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17. Auszug aus dem Urteil der ARK vom 22. April 1998
i.S. Y.Z. und Familie, Burundi

Art. 3 Abs. 1 AsylG: Verfolgung von Hutus in Burundi.

1. Darstellung der Lage in Burundi (Erw. 4a).

2. Gezieltheit der Verfolgung; Abgrenzung zwischen asylrelevanter Verfolgungsmotivation und ungezielten "Nebenfolgen" des Krieges oder Bürgerkrieges. Elite der gebildeten, wohlhabenden oder politisch exponierten Hutus als Zielgruppe einer Verfolgung durch Tutsis (Erw. 4c).

3. Uebergriffe "privater" Tutsi-Milizen sind der staatlichen Verantwortung zuzurechnen (Erw. 4d).

Art. 3, 1er al. LAsi : persécution des Hutus au Burundi.

1. Analyse de la situation au Burundi (consid. 4a).

2. Caractère ciblé de la persécution ; distinction entre persécution individuelle déterminante en matière d'asile et conséquences indirectes non ciblées de la guerre ou de la guerre civile. L'élite des Hutus formée des intellectuels, des personnes aisées ou politiquement en vue doit être considérée comme constituant un groupe exposé à une persécution de la part des Tutsis (consid. 4c).

3. L'Etat doit être tenu pour responsable des abus commis par les milices "privées" tutsis (consid. 4d).

Art. 3 cpv. 1 LAsi: persecuzione degli Hutu nel Burundi.

1. Descrizione della situazione nel Burundi (consid. 4a).


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2. Carattere personale della persecuzione; distinzione tra persecuzione individuale rilevante in materia d'asilo e "conseguenze accessorie" indirette della guerra o della guerra civile. Elite degli Hutu, costituita dagli intellettuali, dai benestanti o da persone politicamente in vista, quale gruppo esposto ad una persecuzione da parte dei Tutsi (consid. 4c).

3. Aggressioni da parte di milizie Tutsi "private" sono imputabili alle autorità statuali (consid. 4d).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die Beschwerdeführer reichten im August 1994 in der Schweiz ein Asylgesuch ein. In der Empfangsstelle und in der kantonalen Anhörung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, er werde von der burundischen Armee als "unerwünschtes Element" betrachtet, weil er der Gruppe der intellektuellen Hutu angehöre und Mitglied der Palipehutu gewesen sei. Er werde von der Regierung als Oppositioneller eingestuft. Die Drohung sei auch von der Seite seiner Ex-Partei gekommen, die ihn ebenfalls als Feind betrachte. Er habe Burundi erstmals im Jahre 1979 verlassen und sei danach insgesamt 14 Jahre in verschiedenen Staaten im Exil gewesen, wo er sich auch politisch betätigt habe. Aus der Palipehutu sei er aber 1982 wegen politischer Differenzen ausgetreten. Im weiteren habe er während seines Exils mit der Partei des ehemaligen Präsidenten Burundis, Jean-Baptiste Bagaza, Auseinandersetzungen gehabt. Dieser sei nun wieder in Burundi, wo seine Partei anerkannt sei und von der Armee unterstützt werde. Die Feindschaft existiere immer noch und sie würden von der Parena verfolgt. 1993 sei er nach Burundi zurückgekehrt, weil eine Amnestie für alle Oppositionellen ausgesprochen worden sei. Er habe Burundi im Januar 1994 erneut verlassen, weil
die Regierung die intellektuellen Hutus umbringen lasse. Er sei auch wegen seiner vergangenen politischen Aktivitäten für die Palipehutu gefährdet. Von Verwandten habe er im Dezember 1993 erfahren, dass er sich auf einer Liste der gesuchten Personen befinde.

Die Beschwerdeführerin sagte aus, sie habe Burundi verlassen, weil ihr Ehemann dort gesucht worden sei. Sie habe weder in Tansania, wo sie von 1972 bis im Juni 1993 gelebt habe, noch in Burundi irgendwelche Probleme gehabt.


