit Schwarzzahlungen aus der Schweiz, bezahlt worden. Da diverse Umstände bei dieser Firmenakquisition nach wie vor unklar blieben, fand eine erneute Rückfrage bei Heinrich Villiger statt. Zur Klärung der Faktenlage wurde ausserdem eine Erklärung von Peter Strauss (Sohn des vormaligen Miteigentümers der Firma Geska) vom 9. März 1989 ins Recherche-Dossier aufgenommen und nachmals auch in der Sendung verarbeitet. Nachdem die Zustimmung zur geplanten Sendung seitens des Radiodirektors vorlag, ersuchten die Autoren Bundesrat Kaspar Villiger um die Gewährung eines Interviews. Auf Empfehlung von Kaspar Villiger sprachen die Autoren am 16. März 1989 erneut mit Heinrich Villiger und einer Gruppe älterer Mitarbeiter. Am 17. März sicherte Kaspar Villiger eine Stellungnahme zu mit dem Wunsch, diese in Form eines Statements präsentieren zu können. Am 21. März wurde die persönliche Erklärung aufgezeichnet und in die Sendung integriert.

Diese geraffte Darstellung der Vorbereitung der Sendung und der Erarbeitung des Recherchematerials zeigt, dass Ausgangspunkt für die journalistische Arbeit zunächst eine Drittinformation war. Nachdem sich diese Information nach eingehenden Abklärungen seitens der Autoren, insbesondere durch die Anfrage beim Dokumentationszentrum des Bundes Jüdischer Verfolger des Naziregimes (Simon Wiesenthal), nicht bestätigt hatte und die Sichtung der Firmenchroniken einerseits und die Auswertung von Archivquellen andererseits eine Diskrepanz zwischen der Selbstdarstellung und der faktischen Firmenentwicklung erkennen liess, nahm auch das Konzept der Sendung allmählich konkrete Konturen an und veranlasste die Autoren zu weiteren Recherchen. Eigentlicher Anlass zur Programmierung und wohl auch zur definitiven Konzipierung und Gestaltung der Sendung war dann das Statement von Bundesrat Kaspar Villiger im Nationalrat.

Die Thematisierung eines Aspektes der jüngsten Schweizer Wirtschaftsgeschichte erfolgte aus publizistisch vertretbaren Gründen in einem aktuellen Bezugsrahmen (Wahl eines Mitgliedes einer traditionsreichen Familienunternehmung in den Bundesrat, Debatte über die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Mobilmachung). Die Autoren konnten sich weder auf das bereits vorliegende Ergebnis einer historisch-monografischen Arbeit stützen, noch stand ihnen sonst bereits früher systematisch gesammeltes Informationsmaterial zur Verfügung.

Unbeachtlich ist die vom Beschwerdeführer implizit aufgeworfene Frage nach allfälligen persönlichen Beweggründen oder politischen Intentionen, die für die Autoren allenfalls Anlass für ihre Arbeit waren; für die konzessionsrechtliche Beurteilung ist - wie oben (E. 3 am Anfang) ausgeführt - nicht die durch die UBI nicht fassbare Absicht von Medienschaffenden, sondern ein objektiv feststellbarer Verstoss gegen die im konkreten Fall gebotene journalistische Sorgfalt entscheidend, soweit durch einen solchen die ausgestrahlte Sendung konzessionsrechtlich entscheidend beeinträchtigt wurde.

4.3. In seiner Replik beanstandet der Beschwerdeführer den Umstand, dass der negative Recherchebefund beim Dokumentationszentrum Wiesenthal bezüglich der zu Beginn der Vorbereitung der Sendung gerüchteweise vermuteten Mitgliedschaft von Max und Hans Villiger bei der NSDAP beziehungsweise Schutzstaffel (SS) in der Sendung nicht berücksichtigt worden ist; eine diesbezügliche Information hätte dem Zuhörer ein wichtiges Element zur eigenen Meinungsbildung geliefert.

Die von Heinrich Villiger am 22. Dezember 1989 eingereichte Stellungnahme der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) zum Gutachten der SRG wirft ebenfalls die Frage auf, weshalb in der Sendung nicht explizit die in den Medien verbreiteten Gerüchte über eine Mitgliedschaft von Hans und Max Villiger bei der NSDAP oder SS ausgeräumt worden seien.

Demgegenüber hat die SRG bereits in ihrer Beschwerdeantwort und dann auch in der Duplik im wesentlichen ausgeführt, sowohl die Erwähnung des Gerüchtes über eine angebliche Mitgliedschaft als auch die Information über den negativen Recherchebefund beim Dokumentationszentrum im Rahmen der Sendung hätten zu ungünstigen und falschen Spekulationen Anlass geben können.

Es ist unbestritten und ergibt sich bereits aus der Verpflichtung zur Sachgerechtigkeit, dass auch das Nichterwähnen einer Information konzessionsrechtlich relevant sein kann (vgl. dazu Entscheid der UBI vom 26. Januar 1989 betreffend Sendung «Loterie Romande», VPB 55.9).

Ob überhaupt und gegebenenfalls in welchem Umfang und welcher Art Informationen über das Ergebnis der Falsifikation von (Hypo)thesen, die einer journalistischen Dokumentations- oder Informationssendung zugrunde liegen, in der Sendung sichtbar zu machen sind, ist zunächst eine Frage des journalistischen Ermessens. Eine konzessionsrechtliche Verpflichtung, im Rahmen einer Sendung das gesamte Recherche- und Dokumentationsmaterial sowie Arbeitsdispositiv und -methodik sichtbar zu machen, besteht zweifellos nicht. Gerade die journalistische Be- oder Erarbeitung einer Thematik verlangt zwangsläufig eine Selektion und Reduktion der erhobenen Informationen; nicht vertretbar wäre das Vorenthalten einer (negativen) Information allerdings dann, wenn die in der Sendung zum Ausdruck kommenden Thesen oder Aussagen, die sich nach erfolgter Überprüfung als falsch oder zumindest fragwürdig erwiesen haben, bereits bekannt waren und es darum gehen würde, beim Rezipienten einen bestehenden falschen Eindruck zu beseitigen.

