Language of document : ECLI:EU:T:2010:235

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

15. Juni 2010(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke – Orange Einfärbung des Zehenbereichs einer Socke – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [EG] Nr. 207/2009)“

In der Rechtssache T‑547/08

X Technology Swiss GmbH mit Sitz in Wollerau (Schweiz), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Herbertz und R. Jung,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch C. Jenewein und G. Schneider als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 6. Oktober 2008 (Sache R 846/2008‑4) über die Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke, die aus der orangen Einfärbung des Zehenbereichs einer Socke besteht,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová (Berichterstatterin), der Richterin K. Jürimäe und des Richters S. Soldevila Fragoso,

Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

aufgrund der am 12. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 17. März 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der am 5. Mai 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung,

aufgrund der am 26. Juni 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Gegenerwiderung,

auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2010

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 13. Januar 2007 meldete die Klägerin, die X Technology Swiss GmbH, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2        Es handelte sich dabei um die nachstehend wiedergegebene Marke, die als „sonstige Marke – Positionsmarke“ bezeichnet und für die die Farbe „Orange (Pantone 16-1359 TPX)“ beansprucht wurde:

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3        Die Marke wurde angemeldet für die Waren „Bekleidungsstücke, nämlich Strumpfwaren, Socken und Strümpfe“ in Klasse 25 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung.

4        Die Anmeldung enthielt ferner folgende Beschreibung:

„Die Positionsmarke ist geprägt von einer kappenartigen Einfärbung in Orange, Farbton ‚Pantone 16-1359 TPX‘, aus der der Bereich der Zehenspitzen der jeweiligen Strumpfware gestaltet ist. Sie umgibt die Zehenspitzen nicht vollständig; sie weist eine – von vorne und den Seiten betrachtet – im Wesentlichen horizontale Begrenzung auf. Die Kennzeichnung steht stets in einem starken farblichen Kontrast zu der übrigen Strumpfware und ist immer an derselben Stelle angeordnet.“

5        Mit Entscheidung vom 24. April 2008 wies der Prüfer die Anmeldung zurück, da der Eintragung Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) entgegenstehe. Am 30. Mai 2008 legte die Klägerin gegen diese Entscheidung beim HABM Beschwerde ein.

6        Mit Entscheidung vom 6. Oktober 2008 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück.

7        Die Beschwerdekammer stellte zunächst fest, dass die Beschreibung der angemeldeten Marke unzulässig sei, soweit darin auf den Kontrast zwischen der Farbe der Fußspitze und der der übrigen Socke abgestellt werde. Eine solche Beschreibung sei nicht hinreichend konkret, da sie nicht sämtliche Farben der Marke bezeichne. Die Beschwerdekammer fügte hinzu, dass in der anwendbaren Regelung die Kategorie einer Positionsmarke nicht vorgesehen sei. Somit handele es sich bei der angemeldeten Marke um eine dreidimensionale Marke oder eine die Ware naturgetreu wiedergebende Bildmarke, die aus einer orangefarbenen Markierung des Zehenbereichs einer Socke bestehe.

8        Die Beschwerdekammer führte weiter aus, dass sich die für die Marke beanspruchten Waren, da sie eher niedrigpreisige Gegenstände des täglichen Gebrauchs seien, an jeden Endverbraucher richteten. Die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verbraucher sei bei solchen Gegenständen eher gering.

9        Die angemeldete Marke beurteilte die Beschwerdekammer dahin, dass sie vom angesprochenen Verbraucher als eine durch ästhetische oder funktionale Gesichtspunkte bedingte Ausgestaltung der Ware empfunden werde. Erstens nämlich sei bei Strumpfwaren eine Vielfalt von Designs anzutreffen, zweitens sei die Einfärbung bestimmter Teile von Strümpfen, auch in Orange, marktüblich, drittens könne die Einfärbung des Zehenbereichs auf einen funktionalen Aspekt, nämlich die Verstärkung des Materials, hinweisen, und viertens seien die maßgeblichen Verkehrskreise nicht daran gewöhnt, in der Einfärbung des Zehenbereichs einer Socke einen Herkunftshinweis zu erblicken. Daher besitze die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94.

