EMARK - JICRA - GICRA 2001 / 19

2001 / 19 - 139

Auszug aus dem Urteil der ARK vom 20. März 2001 i.S. M. K., Bundesrepublik Jugoslawien (Montenegro)
Art. 32 Abs. 2 Bst. c AsylG: Nichteintreten auf Asylgesuch wegen grober Verletzung der Mitwirkungspflicht.
Eine grobe Verletzung der Mitwirkungspflicht liegt nur vor, wenn dadurch eine bestimmte, konkret vorgesehene Verfahrenshandlung verhindert wird; die Verunmöglichung einer theoretisch denkbaren Amtshandlung reicht nicht aus (Bestätigung der Rechtsprechung, vgl. EMARK 2000 Nr. 8, 1994 Nr. 15).
Art. 32 al. 2 let. c LAsi : non-entrée en matière sur une demande d'asile pour violation grave du devoir de collaboration.
Une violation grave du devoir de collaboration ne peut être retenue que lorsque, par son comportement, le demandeur a empêché la réalisation d'un acte de procédure déterminé qui avait été concrètement prévu ; l'impossibilité purement théorique d'accomplir un acte administratif ne suffit pas (confirmation de jurisprudence ; v. JICRA 2000 n° 8 et 1994 n° 15).
Art. 32 cpv. 2 lett. c LAsi: non entrata nel merito di una domanda d'asilo per violazione grave del dovere di collaborare.
Una violazione grave del dovere di collaborare sussiste unicamente allorquando siffatta violazione impedisce l'esecuzione di un determinato atto procedurale già concretamente previsto; l'impossibilità solo teorica d'effettuare un atto non è sufficiente (conferma della giurisprudenza, cfr. GICRA 2000 n. 8, 1994 n. 15).
Zusammenfassung des Sachverhalts:
Der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger aus Montenegro, stellte am 31. Juli 1999 ein Asylgesuch.

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Mit Schreiben vom 1. Oktober 1999 teilte die zuständige Fremdenpolizei dem BFF mit, dass der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthalts sei. Unter der Rubrik "Erhebungen" wurde festgehalten, der Beschwerdeführer sei seit dem 17. September 1999 unbekannten Aufenthalts. Von der Einwohnerkontrolle und vom Durchgangszentrum würden keine diesbezüglichen Meldungen vorliegen. Unter der Rubrik "Vorladungen" hielt die Fremdenpolizei zudem ausdrücklich fest, dass der Beschwerdeführer nicht zur Anhörung vorgeladen worden sei.
Gemäss einer Gesprächsnotiz vom 21. Oktober 1999 versicherte die Fremdenpolizei gegenüber dem zuständigen Sachbearbeiter des BFF, dass der Beschwerdeführer seit dem 17. September 1999 als verschwunden gelte.
Mit Verfügung vom 27. Oktober 1999 trat das BFF gestützt auf Art. 32 Abs. 2 Bst. c AsylG auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht ein, verfügte die Wegweisung und beauftragte den Kanton X. mit dem sofortigen Vollzug. Einer allfälligen Beschwerde gegen diese Verfügung wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. Der Entscheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer mittels eines ihm an der Empfangsstelle ausgehändigten Merkblattes auf seine Mitwirkungspflicht gemäss Art. 8
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 8 Mitwirkungspflicht - 1 Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Sie müssen insbesondere:
1    Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Sie müssen insbesondere:
a  ihre Identität offen legen;
b  Reisepapiere und Identitätsausweise abgeben;
c  bei der Anhörung angeben, weshalb sie um Asyl nachsuchen;
d  allfällige Beweismittel vollständig bezeichnen und sie unverzüglich einreichen oder, soweit dies zumutbar erscheint, sich darum bemühen, sie innerhalb einer angemessenen Frist zu beschaffen;
e  bei der Erhebung der biometrischen Daten mitwirken;
f  sich einer vom SEM angeordneten medizinischen Untersuchung unterziehen (Art. 26a).
2    Von Asylsuchenden kann verlangt werden, für die Übersetzung fremdsprachiger Dokumente in eine Amtssprache besorgt zu sein.