Wie oben ausgeführt, erfuhren die Journalisten zu Beginn der Vorbereitung der Sendung das Gerücht über eine angebliche Mitgliedschaft von Hans und Max Villiger bei der NSDAP beziehungsweise SS; sie haben - und dies wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten -, in der Sendung weder explizit eine entsprechende Behauptung noch implizit Andeutungen über eine mögliche Mitgliedschaft geäussert. Ausserdem ist nicht erstellt und wird auch nicht näher dargetan, in welchen Medien und inwiefern Gerüchte über eine angebliche Mitgliedschaft verbreitet worden wären, die allenfalls hätten Anlass sein müssen, das Rechercheergebnis beim Dokumentationszentrum in die Sendung einzubringen.

4.4. In der von Heinrich Villiger veranlassten Stellungnahme der GUG zum Gutachten der SRG wird ausgeführt, das von der GUG erhobene Archivmaterial ergänze zwar teilweise die Fakten der Sendung, widerlege diese aber in anderen Teilen. Ausserdem erachtet es die GUG als befremdlich, dass seitens der Journalisten gar nicht erst versucht worden sei, Materialien beim Schweizerischen Bundesarchiv zu erheben. Im übrigen hätten es die Journalisten unterlassen, im Zusammenhang mit der Übernahme der Geska durch die Firma Villiger die weitere Entwicklung dieser Auseinandersetzung nach Kriegsende weiter zu verfolgen, namentlich der Frage nach dem Ausgang des von den vormaligen Eigentümern der Firma Geska angestrengten Restitutionsverfahrens gegen die Firma Villiger nachzugehen.

Es stellt sich aus konzessionsrechtlicher Sicht die Frage, ob die der Sendung zugrunde liegenden Fakten sorgfältig und hinlänglich umfassend recherchiert worden seien. Bei dieser Prüfung ist indessen stets auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass eine Sendung letztlich nicht einem wissenschaftlichen Anspruch, sondern der journalistischen Sorgfaltspflicht zu genügen hat; dies gilt namentlich auch für dokumentarisch-historische Sendungen. Entscheidend ist, ob die im Zentrum der Sendung stehende Thematik und die ihr inhärenten Thesen oder Aussagen sorgfältig und gewissenhaft dokumentiert sind.

Bereits durch den Titel («z. B.: Villiger-Firmengeschichte - Gratwanderung zwischen Wirklichkeit und Wunsch») und die einführende Moderation in die Sendung sowie durch die zu Beginn der Sendung zitierten Aussagen aus der Firmenchronik war für den Rezipienten erkennbar, dass die Sendung unter anderem der Frage nachging, inwieweit die Selbstdarstellung der Firmengeschichte während der fraglichen Zeit der Realität entsprach. Im folgenden ist abzuklären, ob das Ergebnis der drei in der Sendung einer näheren Prüfung unterzogenen Aussagen der Firmenchronik, namentlich unter dem konzessionsrechtlichen Gesichtspunkt der Sachgerechtigkeit zu beanstanden ist.

1. «Als die schweizerischen Unternehmer Hans und Max Villiger in Deutschland 1933 den Nationalsozialismus aufkommen sahen, verlegten sie ihre Aktivitäten vermehrt auf das Heimatland». Ausgehend von dieser in der Sendung wiedergegebenen Passage aus der Firmenchronik von 1978 wurde der Frage nachgegangen, wie sich der deutsche Zweig der Firma während der fraglichen Zeit entwickelt hat; die Autoren kommen gestützt auf Recherchen in Archiven, Grundbuchämtern, Handelsregister und Ortschroniken zum Ergebnis, dass sich der deutsche Unternehmenszweig zwischen 1935 und 1940 um ein halbes Dutzend neue Niederlassungen vergrössert und die Zahl der Arbeitskräfte sich in der Zeit von 1932 bis 1939 auf 2000 Mitarbeiter verdoppelt hat.

Zu dieser Entwicklung befragt erklärte Heinrich Villiger in der Sendung, zwar sei der Umsatz in der fraglichen Zeit in Deutschland verdoppelt worden, der Marktanteil habe sich indessen in der Zeit zwischen 1932 und 1939 nur unmassgeblich von 2,1% auf 2,8% erhöht.

Die in der Sendung diesbezüglich einerseits von den Autoren, andererseits von Heinrich Villiger wiedergegebenen Fakten zur Firmenentwicklung werden im wesentlichen nicht bestritten; im weiteren kommt auch die von Heinrich Villiger bei der GUG in Auftrag gegebene Firmengeschichte zum Ergebnis, der diesbezüglich durch die Villiger-Festschrift vermittelte Eindruck werde durch die tatsächliche Entwicklung widerlegt.

2. In der Sendung wurde im weiteren die Aussage der Firmenchronik, wonach Max und Hans Villiger im Dritten Reich unerwünschte Personen gewesen seien, mit folgenden Worten wiedergegeben: «In den Jahren vor und während dem zweiten Weltkrieg haben die Verbindungen zu den Fabriken in Deutschland verständlicherweise gelitten. Besuchsvisa für die Inhaber der deutschen Villiger-Fabriken wurden von den damaligen Machthabern - non grata - abgelehnt. So erfuhr man nur auf Umwegen von der Zerstörung der Hauptfabriken in München durch die Bomben der Alliierten in der Nacht vom 6. auf den 7. September 1943», und es wurde anschliessend festgestellt, diese Information sei irreführend.

