Sprache des Dokuments : ECLI:EU:C:1999:442

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GEORGES COSMAS

vom 21. September 1999(1)

Rechtssache C-411/98

Angelo Ferlini

gegen

Centre hospitalier de Luxembourg

(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal d'arrondissement Luxemburg - 8. Kammer)

„ - “

Inhaltsverzeichnis

     I — Einleitung

I - 2

     II — Rechtlicher Rahmen

I - 2

         A — Gemeinschaftsrecht

I - 2

             a)    Vorschriften des Vertrages und der maßgebenden Verordnungen

I - 2

             b)    Vorschriften des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Statut) und des Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystems

I - 4

         B - Nationales Recht

I - 5

             a) Kranken- und Mutterschaftsversicherung der beim nationalen System Versicherten

I - 5

             b) Kranken- und Mutterschaftsversicherung der nicht beim nationalen System Versicherten

I - 7

     III - Sachverhalt

I - 8

     IV - Vorabentscheidungsfrage

I - 9

     V - Beantwortung der Vorabentscheidungsfrage

I - 11

         A - Zur Formulierung der Vorabentscheidungsfrage

I - 11

         B - Zum Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit

I - 12

             a)    Die Rechtsgrundlage des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit

I - 13

                 aa)    Zur Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71

I - 13

                 ab)    Zur Anwendung von Artikel 48 des Vertrages und der Verordnung Nr. 1612/68

I - 15

                 ac)    Zur Anwendung von Artikel 7 EWG-Vertrag

I - 19

                 ad)    Festlegung der gesuchten Rechtsgrundlage

I - 27

             b)    Zur Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte

I - 27

                 ba)    Gegenstand der Ungleichbehandlung

I - 27

                 bb)    Vergleichbarkeit der unterschiedlich behandelten Sachverhalte

I - 29

             c)    Zur objektiven Rechtfertigung der Ungleichbehandlung

I - 32

             d)    Mein Standpunkt zum Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit

I - 34

         C - Zum Schutz des Wettbewerbs

I - 34

             a)    Zum Vorliegen eines Unternehmens oder einer Unternehmensvereinigung

I - 35

             b)    Zum Vorliegen einer Vereinbarung zwischen Unternehmen, eines Beschlusses von Unternehmensvereinigungen oder einer abgestimmten Verhaltensweise

I - 39

             c)    Zur Frage einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs

I - 39

             d)    Zur Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels

I - 40

             e)    Zur Spürbarkeit der Einschränkung des Wettbewerbs und der Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels

I - 43

             f)    Mein Standpunkt zum Schutz des Wettbewerbs

I - 45

     VI - Ergebnis

I - 46

I — Einleitung

1.
    Mit dem vorliegenden Ersuchen um Vorabentscheidung nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) hat das Tribunal d'arrondissement Luxemburg (8. Kammer) dem Gerichtshof eine Frage zur Auslegung der Artikel 7 und 48 EWG-Vertrag(2), der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft(3) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 312/76 des Rates vom 9. Februar 1976(4) und der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983(5), einerseits, sowie des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag andererseits zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Gerichtshof soll genauer gesagt entscheiden, ob das Verbot der Diskriminierung von Angehörigen der Mitgliedstaaten und der Schutz des Wettbewerbs einer luxemburgischen Regelung und einem Rundschreiben der Union des caisses de maladie (Vereinigung der Krankenkassen; nachstehend: UCM) sowie einem Beschluss der Entente des hopitaux luxembourgeois (Verbund der luxemburgischen Krankenhäuser; nachstehend: EHL) entgegenstehen, aufgrund deren sich die Anwendung unterschiedlicher Tarife für die Arzt- und Krankenhausleistungen ergab, je nachdem es sich um Personen handelte, die dem nationalen Sozialversicherungssystem des Großherzogtums Luxemburg angeschlossen waren, oder um solche, bei denen dies nicht zutraf, wie etwa im vorliegenden bei den Beamten der Europäischen Gemeinschaften, die dem gemeinsamen Krankenversicherungssystem der Europäischen Gemeinschaften (Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften; nachstehend: Gemeinsame Regelung) angeschlossen sind.

II — Rechtlicher Rahmen

A — Gemeinschaftsrecht

a)    Vorschriften des Vertrages und der maßgebenden Verordnungen

2.
    Gemäß Artikel 7 Absatz 1 EWG-Vertrag (später Artikel 6 EG-Vertrag, nach Änderung jetzt Artikel 12 Absatz 1 EG) gilt:

„Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.“

3.
    Artikel 48 Absatz 2 EWG-Vertrag (später Artikel 48 Absatz 2 EG-Vertrag, nach Änderung jetzt Artikel 39 Absatz 2 EG) bestimmt:

„[Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer] umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.“

4.
    Gemäß Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68 gilt ferner:

„1. Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf die berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

2. Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.

...“

5.
    Artikel 2 der Verordnung Nr. 1408/71 in der Fassung der Verordnung Nr. 2001/83 bestimmt:

„1. Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.

...“

6.
    Artikel 3 Absatz 1 dieser Verordnung lautet:

„Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staats, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.“

7.
    Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag (später Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag, jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) bestimmt:

„Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, insbesondere

a)    die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;

...“

b)    Vorschriften des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Statut) und des Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystems

8.
    Nach den Artikeln 64 und 72 des Statuts entrichten die Beamten der Europäischen Gemeinschaften Beiträge an das Gemeinsame Krankheitsfürsorgesystem der Organe der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Gemeinsames Krankheitsfürsorgesystem), das die Krankheitskosten übernimmt. Gemäß Artikel 72 Absatz 1 des Statuts ist der Ehegatte des Beamten gegen die in diesem Artikel genannten Krankheitsrisiken versichert.

9.
    Aufgrund der genannten Vorschriften wurde eine Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Gemeinsame Regelung) geschaffen. Gemäß Artikel 2 der Gemeinsamen Regelung sind die Beamten dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossen. Ferner bestimmt Artikel 3 dieser Regelung, dass auch die Ehegatten der Beamten versichert sind, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen, die aber im vorliegenden Fall bei der Ehefrau von Herrn Ferlini zweifelsfrei erfüllt sind.

10.
    Gemäß Artikel 72 des Statuts, den Artikeln 1, 2 und 3 der Gemeinsamen Regelung sowie Titel VIII des Anhangs I der Gemeinsamen Regelung übernahm das Gemeinsame Krankheitsfürsorgesystem bei einer Entbindung zu der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit die entstehenden Honorarkosten für Arzt- und Narkoseleistungen sowie die Kosten für die Benutzung des Kreißsaals, für Heilgymnastik und für alle anderen unmittelbar mit der Entbindung zusammenhängenden Leistungen. Diese Kosten wurden bis zu einem bestimmten Höchstbetrag zu 100 % übernommen. Die Kosten des Krankenhausaufenthaltes wurden bis zu einem Höchstbetrag zu 85 % übernommen.

11.
    Artikel 9 Absatz 2 der Gemeinsamen Regelung bestimmt: „Die Organe bemühen sich, im Rahmen der Möglichkeiten mit den Vertretern der Ärzteschaft und/oder den zuständigen Behörden, Verbänden und Einrichtungen unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und etwaiger bereits bestehender Gebührenordnungen Abkommen über die für die Berechtigten geltenden Gebühren für ärztliche und Krankenhausleistungen zu schließen.“

12.
    Den Akten ist zu entnehmen, dass zur im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit zwischen dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem und dem EHL trotz entsprechender Bemühungen der Gemeinschaften ein solches Abkommen nicht zustande gekommen war(6).

B - Nationales Recht

a) Kranken- und Mutterschaftsversicherung der beim nationalen System Versicherten

13.
    Nach dem Vorlagebeschluss waren für Personen, die bei den luxemburgischen Krankenkassen versichert waren, zu der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit im Wesentlichen die Artikel 308a bis 308c des Sozialversicherungsgesetzbuches maßgebend(7).

14.
    Aufgrund der Natur des vom luxemburgischen Gesetzgebers gewollten Sozialversicherungssystems sind die für ärztliche Leistungen maßgebenden Gebührensätze völlig einheitlich. Sie werden ausschließlich nach der Natur der Leistung festgelegt und waren weder vom Einkommen des Patienten noch von der Qualifikation des Leistenden abhängig.

15.
    Bei der Kranken- und Mutterschaftsversicherung sind die versicherten Personen Zwangsmitglieder der Krankenkassen, die selbständige öffentliche Einrichtungen mit Rechtspersönlichkeit sind und unter staatlicher Aufsicht stehen. Die Krankenkassen werden in der Hauptsache durch unmittelbare oder mittelbare Beiträge finanziert.

16.
    Wie sowohl Herr Ferlini als auch die Kommission angeben, unterschied sich das System für Leistungen bei Mutterschaft von dem System, das für Leistungen im Krankheitsfall galt. Zu der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit sah das System der Leistungen im Krankheitsfall den Abschluss von Kollektivabkommen zwischen den Krankenkassen und den einzelnen Gruppen von Leistungserbringern ohne Unterscheidung zwischen Krankenhaus- und Nichtkrankenhaussektor vor. Ministerialerlasse erklärten diese Vereinbarungen für allgemeinverbindlich, und zwar auch für Leistungserbringer, die nicht Mitglied des Verbandes waren, der die Vereinbarung ausgehandelt hatte(8). Das für die Mutterschaftsversicherung geltendeSystem sah demgegenüber die Zahlung eines Pauschalbetrags durch den Staat vor. Nach Auffassung von Herrn Ferlini dürfte das System in Wirklichkeit eher zum Sektor der Familienleistungen als zum Krankenversicherungssystem gehören.

17.
    Aufgrund der zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften (Gesetze vom 27. Juni 1983 und vom 3. Juli 1975) hatten Versicherte bei der Niederkunft, wie es im Vorlagebeschluss heißt, Anspruch auf Hebammen- und Arztleistungen, Aufnahme in der Entbindungsstation oder in der Klinik, Arzneimittel und Säuglingsnahrung. Diese Leistungen wurden durch einen Pauschalbetrag abgegolten, der durch großherzogliche Verordnung für jede Leistung getrennt festgelegt war.

18.
    Zu der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit galt die Großherzogliche Verordnung vom 31. Dezember 1974(9) in der geänderten Fassung, mit der zur Durchführung der Artikel 6 und 13 des Sozialversicherungsgesetzbuchs die Naturalleistungen bei Krankheit und bei Mutterschaft festgelegt werden sollten. Artikel 12 dieser Verordnung legte die Höhe des erwähnten Pauschalbetrag fest und schlüsselte die einzelnen Bestandteile dieses Betrages sowie die jedem von ihnen entsprechenden Kosten auf.