3    Asylsuchende, die sich in der Schweiz aufhalten, sind verpflichtet, sich während des Verfahrens den Behörden von Bund und Kantonen zur Verfügung zu halten. Sie müssen ihre Adresse und jede Änderung der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde des Kantons oder der Gemeinde (kantonale Behörde) sofort mitteilen.
3bis    Personen, die ohne triftigen Grund ihre Mitwirkungspflicht verletzen oder den Asylbehörden während mehr als 20 Tagen nicht zur Verfügung stehen, verzichten damit auf eine Weiterführung des Verfahrens. Dasselbe gilt für Personen, die den Asylbehörden in einem Zentrum des Bundes ohne triftigen Grund während mehr als 5 Tagen nicht zur Verfügung stehen. Die Gesuche werden formlos abgeschrieben. Ein neues Gesuch kann frühestens nach drei Jahren deponiert werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung der Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 195120.21
4    Nach Vorliegen eines vollziehbaren Wegweisungsentscheides sind die betroffenen Personen verpflichtet, bei der Beschaffung gültiger Reisepapiere mitzuwirken.
AsylG aufmerksam gemacht worden sei. Es sei insbesondere darauf hingewiesen worden, dass er jede Adressänderung sogleich der Fremdenpolizei zu melden habe. Zudem sei er auch auf die Mitwirkungspflicht gemäss Art. 8 Abs. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 8 Mitwirkungspflicht - 1 Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Sie müssen insbesondere:
1    Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Sie müssen insbesondere:
a  ihre Identität offen legen;
b  Reisepapiere und Identitätsausweise abgeben;
c  bei der Anhörung angeben, weshalb sie um Asyl nachsuchen;
d  allfällige Beweismittel vollständig bezeichnen und sie unverzüglich einreichen oder, soweit dies zumutbar erscheint, sich darum bemühen, sie innerhalb einer angemessenen Frist zu beschaffen;
e  bei der Erhebung der biometrischen Daten mitwirken;
f  sich einer vom SEM angeordneten medizinischen Untersuchung unterziehen (Art. 26a).
2    Von Asylsuchenden kann verlangt werden, für die Übersetzung fremdsprachiger Dokumente in eine Amtssprache besorgt zu sein.
3    Asylsuchende, die sich in der Schweiz aufhalten, sind verpflichtet, sich während des Verfahrens den Behörden von Bund und Kantonen zur Verfügung zu halten. Sie müssen ihre Adresse und jede Änderung der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde des Kantons oder der Gemeinde (kantonale Behörde) sofort mitteilen.
3bis    Personen, die ohne triftigen Grund ihre Mitwirkungspflicht verletzen oder den Asylbehörden während mehr als 20 Tagen nicht zur Verfügung stehen, verzichten damit auf eine Weiterführung des Verfahrens. Dasselbe gilt für Personen, die den Asylbehörden in einem Zentrum des Bundes ohne triftigen Grund während mehr als 5 Tagen nicht zur Verfügung stehen. Die Gesuche werden formlos abgeschrieben. Ein neues Gesuch kann frühestens nach drei Jahren deponiert werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung der Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 195120.21
4    Nach Vorliegen eines vollziehbaren Wegweisungsentscheides sind die betroffenen Personen verpflichtet, bei der Beschaffung gültiger Reisepapiere mitzuwirken.
AsylG aufmerksam gemacht worden, wonach er sich während des Asylverfahrens den kantonalen Behörden respektive dem BFF zwecks Abklärung der geltend gemachten Asylgründe zur Verfügung zu halten habe. Der Beschwerdeführer sei gemäss Mitteilung der Fremdenpolizei seit dem 1. Oktober 1999 unbekannten Aufenthalts. Er habe auch keinen Rechtsvertreter ernannt, über den er erreicht werden könne. Aufgrund dieser Sachlage habe dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör im Hinblick auf die Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht
gewährt werden können. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten weitere Abklärungen der geltend gemachten Schutzbedürftigkeit mutwillig verunmöglicht und dadurch seine Mitwirkungspflicht schuldhaft in grober Weise verletzt. Da er damit sein Desinteresse an der Fortsetzung des Asylverfahrens bekundet habe, bestehe kein Grund zur Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung. Deshalb könne der Grundsatz der Nichtrückschiebung gemäss Art. 5 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 5 Rückschiebungsverbot - 1 Keine Person darf in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Artikel 3 Absatz 1 gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden.