Nachstehend ist zu prüfen, ob die von den Journalisten in die Sendung eingebrachte Widerlegung der genannten Ausführungen in der Firmenchronik sachlich vertretbar war.

Die erwähnte apodiktische Aussage der Firmenchronik wurde bereits in der Sendung sowohl durch Heinrich Villiger als auch durch Antworten von ehemaligen Mitarbeitern relativiert. So glaubte sich eine Mitarbeiterin zu erinnern, die Gebrüder Villiger hätten wiederholt den Gutsbetrieb Rohrhof und auch die Tiengener-Niederlassung aufgesucht, und zwar bis nahe ans Kriegsende.

Sowohl das Gutachten der SRG als auch die Villiger-Firmengeschichte der GUG kommen, gestützt namentlich auf Akten des Bundesarchives, zum Ergebnis, dass die Gebrüder Villiger während des Krieges in Deutschland gewesen sind. Der Antrag auf Erteilung eines Dauervisums vom August 1942 sei zwar abgelehnt, Einzelvisas sowie ab Sommer 1941 Grenzgängerbewilligungen, seien jedoch erteilt worden. Gegenüber Max und Hans Villiger sei nach der Kriegsmobilmachung in der Schweiz kein Einreiseverbot für Deutschland erlassen worden, und beide hätten sich regelmässig in Deutschland aufgehalten.

3. Die letzte der drei in der Sendung wiedergegebenen Aussagen der Firmenchronik, die auf ihren Realitätsbezug untersucht wurde, befasste sich mit der Situation der deutschen Niederlassung zu Kriegsende: «Als der Krieg zu Ende war und die Besatzungsmächte in das zerstörte Deutschland wieder Einlass gewährten, war dort nur festzustellen, dass zum weiten Mal in der Firmengeschichte alles verloren war» (Aussage der Firmenchronik, wiedergegeben in der Sendung).

Entgegen dieser in der Firmenchronik nicht näher belegten oder relativierten Aussage, zeigt das Ergebnis der Recherchen ein anderes Bild: ausser den beiden Werken in München, die 1945 zu 80 beziehungsweise 100% zerstört waren, produzierten die übrigen Niederlassungen, wenn auch mit gedrosselter Kapazität, bis Kriegsende weiter. Dieser auch in der Sendung geäusserte Befund wird auch durch die GUG-Firmengeschichte nicht bestritten; gegenteils: auch dieser Bericht kommt zum Ergebnis, diesbezüglich stelle die Villiger-Festschrift die tatsächliche Entwicklung falsch dar.

Die vorstehenden Erwägungen zeigen, dass die massgeblichen Grundaussagen der Sendung zur Firmenentwicklung der deutschen Zweigniederlassung während der Zeit des Dritten Reiches konzessionsrechtlich nicht zu beanstanden sind.

4.5. Breiten Raum in der Sendung beansprucht die Darstellung der politischen Rahmenbedingungen, unter denen die Entwicklung der deutschen Niederlassung der Firma Villiger während der Zeit des Nationalsozialismus stattgefunden hat, namentlich auch die Umstände der Übernahme der Firma Geska.

Darstellung in der Sendung

Die Sendung geht von der Feststellung aus, die Expansion eines ausländischen Unternehmens während der Zeit des Nationalsozialismus sei nicht unbedingt normal gewesen; zum Beleg wurde einerseits die Bemühungen der Stadt Konstanz um die Ansiedlung einer Tochterfirma der deutschen Villiger-Niederlassung angeführt und andererseits die diesbezüglichen Einwände und Bedenken der für die Zuteilung von Tabakkontingenten zuständigen Reichsstelle, die namentlich die Verdrängung von rein deutschen Unternehmen durch grosse ausländische Konzerne befürchtete, anhand schriftlicher Dokumente erläutert.

Zu der Expansion der Villiger-Betriebe zwischen 1935 und 1940 befragt, erklärte der deutsche Wirtschaftshistoriker Harm Schröter in der Sendung, die Verdoppelung der Arbeitskräfte in dieser Zeit sei angesichts des gleichzeitig in der Cigarrenindustrie stattfindenden Stellenabbaus etwas besonderes; Kleinbetriebe seien mit den ihnen zugeteilten Tabakkontingenten von Grossbetrieben, zu denen auch die Firma Villiger gezählt habe, übernommen worden.

Nach der Feststellung der Autoren, unternehmerischen Erfolg habe man sich durch Anpassung, unter anderem dem deutschen Gruss und «Heil Hitler» in der Geschäftskorrespondenz, erkaufen müssen, und nicht nur die Firma Villiger habe die einmaligen Chancen genutzt, wurde ein deutsches Dokument, das sich allgemein zur Einstellung schweizerischer Firmen und deren strikter Beachtung der damaligen Gesetzesvorschriften im Schopfheimer Bezirk positiv äussert, in die Sendung eingebracht.

Die Darstellung der Übernahme der jüdischen Firma Geska wurde mit der Frage der Moderation in die Sendung eingeführt, ob dieser Vorgang noch mit dem Stichwort Anpassung charakterisiert werden könne. Der Wirtschaftshistoriker Schröter äusserte sich dahingehend, der Umstand, dass sich die Firma Villiger an der Arisierung jüdischer Betriebe beteiligt habe, sei ungewöhnlich und scheine ihm nicht normal, zumal sich diesbezüglich andere Firmen zurückgehalten hätten.

Heinrich Villiger äusserte sich in der Sendung gestützt auf die ihm verfügbaren Geschäftsakten, es sei der volle Gegenwert für diese Unternehmung bezahlt worden.