19.
    Nach dem Rundschreiben der UCM vom 1. Dezember 1988 über die Aufschlüsselung der Entbindungskostenpauschale ab 1. Januar 1989, das im Vorlagebeschluss angeführt wird(10), waren nach dem System des zu dem maßgebenden Zeitpunkt geltenden Gesetzes und der Großherzoglichen Verordnung vom 31. Dezember 1974 drei Kostenanteile zu berechnen, nämlich die ärztliche Behandlung, die Mutterschaftskosten und die Säuglingsnahrung(11).

b) Kranken- und Mutterschaftsversicherung der nicht beim nationalen System Versicherten

20.
    Nach Angabe der luxemburgischen Regierung und der Kommission sind die in Luxemburg geltenden Gebühren für Leistungen zugunsten von Personen, die in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen, die gleichen wie diejenigen, die für dem nationalen System Angeschlossene gelten. Außerdem sinddiese Personen ausdrücklich in den Anwendungsbereich der Kollektivabkommen für den Krankheitsfall einbezogen. Man muss daher davon ausgehen, dass bei der Mutterschaftsversicherung der Pauschalbetrag nach der großherzoglichen Verordnung vom 31. Dezember 1974 auch auf diese Personen Anwendung findet.

21.
    Bei anderen Personen hingegen, die nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossen waren, zeigt sich, dass die genannten Regelungen und Kollektivabkommen nicht anwendbar waren und die Erbringer von Leistungen, soweit nicht Gesetzesvorschriften oder internationale Übereinkommen des Großherzogtums Luxemburg entgegenstanden, vollkommen frei waren, ihre Gebühren festzulegen.

22.
    Mangels eines Abkommens mit dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem hat daher die EHL einseitig die Krankenhauskosten festgesetzt, die ab 1. Januar 1989 auf die nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossenen Personen einschließlich der dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angehörenden Beamten der Gemeinschaften anzuwenden waren.

III - Sachverhalt

23.
    Herr Ferlini ist Beamter der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und in Luxemburg tätig. Im Vorlagebeschluss kommt allerdings nicht zum Ausdruck, ob Herr Ferlini und seine Ehefrau die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft besitzen(12).

24.
    Da Herr Ferlini Beamter der Europäischen Gemeinschaften ist, gehören er und seine Ehefrau dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem an.

25.
    Zwischen dem 17. und 24. Januar 1989 lag die Ehefrau des Klägers des Ausgangsverfahrens im Centre hospitalier Luxemburg (nachstehend: CHL), um dort zu entbinden. Im Vorlagebeschluss heißt es, dass das CHL ein öffentliches Krankenhaus ist.

26.
    Am 24. Februar 1989 sandte das VHL dem Kläger eine Rechnung über 73 460 LUF für Krankenhauskosten.

27.
    Gegen einen Zahlungsbefehl vom 22. April 1993 über den genannten Betrag legte Herr Ferlini Widerspruch ein.

28.
    Mit Urteil vom 24. Juni 1994 wies das Tribunal de paix Luxemburg als Zivilgericht im Widerspruchsverfahren den Widerspruch als unbegründet zurückund verurteilte Herrn Ferlini zur Zahlung des genannten Betrages zuzüglich gesetzlicher Zinsen.

29.
    Am 5. Oktober 1994 legte Herr Ferlini gegen dieses Urteil Berufung ein.

30.
    Wie es im Vorlagebeschluss heißt, soll nach Meinung des Klägers die Rechnung des CHL zum einen auf der Anwendung der vom EHL festgelegten Krankenhauskosten, die ab 1. Januar 1989 für die dem nationalen Sozialversicherungssystem nicht angeschlossenen Personen und Einrichtungen gelten sollten, zum anderen auf der Anwendung der Gebühren für den Krankenkassen Angeschlossene aufgrund eines Rundschreibens der UCM vom 1. Dezember 1988 beruhen.

31.
    Mit der Berufung macht Herr Ferlini geltend, dass die Festsetzung der Krankenhauskosten durch das CHL gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Außerdem verstoße das System der Gebührenberechnung für Krankenhausleistungen, wie es auf Beamte der Gemeinschaften aufgrund einer Vereinbarung zwischen den luxemburgischen Krankenhäusern zur Anwendung gelange, gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages.

32.
    Hilfsweise macht er geltend, dass der verlangte Betrag übersetzt sei und außer Verhältnis zu den erbrachten Leistungen stehe.

33.
    Der Berufungsbeklagte CHL beantragt Zurückweisung der Berufung, Bestätigung des angefochtenen Urteils und Kostenurteil. Im Wesentlichen macht das CHL geltend, die Lage der Beamten der Gemeinschaften sei nicht mit der der dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossenen Personen vergleichbar. Diese Beamten zahlten keine Steuern oder Beiträge zum nationalen Sozialversicherungssystem und ihr Einkommen sei höher; außerdem habe das Gemeinsame Krankheitsfürsorgesystem zur maßgeblichen Zeit keine Abkommen mit der EHL getroffen. Ferner seien die Voraussetzungen des Artikels 85 des Vertrages im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

IV - Vorabentscheidungsfrage

34.
    Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts betreffen Artikel 48 des Vertrages und die Verordnungen Nr. 1408/71 und 1612/68 lediglich die Gemeinschaftsangehörigen, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung aufnehmen oder eine soziale Absicherung finden, die von dessen Vorschriften beherrscht wird. Da die Beamten der Gemeinschaften sich gerade wegen ihrer Dienstaufgaben in einem anderen als ihrem Mitgliedstaat aufhielten, könne nicht hingenommen werden, dass sie weniger günstig behandelt würden als jeder andere Arbeitnehmer, der einem Mitgliedstaat angehöre. Es müssten ihnen im Gegenteil alle Vergünstigungen zustehen, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht für die Angehörigen der Mitgliedstaaten im Bereich der Freizügigkeit, der Niederlassungsfreiheit und des sozialen Schutzes ergäben.

35.
    Das vorlegende Gericht hat ebenfalls angenommen, sich zu den vom Berufungsführer aufgeworfenen Fragen und den Einwänden des Gegners ohne eine Auslegung der Grundsätze des Wettbewerbsrechts, insbesondere bezüglich der Frage der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Gestaltung ihres Sozialversicherungssystems, der besonderen Regelung der betreffenden Unternehmen und Leistungen sowie der Auswirkung auf den Gemeinsamen Markt nicht äußern zu können.

36.
    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen hat das Tribunal d'arrondissement Luxemburg (8. Kammer) dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die Großherzogliche Verordnung vom 31. Dezember 1974 (Mémorial A Nr. 95 vom 31. Dezember 1974, S. 2398) in der geänderten Fassung über Sachleistungen bei Krankheit und Mutterschaft gemäß den Artikeln 6 und 13 des Sozialversicherungsgesetzbuchs, die ab dem 1. Januar 1989 geltenden Krankenhausgebühren für nicht dem nationalen System der sozialen Sicherheit angeschlossene Personen und Einrichtungen, das Rundschreiben der UCM vom 1. Dezember 1988 über die Aufschlüsselung der Entbindungskostenpauschalen ab 1. Januar 1989 und die Praxis der EHL, von nicht dem nationalen System der sozialen Sicherheit angeschlossene Personen und Einrichtungen und von den dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossenen Beamten der Europäischen Gemeinschaften höhere einheitliche Gebühren für Arzt- und Krankenhausleistungen zu verlangen als von den gebietsansässigen Mitgliedern des nationalen Systems der sozialen Sicherheit,

in Anbetracht des in den Artikeln 6 und 48 EG-Vertrag und hinsichtlich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft in der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 5. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Fassung der Verordnung Nr. 312/76 des Rates vom 9. Februar 1976 sowie hinsichtlich der sozialen Sicherheit in der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der Fassung der Verordnung Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 niedergelegten Verbotes der Diskriminierung zwischen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union

und

in Anbetracht des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag, der Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen verbietet, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen können und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt bezwecken oder bewirken,

mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar?

V - Beantwortung der Vorabentscheidungsfrage

37.
    Mit der von ihm vorgelegten Vorabentscheidungsfrage ersucht das Tribunal d'arrondissement Luxemburg (8. Kammer) den Gerichtshof um Stellungnahme zum Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (B) und zum Schutz des Wettbewerbs (C) aus Anlass der Festlegung von Gebühren für Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen in einem Mitgliedstaat für nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossene Personen einschließlich der Beamten der Europäischen Gemeinschaften, die aufgrund ihrer Dienstaufgaben in dem betreffenden Staat tätig sind und wohnen, aber dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossen sind. Ich werde diese beiden Fragen nach einer kurzen Bemerkung zur Formulierung der Vorabentscheidungsfrage untersuchen (A).

A - Zur Formulierung der Vorabentscheidungsfrage

38.
    Angesichts der Formulierung der Vorabentscheidungsfrage möchte ich daran erinnern, dass sich der Gerichtshof im Rahmen des Artikels 177 des Vertrages nicht zur Auslegung oder zur Gültigkeit nationaler Rechtsvorschriften noch zur Vereinbarkeit dieser Vorschriften mit Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts äußert, sondern dem vorlegenden Gericht alle Auslegungshinweise zur Verfügung stellt, die diesem die Entscheidung ermöglichen, ob eine Vorschrift des nationalen Rechts mit den Gemeinschaftsbestimmungen vereinbar ist(13).

39.
    Folglich ist davon auszugehen, dass die vom vorlegenden Gericht gestellte Vorabentscheidungsfrage das Problem betrifft, ob die Artikel 6 und 48 EWG-Vertrag und die Vorschriften der Verordnungen Nr. 1612/68 und 1408/71 dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Vorschriften oder Praktiken von Einrichtungen, die Arzt- oder Krankenhausleistungen bei Entbindungen erbringen, entgegenstehen, wenn diese für solche Leistungen Personen und Einrichtungen, die nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossen sind, einschließlich der dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossenen Beamten der Europäischen Gemeinschaften Gebühren berechnen, die höher sind als die für Gebietsansässige, die dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossen sind.

B - Zum Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit

40.
    Das Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit stellt die negative Seite des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Angehörigen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft - jetzt des Bürger der Union - dar und ist Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes, der ein Grundbegriff des Gemeinschaftsrechts ist.

41.
    Dieses Verbot, das in zahlreichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts konkretisiert ist, steht ganz allgemein nicht dem Bestehen von Unterschieden entgegen, die sich in der Anwendung verschiedener Regeln auf ähnliche Sachverhalte oder der gleichen Regel auf unterschiedliche Sachverhalte äußern können(14). Dieses Verbot steht willkürlichen Unterscheidungen entgegen, bei denen man anhand der Prüfung erkennen kann, ob sie objektiv gerechtfertigt sind(15).