 Anträge der Parteien

10      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

11      Das HABM beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Entscheidungsgründe

12      Die Klägerin führt als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 an. Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen, mit denen die Klägerin erstens eine fehlerhafte Einstufung der Anmeldemarke und zweitens eine fehlerhafte Beurteilung ihrer Unterscheidungskraft rügt.

13      Das HABM hält das Vorbringen der Klägerin für nicht stichhaltig.

 Zum ersten Teil des einzigen Klagegrundes: Fehlerhafte Einstufung der Anmeldemarke

 Vorbringen der Parteien

14      Die Klägerin macht geltend, dass es sich bei „Positionsmarken“ um eine besondere Markenkategorie handele, auch wenn diese im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt werde. Eine „Positionsmarke“ ziele auf den Schutz eines zwei‑ oder dreidimensionalen Zeichens, das durch seine genau definierte Platzierung auf einer Ware oder einem Warenteil charakterisiert werde. Eine „Positionsmarke“ sei nur in Verbindung mit ihrem konkreten Einsatz auf den zu kennzeichnenden Produkten geschützt.

15      Die Klägerin hält daher die Rechtsprechung zu dreidimensionalen Marken für nicht einschlägig, denn Gegenstand der Marke seien nicht die Form oder andere Merkmale der Socke, sondern die Anbringung eines bestimmten Zeichens, das aus einer bestimmten Einfärbung bestehe, an einer bestimmten Stelle auf dem Produkt.

16      Die Klägerin verweist ergänzend darauf, dass das HABM in mehreren früheren Entscheidungen die Eintragungsfähigkeit von „Positionsmarken“ anerkannt habe.

17      Das HABM wendet sich gegen das Vorbringen der Klägerin, wonach die Rechtsprechung zu dreidimensionalen Marken im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden könne.

 Würdigung durch das Gericht

18      Es ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin sowohl in ihren Schriftsätzen als auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, dass ihre Anmeldung nur die Einfärbung des Zehenbereichs einer Strumpfware in „Orange (Pantone 16‑1359 TPX)“, so wie sie oben in Randnr. 2 wiedergegeben ist, unter Ausschluss anderer Teile der fraglichen Ware zum Inhalt hat. Die Klägerin stuft die so definierte Marke als eine „Positionsmarke“ ein.

19      Zu dieser Einstufung ist zu bemerken, dass „Positionsmarken“ weder in der Verordnung Nr. 40/94 noch in der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 303, S. 1) als eine eigene Markenkategorie Erwähnung finden. Dies ist jedoch, da Art. 4 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 4 der Verordnung Nr. 207/2009) keine abschließende Aufzählung der Zeichen enthält, die Gemeinschaftsmarken sein können, für die Eintragungsfähigkeit von „Positionsmarken“ ohne Bedeutung.

20      Es ist ferner festzustellen, dass „Positionsmarken“ den Kategorien der Bildmarken und dreidimensionalen Marken nahestehen, da sie die Anbringung von Bild‑ oder dreidimensionalen Elementen auf der Produktoberfläche zum Gegenstand haben.

21      Die Einstufung einer „Positionsmarke“ als eine Bildmarke, eine dreidimensionale Marke oder eine eigene Kategorie von Marken ist jedoch für die Beurteilung ihrer Unterscheidungskraft ohne Bedeutung.

22      Nach dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 sind nämlich von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die keine Unterscheidungskraft haben.

23      Nach ständiger Rechtsprechung besagt die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne dieses Artikels, dass die Marke geeignet ist, die Ware, für die sie angemeldet worden wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (Urteile des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Procter & Gamble/HABM, C‑473/01 P und C‑474/01 P, Slg. 2004, I‑5173, Randnr. 32, und vom 21. Oktober 2004, HABM/Erpo Möbelwerk, C‑64/02 P, Slg. 2004, I‑10031, Randnr. 42).

24      Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (Urteile vom 29. April 2004, Procter & Gamble/HABM, Randnr. 33, und vom 22. Juni 2006, Storck/HABM, C‑25/05 P, Slg. 2006, I‑5719, Randnr. 25).