Der Sohn des vormaligen Miteigentümers der Firma, Peter Strauss, von den Autoren um eine Stellungnahme ersucht, die in der Sendung auszugsweise zitiert wird, erklärte, aus den Notizen seines Vaters schliesse er, dass man auf ein erstes Kaufangebot der Firma Villiger im Sommer 1935 empört reagiert habe.

Anschliessend wurden durch die Moderation die damaligen Diskriminierungen gegenüber Juden in Deutschland erwähnt und zur näheren Dokumentierung ein Statement des israelischen Wirtschaftshistorikers Avraham Barkai in der Sendung wiedergegeben, der die Atmosphäre während der Sommermonate des Jahres 1935 schilderte, die letztlich das Terrain für die Schaffung der Nürnberger-Gesetze vom September des gleichen Jahres geebnet hätten; er sei der Auffassung, die erste Unterbreitung einer Kaufofferte der Firma Villiger im Sommer 1935 sei nicht zufällig gewesen.

Nach diesen Ausführungen hielt die Moderation fest, nicht lange nach dieser Kaufanfrage von 1935 hätten sich die Geska-Eigentümer verkaufsbereit gezeigt; die Situation habe sich weiter verschärft, die jüdische Bevölkerung habe ihre bürgerlichen Rechte verloren und der Wert des jüdischen Besitzes sei ständig weiter gesunken.

In Fortsetzung seiner Ausführungen kam Barkai zum Schluss, die damaligen Verkäufe seien trotz eines Restbestandes an Legalität angesichts des Druckes der Umstände nicht freiwillig gewesen; es habe sozusagen eine Zeit der freien Jagd auf jüdische Betriebe bestanden, und wer über die richtigen Beziehungen verfügt habe, habe sich die Gelegenheit für ein gutes Geschäft nicht entgehen lassen. Sämtliche Arisierungen hätten eine behördliche Zustimmung gebraucht und seien im Einvernehmen von Industrie- und Handelskammer, Finanzamt und dem Gauwirtschaftsberater der NSDAP erfolgt; ausschlaggebend für jüdische Verkäufer sei auch die Möglichkeit eines Finanztransfers ins Ausland gewesen.

Nach dem Hinweis der Moderation, es seien Fälle bekannt, bei denen die Käufer von jüdischem Besitz unter Umgehung der damaligen Nazi-Gesetze an die Verkäufer zusätzliche Zahlungen geleistet hätten, hielt Barkai fest, dies habe ein unerschütterliches Vertrauen in den Geschäftspartner vorausgesetzt; Barkai bezeichnet die Ausführungen von Peter Strauss, man habe davor wegen akuter Lebensgefahr für die zurückgebliebenen Familienangehörigen zurückgeschreckt, als plausibel; er müsse annehmen, dass in diesem Fall das notwendige Vertrauen seitens der Juden gefehlt habe.

Zu den Umständen der Kaufsabwicklung befragt, führte Heinrich Villiger an, aus Gesprächen mit seinem Vater glaube er sich erinnern zu können, dass an die Familie Strauss zusätzliche Zahlungen aus der Schweiz geleistet worden seien; dies werde zwar vom Sohn der Familie Strauss bestritten. Akten seien darüber nicht verfügbar, weil entsprechende Zahlungen aus der Schweiz gegen die damaligen Devisenbewirtschaftung verstossen hätten.

Nach der Bemerkung der Moderation, gemäss Auskunft des Wirtschaftshistorikers Jakob Tanner von der Universität Basel seien Banküberweisungen nach den USA damals üblich und legal gewesen, wurden weitere Aussagen aus der Stellungnahme von Peter Strauss zitiert: Gemäss Notizen seien die Verhandlungen gut verlaufen und Villiger sei einverstanden gewesen, den gefragten Preis zu bezahlen; die damaligen Miteigentümer seien sich indessen bewusst gewesen, dass sie verkaufen mussten und hätten deshalb nicht auf das bestmögliche Angebot warten können; Villiger seinerseits habe dies gewusst und als gewiefter Geschäftsmann diese Umstände zu seinem Vorteil genutzt. Er sei sich sicher, dass die Behauptung, sein Vater habe nach seiner Emigration aus Deutschland Zahlungen erhalten, jeder Grundlage entbehre; nach dem Krieg hätten die vormaligen Eigentümer Entschädigungsansprüche gegenüber der Firma Villiger auf dem Rechtsweg geltend gemacht, ihre Bemühungen aber in der Folge angesichts der steigenden Verfahrenskosten und der Ungewissheit über den Ausgang eingestellt.

Zu dieser letzten von Peter Strauss formulierten Aussage wurde in der Sendung die Auskunft von Heinrich Villiger wiedergegeben, dies sei einer der wenigen Restitutionsprozesse gewesen, der von jüdischer Seite verloren worden sei, eine Aussage die Heinrich Villiger kurze Zeit später dahingehend korrigierte, die Parteien hätten sich vergleichsweise geeinigt.

Im Anschluss daran wird von der Moderation ausgeführt, nicht nur der Kauf der Firma Geska bewege sich in der Nähe der Verdrängung jüdischer Betriebe aus der deutschen Wirtschaft; bereits die vom Konstanzer Bürgermeister - im Blick auf ein Fabrikansiedlungsprojekt der Firma Villiger und die damit notwendige Zuteilung eines entsprechenden Tabakkontingentes - gegenüber dem Adjunkten von Hitler im August 1938 geäusserten Hinweise zielten in diese Richtung (Originalzitat aus dem Schreiben, zitiert in der Sendung: «Ich verweise in diesem Zusammenhang auf jüdische Cigarrenfabriken, die, wie ich annehme, in ihren Kontingenten gekürzt worden sind»).