1    Keine Person darf in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Artikel 3 Absatz 1 gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden.
2    Eine Person kann sich nicht auf das Rückschiebungsverbot berufen, wenn erhebliche Gründe für die Annahme vorliegen, dass sie die Sicherheit der Schweiz gefährdet, oder wenn sie als gemeingefährlich einzustufen ist, weil sie wegen eines besonders schweren Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist.
AsylG nicht angewandt werden. Im Übrigen erachtete das BFF den Vollzug der Wegweisung als zulässig, zumutbar und möglich.
Die Verfügung wurde mit der bisherigen Adresse des Beschwerdeführers versehen und am 27. Oktober 1999 versandt. Gemäss Rückschein wurde die Verfügung am 4. November 1999 dem Beschwerdeführer an einer Adresse in Y. persönlich eröffnet.

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In seiner Beschwerde beantragte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, auf das Asylgesuch sei einzutreten, die Verfügung sei aufzuheben und dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren. Zudem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen und dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren. Begründet wurde der Antrag bezüglich des Nichteintretens im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer dem Durchgangszentrum H. zugeteilt worden sei, in welchem ungefähr sechzig Personen in einem Keller im gleichen Zimmer wohnten. Der hygienische Zustand sei schlecht und die Infektionsgefahr gross gewesen. Der Beschwerdeführer habe den Dolmetscher - ein Albaner, welcher möglicherweise kaum die serbische Sprache beherrscht habe - gefragt, ob er privat wohnen könne, was dieser bejaht habe. Bei einem nicht erfahrenen Ausländer seien solche Fehler möglich und dürften nicht zu hart bestraft werden.
Mit Zwischenverfügung vom 6. Dezember 1999 stellte der Instruktionsrichter die aufschiebende Wirkung der Beschwerde wieder her und hiess das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gut.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 1999 teilte die zuständige Fremdenpolizei dem BFF mit, der Beschwerdeführer seit dem 28. Oktober 1999 an der Adresse "c/o B. S. in Y." wohnhaft sei.
In ihrer Vernehmlassung vom 5. Januar 2000 beantragte die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerde. Die in der Beschwerde vorgebrachten Gründe zum Verlassen des ihm zugewiesenen Aufenthaltsortes würden in keiner Weise die Nichtangabe der neuen Adresse rechtfertigen.
In der Replik vom 24. Januar 2000 hielt der Beschwerdeführer fest, die Unterbringung sei für ihn unerträglich gewesen. Deshalb sei er ab und zu einem Cousin gegangen.
Die ARK heisst die Beschwerde gut, hebt den angefochtenen Nichteintretensentscheid auf und weist das Verfahren zur materiellen Prüfung an das BFF zurück.
Aus den Erwägungen:

4. Nach Art. 8 Abs. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 8 Mitwirkungspflicht - 1 Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Sie müssen insbesondere:
1    Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Sie müssen insbesondere:
a  ihre Identität offen legen;
b  Reisepapiere und Identitätsausweise abgeben;
c  bei der Anhörung angeben, weshalb sie um Asyl nachsuchen;
d  allfällige Beweismittel vollständig bezeichnen und sie unverzüglich einreichen oder, soweit dies zumutbar erscheint, sich darum bemühen, sie innerhalb einer angemessenen Frist zu beschaffen;
e  bei der Erhebung der biometrischen Daten mitwirken;
f  sich einer vom SEM angeordneten medizinischen Untersuchung unterziehen (Art. 26a).
2    Von Asylsuchenden kann verlangt werden, für die Übersetzung fremdsprachiger Dokumente in eine Amtssprache besorgt zu sein.
3    Asylsuchende, die sich in der Schweiz aufhalten, sind verpflichtet, sich während des Verfahrens den Behörden von Bund und Kantonen zur Verfügung zu halten. Sie müssen ihre Adresse und jede Änderung der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde des Kantons oder der Gemeinde (kantonale Behörde) sofort mitteilen.