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Mit Verfügung vom 28. Oktober 1994 lehnte das BFF das Asylgesuch ab. Gleichzeitig verfügte es die Wegweisung der Beschwerdeführer aus der Schweiz. Es begründete seinen ablehnenden Entscheid damit, dass der Beschwerdeführer behauptet habe, er sei in erster Linie gefährdet, weil er für die Palipehutu tätig gewesen sei. Da er diese Organisation aber im Jahre 1982 habe verlassen wollen, hätte es keinen Grund gegeben, ihn deswegen zwölf Jahre später zu verfolgen. Da er selbst ausgesagt habe, er sei nach Burundi zurückgekehrt, weil dort Demokratie herrsche und eine Amnestie ausgesprochen worden sei, könne die plötzliche Suche nach ihm nicht geglaubt werden. Er mache geltend, er sei gleichzeitig von der Palipehutu verfolgt worden, weil er aus deren Organisation ausgetreten sei und als Träger militärischer Informationen angesehen werde. Da diese Organisation vor allem in den benachbarten Ländern tätig sei, wäre er nicht in Burundi, sondern in Tansania gefährdet gewesen. Er habe jedoch von 1982 bis 1986 in Tansania gelebt, ohne von Seiten der Palipehutu verfolgt worden zu sein. Insofern er geltend mache, er sei als intellektueller Hutu besonders gefährdet, sei einzuräumen, dass zur Zeit in Burundi Spannungen zwischen den Ethnien der Hutu
und der Tutsi bestünden. Von einer gezielten staatlichen Verfolgung der intellektuellen Hutu könne nicht die Rede sein, da die Hutu an der Regierung beteiligt seien und die Hutu-Partei Frodebu im Parlament die Mehrheit bilde. Ferner habe der Beschwerdeführer bezüglich der Art der Ausreise und der dabei verwendeten Identitätspapiere unterschiedliche Angaben gemacht. Die von der Rechtsvertreterin eingereichten Ausweise datierten vom 23. April 1994, zu einer Zeit also, während der der Beschwerdeführer bereits seit mehreren Monaten gesucht worden sein solle. Ein derartiges Verhalten der burundischen Behörden bestärke die Zweifel an der geltend gemachten Verfolgung. Zudem habe er gegenüber den schweizerischen Behörden ausgesagt, er habe zu Hause einen Identitätsausweis, welcher im Juli 1993 ausgestellt worden sei. Die Wegweisung und deren Vollzug erachtete das BFF als zulässig, zumutbar und möglich.

Mit Eingabe vom 15. November 1994 beantragen die Beschwerdeführer, der vorinstanzliche Entscheid sei vollumfänglich aufzuheben und es sei ihnen politisches Asyl zu gewähren. Der Vollzug der Wegweisung sei aufzuheben.

Das BFF beantragt in der Vernehmlassung vom 10. Oktober 1995 die Abweisung der Beschwerde.

Die ARK heisst die Beschwerde gut und weist das BFF an, den Beschwerdeführern Asyl zu erteilen.


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Aus den Erwägungen:

3. a) Die Beschwerdeführer machen in ihrer Eingabe geltend, der Beschwerdeführer habe wohl aufgrund des Umstandes, dass sein Vater als Intellektueller im Jahre 1972 bei einem Aufstand ermordet worden sei, seine schillernde politische Karriere sehr früh begonnen. Nach Abschluss des College habe er seine Ausbildung an der Universität fortführen wollen. Der damalige Diktator, Jean-Baptiste Bagaza habe jedoch jegliche Hochschulbildung von Hutus unterdrückt. Fast sämtliche Hutus seien von der Universität vertrieben worden. Deshalb sei er der Palipehutu beigetreten. [Im Exil] sei es zwischen ihm und der Frolina immer wieder zu Auseinandersetzungen bezüglich des einzuschlagenden politischen Weges gekommen. Es sei mithin davon auszugehen, dass er auch von Seiten der Frolina in seinem Heimatland mit Übergriffen zu rechnen hätte. Nach seiner Rückkehr im Juni 1993 habe er sich weder einer Partei angeschlossen, noch habe er sich an den Parlamentswahlen beteiligt; damit habe er seine Neutralität zum Ausdruck bringen wollen. Es sei ganz klar, dass die Armee dieses Verhalten dahingehend interpretiert habe, dass es sich bei ihm immer noch um einen begeisterten Palipehutu handle. Nach dem Staatsstreich von 21. Oktober 1993 habe sich die
Situation derart zugespitzt, dass sein Cousin, der ein Anhänger der Palipehutu sei und mit dem er eine Garage betrieben habe, nach Tansania geflohen sei. Anfangs Januar 1994 habe er von [einem mit ihm verwandten Armeeangehörigen] erfahren, dass er auf einer Liste von zu eliminierenden Hutus figuriere. Der Beschwerdeführer habe weder widersprüchliche oder unsubstantiierte, noch tatsachenwidrige Angaben gemacht. Er habe seinen Werdegang detailgetreu und widerspruchslos geschildert. Aus der vorinstanzlichen Begründung gehe hervor, dass die Vorinstanz die Situation in Burundi völlig falsch einschätze. Es sei zu rügen, dass ihm weder Gelegenheit geboten worden sei, Beweismittel zu beschaffen, noch die Vorinstanz eigene Abklärungen vorgenommen habe. Der Staatsstreich vom Herbst 1993 habe zu unzähligen Massakern und zu einem grossen Flüchtlingselend geführt. Im Zuge der folgenden Ereignisse sei es auch in Ruanda zu schlimmstem Blutvergiessen gekommen. Erst die Nachricht [seines Verwandten] habe dem Beschwerdeführer klar gemacht, in welch kritischer Situation er sich befunden habe. Die Situation in Burundi sei seit Oktober 1993 als völlig instabil zu bezeichnen, wobei bekannt sei, dass der politisch herrschenden Hutu-Mehrheit eine von
den Tutsi dominierte Armee gegenüberstehe. Er habe nie geltend gemacht, von irgendwelchen politischen oder zivilen Behörden gesucht oder verfolgt worden zu sein. Die "schwarze Liste", auf welcher er verzeichnet sei, habe keinen offiziellen Charakter, sondern stamme aus Armeekreisen. Somit sei es auch folgerichtig, dass er nach seiner Ausreise von