25      Die Wahrnehmung der maßgeblichen Verkehrskreise kann jedoch durch die Art des angemeldeten Zeichens beeinflusst werden. Da die Durchschnittsverbraucher aus Zeichen, die im Erscheinungsbild der Ware selbst bestehen, gewöhnlich nicht auf die betriebliche Herkunft dieser Waren schließen, sind solche Zeichen nur dann unterscheidungskräftig im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94, wenn sie erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweichen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 7. Oktober 2004, Mag Instrument/HABM, C‑136/02 P, Slg. 2004, I‑9165, Randnrn. 30 und 31, vom 12. Januar 2006, Deutsche SiSi Werke/HABM, C‑173/04 P, Slg. 2006, I‑551, Randnrn. 28 und 31, und vom 4. Oktober 2007, Henkel/HABM, C‑144/06 P, Slg. 2007, I‑8109, Randnrn. 36 und 37).

26      Der entscheidende Gesichtspunkt für die Einschlägigkeit der vorstehend in Randnr. 25 angeführten Rechtsprechung ist nicht die Einstufung des in Frage stehenden Zeichens als ein Bildzeichen, ein dreidimensionales Zeichen oder ein anderes Zeichen, sondern die Tatsache, dass es mit dem Erscheinungsbild der gekennzeichneten Waren selbst verschmilzt. So ist dieses Kriterium außer auf dreidimensionale Marken (Urteile Procter & Gamble/HABM, Mag Instrument/HABM, und Deutsche SiSi Werke/HABM) auf Bildmarken, die aus einer zweidimensionalen Wiedergabe des gekennzeichneten Produkts bestanden (Urteil vom 22. Juni 2006, Storck/HABM, C‑25/05 P, und Urteil Henkel/HABM), oder auch auf ein Zeichen angewandt worden, das aus einem auf der Oberfläche der Waren angebrachten Muster bestand (Beschluss des Gerichtshofs vom 28. Juni 2004, Glaverbel/HABM, C‑445/02 P, Slg. 2004, I‑6267). Ebenso wird in der Rechtsprechung davon ausgegangen, dass Farben und abstrakten Farbkombinationen nur unter außergewöhnlichen Umständen originäre Unterscheidungskraft zukommt, da sie mit dem Erscheinungsbild der gekennzeichneten Waren selbst verschmelzen und grundsätzlich nicht als Mittel zur Identifizierung der betrieblichen Herkunft verwendet werden (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 6. Mai 2003, Libertel, C‑104/01, Slg. 2003, I‑3793, Randnrn. 65 und 66, und vom 24. Juni 2004, Heidelberger Bauchemie, C‑49/02, Slg. 2004, I‑6129, Randnr. 39).

27      Demnach ist zu prüfen, ob die Anmeldemarke mit dem Erscheinungsbild der gekennzeichneten Ware selbst verschmilzt oder vielmehr von diesem unabhängig ist.

28      Nach den Angaben der Klägerin zielt die Anmeldemarke auf den Schutz eines bestimmten Zeichens, das an einer bestimmten Stelle auf der gekennzeichneten Ware angebracht ist. Sie lässt sich damit nicht von der Form eines Teils dieser Ware trennen, nämlich der Form des Zehenbereichs einer Strumpfware. Es ist daher festzustellen, dass die Anmeldemarke mit dem Erscheinungsbild des gekennzeichneten Produkts selbst verschmilzt und dass infolgedessen die oben in Randnr. 25 angeführte Rechtsprechung herangezogen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. September 2009, Lange Uhren/HABM [Geometrische Felder auf dem Ziffernblatt einer Uhr], T‑152/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 74 bis 83).

29      Soweit sich die Klägerin auf frühere Entscheidungen des HABM beruft, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammer nur auf der Grundlage der Verordnung Nr. 40/94 in ihrer Auslegung durch den Gemeinschaftsrichter und nicht anhand einer vorherigen Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern zu beurteilen ist (Urteil des Gerichts vom 27. Februar 2002, Streamserve/HABM [STREAMSERVE], T‑106/00, Slg. 2002, II‑723, Randnr. 66). Jedenfalls ist festzustellen, dass die Beschwerdekammern des HABM in den von der Klägerin angeführten Entscheidungen die Rechtsprechung zu Zeichen, die mit dem Erscheinungsbild der gekennzeichneten Waren selbst verschmelzen, auf die geprüften Marken angewandt haben.