3bis    Personen, die ohne triftigen Grund ihre Mitwirkungspflicht verletzen oder den Asylbehörden während mehr als 20 Tagen nicht zur Verfügung stehen, verzichten damit auf eine Weiterführung des Verfahrens. Dasselbe gilt für Personen, die den Asylbehörden in einem Zentrum des Bundes ohne triftigen Grund während mehr als 5 Tagen nicht zur Verfügung stehen. Die Gesuche werden formlos abgeschrieben. Ein neues Gesuch kann frühestens nach drei Jahren deponiert werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung der Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 195120.21
4    Nach Vorliegen eines vollziehbaren Wegweisungsentscheides sind die betroffenen Personen verpflichtet, bei der Beschaffung gültiger Reisepapiere mitzuwirken.
AsylG müssen sich Asylsuchende, die sich in der Schweiz aufhalten, während des Verfahrens den Behörden von Bund und Kantonen zur Verfügung halten. Sie müssen ihre Adresse und jede Änderung der nach kantonalem Recht zuständigen Behörden des Kantons oder der Gemeinde (kantonale Behörde) sofort mitteilen. Dies bedeutet indes nach Praxis der ARK

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nicht, dass sie sich an der ihnen zugewiesenen Adresse dauernd physisch aufzuhalten haben. Gemäss Art. 12
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 12 Eröffnung und Zustellung bei einem Aufenthalt im Kanton - 1 Eine Verfügung oder Mitteilung an die letzte den Behörden bekannte Adresse von Asylsuchenden oder von diesen Bevollmächtigten wird nach Ablauf der ordentlichen siebentägigen Abholfrist rechtsgültig, auch wenn die Betroffenen aufgrund einer besonderen Vereinbarung mit der Schweizerischen Post erst zu einem späteren Zeitpunkt davon Kenntnis erhalten oder wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt.
1    Eine Verfügung oder Mitteilung an die letzte den Behörden bekannte Adresse von Asylsuchenden oder von diesen Bevollmächtigten wird nach Ablauf der ordentlichen siebentägigen Abholfrist rechtsgültig, auch wenn die Betroffenen aufgrund einer besonderen Vereinbarung mit der Schweizerischen Post erst zu einem späteren Zeitpunkt davon Kenntnis erhalten oder wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt.
2    Wird die asylsuchende Person durch mehrere Bevollmächtigte vertreten und bezeichnen diese keine gemeinsame Zustelladresse, so eröffnet die Behörde ihre Verfügungen oder stellt Mitteilungen der von der asylsuchenden Person zuerst bezeichneten bevollmächtigten Person zu.
3    Verfügungen können in geeigneten Fällen mündlich eröffnet und summarisch begründet werden. Die mündliche Eröffnung ist samt Begründung protokollarisch festzuhalten. Der Protokollauszug ist der asylsuchenden Person oder ihrer bevollmächtigten Person auszuhändigen.
AsylG müssen sie aber jederzeit über eine Zustelladresse postalisch erreichbar sein (EMARK 1994 Nr. 15, Erw. 6, S. 126).
a) In dieser Hinsicht fällt zunächst auf, dass die Meldung der Fremdenpolizei des Kantons X. vom 1. Oktober 1999 - mit welcher diese dem BFF mitteilte, dass der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthalts sei - den ausdrücklichen Hinweis enthält, dass der Beschwerdeführer nicht vorgeladen worden sei. Weder die grundsätzlich für die Anhörung der Asylgesuchsteller zuständige kantonale Behörde (vgl. Art. 29
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 29 Anhörung zu den Asylgründen - 1 Das SEM hört die Asylsuchenden zu den Asylgründen an; die Anhörung erfolgt in den Zentren des Bundes.
1    Das SEM hört die Asylsuchenden zu den Asylgründen an; die Anhörung erfolgt in den Zentren des Bundes.
1bis    Es zieht nötigenfalls eine Dolmetscherin oder einen Dolmetscher bei.
2    Die Asylsuchenden können sich zusätzlich auf eigene Kosten von einer Person und einer Dolmetscherin oder einem Dolmetscher ihrer Wahl, die selber nicht Asylsuchende sind, begleiten lassen.
3    Über die Anhörung wird ein Protokoll geführt. Dieses wird von den Beteiligten unterzeichnet.