42.
    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes betrifft das Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit nicht nur unmittelbare, sondern auch mittelbare oder verdeckte Diskriminierungen, die zwar nicht unmittelbar auf die Staatsangehörigkeit als verbotenes Kriterium gestützt sind, aber auf anderen Kriterien beruhen, die gleiche oder zumindest ähnliche Wirkungen herbeiführen, wie sie bei Anwendung des Kriteriums der Staatsangehörigkeit entstehen(16). Zu diesem Punkt ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall die streitige Diskriminierung ein kennzeichnendes Beispiel für eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist. Die Heranziehung des Kriteriums der Zugehörigkeit zum nationalen Sozialversicherungssystem, auf dem die Ansetzung unterschiedlicher Gebühren für Arzt- und Krankenhausleistungen beruht, läuft auf eine verschleierte Anwendung des Kriteriums der Staatsangehörigkeit hinaus, weil, wie die Kommission betont, der größte Teil der dem nationalen System Angeschlossenen luxemburgische Staatsangehörige sind, während die erdrückende Mehrheit der nicht angeschlossenen Personen, vor allemunter den Beamten der Gemeinschaften, Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind(17).

43.
    Nach diesen Vorbemerkungen halte ich es angesichts der unterschiedlichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, die der Gerichtshof auszulegen haben wird, für sinnvoll, nacheinander folgende Fragen zu untersuchen. Zunächst ist, um beurteilen zu können, ob wir es hier mit einem Fall der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu tun haben (d), der gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt, angesichts des im Ausgangsverfahren gegebenen Sachverhalts die Rechtsgrundlage des Verbots dieser Diskriminierung zu ermitteln und sind die besonderen Anwendungsvoraussetzungen für dieses Verbot zu untersuchen (a). Sodann wird einiges zu der Frage zu sagen sein, ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind, genauer gesagt, ob hier im Rahmen des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens und angesichts der Gegebenheiten des nationalen Rechts ähnliche Sachlagen unterschiedlich behandelt werden (b). Schließlich muss dann geprüft werden, ob diese unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist oder nicht (c).

a)    Die Rechtsgrundlage des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit

aa)    Zur Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71

44.
    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes „besitzt eine Person die Arbeitnehmereigenschaft im Sinn der Verordnung Nr. 1408/71, sofern sie auch nur gegen ein einziges Risiko bei einem der in Artikel 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses pflichtversichert oder freiwillig versichert ist“(18).

45.
    Beamte der Gemeinschaft wie Herr Ferlini scheinen also, obwohl sie einem besonderen System wie dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossen sind, nicht als Arbeitnehmer im Sinn der vorgenannten Definition gelten zu können.

46.
    Wie Generalanwalt Lenz in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Schmid(19) treffend ausgeführt hat, muss der Begriff des Arbeitnehmers „eine an den Zielen und dem materiellen Gegenstand der Verordnung orientierte Definition ...“(20) erfahren. Die Arbeitnehmereigenschaft hängt mit anderen Worten im Wesentlichen von der allgemeinen Möglichkeit der Anwendung der Verordnung ab.

47.
    Insoweit ist daran zu erinnern, dass zwar die Verordnung Nr. 1408/71, die auf der Grundlage von Artikel 51 EWG-Vertrag (später Artikel 51 EG-Vertrag, nach Änderung jetzt Artikel 42 EG) erlassen wurde, mit der Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zusammenhängt, ihr grundlegendes Ziel indessen die Koordinierung der verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften über die Sozialleistungen ist, damit die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht dazu führt, dass die Arbeitnehmer, die von ihr Gebrauch machen, in eine schlechtere Lage geraten als die Arbeitnehmer, die innerhalb ein und desselben Mitgliedstaats tätig sind.

48.
    Im vorliegenden Fall sind, wie die Kommission in ihren Erklärungen dargelegt hat, die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71 nicht erfüllt, weil es sich nicht um die Koordinierung der nationalen Regelungen der sozialen Sicherheit handelt, sondern um Pflegeleistungen, die innerhalb ein und desselben Mitgliedstaats erbracht werden, und um die Anwendung unterschiedlicher Gebührensätze für diese Leistungen auf eine Gruppe von Personen, der im Wesentlichen Arbeitnehmer angehören, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind. Mithin kann Herr Ferlini nicht als Arbeitnehmer im Sinn der Verordnung Nr. 1408/71 eingestuft werden.

49.
    Der Grund dafür, dass Herr Ferlini nicht als Arbeitnehmer im Sinn der Verordnung Nr. 1408/71 eingestuft werden kann, hängt mit dem sich unmittelbar aus Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung ergebenden Grund zusammen, weshalb die Verordnung im vorliegenden Fall nicht Anwendung finden kann. Nach dieser Vorschrift gilt die Verordnung „für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene“. Im vorliegenden Fall ist Herr Ferlini als Beamter der Kommission der Europäischen Gemeinschaften dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossen. Folglich gelten nach Aktenlage weder für ihn noch für seine Ehefrau die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über die soziale Sicherheit, wie dies Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 voraussetzt.

50.
    Nach dem Gesagten fallen weder Herr Ferlini noch seine Ehefrau in den persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71(21). Da indessen im Gemeinschaftsrecht der Begriff des Arbeitnehmers nicht eindeutig ist, sondern je nach dem Bereich, für den er Verwendung findet, unterschiedlich ausfällt(22), ist nicht auszuschließen, dass Herr Ferlini und seine Ehefrau in den persönlichen Anwendungsbereich anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts wie etwa Artikel 48 des Vertrages oder die Verordnung Nr. 1612/68 fallen.

ab)    Zur Anwendung von Artikel 48 des Vertrages und der Verordnung Nr. 1612/68

51.
    Berücksichtigt man die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, die die Stellung eines internationalen Beamten im Allgemeinen haben(23), so muss man a fortiori davon ausgehen, dass Beamte der Gemeinschaft wie Herr Ferlini die Arbeitnehmereigenschaft behalten, die sie sowie ihre Familienangehörigen in den persönlichen Anwendungsbereich des Artikels 48 EWG-Vertrag und der Verordnung Nr. 1612/68 fallen lassen.

52.
    Man kann sich allerdings fragen, ob die Behandlung von Herrn und Frau Ferlini in den materiellen Anwendungsbereich der betreffendenGemeinschaftsvorschriften fällt(24). Es ist genauer gesagt zu prüfen, ob die Anwendung höherer Gebühren für Arzt- und Krankenhausleistungen bei Schwangerschaft als bei Mitgliedern des nationalen Sozialversicherungssystems die „Arbeitsbedingungen“ im Sinn des Artikels 48 Absatz 2 des Vertrages und des Artikels 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1612/68 oder eine „soziale Vergünstigung“ im Sinn des Artikels 7 Absatz 2 dieser Verordnung betrifft.

53.
    Der Begriff der „Arbeitsbedingung“ im Sinn der vorgenannten Vorschriften scheint unmittelbar mit dem Arbeitsvertrag zusammenhängende Gegenstände zu betreffen wie etwa Entgelt, Kündigung, Berechnung des Dienstalters, die berufliche Wiedereingliederung oder die Wiederbeschäftigung. In dieser Hinsicht ist es kennzeichnend, dass der Gerichtshof bei der Entscheidung, ob ein System, das die Weiterzahlung von Beiträgen zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung vorsieht, während der Arbeitnehmer seinen Wehrdienst leistet, eine „Arbeitsbedingung“ darstellt, untersucht hat, ob diese Zahlung einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung entspricht, die dem Arbeitgeber obliegt(25).

54.
    Im vorliegenden Fall bin ich der Meinung, dass die Anwendung höherer Gebührensätze für Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen nicht zum semantischen Bereich des Ausdrucks „Arbeitsbedingung“ gehört. Wie die Kommission bemerkt, kann zwar die Heranziehung dieser Gebührensätze das Nettoeinkommen der dem nationalen luxemburgischen Sozialversicherungssystem nicht Angeschlossenen belasten, da diese wahrscheinlich höhere Beträge zu zahlen haben werden, weil ihre Versicherungen nicht in der Lage sind, sämtliche vorgeschriebenen Gebühren zu erstatten, jedoch muss man einräumen, dass diese Belastung nur mittelbar und hypothetisch mit den „Arbeitsbedingungen“ und insbesondere mit dem Arbeitsentgelt dieser Arbeitnehmer zusammenhängt. Der entgegengesetzte Standpunkt würde im Wesentlichen zu einer vereinfachenden Konzeption führen, wonach jede Form der Preisbildung für Waren oder Dienste, die eine Erhöhung der außerordentlichen Ausgaben wie der Kosten für Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindung zur Folge hätte, als eine durch Vertrag oder Gesetz festgelegte Auswirkung auf das Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer anzusehen wäre.

55.
    Da offenbar nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Höhe der Gebührensätze für Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindung zu den „Arbeitsbedingungen“ gehört, ist daher zu prüfen, ob die Festlegung dieser Gebührensätze die Merkmale einer „sozialen Vergünstigung“ im Sinn von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 aufweist. Nach ständiger Rechtsprechung sind solche Vergünstigungen alle „Vergünstigungen ..., die - ob sie an einenArbeitsvertrag anknüpfen oder nicht - den inländischen Arbeitnehmern wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnortes im Inland allgemein gewährt werden und deren Ausdehnung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern“(26).

56.
    Nach Auffassung der Kommission ist es wegen der genannten Definition nicht ausgeschlossen, bei Arztleistungen die Garantie eines vernünftigen Kostenniveaus, das nach den Grundsätzen des luxemburgischen Systems auf den tatsächlichen Kosten der betreffenden Leistungen beruht, als eine soziale Vergünstigung zu betrachten, die allen in Luxemburg berufstätigen Personen zuzugestehen ist.

57.
    Nach Meinung von Herrn Ferlini stellt der Pauschalbetrag, den der luxemburgische Staat bei Entbindungen zahlt, unbestreitbar eine „soziale Vergünstigung“ dar, die sich nicht grundlegend von der Mutterschaftsbeihilfe unterscheide, die der Gerichtshof als eine solche angesehen habe(27). Die Gebührenfestlegung für die durch den Pauschalbetrag gedeckten Leistungen stelle ein wesentliches Merkmal dieses Betrags dar, der all denen gezahlt werden müsse, die in Luxemburg von ihrer Freizügigkeit Gebrauch machten. In der Praxis stehe den Beamten der Gemeinschaft diese Vergünstigung in Form des Pauschalbetrags nicht zu, allerdings sei diese Frage im Ausgangsverfahren nicht erörtert worden. Die Natur des Pauschalbetrags als soziale Vergünstigung sei aber eine ausreichende Grundlage, um zumindest ein gleiches Niveau der Inrechnungstellung der Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindung fordern zu dürfen.