Im folgenden wird in der Sendung auf eine eidesstattliche Erklärung von Hans und Max Villiger hingewiesen, ferner auf den handschriftlichen Vermerk: «nicht jüdisch», der sich auf einer Münchner Gewerbekarte neben einem Stempel fand.

Der Rechtshistoriker Prof. Stolleis erläutert daran anschliessend die Bedeutung der eidesstattlichen Erklärung auf dem Hintergrund der 3. Verordnung zum Reichsbürgergesetz, die letztlich bestimme, was ein jüdischer oder jüdisch beherrschter Betrieb sei, was nicht.

Zur Frage, ob die Unterzeichnung einer entsprechenden Erklärung für ausländische Unternehmen damals üblich gewesen sei, meint der Experte Schröter, dies scheine ihm eine Ausnahme zu sein. In den Archiven anderer in Deutschland investierender Unternehmen, die er untersucht habe, habe er weder vergleichbare Karten noch Hinweise auf solche Karten oder Erklärungen finden können.

Die sich seitens der Moderation an diese Ausführungen anschliessende Frage, ob jemand, der diese offenbar für Ausländer nicht zwingende Erklärung unterschreibe, zum «Über Anpasser» geworden sei, beantwortet Prof. Stolleis dahingehend, dies sei schwierig zu beantworten; Grundfrage sei ja, ob man sich überhaupt auf solche Geschäfte einlasse.

Im Anschluss an diese Ausführungen stellt die Moderation unter Zitierung einer Mitteilung in der Mai Ausgabe 1942 der Süddeutschen Tabakzeitung, wonach die Firma Villiger für die Zweigniederlassung München das Gaudiplom für hervorragende Leistungen erhalten habe, die Frage, was von diesem Umstand zu halten sei.

In der diesen Sendeteil abschliessenden Moderation wird festgehalten, die retouchierte Darstellung der Firmenaktivitäten zwischen 1933 und 1945 sei wohl kein Versehen, sondern Weiterführung der Ausblendung und Verdrängung, die von Max Villiger, dem Vater des heutigen Bundesrates, bereits 1963 in einer Darstellung mit vagen Formulierungen eingeleitet worden sei.

Rechtliche Würdigung

In seiner Eingabe zur Sendung beanstandet Heinrich Villiger, die in der Sendung gegenüber der deutschen Zweigniederlassung erhobene Kritik der «Überanpassung» an die damaligen politischen Verhältnisse lasse sich weder sachlich begründen noch beweisen.

Wie bereits vorstehend (vgl. 4.1) dargelegt wurde, ist die grundsätzliche Konzeption der Sendung mit der Gegenüberstellung der Darstellung der Firmenentwicklung in der Chronik und den recherchierten, in der Sendung dokumentierten Fakten, konzessionsrechtlich nicht zu beanstanden; ein kritisch-provokativer Ansatz in der Auseinandersetzung mit der Firmengeschichte ist im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zulässig. Zu dieser kritischen Haltung gehört auch das Bemühen der Autoren, sich dokumentarisch-historisch mit der Entwicklung eines Unternehmens unter Berücksichtigung des gesellschaftlichen und politischen Umfelds, in dem diese stattfand, auseinanderzusetzen.

Der gegenüber der Sendung erhobene Vorwurf, diese habe den Eindruck vermittelt, der unternehmerische Erfolg sei auf eine Überanpassung zurückzuführen, hält bei einer sorgfältigen Analyse der Sendung nicht stand: Im beanstandeten Beitrag wird zwar festgestellt, dass die Firma sich nach 1932 rasant entwickelt habe; entgegen den Ausführungen der GUG war indessen nie von einer «ausserordentlichen Produktionssteigerung» die Rede. Der Experte Schröter äussert sich in der Sendung dahingehend, die Entwicklung des deutschen Firmenzweiges der Firma Villiger sei auf dem Hintergrund der damaligen generellen Tendenz eines beachtlichen Abbaus von Arbeitsplätzen in der Cigarrenindustrie aussergewöhnlich. Unbestritten ist, dass sich der deutsche Unternehmenszweig am Markt nicht nur behaupten, sondern seinen Marktanteil von 1932 bis 1939 um einen Drittel vergrössern konnte, während andere Firmen, unter anderem auch die Firma Geska, als selbständige Unternehmen, verschwanden. Es ist zu fragen, ob diese Entwicklung der Firma Villiger unter dem politisch-ethischen Gesichtspunkt der Anpassung beziehungsweise Überanpassung problematisiert werden durfte.

Zunächst ist zu würdigen, dass unternehmerisches Handeln sich zwangsläufig an vorgegebenen politischen staatlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen orientiert. Der Entscheid, ob überhaupt und unter welchen Bedingungen ein Geschäft abzuschliessen, eine Unternehmungsentwicklung zu fördern sei, ist zunächst eine rein geschäftstechnische-bilanzorientierte Unternehmensentscheidung.

In diesem Sinne hat die Moderation auf dem Hintergrund der in der Sendung zuvor dargestellten massgeblichen Daten zur Firmenentwicklung festgestellt, unternehmerischen Erfolg habe man sich im Dritten Reich durch Anpassung erkaufen müssen, und sie hat im Zusammenhang mit der Schilderung der Übernahme der jüdischen Firma Geska die Frage aufgeworfen, ob dieser Vorgang noch unter das Stichwort Anpassung falle.