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den Behörden noch eine Identitätskarte habe erhalten können. Sämtliche von der Vorinstanz festgehaltenen Unglaubwürdigkeitselemente seien an den Haaren herbeigezogen und liessen sich bei genauem Aktenstudium ohne weiteres erklären. Indem die Vorinstanz einzig aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechender Tatsachen das Asylgesuch abgelehnt habe, verletze der Entscheid die Begründungspflicht in krasser Weise. Der Beschwerdeführer werde von der burundischen Armee an Leib und Leben bedroht. Da feststehe, dass die Armee die Macht ausübe, sei eine von ihr ausgehende Verfolgung direkt dem Staat zuzuordnen. Da der Beschwerdeführer, der auf dem politischen Parkett eine äusserst aktive Rolle gespielt habe, sich geweigert habe, zugunsten der vorherrschenden Frodebu Stellung zu beziehen, sei dies als Bekenntnis für die Palipehutu gewertet worden. Die staatliche Verfolgung sei gezielt, knüpfe an seine Ethnie an und sei gegen ihn persönlich gerichtet. Diese Einschätzung werde auch von "amnesty international" geteilt.

b) Das BFF führt in seiner Vernehmlassung aus, der Beschwerdeführer unterlasse es, auf die Ausführungen des BFF im einzelnen einzugehen. Hauptargument für die Verfolgung sei eine angebliche "Todesliste"; jedoch seien die Angaben zum Zeitpunkt, in welchem der Beschwerdeführer von der Liste erfahren habe, widersprüchlich. Widersprüchlich seien auch die Aussagen in bezug auf die Person, welche ihn darüber orientiert habe. Der von ihm eingereichte Bericht, in welchem [ein bestimmter Offizier] erwähnt werde, sei kein Beweis für den geltend gemachten Sachverhalt. Dem Beschwerdeführer habe seit August 1994 die Möglichkeit offengestanden, asylerhebliche Akten ins Recht zu legen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe nie geltend gemacht, von Mitgliedern politischer oder ziviler Instanzen gesucht oder verfolgt worden zu sein, sei aktenwidrig. Im BFF-Entscheid sei dies nicht so ausgeführt worden und trotzdem lasse sich anhand des Protokolls nachweisen, dass er sich in der geltend gemachten Art geäussert habe. Die Schlussfolgerung von "amnesty international" könne nicht durch konkrete und fallbezogene Hinweise belegt werden.

c) Die Beschwerdeführer machen in ihrer Stellungnahme geltend, im vorinstanzlichen Entscheid seien nur bezüglich des Reisewegs Widersprüche aufgeführt worden; da diese irrelevant seien, habe es keine Veranlassung gegeben, darauf einzugehen. Der Beschwerdeführer habe mit allen Mitteln versucht, die "Todesliste" zu erhalten. Da jedoch keine der kontaktierten Personen das Risiko habe eingehen wollen, diese Liste für ihn zu beschaffen, habe er sie nicht beibringen können. Gerade in solchen Beweisnotständen müssten vom Bundesamt die nötigen Untersuchungen eingeleitet werden.


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4. a) Zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Vorbringen des Beschwerdeführers empfiehlt es sich, vorab eine Beurteilung der allgemeinen Lage in Burundi vorzunehmen.

aa) Das BFF geht in seiner Verfügung und in der Vernehmlassung davon aus, dass in Burundi ein Mehrparteiensystem eingeführt worden sei und dass der Demokratisierungsprozess - trotz gelegentlicher regionaler Unruhen und sporadischer Übergriffe - fortdauere. Die Situation habe sich seit Juni 1995 entspannt; es könne nicht von einer allgemeinen Bürgerkriegssituation gesprochen werden.

bb) Aufgrund der Auswertung diverser Quellen steht jedoch fest, dass in Burundi seit dem Jahre 1993 eine gravierende Krisensituation, geprägt von schwersten Auseinandersetzungen zwischen den Gemeinschaften der Tutsi und der Hutu sowie von innerethnischen Massakern, besteht. Verschiedene Beobachter charakterisieren die Bürgerkriegssituation als einen schleichenden, ratenweisen Genozid zwischen den Bevölkerungsgruppen der Tutsi und der Hutu (vgl. zu den nachfolgenden Lagebeurteilungen, nebst der Presseberichterstattung und den Lagebeurteilungen der Schweizerischen Vertretung, namentlich die Jahresberichte von "amnesty international" und "Human Rights Watch"; vgl. sodann die Dokumentationen von "amnesty international" "Burundi: Time for international action to end a cycle of mass murder" vom 17. Mai 1994, "Burundi: Schleichender Völkermord" vom Februar 1996, "Burundi: Armed groups kill without mercy" vom 12. Juni 1996).