30      Demnach stellt es keinen Fehler der Beschwerdekammer dar, dass sie diese Rechtsprechung in der angefochtenen Entscheidung auf die Anmeldemarke anwandte. Der erste Teil des einzigen Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Teil des einzigen Klagegrundes: Fehlerhafte Beurteilung der Unterscheidungskraft der Anmeldemarke

 Vorbringen der Parteien

31      Die Klägerin macht geltend, dass die fraglichen Waren keine niedrigpreisigen Produkte seien, weil sie so genannte „Funktionssocken“ herstelle, die zum höheren Preissegment (zehn bis zwanzig Euro) gehörten. Es könne darum nicht angenommen werden, dass die Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise beim Kauf solcher Waren nur gering sei, zumal in der Rechtsprechung anerkannt sei, dass die Verbraucher Bekleidungsstücke mit einem erhöhten Markenbewusstsein kauften.

32      Hinsichtlich der Wahrnehmung der Anmeldemarke durch die maßgeblichen Verkehrskreise sei zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung der Umstand, dass ein Zeichen auch, aber nicht nur als ein verzierendes Element aufgefasst werde, für sich genommen dem Zeichenschutz nicht entgegenstehe.

33      Ferner sei es zwar zutreffend, dass in der Strumpfwarenbranche eine große Design‑ und Farbenvielfalt existiere, aber dies gelte gerade nicht für die hier in Frage stehende Einfärbung von „Funktionssocken“ im Zehenbereich. Jedenfalls könne eine Design‑ und Farbenvielfalt kein Hinderungsgrund für die Eintragung einer Marke sein, da andernfalls angesichts der stetig fortschreitenden Entwicklungen in der Mode nahezu jeder neuen Marke die Eintragung versagt bleiben müsste.

34      Zudem seien die maßgeblichen Verkehrskreise ebenso wie auf dem Schuhmarkt daran gewöhnt, dass die betriebliche Herkunft von „Funktionssocken“ durch ein bestimmtes Bildelement, welches aus gut sichtbaren Linien, Streifen oder geometrischen Formen auf dem Produkt bestehe, oder durch die Färbung bestimmter Teile des Produkts angegeben werde. Nur um dies zu belegen, habe sie sich vor dem HABM auf ein anderes Unternehmen bezogen, das gleichfalls Socken mit eingefärbtem Zehenbereich herstelle.

35      Selbst wenn man annähme, dass das relevante Publikum in Bezug auf die fraglichen Waren nicht an die vorstehend in Randnr. 34 genannte Form eines betrieblichen Herkunftshinweises gewöhnt wäre, könnte die Positionierung einer Marke an einer Stelle des Produkts, die bislang noch nicht für solche Zwecke genutzt worden sei, grundsätzlich einen solchen Herkunftshinweis darstellen. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass gerade im Bereich von Sportartikeln die Hersteller ihre Marken an den unterschiedlichsten Stellen anbrächten.

36      Die Beschwerdekammer habe auch nicht gewürdigt, dass mit der Anmeldemarke ein exakt definierter Farbton beansprucht werde, obgleich dieser Umstand, wie sich aus einer früheren Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM ergebe, von Bedeutung sei. In diesem Zusammenhang sei hervorzuheben, dass die Klägerin, soweit ersichtlich, das erste Unternehmen überhaupt sei, das Verfärbungen an Socken mit diesem Farbton vorgenommen habe, und insbesondere mit diesem Merkmal sei die Klägerin zu einem der Marktführer im Bereich hochpreisiger Funktionssocken geworden.

37      Die Lage, die Form und die Farbgebung der angemeldeten Marke seien auch nicht durch technische oder funktionale Notwendigkeiten bedingt. Insoweit seien die Ausführungen der Beschwerdekammer zur starken Abnutzung des Zehenbereichs der Socken nicht nachvollziehbar.

38      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zudem hervorgehoben, dass das Risiko, dass ein Zeichen sofort unrechtmäßig nachgeahmt würde, eine Inanspruchnahme von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009) unmöglich mache. Daher müssten auch neue Markenformen zur Eintragung zugelassen werden.