58.
    Sowohl die Kommission, die ein Recht auf vernünftige Gebührensätze in Höhe der effektiven Kosten ins Feld führt, als auch Herr Ferlini, der sich auf den Pauschalbetrag bei Entbindungen beruft, versuchen dem Recht auf Gleichbehandlung bei den Gebühren für die betreffenden Leistungen einen positiven Inhalt zu geben, damit die Einstufung dieses Rechts als „soziale Vergünstigung“ im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes bleibt, derals „soziale Vergünstigungen“ insbesondere Leistungen positiven Inhalts betrachtet(28). Den Angaben des Vorlagebeschlusses lässt sich hingegen nicht mit letzter Klarheit entnehmen, ob zu der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit die Gebührensätze für die dem nationalen System angeschlossenen Personen den Kosten dieser Leistungen entsprach, während die Sätze für nicht Angeschlossene, insbesondere die Beamten der Gemeinschaften, diesen Kosten nicht entsprachen, und ob der Pauschalbetrag für Leistungen bei Entbindungen oder a fortiori die Gebührenberechnung für diese Leistungen gleicher Natur waren wie die Mutterschaftsbeihilfe. Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, das eine gründlichere Kenntnis des nationalen Rechts und des Ausgangssachverhalts hat, den Wert der angeführten Argumente zu überprüfen.

59.
    Man darf indessen wohl davon ausgehen, dass die streitige Inrechnungstellung der Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen in den materiellen Anwendungsbereich des Grundsatzes der Gleichbehandlung fällt, wie er in Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68 festgelegt ist, ohne dass es einer Prüfung bedürfte, ob es sich um eine Leistung oder eine Vergünstigung positiven Inhalts handelte. Es genügt hier ein Argument „a maiore ad minus“. Da die Gleichbehandlung für die „sozialen Vergünstigungen“ gilt, muss man einräumen, dass jede Regelung, die, auch wenn sie keine Vergünstigung positiven Inhalts in strengem Sinn schafft, doch - ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpft oder nicht - die soziale Stellung des Arbeitnehmers betrifft und für inländische Arbeitnehmer wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnortes im Inland allgemein gilt und deren Ausdehnung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern. Es liegt auf der Hand, dass die Berechnung der Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen alle Merkmale dieser Definition erfüllt.

60.
    Herrscht erst Einvernehmen, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens in den materiellen Anwendungsbereich des Artikels 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 fällt, dann ist auf ein letztes Problem aufmerksam zu machen. Nach jüngerer Rechtsprechung des Gerichtshofes stellt eine nationale Regelung, die inden Anwendungsbereich von Artikel 48 des Vertrages und von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 fällt und den Angehörigen eines Mitgliedstaats davon abhält, den Mitgliedstaat, in dem er wohnt, zu verlassen, um sein Recht auf Freizügigkeit auszuüben, einen Verstoß gegen Artikel 48 des Vertrages dar, ohne dass geprüft werden müsste, ob eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit vorliegt(29). Dieser Rechtsprechung ist anscheinend zu entnehmen, dass sich der Fall einer nationalen Regelung, die die Arbeitnehmer davon abhält, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, sich von dem einer mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit bei der Ausübung ebendieses Rechts unterscheidet. Genauer gesagt dürfte im ersten Fall der Anwendungsbereich weiter sein als im zweiten und auf eine einfache Vermutung aufgebaut werden(30).

61.
    Im vorliegenden Fall lässt sich indessen nur schwer die These aufstellen, dass, abgesehen von der Einführung einer mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die Anwendung von Gebührensätzen in einem Mitgliedstaat bei Entbindungen, die höher sind als für die Personen, die dem nationalen Sozialversicherungssystem dieses Mitgliedstaats angeschlossen sind, den Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats allgemein davon abhalten könnte, in diesem Staat berufstätig zu werden, vor allem als Beamter der Gemeinschaften. Zu diesem Schluss komme ich, wenn ich die verhältnismäßig vorhersehbare und begrenzte Besonderheit der Ausgaben in Zusammenhang mit Leistungen bei Entbindungen und auch die weitgreifende Möglichkeit der Versicherung und Ausgabendeckung in verschiedenen Mitgliedstaaten berücksichtige, die das Gemeinsame Krankheitsfürsorgesystem bietet. Würde hingegen der Nachweis erbracht, dass in einem Mitgliedstaat wie im vorliegenden Fall dem Großherzogtum Luxemburg eine Gebührenberechnung stattfände, die zu einer vergleichbaren Diskriminierung bei der Gesamtheit - oder einem bedeutenden Teil - der Arzt- und Krankenhausleistungen allgemein führte, so ließe sich durchaus sagen, dass dies den Angehörigen eines Mitgliedstaats davon abhalten könnte, den Mitgliedstaat, in dem er wohnt, zu verlassen und als Beamter der Gemeinschaften in dem betreffenden Mitgliedstaat tätig zu werden.

ac)    Zur Anwendung von Artikel 7 EWG-Vertrag

62.
    Artikel 7 des Vertrages, dem zufolge „[u]nbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrages ... in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten [ist]“, kann eigenständig nur in den vom Gemeinschaftsrecht beherrschten Fällen angewandtwerden, in denen der Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht(31).

63.
    Da nun der Grundsatz des Diskriminierungsverbots aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Artikel 48 des Vertrages erneut bekräftigt wird, muss im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass Artikel 7 des Vertrages nur anzuwenden ist, wenn Artikel 48 und die Verordnung Nr. 1612/68 nicht anwendbar sind. Nach den vorstehenden Untersuchungen kann sich das Problem der Anwendung von Artikel 7 dann stellen, wenn der Gerichtshof entscheidet, dass Herr Ferlini nicht Arbeitnehmer im Sinn des Artikels 48 und der Verordnung Nr. 1612/68 ist, oder dass die streitige Diskriminierung nicht in den materiellen Anwendungsbereich dieser Vorschriften fällt, d. h. weder die „Arbeitsbedingungen“ noch die „sozialen Vergünstigungen“ betrifft.

64.
    In diesem Fall wird zu prüfen sein, ob der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens in den Anwendungsbereich des Vertrages fällt, da dies Voraussetzung für die Anwendung des Grundsatzes des Diskriminierungsverbots des Artikels 7 des Vertrages ist.

65.
    Zu diesem Punkt ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof eine weite Auslegung dieser Voraussetzung zu billigen scheint und anerkennt, dass Sachlagen, die zwar keinen unmittelbaren Zusammenhang mit den im Gemeinschaftsrecht verankerten Grundfreiheiten haben, sich aber mittelbar auf die Ausübung dieser Freiheitsrechte auswirken können, in den Anwendungsbereich des Vertrages gehören(32). Die Ermittlung des Anwendungsbereichs von Artikel 7 weist mit anderen Worten eine Dynamik auf, die eine schrittweise Integration einer Reihe von Materien in diesen Anwendungsbereich ermöglicht, die dem Gemeinschaftsrecht nicht fremd sind oder zumindest teilweise von diesem geregelt werden(33).

66.
    Was insbesondere die Beamten der Gemeinschaften betrifft, hat der Gerichtshof im Urteil Forcheri, das wie in der vorliegenden Rechtssache die Stellung der Ehefrau eines Beamten der europäischen Gemeinschaften betraf(34), zunächst festgestellt, dass „die Rechtsstellung der Beamten der Gemeinschaft in dem Mitgliedstaat ihrer dienstlichen Verwendung in zweierlei Hinsicht in den Anwendungsbereich des Vertrages fällt, nämlich wegen ihres Beschäftigungsverhältnisses mit der Gemeinschaft und insoweit, als sie in den Genuss aller Vorteile kommen müssen, die sich für die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Freizügigkeit, der Niederlassung und des sozialen Schutzes ergeben“(35). In demselben Urteil hat dann der Gerichtshof bei der Prüfung der Frage, ob beim Ehegatten eines Beamten der Gemeinschaften, der nicht die Staatsangehörigkeit des Aufnahmemitgliedstaats besitzt, die Zahlung einer Studiengebühr in den Anwendungsbereich des Vertrages fällt und mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, entschieden, dass, „[wenn] ein Mitgliedstaat Bildungsveranstaltungen durch[führt], die insbesondere der Berufsausbildung dienen, ... es eine nach Artikel 7 EWG-Vertrag verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar[stellt], wenn er bei einem in diesem Staat rechtmäßig wohnhaften Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats die Teilnahme an solchen Bildungsveranstaltungen von der Entrichtung einer Studiengebühr abhängig macht, die von seinen eigenen Staatsangehörigen nicht verlangt wird“(36).

67.
    In dem genannten Urteil, das den Urteilen Echternach und Moritz (zitiert in Fußnote 22) und Schmid (zitiert in Fußnote 18) zeitlich voranging, hat der Gerichtshof in der stillschweigenden Annahme, dass ein Beamter der Gemeinschaften, der einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft angehört, kein Arbeitnehmer im Sinn des Artikels 48 des Vertrages und der Verordnung Nr. 1612/68 ist, und da er es nicht für möglich hielt, ihm die ihm vom Gemeinschaftsrecht zugebilligten Rechte zu versagen, sich dazu entschlossen, sein Urteil auf Artikel 7 des Vertrages zu stützen. Die hier anstehende Frage betraf also die Festlegung der Personen, die zwar keine Arbeitnehmer im genannten Sinn waren, aber doch in den Anwendungsbereich des Vertrages fallen konnten. Bei der Beantwortung dieser Frage hat der Gerichtshof auf das Kriterium des „in diesem Staat rechtmäßig wohnhaften Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats“ zurückgegriffen. Während es zudem in der Urteilsbegründung den Anschein hat, als schöpfe die Ehefrau von Herrn Forcheri ihr Recht auf Gleichbehandlung aus ihrer Stellung als Ehegatte eines Beamten der Gemeinschaften, aus der sich auch ergibt, dass sie rechtmäßig in dem betreffenden Mitgliedstaat wohnt, scheint der Gerichtshof im Urteilstenor ganz allgemein auf das Kriterium abstellen zu wollen, das sich vom besonderen Fall der Ehegatten von Beamten der Gemeinschaftenabgesehen aus der rechtmäßigen Wohnsitznahme ergibt. Das hat Kommentatoren des Urteils von der Eröffnung einer neuen Perspektive für das Gemeinschaftsrecht durch den Gerichtshof sprechen lassen; ein Gemeinschaftsangehöriger, der, auch wenn er nicht die Arbeitnehmereigenschaft im Sinn des Artikels 48 und der Verordnung Nr. 1612/68 besitzt, rechtmäßig seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats begründet hat, würde mit anderen Worten für alle Bereiche, die in den Anwendungsbereich des Vertrages fielen, Gleichbehandlung beanspruchen dürfen(37).