Die Frage der Überanpassung wurde im Zusammenhang mit der eidesstattlichen Erklärung der Gebrüder Villiger explizit dem Experten Prof. Stolleis gestellt. Prof. Stolleis hat die Frage letztlich offen gelassen und sich im wesentlichen auf die Feststellung beschränkt, eine Beantwortung sei schwierig. Der Experte Schröter hat die Beteiligung der Firma Villiger an der Arisierung angesichts der Zurückhaltung anderer Firmen als ungewöhnliches Verhalten bezeichnet. Der Zuhörer konnte diesen Äusserungen keine bestimmte These der Überanpassung entnehmen.

Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf einen Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ vom 21. April 1989) implizit beanstandet, namentlich die von Dr. Schröter im Rahmen der Vorbereitung der Sendung zur Verfügung gestellten Informationen seien in der Sendung selektiv berücksichtigt worden; die Sendung habe dadurch ein einseitiges Bild vermittelt. Im erwähnten Artikel hat Dr. Schröter tatsächlich geäussert, die Autoren hätten von seinen Auskünften das Wichtigste fortgelassen und das Nebensächliche verwendet.

Dr. Schröter hält in seiner Stellungnahme zu Handen der UBI fest, zwar seien die von ihm zur Verfügung gestellten Informationen in ihren Einzelheiten korrekt wiedergegeben worden, hingegen richte sich seine Kritik gegen die Art der Zusammenstellung und Infragestellung von Aussagen.

Sowohl die von der UBI berücksichtigten Transkripte der von den Autoren mit Dr. Schröter geführten Vorgespräche als auch namentlich das zu den Akten genommene Protokoll derogatorischen Befragung von Dr. Schröter im Strafverfahren der Autoren gegen Alfred Fetscherin lassen nicht darauf schliessen, der Gehalt der Informationen und die wesentlichen Aussagen von Dr. Schröter seien durch eine selektive Bearbeitung verfälscht worden. In der vorerwähnten Einvernahme hat der Experte Dr. Schröter folgendes präzisierend festgehalten: Seine in einem vertraulichen Schreiben an Bundesrat Kaspar Villiger formulierte und auch im genannten NZZ-Artikel wiedergegebene Kritik, beziehe sich nicht auf das von ihm den Autoren gegebene Interview, und ausserdem halte er an der in seinem Schreiben an Kaspar Villiger formulierten kritischen Gesamtwürdigung der Sendung nicht mehr fest; hingegen beanstande er die Intention, die von den Autoren seinen Informationen beigemessen wurde; seine Aussagen seien jedoch so gesendet worden, wie er sie gemacht habe.

Auch die in der Sendung ebenfalls zu Worte kommenden Experten, Dr. Barkai und Prof. Stolleis wurden von der UBI um eine Stellungnahme bezüglich der von ihnen zur Verfügung gestellten Informationen und der in der Sendung wiedergegebenen Aussagen gebeten. Prof. Barkai hält zusammenfassend fest, alle seine Informationen und Äusserungen seien in durchaus korrekter, eher etwas zurückhaltender Weise in der Sendung zum Ausdruck gekommen. Prof. Stolleis hat erklärt, er habe die Autoren ausschliesslich über die Bedeutung der eidesstattlichen Erklärung informiert, und die entsprechenden Auskünfte seien korrekt wiedergegeben worden.

Vom Beschwerdeführer ebenfalls beanstandet wurde die Auswertung und Wiedergabe der schriftlichen Auskünfte von Peter Strauss; die Autoren hätten die Auswahl der Aussage einseitig getroffen und dadurch sei ein falsches Bild entstanden. Dieses Statement schildert im wesentlichen und aus der Sicht der vormaligen Eigentümer die Umstände, unter denen die Firma Geska an die deutsche Tochtergesellschaft der Firma Villiger verkauft wurde.

Auch Heinrich Villiger macht geltend, die Darstellung der Firmenübernahme sei in der Sendung, namentlich durch die Einbettung und die Schilderung der damaligen Judenverfolgung, hochgradig emotionalisiert worden; gesichert sei jedenfalls, dass der Kauf unter Konkurrenzbedingungen stattgefunden habe und der nach dem Krieg von den vormaligen Eigentümern angestrengte Restitutionsprozess durch Vergleich erledigt worden sei. In ihrer Stellungnahme zum Kreis-Gutachten kritisiert auch die GUG, die Sendung habe die These vertreten, das aussergewöhnliche Wachstum in Deutschland sei auf die Beteiligung an der Arisierung zurückzuführen; zur Entlastung hätte auch die Information über die Hilfe der Villigers bei der Emigration der Grossmutter Strauss in die Sendung eingebracht werden müssen, die im Statement von Peter Strauss ebenfalls erwähnt sei.

Es steht fest und wird auch von Heinrich Villiger nicht bestritten, dass die Initiative zur Übernahme der Geska von der Firma Villiger ausging; dieser Aspekt wurde in der Sendung mit der gebotenen Zurückhaltung abgehandelt. Keine Erwähnung in der Sendung fanden die auch von Peter Strauss gelieferten Informationen bezüglich weiterer Kaufofferten und die Hilfeleistung der Familie Villiger bei der Emigration der Grossmutter Strauss

