Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

2D_27/2013, 2D_28/2013

Urteil vom 27. Juni 2013

II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Gerichtsschreiber Errass.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Rémy Wyssmann,

gegen

Finanzdepartement des Kantons Solothurn, Rathaus, 4509 Solothurn.

Gegenstand
2D_27/2013
Staatssteuern 2010; Erlass,

2D_28/2013
Bundessteuer 2010; Erlass,

Verfassungsbeschwerden gegen das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 18. März 2013.

Erwägungen:

1.
Die Steuerpflichtige X.________ ersuchte vor kantonalen Instanzen erfolglos um Erlass der Staats- und direkten Bundessteuer von Fr. 15'442.95 bzw. Fr. 5'294.40. Vor Bundesgericht beantragt X.________ mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde, das Urteil des Steuergerichts des Kantons Solothurn vom 18. März 2013 aufzuheben und ihr unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

2.
Die Beschwerde ist offensichtlich unzulässig, weshalb der Präsident im vereinfachten Verfahren unter kurzer Angabe des Unzulässigkeitsgrundes (Art. 108 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 BGG) entscheidet.
Gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über den Erlass von Abgaben ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht zulässig (Art. 83 lit. m BGG), wohl aber die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 BGG). Dazu ist berechtigt, wer u.a. ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Dieses Interesse kann durch kantonales oder eidgenössisches Gesetzesrecht oder aber unmittelbar durch ein spezielles Grundrecht oder bundesverfassungsrechtliche Verfahrensgarantien begründet sein (BGE 135 I 265 E. 1.3 S. 270).
Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung verschiedener Teilgehalte des rechtlichen Gehörs nach Art. 29 Abs. 2 BV (Verletzung der Begründungspflicht und Verletzung des Anspruchs auf Mitwirkung am Beweisverfahren), von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und des Willkürverbots nach Art. 9 BV geltend. Art. 6 Ziff. 1 EMRK ist hier nicht anwendbar (vgl. Urteil des EGMR i.S. Ferrazzini c. Italien vom 12. Juli 2001, Nr. 44759/98 Ziff. 27 ff., in: NJW 2002 S. 3453). Das Willkürverbot verschafft für sich allein keine geschützte Rechtsstellung. Zur Willkürrüge ist eine beschwerdeführende Person deshalb nur legitimiert, wenn die gesetzliche Bestimmung, deren willkürliche Anwendung sie geltend macht, ihr einen Rechtsanspruch einräumt (BGE 138 I 305 E. 1.3 S. 308). Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung vermittelt § 182 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Solothurn vom 1. Dezember 1985 über die Staats- und Gemeindesteuern (StG/SO; BGS 614.11) keinen Rechtsanspruch auf Steuererlass (vgl. die Zusammenfassung in 2C_702/2012 vom 19. März 2013 E. 3.4). Entgegen Art. 2 Abs. 1
SR 642.121 Verordnung des EFD vom 12. Juni 2015 über die Behandlung von Gesuchen um Erlass der direkten Bundessteuer (Steuererlassverordnung) - Steuererlassverordnung
Steuererlassverordnung Art. 2 Notlagen bei natürlichen Personen
1    Eine Notlage (Art. 167 Abs. 1 DBG) einer natürlichen Person liegt vor, wenn:
a  die finanziellen Mittel der Person zur Bestreitung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nicht ausreichen; oder
b  der ganze geschuldete Betrag in einem Missverhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit der Person steht.
2    Ein Missverhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn die Steuerschuld trotz zumutbarer Einschränkung der Lebenshaltungskosten nicht in absehbarer Zeit vollumfänglich beglichen werden kann.
3    Eine Einschränkung der Lebenshaltungskosten gilt als zumutbar, wenn diese das betreibungsrechtliche Existenzminimum übersteigen (Art. 93 des BG vom 11. April 18892 über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG).
der Steuererlassverordnung vom 19. Dezember 1994 (SR 642.121) und MICHAEL BEUSCH (in: Zweifel/Athanas, Basler Kommentar zum DBG, Bd. I/2b, 2. Aufl. 2008, Art. 167 N. 8) gilt dies
auch für die direkte Bundessteuer (Urteil 2D_55/2011 vom 16. Februar 2012 E. 2.1, Urteil 2P.390/1998 vom 8. Februar 1999, in: ASA 68, 77), kann doch das Departement nicht abweichend von der durch das Bundesgericht ausgelegten gesetzlichen Norm (Art. 167 Abs. 1
SR 642.11 Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG)
DBG Art. 167 Voraussetzungen - 1 Bedeutet für eine steuerpflichtige Person infolge einer Notlage die Zahlung der Steuer, eines Zinses oder einer Busse wegen einer Übertretung eine grosse Härte, so können die geschuldeten Beträge auf Gesuch hin ganz oder teilweise erlassen werden.
1    Bedeutet für eine steuerpflichtige Person infolge einer Notlage die Zahlung der Steuer, eines Zinses oder einer Busse wegen einer Übertretung eine grosse Härte, so können die geschuldeten Beträge auf Gesuch hin ganz oder teilweise erlassen werden.
2    Der Steuererlass bezweckt, zur dauerhaften Sanierung der wirtschaftlichen Lage der steuerpflichtigen Person beizutragen. Er hat der steuerpflichtigen Person selbst und nicht ihren Gläubigerinnen oder Gläubigern zugutezukommen.
3    Bussen und Nachsteuern werden nur in besonders begründeten Ausnahmefällen erlassen.
4    Die Erlassbehörde tritt nur auf Erlassgesuche ein, die vor Zustellung des Zahlungsbefehls (Art. 38 Abs. 2 des BG vom 11. April 1889252 über Schuldbetreibung und Konkurs; SchKG) eingereicht werden.
5    In Quellensteuerfällen kann nur die steuerpflichtige Person selbst oder die von ihr bestimmte vertragliche Vertretung ein Erlassgesuch einreichen.
DBG [SR 642.11]) legiferieren, und insofern ist Art. 2 Abs. 1
SR 642.121 Verordnung des EFD vom 12. Juni 2015 über die Behandlung von Gesuchen um Erlass der direkten Bundessteuer (Steuererlassverordnung) - Steuererlassverordnung
Steuererlassverordnung Art. 2 Notlagen bei natürlichen Personen
1    Eine Notlage (Art. 167 Abs. 1 DBG) einer natürlichen Person liegt vor, wenn:
a  die finanziellen Mittel der Person zur Bestreitung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nicht ausreichen; oder
b  der ganze geschuldete Betrag in einem Missverhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit der Person steht.
2    Ein Missverhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn die Steuerschuld trotz zumutbarer Einschränkung der Lebenshaltungskosten nicht in absehbarer Zeit vollumfänglich beglichen werden kann.
3    Eine Einschränkung der Lebenshaltungskosten gilt als zumutbar, wenn diese das betreibungsrechtliche Existenzminimum übersteigen (Art. 93 des BG vom 11. April 18892 über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG).
der Steuererlassverordnung gesetzeswidrig.
Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde kann die Beschwerdeführerin zwar eine Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV rügen, da dessen Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft; das rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls aus der Berechtigung der Partei am Verfahren teilzunehmen (BGE 138 IV 78 E. 1.3 S. 80). Allerdings sind Vorbringen unzulässig, welche im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids hinauslaufen, wie etwa die Behauptung, die Begründung sei unvollständig oder zu wenig differenziert bzw. die Vorinstanz habe sich nicht oder in willkürlicher Weise mit den Argumenten der Partei auseinandergesetzt und Beweisanträge in offensichtlich unhaltbarer antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt (BGE 137 II 305 E. 2 S. 308). Genau solche Argumente bringt die Beschwerdeführerin indes vor. Ihre Rügen und ihre Begründung betreffen nicht Verfahrensrechte, sondern die materielle Beurteilung der Sache selbst, was sich auch aus den verschiedenen Beweismittelanträgen ergibt: So werden etwa die von der Vorinstanz aufgeführten Beträge kritisiert; es wird ausgeführt, wie die Abrechnung richtig zu sein hätte, welches Einkommen bzw. welche Abzüge welcher Personen einbezogen werden dürften oder
wie der Wert der Liegenschaft einzubeziehen ist. Die Beschwerdeführerin rügt infolgedessen nicht eine Verletzung von Verfahrensrechten, sondern eine - hier nicht zulässige - willkürliche Anwendung von kantonalem und Bundesrecht.