68.
    Hier ist darauf hinzuweisen, dass diese Perspektive, die sich 1983 in der Rechtsprechung des Gerichtshofes eröffnet hat, in den Artikeln 8 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 17 EG) und 8a EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 18 EG) des Vertrags verankert worden ist(38). Wie der Gerichtshof unlängst entschieden hat, knüpft „Artikel 8 Absatz 2 des Vertrages ... an den Status eines Unionsbürgers die im Vertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten, darunter das in Artikel 6 des Vertrages festgelegte Recht, im sachlichen Anwendungsbereich des Vertrages nicht aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminiert zu werden, [und kann] sich ein Unionsbürger, der sich wie die Klägerin rechtmäßig im Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, in allen vom sachlichen Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts erfassten Fällen auf Artikel 6 des Vertrages berufen ...“(39). Die Ähnlichkeit dieser Auslegung der Artikel 8 und 8a des Vertrages mit dem Urteil Forcheri ist mehr als deutlich. Diese Auslegung der genannten Artikel durch den Gerichtshof kann folglich, auch wenn diese zu der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit nicht galten, doch die Bedeutung des Urteils Forcheri erhellen.

69.
    Wenden wir dieses Urteil auf den vorliegenden Fall an, so müssen wir davon ausgehen, dass die Ehefrau von Herrn Ferlini, da sie Angehörige eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft war - was das vorlegende Gericht nachzuprüfen haben wird - und sich als Ehegattin eines in einem Mitgliedstaat berufstätigen Beamten der Gemeinschaft rechtmäßig in diesem Mitgliedstaat aufhielt, in allen vom Anwendungsbereich des Vertrages erfassten Bereichen nicht entgegen Artikel 7 des Vertrages aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminiert werden durfte. Ganz offensichtlich betreffen Gebührensätze für Arzt- und Krankenhausleistungen Dienstleistungen, die, wie die Kommission in ihren Erklärungen ausgeführt hat, ohne jeden Zweifel in diesen Anwendungsbereich fielen und fallen(40), ohne dass geprüft werden müsste, ob sie wie bei der Anwendung von Artikel 48 des Vertrages und der Verordnung Nr. 1612/68 die „Arbeitsbedingungen“ oder die „sozialen Vergünstigungen“ betreffen(41).

70.
    Der Ehefrau von Herrn Ferlini steht das genannte Recht selbständig zu. Auf jeden Fall kann sie es auf ihre Eigenschaft als Ehegattin eines Beamten der Gemeinschaften, der - wie ebenfalls vom vorlegenden Gericht nachzuprüfen - Angehöriger eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft ist, zurückführen, dessen Rechtsstellung, wie gesagt, in den Anwendungsbereich des Vertrages fällt und der zusammen mit seiner Familie sämtliche Vergünstigungen in Anspruch nehmen können muss, die das Gemeinschaftsrecht den Angehörigen der Mitgliedstaaten im Bereich der Freizügigkeit, der Niederlassungsfreiheit und des sozialen Schutzes zubilligt.

71.
    Die letzte, obzwar nicht weniger wichtige Frage, die es im Rahmen der Auslegung des Artikels 7 des Vertrages zu prüfen gilt, betrifft die Möglichkeit, diesen Artikel nicht nur gegen Diskriminierungen infolge von Maßnahmen der Organe der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten ins Feld zu führen, sondern auch gegen solche, die in den Beziehungen zwischen Privaten vorkommen. Betrachtet man den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, so stellt sich diese Frage, wenn man davon ausgeht, dass eine Diskriminierung auf das Verhalten juristischer Personen des Privatrechts zurückzuführen ist, man also mit anderen Worten unterstellt, dass dem CHL, der EHL und der UCM eine Diskriminierung zuzurechnen wäre und diese juristische Personen des Privatrechts wären. Zu diesem Punkt enthält allerdings der Vorlagebeschluss mit Ausnahme der einfachen Angabe, dass das CHL eine öffentliche Einrichtung ist, keine ausreichenden Informationen, um eine Aussage über die öffentlich- oder privatrechtliche Naturdieser juristischen Personen treffen zu können. Diesen Punkt hat folglich das vorlegende Gericht zu klären, dem das nationale Recht bekannt ist.

72.
    Meiner Meinung nach gestattet es die Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofes trotz zeitweilig geäußerter ernster Bedenken des Schrifttums(42) durchaus, die Frage, ob Artikel 7 das aufweist, was man gewöhnlich eine „unmittelbare horizontale Wirkung“ nennt, zu bejahen.

73.
    Diese Antwort kann sich darauf stützen, dass das Verhalten juristischer Personen des Privatrechts, das mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist, weil es eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstellt, dem Mitgliedstaat selbst zugerechnet wird.

74.
    Im Rahmen der Regelung der Arbeitsbeziehungen hat der Gerichtshof eine derartige Zurechnung zugelassen, wenn er darauf abgestellt hat, dass dem Verhalten von juristischen Personen des Privatrechts eine Art Regelungsqualität zukommt, das dem entsprechenden Handeln des Mitgliedstaates selbst an die Seite zu stellen ist. So hat der Gerichtshof zu den Artikeln 7 und 48 des Vertrages entschieden, dass „[d]en Artikeln 7, 48 und 59 ... gemeinsam [ist], dass sie in ihrem jeweiligen Geltungsbereich jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung verbieten [und] das Verbot der unterschiedlichen Behandlung ... nicht nur für Akte der staatlichen Behörden [gilt], sondern ... sich auch auf sonstige Maßnahmen [erstreckt], die eine kollektive Regelung im Arbeits- oder Dienstleistungsbereich enthalten“(43). Was insbesondere Artikel 48 des Vertrages betrifft, so hat der Gerichtshof ferner entschieden, dass „die Beseitigung der Hindernisse für die Freizügigkeit zwischen den Mitgliedstaaten gefährdet wäre, wenn die Abschaffung der Schranken staatlichen Ursprungs durch Hindernisse zunichte gemacht werden könnte, die sich daraus ergeben, dass nicht dem öffentlichen Recht unterliegende Vereinigungen und Einrichtungen von ihrer rechtlichen Autonomie Gebrauch machen, und dass, [da] die Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten teilweise durch Gesetze oder Verordnungenund teilweise durch von Privatpersonen geschlossene oder vorgenommene Verträge oder sonstige Akte geregelt sind, ... [wenn] der Gegenstand von Artikel 48 des Vertrages auf behördliche Maßnahmen beschränkt [wäre], ... sich daraus Ungleichheiten bei seiner Anwendung ergeben [könnten]“(44).

75.
    Würde man indessen in der vorliegenden Rechtssache die Auffassung vertreten, dass die Diskriminierung auf Entscheidungen und Praktiken der UCM oder der EHL zurückzuführen wäre, könnte man die genannte Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht heranziehen und entscheiden, dass Artikel 7 des Vertrages im vorliegenden Fall deshalb anzuwenden wäre, weil das Handeln dieser juristischen Personen unabhängig davon, ob sie dem öffentlichen oder dem Privatrecht unterliegen, darauf abzielt, die soziale Sicherheit in Luxemburg allgemein in kollektiver Weise zu regeln. Zwar nehmen diese juristischen Personen, wie dem Vorlagebeschluss und den Erklärungen der Beteiligten zu entnehmen ist, aktiv an den Verhandlungen über die Festlegung der Gebührensätze für Arzt- und Krankenhausleistungen im Wege kollektiver Vereinbarungen teil und übernehmen daher im Bereich der sozialen Sicherheit eine ähnliche Rolle, wie sie den Gewerkschaften und Verbänden, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber vertreten, bei der Regelung der Arbeitsbeziehungen durch Tarifverträge zukommt. Unter dem Blickwinkel ihrer allgemeinen Zuständigkeiten sind diese juristischen Personen also Einrichtungen, deren Aufgabe es ist, zur Regelung der sozialen Sicherheit beizutragen, was ihrem Handeln allgemein die Natur einer Regelungstätigkeit zuweist. Indessen gehört im Ausgangsverfahren die Festlegung der Gebührensätze für Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen für die nicht dem Sozialversicherungssystem angeschlossenen Personen durch die EHL nicht zur kollektiven Gestaltung der sozialen Sicherheit, weil diese Festlegung zum einen einseitig und nicht kollektiv erfolgt und sie zum anderen die nicht dem Sozialversicherungssystem angeschlossenen Personen betrifft(45). Diese beiden Gesichtspunkte stehen der Annahme im Wege, dass das Handeln der EHL, auf das der Rechtsstreit im Ausgangsverfahren zurückzuführen ist, im Kern wie staatliches Handeln zu betrachten ist.

76.
    Ich bin allerdings der Meinung, dass die vorstehende Schlussfolgerung nicht daran hindert, dem Mitgliedstaat die Verantwortung für die Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anzulasten, die sich aus dem Handeln der juristischen Personen des Privatrechts ergibt.

77.
    Im vorliegenden Fall dürfte nämlich der Ursprung der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in den nationalen Rechtsvorschriften (Artikel 6, 13 und 308 ff. des Sozialversicherungsgesetzbuchs) zu suchen sein, in denen die Möglichkeit, die Gebührensätze für Arzt- und Krankenhausleistungen durchKollektivverträge festzulegen, sowie der Erlass der Großherzoglichen Verordnung vom 31. Dezember 1974 vorgesehen ist, mit der die Sachleistungen bei Entbindungen geregelt wurden. Gerade bei der Auslegung dieses Gesetzes- und Verordnungsrahmens, der eindeutig dem Mitgliedstaat zuzurechnen ist, zeigt sich die Nichtausdehnung der für die dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossenen Personen geltenden Gebühren auf diesem System nicht angeschlossene Angehörige anderer Mitgliedstaaten der Gemeinschaft. Dieser Gesetzes- und Verordnungsrahmen scheint, auch wenn er nicht selbst höhere Gebühren für die zweitgenannte Gruppe von Personen festlegt, es doch den zuständigen Einrichtungen zu überlassen, solche Gebühren festzulegen. Die Diskriminierung findet mit anderen Worten zunächst einmal im Bereich dieses Gesetzes- und Verordnungsrahmens statt; sie geht nicht auf ein positives Handeln zurück, sondern darauf, dass einer bestimmten Gruppe von Personen der Schutz versagt wird oder zumindest die Möglichkeit geschaffen wird, sie unterschiedlich zu behandeln. Wenn daher das Verhalten der juristischen Personen, die Krankenhausleistungen erbringen und hierfür die Gebühren festlegen, zu einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit führt, so nur deshalb und in erster Linie, weil der Gesetzes- und Verordnungsrahmen ihnen die Möglichkeit zu dieser Diskriminierung gibt.