Diese Informationen hätten in der Sendung durchaus erwähnt werden können. Andererseits wurde darauf verzichtet, die ebenfalls von Peter Strauss stammende Auskunft, die Verkaufsverhandlungen seien in der Schlussphase vom Anwalt der Firma Villiger, einem Schulkameraden von Goebbels, geleitet worden, in die Sendung einzubringen. Keine Berücksichtigung in der Sendung fand ausserdem der Kommentar, den Prof. Stolleis in einem Vorgespräch zur Sendung gegenüber den Autoren zu den Umständen des Erwerbes der Geska durch die Firma Villiger abgegeben hat («Er - Max beziehungsweise Hans Villiger - hat gewusst, dass es jüdisches Vermögen ist, er hat gewusst, dass es grosses Unrecht ist und er hat gewusst, dass er billig kauft. Also diese drei Dinge sind ihm auf jeden Fall klar gewesen und er hat sich halt verhalten wie sich das Bürgertum immer verhält: Zugegriffen, günstiges Angebot, Moral ist die eine Seite, Geschäft die andere Seite, warum nicht?»). Diese Hinweise erhellen, dass das verfügbare Informationsmaterial durch die Autoren nicht in der für die Firma Villiger negativsten Variante verwendet wurde. Die in der Sendung gewählte Darstellung der konkreten Umstände der Firmenübernahme ist namentlich auch auf dem Hintergrund der
diesbezüglichen Beurteilung durch die Experten Schröter und Barkai vertretbar: Schröter bezeichnet die Teilnahme einer ausländischen Firma an der Arisierung als ungewöhnlich, zumal sich diesbezüglich andere Firmen zurückgehalten hätten, und Barkai erklärt, die Übernahme einer jüdischen Firma habe stets auch die Zustimmung staatlicher Behörden und auch des Gauwirtschaftsberaters der NSDAP vorausgesetzt.

Dass sich letztlich die Firma Villiger durch die Übernahme der Geska an der Arisierung (Übernahme einer jüdischen Firma) beteiligt hat, steht fest; die naheliegende und darauf bezugnehmende Frage, ob dies ein für ausländische Unternehmen normaler Vorgang gewesen sei, und die damit implizit verbundene Wertung, wird in der Sendung massgeblich vom beigezogenen Experten, Dr. Schröter beantwortet.

4.6. In der Replik beanstandet der Beschwerdeführer, die Sendung habe dem Zuhörer suggeriert, die Villigers und mit Ihnen der neue Bundesrat hätten in der Zeit des Nationalsozialismus mit dem faschistischen System kollaboriert.

Heinrich Villiger betont wiederholt in der Sendung, dass sich die Kenntnis über die Geschichte der Firma während der fraglichen Zeit auf teilweise noch vorhandene Akten und Dokumente und namentlich auch Erzählungen seines Vaters abstütze. Auch Kaspar Villiger äusserte sich in seiner die Sendung abschliessenden Stellungnahme in ähnlicher Weise. Damit war für den Zuhörer erkennbar, dass weder Heinrich noch Kaspar Villiger für die Firmenaktivitäten der deutschen Tochtergesellschaft während des zweiten Weltkrieges verantwortlich sein konnten.

In der Sendung wurde zwischen dem historischen Aspekt der Geschäftspolitik und -entwicklung in den Jahren 1933 bis 1945 und der Darstellung dieser Zeit in der Firmenchronik von 1978 klar unterschieden, und nur bezüglich der Herausgabe der Festschrift wurde auf die unternehmerische Verantwortung von Kaspar Villiger hingewiesen; durch diese Information konnte indessen nicht der Eindruck entstehen, Heinrich und Kaspar Villiger seien verantwortlich für die Geschäftstätigkeit der deutschen Tochtergesellschaft während der Zeit des Dritten Reiches.

4.7. Bundesrat Kaspar Villiger beanstandet in seinem Schluss-Statement in der Sendung, gegenüber ihm und seinem Bruder werde der Vorwurf erhoben, sie hätten die Festschrift «bewusst geschönt», um ein unangenehmes Kapitel der Firmengeschichte zu vertuschen.

In der Sendung ist zwar von «geschönter Geschichtsschreibung», «retouchierter Darstellung» der Firmenaktivitäten in den Jahren zwischen 1933 und 1945 die Rede und es wird festgehalten, dies sei «nicht einfach ein Versehen». In diesem Zusammenhang sprechen die Autoren zwar von einem Prozess der Ausblendung und Verdrängung des fraglichen Zeitraumes, lassen dabei jedoch offen, ob es sich um einen subjektiv gewollten Vorgang handelt. In der Sendung wird ausserdem ausdrücklich bereits zu Beginn festgehalten, die Geschichte der Firma Villiger im Dritten Reich sei kein Einzelfall, eine Vielzahl von Schweizer Unternehmungen hätten damals Geschäfte gemacht und das Beschönigen dieses Zeitraumes sei in der Schweiz keine Ausnahme, sondern die Regel.

Durch diese generelle Feststellung wird im Blick auf die nachfolgende, am Beispiel der Firma Villiger dokumentierte, Firmengeschichte während des Dritten Reiches die für das Verständnis durch den Zuhörer angezeigte Relativierung vorgenommen.

4.8. In seiner Eingabe beanstandet der Beschwerdeführer weiter, durch die Ausstrahlung der Sendung sei die konzessionsrechtliche Verpflichtung zur angemessenen Darstellung der Vielfalt der Ansichten verletzt worden.

Wie bereits aus der vorstehenden Darstellung der Sendung (vgl. oben 4.5) hervorgeht, konnte Heinrich Villiger namentlich zu dem in der Sendung ausgebreiteten Faktenmaterial, aber auch zu der kritischen Würdigung der Aussagen der Firmenchronik und zu den massgeblich von den Experten eingebrachten Erläuterungen der damaligen Zeitumstände Stellung nehmen. Bundesrat Kaspar Villiger seinerseits wurde die Gelegenheit eingeräumt, in Kenntnis der Sendung eine abschliessende Stellungnahme abzugeben, die integral ausgestrahlt wurde. Durch diese umfassende und kontroverse Darstellung der Ereignisse und Meinungen war der Zuhörer durchaus in der Lage, sich ein eigenes Bild über die thematisierten Vorgänge zu machen und eine eigene Wertung vorzunehmen.