AsylG) noch das BFF haben demnach versucht, den Beschwerdeführer postalisch zu erreichen, um ihn zur Anhörung nach Art. 29
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 29 Anhörung zu den Asylgründen - 1 Das SEM hört die Asylsuchenden zu den Asylgründen an; die Anhörung erfolgt in den Zentren des Bundes.
1    Das SEM hört die Asylsuchenden zu den Asylgründen an; die Anhörung erfolgt in den Zentren des Bundes.
1bis    Es zieht nötigenfalls eine Dolmetscherin oder einen Dolmetscher bei.
2    Die Asylsuchenden können sich zusätzlich auf eigene Kosten von einer Person und einer Dolmetscherin oder einem Dolmetscher ihrer Wahl, die selber nicht Asylsuchende sind, begleiten lassen.
3    Über die Anhörung wird ein Protokoll geführt. Dieses wird von den Beteiligten unterzeichnet.
AsylG vorzuladen respektive ihm das rechtliche Gehör nach Art. 36 Abs. 2
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 36 Verfahren vor Entscheiden - 1 Bei Nichteintretensentscheiden nach Artikel 31a Absatz 1 wird der asylsuchenden Person das rechtliche Gehör gewährt. Dasselbe gilt, wenn die asylsuchende Person:
1    Bei Nichteintretensentscheiden nach Artikel 31a Absatz 1 wird der asylsuchenden Person das rechtliche Gehör gewährt. Dasselbe gilt, wenn die asylsuchende Person:
a  die Behörden über ihre Identität täuscht und diese Täuschung aufgrund der Ergebnisse der erkennungsdienstlichen Behandlung oder anderer Beweismittel feststeht;
b  ihr Gesuch massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abstützt;
c  ihre Mitwirkungspflicht schuldhaft auf andere Weise grob verletzt.
2    In den übrigen Fällen findet eine Anhörung nach Artikel 29 statt.
AsylG zu gewähren. Nach EMARK 1994 Nr. 15 kann aber eine Verletzung der Mitwirkungspflicht nur dann als grob (im Sinne des Nichteintretens-Tatbestandes von aAsylG Art. 16 Abs. 1 Bst. e
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
= Art. 32 Abs. 2 Bst. c AsylG) bezeichnet werden, wenn sie sich auf die Verhinderung einer bestimmten, konkret vorgesehenen Verfahrenshandlung bezieht; die Verunmöglichung einer theoretisch denkbaren Amtshandlung reicht nicht aus (EMARK a.a.O., Erw. 6, S. 126 f.). Diese Rechtsprechung behält auch unter dem neuen AsylG weiterhin ihre Gültigkeit, hat sich doch in Art. 32 Abs. 2 Bst. c AsylG im Vergleich zum Korrelat des aAsylG nur der Begriff der
Schuldhaftigkeit geändert (gegenüber dem im aAsylG auf vorsätzliche Pflichtverletzung beschränkten Tatbestand), nicht aber das Erfordernis, dass die Verletzung der Mitwirkungspflicht auch als grob erscheinen muss (vgl. EMARK 2000 Nr. 8, S. 59 ff., insb. Erw. 5, S. 68 f., welche die zitierte Rechtsprechung nach EMARK 1994 Nr. 15 ausdrücklich bestätigt).
Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht ist dann als grob zu bezeichnen, wenn dadurch die Abklärungen des Falles erheblich erschwert werden (vgl. W. Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, Basel / Frankfurt a.M. 1990, S. 262). Dies ist vorliegend offensichtlich nicht der Fall, da gar keine konkrete Verfahrenshandlung anstand. Selbst wenn dem Beschwerdeführer in der fraglichen Zeit seiner Abwesenheit effektiv hätte eine Vorladung zugestellt werden sollen, wäre im Übrigen eine Behinderung des Verfahrensganges keineswegs zwingend die Folge gewesen. Es ist nämlich in der Praxis durchaus nicht unüblich, dass Gesuchsteller dafür besorgt sind, auch bei einem Wechsel ihres Aufenthaltsorts für die Behörden postalisch erreichbar zu bleiben; sei es, dass sie jemanden im Durchgangszentrum gebeten respektive beauftragt haben, ihnen die Post weiterzuleiten, oder dass sie bei der Schweizerischen Post einen Nachsendeauftrag hinterlegt haben. Der Umstand, dass dem Beschwerdeführer die angefochtene Verfügung auf postalischem Weg eröffnet wurde, ist Beleg dafür, dass er über die den Behörden bekannte Adresse erreichbar gewesen wäre und widerlegt im Übrigen die Ausführungen der Vorinstanz, wonach dem Beschwerdeführer das rechtliche

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Gehör nicht habe gewährt werden können, weil er unbekannten Aufenthalts gewesen sei.