78.
    In dieser Richtung hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass die Untätigkeit eines Mitgliedstaats oder gegebenenfalls die Weigerung, ausreichende Maßnahmen zu treffen, um Behinderungen der grundlegenden Freiheiten im einheitlichen Markt ohne Binnengrenzen entgegenzuwirken, die insbesondere durch das Handeln Privater entstehen, ebenso schwere Konsequenzen haben kann wie die Beeinträchtigung dieser Freiheiten durch positives Handeln. Die Mitgliedstaaten sind insoweit nicht nur verpflichtet, Handlungen und Verhaltensweisen zu unterlassen, die eine Behinderung der Grundfreiheiten darstellen könnten, sondern in Verbindung mit Artikel 5 EWG-Vertrag (später Artikel 5 EG-Vertrag und jetzt Artikel 10 EG) auch, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Beachtung dieser Freiheiten in ihrem Hoheitsgebiet sicherzustellen(46).

79.
    Kann man aber einem Mitgliedstaat die Diskriminierung zurechnen, die auf das Handeln Privater in seinem Gebiet zurückgeht, so lassen sich ohne Zweifel auf die Beziehungen zwischen diesen Privatpersonen nicht nur Artikel 48 des Vertrages und Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68, sondern auch Artikel 7 des Vertrages anwenden, zumal die Pflichten aus diesem Artikel genau umrissen und eindeutig sind. Insoweit ist es keineswegs überraschend, dass, was Artikel 119 EWG-Vertrag (später Artikel 119 EG-Vertrag; die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) anlangt, künftig, da dieser Artikel zwingenden Rechts ist, das Verbot unterschiedlicher Behandlung von Männern und Frauen nicht nur gegenüber öffentlichen Behörden gilt, sondern sich auch auf alleVereinbarungen erstreckt, mit denen abhängige Arbeit kollektiv geregelt werden soll, sowie auf Verträge zwischen Privatpersonen(47). Wenn dem aber so ist, kann man sich nur schwer vorstellen, dass zwar ein Arbeitsvertrag zwischen Privaten gemäß Artikel 119 des Vertrages dem Grundsatz gleichen Entgelts für männliche und weibliche Arbeitnehmer zu entsprechen hat, der in Artikel 7 des Vertrages verankerte Grundsatz der Gleichbehandlung der Angehörigen der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft aber bei einer Vereinbarung über die Erbringung von Arzt- und Krankenhausleistungen nicht zu beachten wäre. Folglich müsste man, selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit das Ergebnis einer Ermessensbefugnis einer einzelnen Krankenanstalt wie des CHL oder der Anwendung eines Beschlusses eines Verbundes von Krankenhäusern wie der EHL durch ihn wäre und diese juristischen Personen dem Privatrecht unterstehen, doch einräumen, dass hier Artikel 7 des Vertrages Geltung beansprucht.

ad)    Festlegung der gesuchten Rechtsgrundlage

80.
    Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, bezüglich der Rechtsgrundlage des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit die Feststellung zu treffen, dass das vorlegende Gericht auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 anzuwenden hat. Sollte der Gerichtshof entscheiden, dass der Sachverhalt nicht in den materiellen Geltungsbereich dieser Verordnung fällt, kann er gleichwohl feststellen, dass Artikel 7 des Vertrages anzuwenden ist.

b)    Zur Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte

81.
    Angesichts des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens scheint es angebracht, eine Reihe von Bemerkungen zu formulieren, die zum einen das Vorliegen und insbesondere den Gegenstand der Ungleichbehandlung (ba), zum anderen die Vergleichbarkeit der unterschiedlich behandelten Sachverhalte betreffen (bb).

ba)    Gegenstand der Ungleichbehandlung

82.
    Das vorlegende Gericht legt im Vorlagebeschluss nicht eingehend dar, bei welchen besonderen Teilen der bei Entbindungen erbrachten Krankenhausleistungen eine Ungleichbehandlung der dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossenen bzw. nicht angeschlossenen Personen bezüglich der angewandten Gebührensätze stattfindet. Die einzigen beziffertenAngaben im Vorlagebeschluss sind in der Darstellung des Klägervorbringens(48) zu finden, in keinem Fall wird indessen angegeben, aufgrund welcher Regeln, Vereinbarungen oder Beschlüsse die einzelnen genannten Gebühren festgelegt worden waren. Die einzige Angabe, die dem Vorlagebeschluss und insbesondere der Formulierung der Vorabentscheidungsfrage entnommen werden kann, um die Antwort des Gerichtshofes abzugrenzen, ist die, dass aufgrund der zu dem im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitpunkt insgesamt geltenden luxemburgischen Vorschriften für die Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen für Personen und Einrichtungen, die nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem, sowie für dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossene Beamte der Gemeinschaften Einheitsgebühren veranschlagt wurden, die höher waren als die, die für dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossene Gebietsansässige galten.

83.
    Es muss indessen darauf hingewiesen werden, dass die Ungleichbehandlung, wie Herr Ferlini vorträgt und auch den von ihm in der Anlage beigefügten Dokumenten zu entnehmen sein dürfte, aufgrund der in der Praxis angewandten Gebühren lediglich bestimmte Krankenhausleistungen und vor allem die allgemeinen Kosten in Zusammenhang mit der Entbindung betrifft, für die die Gebühren bei nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem Angeschlossenen durch einseitigen Beschluss der EHL festgelegt worden waren. Laut Herrn Ferlini hatte die EHL für bestimmte andere Leistungen als Entbindungs- und Krankenhauskosten ebenfalls einseitig beschlossen, auf die nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem Angeschlossenen Einheitsgebühren anzuwenden, die in einer Vereinbarung vom 31. Dezember 1974 zwischen UCM und EHL über die durch die Entbindungspauschale für die den luxemburgischen Krankenkassen angeschlossenen Personen gedeckten Kosten festgelegt worden waren. Diese Vereinbarung soll, so Herr Ferlini, in Anlehnung an die zwischen ACM und AMMD getroffene Vereinbarung abgeschlossen worden sein.

84.
    Auf jeden Fall ist es nicht Sache des Gerichtshofes, sondern des vorlegenden Gerichts, das das nationale Recht und den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens kennt, den Gegenstand der Ungleichbehandlung sowie Umfang und Modalitäten des Mechanismus zu ermitteln, der zu ihr führt.

85.
    Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass, sollte der Gerichtshof der Auffassung sein, dass die Ungleichbehandlung und folglich die Diskriminierung aufden allgemeineren Gesetzes- und Verordnungsrahmen des Großherzogtums Luxemburg zurückzuführen sind(49), es keiner besonderen Klärung bedarf, im Hinblick auf welche Gebührensätze und auf der Grundlage welcher Beschlüsse, Vereinbarungen oder Praktiken, mit denen dieser Gesetzes- und Verordnungsrahmen konkretisiert wird, diese Diskriminierung stattfindet. Eine Diskriminierung liegt vor, wenn man auf der Ebene des genannten Gesetzes- und Verordnungsrahmens die Möglichkeit einer Ungleichbehandlung entgegen dem Gemeinschaftsrecht einräumen muss, ganz unabhängig davon, ob diejenigen, die sich auf diesen Rahmen stützen, aus welchen Gründen immer diese Möglichkeit zu einem gegebenen Zeitpunkt nützen oder nicht.

bb)    Vergleichbarkeit der unterschiedlich behandelten Sachverhalte

86.
    Angesichts des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens stellt sich die Frage, ob die beiden Personengruppen, d. h. einerseits die dem luxemburgischen Sozialversicherungssystem angeschlossenen, andererseits die ihm nicht angeschlossenen Personen, darunter die dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angehörenden Beamten der Gemeinschaften, sich in vergleichbaren Lagen befinden, so dass die Anwendung unterschiedlicher Gebührensätze für Krankenhausleistungen bei Entbindungen auf jede der beiden Personengruppen eine Diskriminierung darstellt. Diese Frage glaube ich entgegen dem Vorbringen der luxemburgischen Regierung und des im Ausgangsverfahren beklagten CHL bejahen zu müssen.

87.
    Erstens kann der Umstand, dass die beiden Personengruppen verschiedenen Systemen der sozialen Sicherheit angeschlossen sind, nicht die Auffassung rechtfertigen, dass es sich um zwei Fälle handelt, die nach Gemeinschaftsrecht bezüglich der Gebührensätze für Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen unterschiedlich behandelt werden müssten. Trotz ihrer Eigenständigkeit dürfen weder das luxemburgische Sozialversicherungssystem noch das Gemeinsame Krankheitsfürsorgesystem die Grundsätze und Regeln des Gemeinschaftsrechts verletzen. Wie der Gerichtshof entschieden hat, bestimmt zwar „[i]n Ermangelung einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene ... das Recht eines jeden Mitgliedstaats, unter welchen Voraussetzungen zum einen ein Recht auf Anschluss an ein Sozialversicherungssystem oder eine Verpflichtung hierzu und zum anderen ein Anspruch auf Leistung besteht, [g]leichwohl müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis das Gemeinschaftsrecht beachten“(50). Außerdem dürfte eine Diskriminierung bei den Gebührensätzen für Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen nur mit Schwierigkeiten als Form der Organisation des Sozialversicherungssystems im genannten Sinn betrachtet werden. Entsprechend bedeutet die Regelung des Artikels 9 Absatz 2der gemeinsamen Regelung, wonach „[d]ie Organe ... sich [bemühen], im Rahmen der Möglichkeiten mit den Vertretern der Ärzteschaft und/oder den zuständigen Behörden, Verbänden, und Einrichtungen unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und etwaiger bereits bestehender Gebührenordnungen Abkommen über die für die Berechtigten geltenden Gebühren für ärztliche und Krankenhausleistungen zu schließen“, keineswegs, dass diese Organe im Rahmen der genannten Abkommen das originäre Gemeinschaftsrecht und insbesondere den Grundsatz verletzen dürften, dass Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer der Gemeinschaft verboten sind.