5. Nach der Rechtsprechung des BGer darf sich die UBI nicht darauf beschränken, bloss jede einzelne der in der Sendung zum Ausdruck gekommenen Meinungen und Tatsachen der Reihe nach je für sich zu werten. Überdies muss der Gesamteindruck geprüft werden, welcher von der Sendung als Ganzes ausgeht (BGE 114 Ib 204, BGE 114 Ib 207). Zusammenfassend ist deshalb festzuhalten: Die Sendung hat sich, ausgehend fraglos von einem kritischen Untersuchungsansatz, einerseits am Beispiel der Firma Villiger mit dem wirtschaftlichen Verhalten eines schweizerischen Unternehmens im gesellschaftlichen und politischen Umfeld des nationalsozialistischen Deutschland auseinandergesetzt und andererseits am Beispiel der firmeneigenen Unternehmensgeschichte die Frage nach dem heutigen Umgang und Verhältnis zu einem Kapitel der schweizerischen Wirschaftsgeschichte thematisiert. Der Anspruch auf eine sachliche und ehrliche Information über die fragliche Zeit wurde ausdrücklich auch von Bundesrat Villiger in seinem in die Sendung eingeblendeten Votum aus dem Nationalrat betont und in seinem Schlussstatement in der Sendung zum Ausdruck gebracht. Dieser legitime Anspruch kann indessen nur eingelöst werden unter den Bedingungen einer offenen
Diskussionskultur und der Bereitschaft, sich auch mit problematischen historischen Vorgängen auseinanderzusetzen. Sowohl der Geschichtswissenschaft als auch den Medien kommt in der Bewältigung dieser Aufgabe eine herausragende und verantwortungsvolle Aufgabe zu. Dabei darf zweifellos das Verhalten von Akteuren des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens auch an ethischen Werten gemessen werden; diese sind soweit wie möglich offenzulegen. Auch derjenige, der über das aktuelle Zeitgeschehen oder die Geschichte informiert, kann sich allerdings irren; soweit ein historisches Ereignis in Frage steht, ist auch stets zu bedenken, dass die Beurteilung und Bewertung aus der heutigen Zeit mit ihren eigenen Massstäben und Sichtweisen vorgenommen wird.

Die Sendung hat sich unter anderem auch - und das war auch für den Zuhörer durch Konzept, Aufbau und Anlage erkennbar - der Frage der «Normalität» unter den gesellschaftlichen und politischen Bedingungen des Nationalsozialismus angenommen. Dass sich diesbezüglich nicht nur Fragen der ökonomischen Rationalität und der rein betriebswirtschaftlichen Verantwortung stellen, sondern darüber hinaus ethische Aspekte tangiert werden, ist naheliegend. In der Sendung sind diese Massstäbe kritischer Bewertung zuwenig transparent geworden. Dabei wird nicht übersehen, dass es sich letztlich um menschliche Grundfragen handelt, die nicht nur für die Beurteilung historischer Vorgänge und Ereignisse, sondern auch für das aktuelle Verhalten und heute anstehende Entscheide in den verschiedensten gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bereichen von Bedeutung sind.

Die UBI verkennt jedoch nicht, dass durch Konzept, Aufbau und Ablauf der Sendung - namentlich durch die Verkürzung der dargestellten Unternehmensentwicklung auf den Zeitraum des Dritten Reiches und die Beschränkung auf den deutschen Unternehmenszweig - den präsentierten Ereignissen und Fakten eine dem Sendegegenstand nicht durchwegs angemessene Dramatik verliehen wurde. Weiter ist nicht zu bestreiten, dass durch die Art der Gestaltung und Umsetzung der Rezipient emotional angesprochen wurde und die dem Thema angemessene Sachlichkeit durch diese Emotionalisierung beeinträchtigt war. Es besteht die Gefahr, dass starke Emotionalisierung letztlich eine vernünftige argumentative Auseinandersetzung mit einem Thema erschwert, eventuell sogar verhindert und damit zu einem Mittel manipulativer Einflussnahme auf die Rezipienten werden kann. Andererseits ist nicht zu übersehen, dass Bundesrat Villiger im Rahmen seines längeren und unkommentierten Schluss-Statements eine faire Gelegenheit erhielt, argumentativ und auch emotional ein Gegengewicht zu setzen.

Die UBI hat indessen nicht zu beurteilen, ob die gewählte Form und die Gewichtung unter journalistischen Gesichtspunkten voll umfänglich zu genügen vermochte. Die Sendung hat, wie vorstehend dargetan, den konzessionsrechtlichen Anforderungen, namentlich auch der Verpflichtung zu journalistischer Sorgfalt, genügt. Ein anderes Ergebnis drängt sich auch in Würdigung des Gesamteindruckes der Sendung nicht auf.

Dokumente der UBI
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : VPB-56.13
Datum : 05. Oktober 1990
Publiziert : 05. Oktober 1990
Quelle : Vorgängerbehörden des BVGer bis 2006
Status : Publiziert als VPB-56.13
Sachgebiet : Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI)
Gegenstand : Radio. Grundsätze für die journalistische, kritische Durchleuchtung des persönlichen Umfeldes hoher Amtsträger.


Gesetzesregister
BV: 55bis
BGE Register
114-IB-204 • 116-IB-37 • 116-IV-31
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
journalist • frage • deutschland • bundesrat • srg • moderation • vater • medien • festschrift • verhalten • mitgliedschaft • veranstalter • geschichte • replik • beginn • stelle • bedingung • nationalrat • familie • wert
... Alle anzeigen
BBl
1981/III/113 • 1981/III/118 • 1987/III/813
VPB
49.32 • 50.112 • 50.18 • 50.52 • 50.80 • 50.81 • 51.53 • 53.44 • 53.48 • 54.14 • 54.46 • 54.47 • 54.49 • 55.9