3.
Mit dem sofortigen Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann schon wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1
SR 642.121 Verordnung des EFD vom 12. Juni 2015 über die Behandlung von Gesuchen um Erlass der direkten Bundessteuer (Steuererlassverordnung) - Steuererlassverordnung
Steuererlassverordnung Art. 2 Notlagen bei natürlichen Personen
1    Eine Notlage (Art. 167 Abs. 1 DBG) einer natürlichen Person liegt vor, wenn:
a  die finanziellen Mittel der Person zur Bestreitung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nicht ausreichen; oder
b  der ganze geschuldete Betrag in einem Missverhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit der Person steht.
2    Ein Missverhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn die Steuerschuld trotz zumutbarer Einschränkung der Lebenshaltungskosten nicht in absehbarer Zeit vollumfänglich beglichen werden kann.
3    Eine Einschränkung der Lebenshaltungskosten gilt als zumutbar, wenn diese das betreibungsrechtliche Existenzminimum übersteigen (Art. 93 des BG vom 11. April 18892 über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG).
BGG). Damit sind die Gerichtskosten (Art. 65
SR 642.121 Verordnung des EFD vom 12. Juni 2015 über die Behandlung von Gesuchen um Erlass der direkten Bundessteuer (Steuererlassverordnung) - Steuererlassverordnung
Steuererlassverordnung Art. 2 Notlagen bei natürlichen Personen
1    Eine Notlage (Art. 167 Abs. 1 DBG) einer natürlichen Person liegt vor, wenn:
a  die finanziellen Mittel der Person zur Bestreitung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nicht ausreichen; oder
b  der ganze geschuldete Betrag in einem Missverhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit der Person steht.
2    Ein Missverhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn die Steuerschuld trotz zumutbarer Einschränkung der Lebenshaltungskosten nicht in absehbarer Zeit vollumfänglich beglichen werden kann.
3    Eine Einschränkung der Lebenshaltungskosten gilt als zumutbar, wenn diese das betreibungsrechtliche Existenzminimum übersteigen (Art. 93 des BG vom 11. April 18892 über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG).
BGG) der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
SR 642.121 Verordnung des EFD vom 12. Juni 2015 über die Behandlung von Gesuchen um Erlass der direkten Bundessteuer (Steuererlassverordnung) - Steuererlassverordnung
Steuererlassverordnung Art. 2 Notlagen bei natürlichen Personen
1    Eine Notlage (Art. 167 Abs. 1 DBG) einer natürlichen Person liegt vor, wenn:
a  die finanziellen Mittel der Person zur Bestreitung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nicht ausreichen; oder
b  der ganze geschuldete Betrag in einem Missverhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit der Person steht.
2    Ein Missverhältnis zur finanziellen Leistungsfähigkeit ist insbesondere dann gegeben, wenn die Steuerschuld trotz zumutbarer Einschränkung der Lebenshaltungskosten nicht in absehbarer Zeit vollumfänglich beglichen werden kann.
3    Eine Einschränkung der Lebenshaltungskosten gilt als zumutbar, wenn diese das betreibungsrechtliche Existenzminimum übersteigen (Art. 93 des BG vom 11. April 18892 über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG).
BGG). Parteientschädigungen sind keine geschuldet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Kantonalen Steuergericht Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Juni 2013