88.
    Ferner kann man das Argument, dass die Beamten der Gemeinschaften es nicht nötig hätten, sich auf die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zu berufen, um sich frei im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten bewegen zu können, da sie die ihnen nach dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften zustehenden Rechte ausüben könnten, nicht als überzeugend ansehen. Dieses Rechte werden im Interesse der Gemeinschaften übertragen, um diesen die Erfüllung ihrer Aufgaben zu ermöglichen(51), verweisen ganz allgemein auf die Behandlung, die diplomatischen Missionen zusteht(52), und ihr Umfang und ihre Dynamik sind nicht die der Rechte, die das Gemeinschaftsrecht den Angehörigen der Gemeinschaft - jetzt Bürger der Union - zugesteht. So könnte man zwar das erwähnte Argument unter Umständen im Fall von Beamten der Gemeinschaften heranziehen, die nicht Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind(53), nicht aber bei Beamten, die eine solche Staatsangehörigkeit aufweisen. Diese behalten weiterhin, wie sich aus den Urteilen Echternach und Moritz (zitiert in Fußnote 22), Schmid (zitiert in Fußnote 18) und Forcheri (zitiert in Fußnote 34) ergibt, ihre Eigenschaft als Arbeitnehmer im Sinn von Artikel 48 des Vertrages und genießen unabhängig von ihrer besonderen Amtsstellung sämtliche Vergünstigungen, die ihnen das Gemeinschaftsrecht verleihen hat. Würde man ihre Rechtsstellung allein aus dem Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften ableiten wollen, so würde man das Gemeinschaftsrecht und die von ihnen hieraus abgeleiteten Rechte verletzen.

89.
    Zweitens dürfte dem Umstand, dass es zu der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit kein Abkommen zwischen dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem und der EHL, wohl aber Abkommen mit der UCM gab, keine Bedeutung für das Vorliegen einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Fälle zukommen. Wie die Kommission und Herr Ferlini hervorgehoben haben, handelt es sich im vorliegenden Fall um Gebühren für Leistungen, die sich nicht ausAbkommen ergeben, sondern sämtliche Leistungen bei Entbindungen betreffen, die in Gesetzes- oder Verordnungsvorschriften festgelegt sind. Auf jeden Fall ist festzuhalten, dass die genannten Abkommen wegen ihrer Verbindlichkeit im Rahmen des luxemburgischen Systems im Kern eine einheitliche und vom Staat herstammende Regelung darstellen und sich erheblich von dem unterscheiden, was man als Vereinbarungen des Privatrechts betrachten muss, in denen die Vertragsfreiheit dienstleistender Personen zum Ausdruck kommt.

90.
    Drittens überzeugt auch nicht die Argumentation, dass die nicht dem luxemburgischen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossenen Personen zum einen über bedeutende Einkünfte und im Rahmen ihrer Versicherungsregelung über hohe Deckungssätze und Kostenerstattungen verfügen, zum anderen keine luxemburgischen Steuern zahlen und keine Beiträge zum nationalen Sozialversicherungssystem entrichten.

91.
    Zunächst sind nach dem Vorlagebeschluss die Gebühren für Arztleistungen im Rahmen des luxemburgischen Sozialversicherungssystems einheitlich gestaltet. Sie werden ausschließlich nach der Natur der Leistung festgelegt und unterscheiden sich weder nach dem Einkommen der Patienten noch nach den Fähigkeiten des Leistungserbringers.

92.
    Was ferner den Umstand betrifft, dass die nicht dem luxemburgischen Sozialversicherungssystem angeschlossenen Personen keine Steuern bezahlen, so hat der Gerichtshof bezüglich der besonderen Situation eines Beamten der Gemeinschaften und seiner Familie entschieden, dass „er zwar nach Artikel 13 Absatz 2 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften von innerstaatlichen Steuern auf die von den Gemeinschaften gezahlten Gehälter, Löhne und Bezüge befreit [ist], dafür ... aber nach Artikel 13 Absatz 1 von diesen Gehältern, Löhnen und Bezügen zugunsten der Gemeinschaften eine Steuer zu entrichten [hat], die dem Aufnahmemitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Mitglied der Gemeinschaften mittelbar zugute kommt, [und dass] [d]er Umstand, dass er von seinem Gehalt keine Steuern an die Staatskasse entrichtet, ... deshalb kein triftiger Grund dafür [ist], den Fall des Beamten und seiner Familie anders als den des Wanderarbeitnehmers zu behandeln, dessen Einkünfte der Besteuerung durch den Wohnsitzstaat unterliegen.“(54)

93.
    Darüber hinaus lässt sich die unterschiedliche Behandlung der beiden Gruppen auch nicht dadurch rechtfertigen, dass die Beamten der Europäischen Gemeinschaften und ganz allgemein die dem nationalen Sozialversicherungssystem nicht angeschlossenen Personen keine Beiträge zu diesem System entrichten. Zunächst werden, wie bereits ausgeführt, im Rahmen des luxemburgischen Systems die Gebühren nach der Natur und den Kosten der Leistung und nicht nachMaßgabe des entrichteten Beitrags berechnet. Ferner werden die Kosten der bei Entbindungen erbrachten Leistungen unmittelbar vom Staat und nicht von den Krankenkassen übernommen, bei denen das Fehlen von Sozialversicherungsbeiträgen unter Umständen eine gewisse Bedeutung haben könnte.

94.
    Würde man sich diesem Argument anschließen, so würde dies, wie die Kommission zu Recht bemerkt, zusammen mit der Behauptung des im Ausgangsverfahren beklagten CHL, dass die bei Beamten der Europäischen Gemeinschaften zur Anwendung kommenden Gebührensätze dem wirklichen Wert der gebotenen Leistungen entsprächen, bedeuten, dass die Gebührensätze, die bei dem nationalen System Angeschlossenen angewandt werden, niedriger sind als die Kosten - was wiederum auf jeden Fall vom vorlegenden Gericht zu prüfen wäre -, und dass man von den Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten eine zusätzliche Zahlung verlangen könnte, da sie in diesem Staat weder Steuern noch Beiträge zahlten. Ein solches Ergebnis würde indessen dem Gemeinschaftsgrundsatz der Freizügigkeit widersprechen, dem zufolge den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten die gleichen Rechte einzuräumen sind wie die den Inländern zugestandenen, selbst wenn dies in dem Mitgliedstaat, in dem diese Staatsangehörigen keine Steuern oder Beiträge zahlen, zusätzliche Kosten verursachen würde(55).

95.
    Selbst wenn also alle diese Argumente, wie die Kommission zu Recht hervorhebt, die ja die finanzielle Situation der Beamten der Gemeinschaft und den Umstand betreffen, dass sie weder Steuern noch Beiträge zahlen, unter Umständen für den Versuch einer Rechtfertigung des Fehlens der Deckung und der Erstattung der Gesundheitskosten durch die luxemburgischen Krankenkassen herangezogen werden könnten, so sind sie doch keineswegs geeignete Argumente, um die schlichte Erhöhung der Gebühren für solche Leistungen zu rechtfertigen.

c)    Zur objektiven Rechtfertigung der Ungleichbehandlung

96.
    Die Ungleichbehandlung der nicht dem luxemburgischen Sozialversicherungssystem Angeschlossenen hinsichtlich der Gebührensätze für Arzt- und Krankenhausleistungen dürfte auch nicht objektiv zu rechtfertigen sein, was neben anderen Gesichtspunkten belegt, dass diese Ungleichbehandlung gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt(56).

97.
    Keine der in Artikel 48 Absatz 3 des Vertrages vorgesehenen Ausnahmen - nicht einmal die der öffentlichen Gesundheit - dürfte hier zur Anwendung gelangen können, abgesehen davon, dass sie weder vom CHL noch von der luxemburgischen Regierung geltend gemacht werden. Wie die Kommission zu Recht hervorhebt, kann man sich vernünftigerweise nicht vorstellen, dass die öffentliche Gesundheit von einer Differenzierung der Gebühren für Arztleistungen abhängig wäre, je nachdem, ob diese den dem nationalen System Angeschlossenen oder den Beamten der Gemeinschaften erbracht werden, und natürlich auch nicht, dass die Anwendung gleicher Gebührensätze eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen würde.

98.
    Da die streitige Ungleichbehandlung ein rein wirtschaftliches Problem betrifft, könnte man gegebenenfalls annehmen, dass für sie das Urteil Decker Anwendung finden könnte, wonach „[r]ein wirtschaftliche Gründe ... eine Beschränkung des elementaren Grundsatzes des freien Warenverkehrs nicht rechtfertigen [können], [dass jedoch] eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Sozialversicherungssystems einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen [kann], der eine solche Beschränkung rechtfertigen kann“(57).

99.
    Abgesehen davon, dass niemand „eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Sozialversicherungssystems“ Luxemburgs behauptet oder nachgewiesen hat, besteht ein solches Risiko in der Praxis anscheinend nicht.

100.
    Es ist darauf hinzuweisen, dass weder der luxemburgische Staat noch die Versicherungskassen dieses Staates die Kosten der Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen für dem nationalen System nicht Angeschlossene, insbesondere Beamte der Gemeinschaften, übernehmen, während bei Angeschlossenen diese Kosten vom Staat und nicht von den Kassen übernommen werden. Folglich belasten trotz der vielleicht großen Anzahl von Beamten der Gemeinschaft, die in Luxemburg wohnen, die Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen zugunsten dieser Beamten das Sozialversicherungssystem dieses Staates nicht in besonderer Weise.

101.
    Falls nachgewiesen würde, dass die Gebührensätze für dem nationalen System Angeschlossene unter den Kosten für die Leistungen lägen, könnte man unter Umständen die Auffassung vertreten, dass die Anwendung dieser Gebührensätze auf Beamte der Gemeinschaft, die dem nationalen System nicht angehören, die Haushaltsmittel belaste, die vom Staat zur Finanzierung von Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen bereitgestellt würden. Dies aber widerspricht, wie bereits ausgeführt, dem Geist des Schutzes der Freizügigkeitinnerhalb der Gemeinschaft keineswegs(58), und man kann den Beamten der Gemeinschaften nicht entgegenhalten, dass sie die gleichen Leistungen teurer bezahlen müssen, weil sie dem luxemburgischen Staat keine Steuern zahlen(59).

102.
    Letztlich lässt nichts die Auffassung zu, die Beamten der Gemeinschaften und ihre Versicherungseinrichtungen müssten wegen ihrer - möglicherweise - verhältnismäßig hohen Einkommen oder wegen der - möglicherweise - verhältnismäßig hohen Höchstbeträge, bis zu denen ihre Krankenkasse Kosten deckt und erstattet, das luxemburgische Sozialversicherungssystem finanzieren.

d)    Mein Standpunkt zum Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit

103.
    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen stehe ich daher auf dem Standpunkt, dass Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 die Bedeutung hat, dass er die Anwendung von Gebühren für Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen auf Angehörige von Mitgliedstaaten, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats wie im vorliegenden Fall des Großherzogtums Luxemburg berufstätig sind, aber wie die dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossenen Beamten der Europäischen Gemeinschaften dem nationalen Sozialversicherungssystem dieses Mitgliedstaats nicht angehören, ausschließt, wenn diese höher sind als diejenigen, die für dem nationalen Sozialversicherungssystem dieses Mitgliedstaats angeschlossene Gebietsansässige gelten.