39      Das HABM hält das Vorbringen der Klägerin für nicht stichhaltig.

 Würdigung durch das Gericht

40      Das Vorbringen der Klägerin im Rahmen des zweiten Teils ihres einzigen Klagegrundes ist anhand der oben in den Randnrn. 22 bis 25 dargelegten Grundsätze zu prüfen.

41      Es ist zunächst festzustellen, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass zu den maßgeblichen Verkehrskreisen, wie die Beschwerdekammer zutreffend in Randnr. 23 der angefochtenen Entscheidung annahm, alle Endverbraucher gehören.

42      Was den Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise betrifft, kann das HABM bei der Prüfung der Eintragungsfähigkeit eines Zeichens nur, vorbehaltlich späterer Änderungen der Anmeldung, das in dieser enthaltene Warenverzeichnis berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichts vom 13. April 2005, Gillette/HABM – Wilkinson Sword [RIGHT GUARD XTREME sport], T‑286/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 33). Im vorliegenden Fall sind in dem Warenverzeichnis der Anmeldung ohne weitere Präzisierungen die Waren „Bekleidungsstücke, nämlich Strumpfwaren, Socken und Strümpfe“ aufgeführt. Folglich ist das Vorbringen der Klägerin, dass ihre Produkte „Funktionssocken“ seien und im oberen Preissegment lägen, unerheblich.

43      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer mit ihrer in Randnr. 23 der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellung, dass im Hinblick auf Socken, da diese eher niedrigpreisige Gegenstände des täglichen Gebrauchs seien, die Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise eher gering sei, ihre Beurteilung auf Tatsachen stützte, die auf der allgemeinen praktischen Erfahrung mit der Vermarktung von Massenkonsumgütern beruhen und die jedermann bekannt sein können und insbesondere den Verbrauchern dieser Waren bekannt sind. Da die Klägerin entgegen der auf eine solche Erfahrung gestützten Beurteilung der Beschwerdekammer geltend macht, dass die Anmeldemarke Unterscheidungskraft besitze, ist es, weil sie dazu wegen ihrer genauen Marktkenntnis wesentlich besser in der Lage ist, ihre Sache, durch konkrete und fundierte Angaben darzulegen, dass die Anmeldemarke unterscheidungskräftig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 2006, Develey/HABM [Form einer Kunststoffflasche], T‑129/04, Slg. 2006, II‑811, Randnrn. 19 und 21, und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Insoweit trägt die Klägerin lediglich vor, es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass das relevante Publikum Bekleidungsmarken besondere Aufmerksamkeit entgegenbringe. Zum einen aber hat die Klägerin diese Behauptung, die im Wesentlichen tatsächlicher Art ist, nicht fundiert. Zum anderen ist zwar einzuräumen, dass der Verbraucher bei der Auswahl von bestimmten Bekleidungsstücken und Schuhen im Allgemeinen aufmerksam sein wird, da er sich vor dem Kauf vergewissern möchte, dass die angebotene Ware in sowohl funktionaler als auch ästhetischer Hinsicht seinen Erwartungen entspricht. Diese Feststellung gilt jedoch nicht für Strumpfwaren, die normalerweise vor dem Kauf nicht anprobiert werden.

45      Unter diesen Umständen ist die von der Beschwerdekammer getroffene Feststellung, dass der Aufmerksamkeitsgrad der maßgeblichen Verkehrskreise eher gering sei, nicht fehlerhaft.

46      Zu der Wahrnehmung der Anmeldemarke durch die maßgeblichen Verkehrskreise führte die Beschwerdekammer aus, dass die Einfärbung des Zehenbereichs einer Strumpfware entweder als ein dekoratives Element oder als ein funktionales Element, nämlich als Verstärkung des Zehenbereichs, wahrgenommen werde. Es ist zunächst das Vorbringen der Klägerin zu der Wahrnehmung der Anmeldemarke als ein dekoratives Element zu prüfen.