cc) Demographisch setzt sich die Bevölkerung Burundis aus einer Tutsi-Minderheit (ca. 15 %) und einer Hutu-Mehrheit (ca. 85 %) zusammen; historisch bedingt, aus den Machtverhältnissen der Kolonialzeit hervorgehend, nahmen die Tutsi, auch nach der Unabhängigkeit des Landes, die Machtpositionen in Verwaltung, Sicherheitskräften und Justiz ein. Wiederholt ereigneten sich - so etwa in den Jahren 1965, 1969, 1972, 1973 und 1988 - gegen die Hutu gerichtete Pogrome und Massaker.

dd) In den ersten demokratischen Parlaments- und Präsidentenwahlen im Juni 1993 verloren die Tutsi ihre bisherige Vormachtstellung; aus den Wahlen ging die Frodebu siegreich hervor und der Hutu Melchior Ndadaye wurde zum Staatspräsidenten gewählt. Bereits im Oktober 1993 wurden Ndadaye und weitere führende Hutu-Politiker von der Armee ermordet; dieses Ereignis löste in Burundi - zunächst von den Hutu ausgehend und gegen die Tutsi gerichtet, bald auch von den Tutsi gegen die Hutu ausgehend - eine Serie von Massakern


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aus, die seither nicht beendet werden konnte und bis heute andauert. Es gelang den Tutsi allerdings nicht, nach der Ermordung Ndadayes - welche formell als ein nicht geglückter Militärputsch eingestuft wurde - die alleinige Macht zurückzuerlangen; auf der politischen Ebene bemühte man sich um eine Koalitionsregierung mit Beteiligung beider Volksgruppen. Nachfolger von Ndadaye wurde zunächst der Hutu Cyprien Ntaryamira, der bereits wenige Monate nach seinem Amtsantritt im April 1994, zusammen mit dem ruandischen Staatspräsidenten Habyariamana, bei einem Attentat ums Leben kam; ihm folgte als Staatspräsident der Hutu Sylvestre Ntibantuganya. Rückblickend wird indessen - nach dem Militärputsch im Juli 1996 - die politische Lage in Burundi seit der Ermordung Ndadayes im Oktober 1993 als ein "schleichender Putsch", eine "seit 1993 vorbereitete Machtübernahme des Tutsi-Establishments" eingestuft (Neue Zürcher Zeitung (NZZ) vom 26. Juli 1996 und vom 24. Oktober 1996; ebenso Tages-Anzeiger (TA) vom 22. August 1996); die bis Juli 1996 amtierende Koalitionsregierung wurde von verschiedenen Beobachtern als weitgehend nur auf dem Papier bestehend eingeschätzt, an welcher zwar dem Namen nach auch die Hutu beteiligt seien, in Wirklichkeit
indessen die Tutsi-Opposition die dominante Rolle einnehme. Die eigentliche Macht im Land lag sodann seit Ndadayes Ermordung nicht bei der - ethnisch gemischten - Regierung, sondern bei den - Tutsi-dominierten - Sicherheitskräften von Armee und Polizei, über welche die Regierung keine Kontrolle auszuüben vermochte. Die Regierung war in keiner Weise Herr der Lage; de facto dominierten die Tutsi, und die Armee stellte den bestimmenden Machtfaktor im Lande dar (vgl. etwa "Human Rights Watch World Report" 1996 S. 14, 15, 1997 S. 22; "amnesty international" Jahresbericht 1995 S. 139, 1996 S. 156; NZZ vom 17. Februar 1995, vom 8. Juni 1995; Le Monde vom 6. und 16. Januar 1996, Bund vom 30. März 1995, vom 7. Juni 1995, Basler Zeitung (BaZ) vom 29. März 1995, 4. Januar 1996, TA vom 6. Juni 1996; Journal de Genève vom 19. Januar 1996; Nouveau Quotidien vom 9. Juni 1995). Seit dem Militärputsch vom 25. Juli 1996 - vor dem Hintergrund der weitgehenden Auflösung staatlicher Strukturen übernahmen die Streitkräfte wieder die Kontrolle, erklärten den bisherigen Staatschef Ntibantunganya für entmachtet und setzten den früheren Militärherrscher, den Tutsi Buyoya, in das Präsidentenamt ein - hat sich an dieser Einschätzung der Lage nichts
geändert; im Gegenteil bestimmen die von den Tutsi dominierten Streitkräfte nunmehr noch stärker die Geschicke des Landes, Massaker an Hutus sind weiterhin an der Tagesordnung, ebenso Verhaftungen einflussreicher Kritiker des Regimes, beispielsweise des Ex-Präsidenten Bagaza (19. Januar 1997) sowie des Anführers der Frodebu, Nzogibwani (11. Februar 1997).