b) Gestützt auf die obenstehenden Ausführungen ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer durch sein grundsätzlich als Verletzung der Mitwirkungspflicht zu qualifizierendes Verhalten (nicht mitteilen der Adressänderung) keine konkrete Verfahrenshandlung vereitelt hat, da eine solche gar nie in die Wege geleitet wurde. Somit ist sein pflichtwidriges Verhalten als nicht grob im Sinne von Art. 32 Abs. 2 Bst. c AsylG zu qualifizieren. Demnach ist das BFF zu Unrecht auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers vom 31. August 1999 nicht eingetreten. Demzufolge ist die Beschwerde - soweit darauf eingetreten wird - gutzuheissen. Die angefochtene Verfügung vom 27. Oktober 1999 ist aufzuheben und das BFF anzuweisen, das Asylgesuch des Beschwerdeführers in materieller Hinsicht zu prüfen.

© 27.06.02


Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2001-19-139-143
Datum : 20. März 2001
Publiziert : 20. März 2001
Quelle : Vorgängerbehörden des BVGer bis 2006
Status : Publiziert als 2001-19-139-143
Sachgebiet : Bundesrepublik Jugoslawien
Gegenstand : Art. 32 Abs. 2 Bst. c AsylG: Nichteintreten auf Asylgesuch wegen grober Verletzung der Mitwirkungspflicht.
Einordnung : Bestätigung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
AsylG: 5 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 5 Rückschiebungsverbot - 1 Keine Person darf in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Artikel 3 Absatz 1 gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden.
1    Keine Person darf in irgendeiner Form zur Ausreise in ein Land gezwungen werden, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit aus einem Grund nach Artikel 3 Absatz 1 gefährdet ist oder in dem sie Gefahr läuft, zur Ausreise in ein solches Land gezwungen zu werden.
2    Eine Person kann sich nicht auf das Rückschiebungsverbot berufen, wenn erhebliche Gründe für die Annahme vorliegen, dass sie die Sicherheit der Schweiz gefährdet, oder wenn sie als gemeingefährlich einzustufen ist, weil sie wegen eines besonders schweren Verbrechens oder Vergehens rechtskräftig verurteilt worden ist.
8 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 8 Mitwirkungspflicht - 1 Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Sie müssen insbesondere:
1    Asylsuchende sind verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Sie müssen insbesondere:
a  ihre Identität offen legen;
b  Reisepapiere und Identitätsausweise abgeben;
c  bei der Anhörung angeben, weshalb sie um Asyl nachsuchen;
d  allfällige Beweismittel vollständig bezeichnen und sie unverzüglich einreichen oder, soweit dies zumutbar erscheint, sich darum bemühen, sie innerhalb einer angemessenen Frist zu beschaffen;
e  bei der Erhebung der biometrischen Daten mitwirken;
f  sich einer vom SEM angeordneten medizinischen Untersuchung unterziehen (Art. 26a).
2    Von Asylsuchenden kann verlangt werden, für die Übersetzung fremdsprachiger Dokumente in eine Amtssprache besorgt zu sein.
3    Asylsuchende, die sich in der Schweiz aufhalten, sind verpflichtet, sich während des Verfahrens den Behörden von Bund und Kantonen zur Verfügung zu halten. Sie müssen ihre Adresse und jede Änderung der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde des Kantons oder der Gemeinde (kantonale Behörde) sofort mitteilen.