47      Die hierzu von der Beschwerdekammer angestellten Erwägungen, die sie in den Randnrn. 25 bis 27 und 31 der angefochtenen Entscheidung darlegte und die oben in Randnr. 9 wiedergegeben worden sind, waren auf die allgemeine praktische Erfahrung mit der Vermarktung von Massenkonsumgütern gestützt, womit es Sache der Klägerin ist, durch konkrete und fundierte Angaben die Richtigkeit dieser Feststellungen in Frage zu stellen.

48      Insoweit bestreitet die Klägerin zunächst, dass es im Zusammenhang mit der Einfärbung des Zehenbereichs von „Funktionssocken“ eine Vielfalt von Designs gebe. Wie oben in Randnr. 42 ausgeführt, nimmt die Klägerin jedoch zu Unrecht eine Beschränkung auf diese Produktkategorie vor, da sich das in der Anmeldung enthaltene Warenverzeichnis auf Strumpfwaren im Allgemeinen bezieht. Im Übrigen ist dieses Vorbringen in keiner Weise fundiert worden.

49      Auch das Argument, mit dem die Klägerin auf die stetig fortschreitenden Entwicklungen der Mode verweist, kann nicht durchgreifen. Zur Kennzeichnung von Waren, die den Entwicklungen der Mode unterliegen, können nämlich jederzeit neue Marken eingetragen werden, vorausgesetzt jedoch, diese erfüllen ihre wesentliche Funktion, auf die betriebliche Herkunft der Waren hinzuweisen. Ist ein Zeichen hingegen nicht geeignet, diese Funktion zu erfüllen, kann es nicht als Marke eingetragen werden, selbst wenn in der fraglichen Branche zahlreiche ähnliche Zeichen existieren oder ständig kreiert werden.

50      Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Klägerin keine konkreten Angaben zur Fundierung ihrer Behauptung vorbringt, dass der Verbraucher daran gewöhnt sei, die Einfärbung des Zehenbereichs einer Socke als einen betrieblichen Herkunftshinweis wahrzunehmen.

51      Soweit sich die Klägerin insoweit auf den Bereich der Sportschuhe bezieht, ist zu bemerken, dass die Anmeldemarke nicht aus einer Linie, einem Streifen oder einer geometrischen Form besteht, die in einer bestimmten Weise auf der Ware angebracht sind, sondern aus der bloßen Einfärbung eines Teils der Produktoberfläche. Die Klägerin hat jedoch nichts vorgebracht, was dafür spräche, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Einfärbung von bestimmten Teilen einer Socke gewöhnlich als betrieblichen Herkunftshinweis wahrnähmen.

52      Die Klägerin macht ferner geltend, dass insbesondere auf dem Gebiet von Sportartikeln die Hersteller die Gepflogenheit hätten, Marken an den verschiedensten Stellen anzubringen. Obgleich die Klägerin hierzu keine konkreten Angaben macht, ist jedenfalls einzuräumen, dass die Anbringung der Marken der Hersteller auf Socken, insbesondere Sportsocken, verhältnismäßig gängig ist. Solche Marken finden sich am häufigsten im Knöchelbereich, können jedoch auch auf der Sohle oder auf der Oberseite des Zehenbereichs angebracht sein. Jedoch sind solche Marken nicht bloße Einfärbungen, sondern Wort‑ und Bildelemente, die zur Kennzeichnung der betrieblichen Herkunft der fraglichen Waren besser geeignet sind als die Anmeldemarke.

53      Die Klägerin verweist zudem auf die von einem Wettbewerber hergestellten Socken mit einem goldfarbenen Zehenbereich. Sie hat jedoch keine konkreten Angaben dafür vorgebracht, dass diese Einfärbung von Haus aus, unabhängig von jeder Erwägung zu einem etwaigen Erwerb von Unterscheidungskraft durch Benutzung, geeignet wäre, die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren zu kennzeichnen. Wenn im Übrigen der fragliche Wettbewerber offenbar tatsächlich die Eintragung einer Gemeinschaftsmarke u. a. für Strumpfwaren erwirken konnte, die eine Socke mit einem goldfarbenen Zehenbereich darstellt, ist diese Marke doch mit der Anmeldemarke nicht vergleichbar, da sie außer dieser Darstellung das Wortelement „Gold Toe“ enthält.