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ee) Sowohl die Hutu wie die Tutsi werden von unüberwindbarem Misstrauen und von der Angst beherrscht, dass die jeweils andere Gemeinschaft einen Genozid anstrebe. Die Hutu haben gegen ihre Ethnie gerichtete Pogrome in der Vergangenheit wiederholt erlebt; nachdem ihnen mit der Ermordung Ndadayes im Oktober 1993 die demokratisch erlangte Macht verloren gegangen war, begannen ihrerseits nun bewaffnete Hutu-Milizen, Massaker gegen Tutsi zu verüben, wobei sie offenbar auf Unterstützung durch das ehemalige Zaire beziehungsweise durch die aus Ruanda geflüchteten und am dortigen Genozid von 1994 verantwortlichen Hutu zurückgreifen konnten. Die Tutsi ihrerseits befürchten, Opfer eines Genozids zu werden angesichts der Tatsache, dass 1994 in Ruanda Hunderttausende von Tutsi umgebracht wurden; die Tutsi-dominierten Sicherheitskräfte sowie "private" Tutsi-Milizen - welche offenkundig eine Tolerierung, wenn nicht gar aktive Zusammenarbeit und Förderung durch Armee und Polizei erfahren - begehen ihrerseits Massaker an den Hutu. Gegenseitig werden seit Oktober 1993 - und bis heute anhaltend - Massaker an der jeweils anderen Ethnie (sowie an Angehörigen der eigenen Ethnie, die als zu gemässigt empfunden werden) verübt. Die Sicherheitskräfte
sind, wie erwähnt, an den Massakern beteiligt; zwar stellt die Armee ihre Aktionen unter den Vorwand, Hutu-Guerillas zu bekämpfen oder zu entwaffnen, in Wirklichkeit handelt es sich indessen oftmals um Massaker an unbeteiligten Zivilisten und eine Grosszahl der Getöteten sind Unbewaffnete, Frauen und Kinder. Die Opfer werden offenbar mehr oder weniger wahllos, einzig bestimmt durch ihre jeweilige ethnische Zugehörigkeit, zur Zielscheibe; soweit eine Gezieltheit der Ermordungen gegen bestimmte Personen festgestellt werden kann, handelt es sich um politisch exponierte Persönlichkeiten, um Journalisten, Priester, sodann um Mitarbeiter ausländischer humanitärer Organisationen; unter den Hutu werden offenbar gezielt geschulte und gebildete Personen, die einer potentiellen Hutu-Elite zugehören könnten, umgebracht.

ff) Die Justiz ist nahezu zusammengebrochen und arbeitet kaum noch nach rechtstaatlichen Grundsätzen. Verantwortliche von Massakern werden in keiner Weise zur Verantwortung gezogen und das Morden bleibt gänzlich unbestraft; schon die für die Ermordung Ndadayes im Oktober 1993 Verantwortlichen blieben gänzlich unbehelligt. Soweit Justizorgane noch tätig sind, sind auch sie - wie die Sicherheitskräfte - von den Tutsi dominiert; bei den Personen, die unter dem Vorwurf der Beteiligung an Massakern festgenommen und angeklagt werden, handelt es sich denn auch praktisch ausnahmslos um Hutu, während Tutsi demgegenüber nicht zur Rechenschaft gezogen werden (vgl. etwa "Human Rights Watch World Report" 1997 S. 22; "amnesty interna-



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tional" Jahresbericht 1995 S. 140, 143, 145, 1996 S. 156; "amnesty international", "Burundi, Armed groups kill without mercy" vom 12. Juni 1996, S. 15 f.).

gg) Im ganzen Land finden wechselseitig "ethnische Säuberungen" statt. Die Hauptstadt Bujumbura wurde im Laufe der Jahre 1994 und 1995 "ethnisch gesäubert", indem die Hutu-Bevölkerung vertrieben wurde; wiederum muss ganz offensichtlich davon ausgegangen werden, dass die Tutsi-dominierte Armee bei diesen Vertreibungen aktiv mitgewirkt und mit den "privaten" Tutsi-Milizen eng zusammengearbeitet hat (vgl. etwa die Artikel "Une partition ethnique s'ébauche dans la capitale du Burundi", Le Monde vom 24. März 1995; "L'armée tutsie achèverait le 'nettoyage ethnique' de la capitale", Journal de Genève vom 2. Juni 1995; "Armee riegelt Teile der Hauptstadt ab. Hutus befürchten 'ethnische Säuberungen'", Bund vom 2. Juni 1995; "L'armée burundaise mène à bon train une politique de 'purification ethnique'", Nouveau Quotidien vom 9. Juni 1995; vgl. ebenso Journal de Genève vom 10. Januar 1996, vom 6. Juni 1996; Le Monde vom 16. Januar 1996, vom 16. März 1996; "Human Rights Watch World Report" 1995 S. 14, 1996 S. 15, 1997 S. 22; "amnesty international" Jahresbericht 1996 S. 158). Auch gemäss neuesten Meldungen dauert der schleichende Genozid fort.