3bis    Personen, die ohne triftigen Grund ihre Mitwirkungspflicht verletzen oder den Asylbehörden während mehr als 20 Tagen nicht zur Verfügung stehen, verzichten damit auf eine Weiterführung des Verfahrens. Dasselbe gilt für Personen, die den Asylbehörden in einem Zentrum des Bundes ohne triftigen Grund während mehr als 5 Tagen nicht zur Verfügung stehen. Die Gesuche werden formlos abgeschrieben. Ein neues Gesuch kann frühestens nach drei Jahren deponiert werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung der Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 195120.21
4    Nach Vorliegen eines vollziehbaren Wegweisungsentscheides sind die betroffenen Personen verpflichtet, bei der Beschaffung gültiger Reisepapiere mitzuwirken.
12 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 12 Eröffnung und Zustellung bei einem Aufenthalt im Kanton - 1 Eine Verfügung oder Mitteilung an die letzte den Behörden bekannte Adresse von Asylsuchenden oder von diesen Bevollmächtigten wird nach Ablauf der ordentlichen siebentägigen Abholfrist rechtsgültig, auch wenn die Betroffenen aufgrund einer besonderen Vereinbarung mit der Schweizerischen Post erst zu einem späteren Zeitpunkt davon Kenntnis erhalten oder wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt.
1    Eine Verfügung oder Mitteilung an die letzte den Behörden bekannte Adresse von Asylsuchenden oder von diesen Bevollmächtigten wird nach Ablauf der ordentlichen siebentägigen Abholfrist rechtsgültig, auch wenn die Betroffenen aufgrund einer besonderen Vereinbarung mit der Schweizerischen Post erst zu einem späteren Zeitpunkt davon Kenntnis erhalten oder wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt.
2    Wird die asylsuchende Person durch mehrere Bevollmächtigte vertreten und bezeichnen diese keine gemeinsame Zustelladresse, so eröffnet die Behörde ihre Verfügungen oder stellt Mitteilungen der von der asylsuchenden Person zuerst bezeichneten bevollmächtigten Person zu.
3    Verfügungen können in geeigneten Fällen mündlich eröffnet und summarisch begründet werden. Die mündliche Eröffnung ist samt Begründung protokollarisch festzuhalten. Der Protokollauszug ist der asylsuchenden Person oder ihrer bevollmächtigten Person auszuhändigen.
16 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
29 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 29 Anhörung zu den Asylgründen - 1 Das SEM hört die Asylsuchenden zu den Asylgründen an; die Anhörung erfolgt in den Zentren des Bundes.
1    Das SEM hört die Asylsuchenden zu den Asylgründen an; die Anhörung erfolgt in den Zentren des Bundes.
1bis    Es zieht nötigenfalls eine Dolmetscherin oder einen Dolmetscher bei.
2    Die Asylsuchenden können sich zusätzlich auf eigene Kosten von einer Person und einer Dolmetscherin oder einem Dolmetscher ihrer Wahl, die selber nicht Asylsuchende sind, begleiten lassen.
3    Über die Anhörung wird ein Protokoll geführt. Dieses wird von den Beteiligten unterzeichnet.
32  36
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 36 Verfahren vor Entscheiden - 1 Bei Nichteintretensentscheiden nach Artikel 31a Absatz 1 wird der asylsuchenden Person das rechtliche Gehör gewährt. Dasselbe gilt, wenn die asylsuchende Person:
1    Bei Nichteintretensentscheiden nach Artikel 31a Absatz 1 wird der asylsuchenden Person das rechtliche Gehör gewährt. Dasselbe gilt, wenn die asylsuchende Person:
a  die Behörden über ihre Identität täuscht und diese Täuschung aufgrund der Ergebnisse der erkennungsdienstlichen Behandlung oder anderer Beweismittel feststeht;
b  ihr Gesuch massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abstützt;
c  ihre Mitwirkungspflicht schuldhaft auf andere Weise grob verletzt.
2    In den übrigen Fällen findet eine Anhörung nach Artikel 29 statt.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
mitwirkungspflicht • adresse • asylverfahren • verhalten • aufschiebende wirkung • kantonale behörde • vorinstanz • montenegro • aufenthaltsort • entscheid • unentgeltliche rechtspflege • sachverhalt • asylrecht • nichteintretensentscheid • die post • gerichts- und verwaltungspraxis • hindernis • bewilligung oder genehmigung • bescheinigung • empfangsstelle
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EMARK
1994/15 • 2000/8 • 2000/8 S.59