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Zünd

Der Gerichtsschreiber: Errass
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2D_27/2013
Datum : 27. Juni 2013
Publiziert : 10. Juli 2013
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Öffentliche Finanzen und Abgaberecht
Gegenstand : Staatssteuern 2010; Erlass


Gesetzesregister
BGG: 64  65  66  83  108  113
BV: 9  29
DBG: 167
SR 642.11 Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG)
DBG Art. 167 Voraussetzungen - 1 Bedeutet für eine steuerpflichtige Person infolge einer Notlage die Zahlung der Steuer, eines Zinses oder einer Busse wegen einer Übertretung eine grosse Härte, so können die geschuldeten Beträge auf Gesuch hin ganz oder teilweise erlassen werden.
1    Bedeutet für eine steuerpflichtige Person infolge einer Notlage die Zahlung der Steuer, eines Zinses oder einer Busse wegen einer Übertretung eine grosse Härte, so können die geschuldeten Beträge auf Gesuch hin ganz oder teilweise erlassen werden.
2    Der Steuererlass bezweckt, zur dauerhaften Sanierung der wirtschaftlichen Lage der steuerpflichtigen Person beizutragen. Er hat der steuerpflichtigen Person selbst und nicht ihren Gläubigerinnen oder Gläubigern zugutezukommen.
3    Bussen und Nachsteuern werden nur in besonders begründeten Ausnahmefällen erlassen.
4    Die Erlassbehörde tritt nur auf Erlassgesuche ein, die vor Zustellung des Zahlungsbefehls (Art. 38 Abs. 2 des BG vom 11. April 1889252 über Schuldbetreibung und Konkurs; SchKG) eingereicht werden.
5    In Quellensteuerfällen kann nur die steuerpflichtige Person selbst oder die von ihr bestimmte vertragliche Vertretung ein Erlassgesuch einreichen.
EMRK: 6
SR 642.121: 2
BGE Register
135-I-265 • 137-II-305 • 138-I-305 • 138-IV-78
Weitere Urteile ab 2000
2C_702/2012 • 2D_27/2013 • 2D_28/2013 • 2D_55/2011 • 2P.390/1998
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesgericht • unentgeltliche rechtspflege • rechtlich geschütztes interesse • vorinstanz • verfahrensbeteiligter • gerichtsschreiber • direkte bundessteuer • gerichtskosten • verfahrensgarantie • bundesgesetz über die direkte bundessteuer • entscheid • steuererlass • verfassungsbeschwerde • solothurn • anspruch auf rechtliches gehör • begründung des entscheids • begründung der eingabe • beschwerde in öffentlich-rechtlichen angelegenheiten • angabe • rechtsanwalt
... Alle anzeigen
Zeitschrift ASA
ASA 68,77