b) Der Beschwerdeführer hat während seiner Befragungen glaubhaft ausgeführt, welchen Werdegang er hatte. Die Schilderungen bezüglich seiner Ausbildung und der politischen Aktivitäten, die er gehabt habe, sind substantiiert und detailreich ausgefallen; ebenso steht fest, dass der Beschwerdeführer über das politische Geschehen in seinem Heimatland und die Auslandaktivitäten diverser burundischer Parteien gut Bescheid wusste. Das BFF hat denn auch zu keiner Zeit Zweifel an der geltend gemachten Lebensgeschichte beziehungsweise den politischen Aktivitäten des Beschwerdeführers gehegt. Hingegen hat das BFF zu Recht angeführt, dass bezüglich der Geschehnisse in Burundi, die den Beschwerdeführer zur Ausreise veranlasst haben sollen, und zur Ausreise selbst gewisse Widersprüche bestehen. Die Auffassung der Beschwerdeführer, die Ungereimtheiten bezüglich der Art der Reise und der dabei verwendeten Reisepapiere seien irrelevant, kann nicht geteilt werden. Selbstverständlich lassen Widersprüche bezüglich des Reisewegs beziehungsweise zu den dabei verwendeten Papieren Rückschlüsse auf die Glaubhaftigkeit einer geltend gemachten Verfolgung zu. Die Wertung des BFF, wonach die vom Beschwerdeführer angedeutete Verfolgung durch die Palipehutu
unglaubhaft ist, ist zu bestätigen, denn hätte diese dem Beschwerdeführer etwas antun wollen, hätte sie es wohl kaum erst zwölf Jahre nach seinem Austritt aus der Partei getan, zu-


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mal er sich gemäss eigenen Aussagen nach seiner Rückkehr nach Burundi nicht gegen die Interessen der Palipehutu betätigt haben will. Insofern das BFF als unglaubhaft erachtet, dass der Beschwerdeführer als intellektueller Hutu gefährdet sei, ist festzuhalten, dass diese Ansicht nicht geteilt werden kann. Wie bereits oben ausgeführt, sind die gebildeten Hutus in einem höheren Ausmass einer gezielten Verfolgung ausgesetzt als weniger gebildete Angehörige dieser Ethnie. Ob der Name des Beschwerdeführers tatsächlich auf einer - wie auch immer aussehenden - "Todesliste" steht, ist nicht abschliessend beurteilbar, kann aber angesichts der nachfolgenden Prüfung bezüglich asylrechtlicher Relevanz offengelassen werden. Der Umstand schliesslich, dass die Beschwerdeführer, auch nachdem sie aus Burundi geflüchtet sind, Identitätspapiere erhalten haben, spricht vorliegend nicht gegen das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe sich vor einer Verfolgung durch die Armee fürchten müssen, da feststeht, dass zahlreiche politische und zivile Behördenvertreter der Hutu-Mehrheit angehören, die eigentlichen Machthaber aber in den Reihen der von den Tutsi dominierten Armee zu suchen sind. Bezüglich der Auffassung des BFF, der Beschwerdeführer habe auch
geltend gemacht, er werde von der Regierung verfolgt, ist festzuhalten, dass aus dem kantonalen Protokoll hervorgeht, dass der Beschwerdeführer mit den Begriffen "aktuelles Regime" beziehungsweise "Regierung" die "militärische Aristokratie" gemeint hat. Bei dieser Interpretation seiner Aussagen, die zudem der Realität in Burundi entspricht, ist kein Widerspruch zwischen der Ausstellung von Identitätspapieren durch zivile Behörden und der befürchteten Verfolgung durch Armeeangehörige auszumachen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer glaubhaft machen konnte, der Schicht der gebildeten Hutus anzugehören und sich während längerer Zeit aktiv am exilpolitischen Leben beteiligt zu haben. Ob er auf einer "Todesliste" der Armee gestanden hat, kann nicht abschliessend beurteilt werden.

c) Der Beschwerdeführer hat anlässlich seiner Befragungen nicht geltend gemacht, er habe in Burundi asylrechtlich relevante Verfolgung erlitten; demnach bleibt vorliegend einzig zu prüfen, ob er in absehbarer Zeit mit einer solchen Verfolgung hätte rechnen müssen beziehungsweise heute noch rechnen müsste, mit anderen Worten, ob er begründete Furcht vor zukünftiger asylrechtlich relevanter Verfolgung haben müsste. Für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft genügt nicht jede noch so entfernte Möglichkeit künftiger Verfolgung. Sie ist nur soweit relevant, als die Furcht vor ihr "begründet" erscheint. Bei der Beurteilung, ob begründete Furcht vorliegt, ist der persönlichen Situation des Asylbewerbers, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen oder politischen Gruppe, seiner eigenen Beurteilung der Lage und seinen per-