54      Schließlich rügt die Klägerin zu Unrecht, dass die Beschwerdekammer den Umstand unberücksichtigt gelassen habe, dass die Anmeldemarke einen ganz bestimmten Farbton zum Gegenstand hat. In den Randnrn. 19 bis 22 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer nämlich die oben in Randnr. 26 angeführte Rechtsprechung wiedergegeben, nach der Farben und Farbkombinationen zur Kennzeichnung der betrieblichen Herkunft von Waren nur in begrenztem Umfang geeignet sind. In Randnr. 26 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer festgestellt, dass die beanspruchte Farbe Orange, zumindest in Verbindung mit anderen Farben einer Socke, für Strumpfwaren üblich sei.

55      Hinsichtlich der Relevanz der Beanspruchung eines ganz bestimmten Farbtons für die Anmeldemarke verweist die Klägerin auf die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 18. April 2007 (Sache R 781/2006-1) zu einer Marke, die aus einem Fleck auf der Oberfläche einer Injektionsspritze bestand. Wie oben in Randnr. 29 ausgeführt, ist die vorherige Entscheidungspraxis der Beschwerdekammern jedoch unerheblich. Jedenfalls weisen in diesen beiden Fällen sowohl die fraglichen Zeichen als auch die fraglichen Waren nur wenige Gemeinsamkeiten auf. Im Übrigen beurteilte die Erste Beschwerdekammer in der von der Klägerin angeführten Entscheidung lediglich die Umstände des ihr unterbreiteten Sachverhalts und vertrat keineswegs die Auffassung, dass jede Beanspruchung einer Farbe einer „Positionsmarke“ Unterscheidungskraft verleihe.

56      Das Vorbringen, dass die Klägerin den beanspruchten Farbton als erstes Unternehmen für Socken verwendet habe und hiermit ein Marktführer geworden sei, ist nicht fundiert worden. Insbesondere liegt kein Hinweis darauf vor, dass der etwaige geschäftliche Erfolg der Klägerin auf dem Umstand beruhte, dass die orange Einfärbung der Zehenbereiche der von ihr hergestellten Socken von den maßgeblichen Verkehrskreisen als von Haus aus unterscheidungskräftig wahrgenommen worden wäre.

57      Keines der Argumente, die die Klägerin zu der Wahrnehmung der Anmeldemarke als ein dekoratives Element vorbringt, vermag daher durchzugreifen.

58      Schließlich ist auf ihr in der mündlichen Verhandlung vorgetragenes Argument zu antworten, dass das Risiko der Nachahmung eines Gestaltungsmerkmals einer Ware oder Dienstleistung durch einen Wettbewerber auf die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 ohne Auswirkung ist. Denn nach dieser Bestimmung ist die Eintragung als Gemeinschaftsmarke Zeichen vorbehalten, die von Haus aus geeignet sind, in der Wahrnehmung der betroffenen Verbraucher die betriebliche Herkunft der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu identifizieren. Ein Wirtschaftsteilnehmer, der im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen verwendet, das diese Voraussetzung nicht erfüllt, kann gegebenenfalls nachweisen, dass das Zeichen im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 Unterscheidungskraft durch Benutzung erworben hat, oder sich anderer ihm möglicherweise verfügbarer rechtlicher Mittel wie des Geschmacksmusterrechts oder einer Klage wegen unlauteren Wettbewerbs bedienen.

59      Nach alledem ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer fehlerfrei zu dem Ergebnis gelangte, dass die Anmeldemarke, da sie von der Norm oder Branchenüblichkeit nicht erheblich abweicht, von den maßgeblichen Verkehrskreisen als ein dekoratives Element aufgefasst würde und daher keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 besitzt. Der zweite Teil des einzigen Klagegrundes ist daher zurückzuweisen, ohne dass das Vorbringen zu der Wahrnehmung der Anmeldemarke als ein funktionales Element geprüft zu werden braucht.

60      Da die beiden Teile des einzigen Klagegrundes zurückzuweisen sind, ist dieser als solcher zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

61      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr, wie vom HABM beantragt, die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die X Technology Swiss GmbH trägt die Kosten.

Pelikánová

Jürimäe

Soldevila Fragoso

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Juni 2010.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.