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sönlichen Erlebnissen Rechnung zu tragen. Gemäss der schweizerischen Praxis sind Befürchtungen, künftig staatlichen Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt zu werden, dann asylrechtlich relevant, wenn begründeter Anlass zur Annahme besteht, dass sich diese mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zukunft verwirklichen werden. Es genügt nicht, dass bloss auf Vorkommnisse verwiesen wird, welche sich früher oder später eventuell ereignen könnten. Ob im konkreten Fall eine solche Wahrscheinlichkeit besteht, ist aufgrund einer objektivierten Betrachtungsweise zu beurteilen. Dementsprechend müssen hinreichende Anhaltspunkte für eine individuelle und konkrete Bedrohung vorhanden sein, die bei anderen Menschen in vergleichbaren Situationen Furcht vor Verfolgung hervorrufen könnten.

aa) Wie bereits erwähnt, ist aufgrund verschiedener übereinstimmender Lageberichte - die namentlich auch durch die Einschätzungen der Schweizerischen Vertretung in einer Lageanalyse vom Mai 1996 bestätigt werden - davon auszugehen, dass geschulte und gebildete Angehörige der Hutu-Gemeinschaft zu den exponiert gefährdeten Personen gehören. Sie laufen erheblich Gefahr, Opfer eines von Tutsi ausgehenden Mordanschlags oder Massakers zu werden. So geht etwa "amnesty international" davon aus, die Morde an Hutu seien "apparently intended to eliminate and intimidate educated or wealthy people who might play a leadership role" ("amnesty international", "Burundi: Armed groups kill without mercy" vom 12. Juni 1996, S. 14; vgl. auch die "amnesty international" Dokumentation "Burundi: Targeting students, teachers and clerics in the fight for supremacy", September 1995); verschiedene Presseartikel berichten über die gewaltsame Vertreibung der Hutu aus Schulen, Universitäten und der Administration und über den Versuch der Tutsi, den Zugang zu Bildung, lukrativen Stellen und gesellschaftlichem Aufstieg für die eigene Gemeinschaft zu monopolisieren (vgl. etwa Bund vom 30. März 1995, Nouveau Quotidien vom 9. Juni 1995); es wird von gezielten
Ermordungen und einer "mehr oder weniger systematischen Ausrottung gebildeter Hutu" berichtet (Bund vom 30. März 1995, TA vom 6. Juni 1996); die gezielten Morde gegen Studenten, Universitätsprofessoren, ebenso gegen erfolgreiche Geschäftsleute und Unternehmer der Hutu-Gemeinschaft werden als "systematische Kampagne zur Eliminierung der Hutu-Elite" eingeschätzt, deren Ziel offenbar darin bestehe, "all jene Hutu zu vertreiben oder nötigenfalls umzubringen, welche überhaupt noch in der Lage wären, sich für ihr Volk zu wehren" (NZZ vom 22. Juni 1995). Demgemäss ist der Schluss zu ziehen, der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in sein Heimatland in einem erhöhten Masse der Gefahr ausgesetzt, Opfer einer Verfolgung seitens der Armee oder einer mit dieser zusammenarbeitenden Tutsi-Miliz zu werden.


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bb) Was die Frage der Gezieltheit einer befürchteten Verfolgung betrifft, ist vorab festzuhalten, dass sich fraglos auch in Kriegs- oder Bürgerkriegssituationen eine gezielte, asylrechtlich relevante, den Kriterien von Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG entsprechende Verfolgung ereignen kann. Individuell gezielte, von asylrechtlich relevanter Verfolgungsmotivation getragene Nachteile sind dann anzuerkennen, wenn eine Person nicht lediglich den gleichen Risiken und Einschränkungen wie die gesamte Bevölkerung ihres Heimatstaates ausgesetzt ist, und somit von den Ereignissen nicht lediglich "reflexartig", im Sinne ungezielter "Nebenfolgen" des Krieges oder Bürgerkrieges, betroffen ist, sondern als individuelle Person im klassischen Sinn wegen ihrer politischen Anschauung, ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder einem anderen relevanten Grund in asylrechtlich relevanter Intensität belangt wird.

Die Beschwerdeführer gehen in ihrer Beschwerde zu Recht davon aus, eine allfällige Verfolgung des Beschwerdeführers würde gezielt erfolgen, da er zur Minderheit der gebildeten Hutu gehöre. Seinen glaubhaften Angaben zufolge hat er nach dem zwölfjährigen Besuch der Primarschule und des Advantiste College in den Jahren 1980 und 1981 die Militärakademie in China besucht. In den Jahren 1984 bis 1986 studierte er am "CCM Kivukoni University College Kigamboni" in Dar es Salaam und in den Jahren 1988 bis 1991 an der "El Fatah Abdel Gemal Naser Universität" in Libyen. Seine Tätigkeit für die Palipehutu, die "Mathaba" und die Gründung des CREBP werden auch von der Vorinstanz nicht bezweifelt und erscheinen glaubhaft. Damit gehört der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Ausbildung und seine politischen und gesellschaftlichen Aktiviäten einer äusserst kleinen Minderheit der burundischen Bevölkerung an; greifbaren Einschätzungen zufolge sind zwischen 50 und 65 % der Bevölkerung Burundis Analphabeten; über eine höhere Schulbildung, wie sie der Beschwerdeführer genossen hat, verfügen lediglich etwa 0,7 % der Bevölkerung.

d) Schliesslich kann in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Beschwerdeführer davon ausgegangen werden, dass die von der Armee (oder auch von extremistischen Tutsi-Milizen) ausgehenden Bedrohungen dem Staat zuzurechnen sind. Den vorliegenden Lageberichten ist zu entnehmen, dass "private" extremistische Tutsi-Milizen in ihren gegen Hutu gerichteten Massakern, Ausschreitungen und Vertreibungsaktionen auf die tatenlose Duldung, wenn nicht gar auf Ermunterung, Unterstützung und offene Kollaboration durch die Tutsi-dominierten Sicherheitskräfte zählen können und von der Armee aktiv gefördert und mit Waffen ausgestattet werden (vgl. etwa "Human Rights Watch World Report" 1995 S. 13, 1996 S. 14, 15, 1997 S. 21, 22; "amnesty interna-


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tional" (ai) Jahresbericht 1994 S. 141, 142, 1995 S. 142, 1996 S. 156, 157, 159; "amnesty international", "Burundi: Time for international action to end a cycle of mass murder" vom 17. Mai 1994, S. 1 f., 5, 6 f., 9; "ai", "Burundi: Armed groups kill without mercy" vom 12. Juni 1996, S. 6, 7, 8, 9 f., 16, 18). Wie bereits ausgeführt, beruhte namentlich die "ethnische Säuberung" der Hauptstadt und die Vertreibung der Hutu aus Bujumbura auf einer offenkundigen Zusammenarbeit zwischen Sicherheitskräften und "privaten" Tutsi-Milizen. Ein derartiges Verhalten der Sicherheitskräfte, die die eigentlichen Machthaber sind, vermag indessen klarerweise eine staatliche Verantwortung im asylrechtlichen Sinne zu begründen. Unter diesen Voraussetzungen kann nicht davon ausgegangen werden, der Beschwerdeführer wäre in seiner Heimat lediglich "reflexartigen", "zufälligen" Gefährdungen, die sich aus der allgemeinen Situation für die gesamte Bevölkerung Burundis ergeben, ausgesetzt; eine ihm drohende, gezielt gegen seine Person gerichtete Verfolgung ist nach dem Gesagten vielmehr zu bejahen.

e) Die asylrechtliche Relevanz der Vorbringen des Beschwerdeführers ist nach dem Gesagten - sowohl was die Gezieltheit, als auch was die staatliche Zurechenbarkeit der befürchteten Übergriffe betrifft - als gegeben zu erachten; der Beschwerdeführer hat angesichts seiner Ausbildung und seiner Aktivitäten vor der Flucht und angesichts der in Burundi herrschenden generellen Situation in nachvollziehbarer Weise dargetan, dass er eine gezielte, asylrechtlich relevante Verfolgung in begründeter Weise hat befürchten müssen und im Fall einer Rückkehr weiterhin fürchten müsste. Seine Vorbringen genügen insgesamt den Voraussetzungen von Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG zur Darlegung einer begründeten Furcht vor Verfolgung; der Beschwerdeführer erfüllt die Flüchtlingseigenschaft.

f) Nachdem aus den Akten keinerlei Anhaltspunkte für das Bestehen allfälliger Asylausschlussgründe hervorgehen, ist die Vorinstanz anzuweisen, dem Beschwerdeführer - sowie gestützt auf Art. 3 Abs. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG seiner Ehefrau und den Kindern - Asyl zu gewähren.


Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 1998-17-142-154
Datum : 22. April 1998
Publiziert : 22. April 1998
Quelle : Vorgängerbehörden des BVGer bis 2006
Status : Publiziert als 1998-17-142-154
Sachgebiet : Burundi
Gegenstand : Art. 3 Abs. 1 AsylG: Verfolgung von Hutus in Burundi.


Gesetzesregister
AsylG: 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
Stichwortregister
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burundi • 1995 • amnesty international • asylrecht • vorinstanz • weiler • ethnie • report • opfer • tansania • ausreise • mord • mass • minderheit • leben • verhalten • zeitung • parlament • dokumentation • zweifel
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