104.
    Als Folge dieses Standpunkts muss man dann aber, wie die Kommission herausstellt, davon ausgehen, dass „die Angehörigen der benachteiligten Gruppe Anspruch auf die gleiche Behandlung und auf Anwendung der gleichen Regelung wie die übrigen Betroffenen [haben], wobei diese Regelung, solange das Gemeinschaftsrecht nicht richtig durchgeführt ist, das einzig gültige Bezugssystem bleibt“(60).

C - Zum Schutz des Wettbewerbs

105.
    Im vorliegenden Fall geht die denkbare Verletzung des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages in erster Linie darauf zurück, dass ein Verbund von Krankenhäusern wie hier die EHL auf Personen und Einrichtungen, die nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossen sind, darunter die dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossenen Beamten der Gemeinschaften, für Krankenhausleistungen bei Entbindungen höhereGebührensätze zur Anwendung bringt als diejenigen, die für dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossene Personen gelten.

106.
    Vorab ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dieser Verstoß, soweit er überhaupt vorliegt, dem Mitgliedstaat selbst zugerechnet werden kann, dessen Gesetzes- und Verordnungsrahmen Verstöße dieser Art ermöglicht(61). Wie der Gerichtshof entschieden hat, betrifft Artikel 85 des Vertrages an sich nur das Verhalten von Unternehmen und nicht durch Gesetz oder Verordnungen getroffene Maßnahmen der Mitgliedstaaten, jedoch dürfen die Mitgliedstaaten aufgrund dieses Artikels in Verbindung mit Artikel 5 des Vertrages keine Maßnahmen treffen oder beibehalten, und zwar auch nicht in Form von Gesetzen oder Verordnungen, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln aufheben könnten. Das aber ist der Fall, wenn ein Mitgliedstaat gegen Artikel 85 verstoßende Kartellabsprachen vorschreibt oder erleichtert oder die Auswirkungen solcher Absprachen verstärkt oder wenn er seiner eigenen Regelung dadurch ihren staatlichen Charakter nimmt, dass er die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen privaten Wirtschaftsteilnehmern überträgt(62).

107.
    Um entscheiden zu können, ob im vorliegenden Fall eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, ein Beschluss von Unternehmensvereinigungen oder eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinn von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages festgestellt werden kann (f), werde ich nachstehend prüfen, ob die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, genauer, ob es sich um ein Unternehmen oder um eine Unternehmensvereinigung handelt (a), um eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, einen Beschluss von Unternehmensvereinigungen oder um eine abgestimmte Verhaltensweise (b), ob diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken (c) und geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar (e) zu beeinträchtigen (d).

a)    Zum Vorliegen eines Unternehmens oder einer Unternehmensvereinigung

108.
    Artikel 85 Absatz 1 betrifft Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen. Zunächst ist daher zu prüfen, ob Krankenhäuser Unternehmen sind und ob ein Verbund von Krankenhäusern wie die EHL eine Unternehmensvereinigung im Sinn dieser Vorschrift darstellt.

109.
    Nach der Rechtsprechung umfasst der Begriff des Unternehmens „im Rahmen des Wettbewerbsrechts jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“(63).

110.
    Meines Erachtens unterliegt es keinem Zweifel, dass die luxemburgischen Krankenhäuser in ihren uns hier unmittelbar interessierenden Beziehungen zu nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossenen Personen und insbesondere zu den Beamten der Gemeinschaften unabhängig von ihrer öffentlich- oder privatrechtlichen Rechtsstellung Unternehmen in dem angegebenen Sinn sind.

111.
    Das CHL und die übrigen luxemburgischen Krankenhäuser üben insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, als sie Dienstleistungen - im vorliegenden Fall Leistungen bei Entbindungen - gegen Entgelt erbringen(64). Angesichts der weiten Auslegung des Begriffs der Wirtschaftstätigkeit und dann auch des Begriffs „Unternehmen“ durch den Gerichtshof kann man meines Erachtens schwerlich einwenden, dass Berufstätigkeiten wie die in Zusammenhang mit dem Arztberuf, die von besonderen Regeln der Standesordnung und der Gebührenberechnung beherrscht werden, grundsätzlich nichts mit einem Geschäftsbetrieb zu tun haben und allein schon deshalb keine den Wettbewerbsregeln unterstehende Wirtschaftstätigkeit darstellen können(65). Dies gilt umso mehr, als, wie ich noch ausführen werde, die konkrete Verbindung zwischen dem Gegenstand der betreffenden Tätigkeit und der Vereinbarung zwischen Unternehmen, dem Beschluss einer Unternehmensvereinigung oder der abgestimmten Verhaltensweise es nicht rechtfertigt, die genannten Gründe anzuführen, die auf den ersten Blick den Tätigkeiten in Zusammenhang mit der Erbringung von Arzt- und Krankenhausleistungen eine spezifische Bedeutung verleihen.

112.
    Ferner ist es grundsätzlich bedeutungslos, ob ein Krankenhaus privat- oder öffentlich-rechtlich organisiert ist, obwohl die öffentlich-rechtliche Stellung eines Krankenhauses unter bestimmten Voraussetzungen, die ich noch nennen werde, Zweifel bezüglich seiner Einstufung als Unternehmen aufkommen lassen könnte.

113.
    Wie die Kommission mit Recht bemerkt, lässt sich von den Krankenhäusern in ihren Beziehungen zu nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem Angeschlossenen, selbst wenn man sie als öffentliche einstufen müsste, nicht behaupten, dass sie eine Tätigkeit ausüben, die Teil der Dienste der sozialenSicherheit wäre. Da sich die Krankenhäuser selbst darauf berufen, dass die Beamten der Gemeinschaften nicht diesem Bereich angehören, können ihre Beziehungen zu diesen, obwohl sie Arzt- und Krankenhausleistungen betreffen, grundsätzlich nur als wirtschaftliche und jedem Begriff nationaler Solidarität im Rahmen der sozialen Sicherheit fremde betrachtet werden. Infolgedessen kann nicht auf die Rechtsprechung zurückgegriffen werden, wie sie dem Urteil Poucet und Pistre zu entnehmen ist, in dem der Gerichtshof entschieden hat: „Die Krankenkassen oder die Einrichtungen, die bei der Verwaltung der öffentlichen Aufgabe der sozialen Sicherheit mitwirken, erfüllen jedoch eine Aufgabe mit ausschließlich sozialem Charakter. Diese Tätigkeit beruht nämlich auf dem Grundsatz der nationalen Solidarität und wird ohne Gewinnzweck ausgeübt. Die Leistungen werden von Gesetzes wegen und unabhängig von der Höhe der Beiträge erbracht. Folglich ist diese Tätigkeit keine wirtschaftliche Tätigkeit, und die mit ihr betrauten Einrichtungen sind daher keine Unternehmen im Sinn der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag“(66). Außerdem betrifft im vorliegenden Fall die angebliche Vereinbarung nur die Krankenhäuser und nicht die Krankenkassen oder Versicherungseinrichtungen. Ferner hat die EHL, wie sich den Angaben im Vorlagebeschluss entnehmen lässt, als Verbund dieser Krankenhäuser die Möglichkeit, die Höhe der Gegenleistung für die den nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem Angeschlossenen erbrachten Leistungen sogar einseitig festzulegen, ohne zuvor eine Vereinbarung mit den betreffenden Versicherungseinrichtungen treffen zu müssen.

114.
    Zum letzten Punkt, der zugleich der Streitpunkt bei der etwaigen Verletzung von Wettbewerbsregeln ist, sei darauf hingewiesen, dass nach der Feststellung des Gerichtshofes „[i]m Rahmen des Wettbewerbsrechts ... unter dem Begriff des Unternehmens eine im Hinblick auf den jeweiligen Vertragsgegenstand bestehende wirtschaftliche Einheit zu verstehen [ist], selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren, natürlichen oder juristischen, Personen gebildet wird“(67). Der Begriff „Unternehmen“ ist mit anderen Worten in jeder Rechtssache im funktionalen Sinn unter Berücksichtigung der Tätigkeit zu verstehen, die Gegenstand der Vereinbarung zwischen Unternehmen, des Beschlusses von Unternehmensvereinigungen oder der abgestimmten Verhaltensweise ist.

115.
    Im vorliegenden Fall führt die funktionale Betrachtungsweise des Problems zu der Feststellung, dass die Beziehung zwischen den Krankenhäusern und den nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem Angeschlossenen zum privaten Sektor der Wirtschaft gehört und es selbst bei öffentlichen Krankenhäusern nicht möglich ist, von einer Tätigkeit in Zusammenhang mit der Ausübung von mit der öffentlichen Gewalt verbundener Vorrechten auszugehen, die dem öffentlichen Interesse dienen oder die öffentliche Gesundheit schützen würde. In Wirklichkeitwäre es, wie ich bereits früher in meinen Schlussanträgen bemerkt habe, überaus schwierig, die Auffassung zu rechtfertigen, dass die einseitige Festlegung höherer Gebührensätze für die nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem Angeschlossenen aus Gründen des öffentlichen Interesses oder des Schutzes der öffentlichen Gesundheit notwendig sei.

116.
    Da somit die Krankenhäuser in ihren Beziehungen zu den nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossenen Personen als Unternehmen eingestuft werden können, scheint ihr Verbund, im vorliegenden Fall die EHL, im Rahmen der vorgenannten Beziehungen als Unternehmensvereinigung betrachtet werden zu können. Da indessen der Vorlagebeschluss die Regeln für die Organisation und die Arbeitsweise der EHL nicht im Detail aufführt, dürfte der Gerichtshof nicht in der Lage sein, die insbesondere von Herrn Ferlini vorgetragenen Gesichtspunkte zu prüfen, wonach die EHL eine Vereinigung ohne Gewinnstreben mit eigener Rechtspersönlichkeit sei und daher als Unternehmensvereinigung im Sinn von Artikel 85 Absatz 1 betrachtet werden müsse. Es ist Sache des mit dem nationalen Recht vertrauten vorlegenden Gerichts, diese Gesichtspunkte zu würdigen und die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien für das Vorliegen einer „Unternehmensvereinigung“(68) anzuwenden; es kann auf jeden Fall, falls erforderlich, dem Gerichtshof eineVorabentscheidungsfrage vorlegen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die nachfolgenden Ausführungen zum Vorliegen einer Vereinbarung zwischen Unternehmen, eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung oder einer abgestimmten Verhaltensweise möglicherweise die Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen einer „Unternehmensvereinigung“ überflüssig machen.

b)    Zum Vorliegen einer Vereinbarung zwischen Unternehmen, eines Beschlusses von Unternehmensvereinigungen oder einer abgestimmten Verhaltensweise

117.
    Die Vorabentscheidungsfrage scheint, wie die Kommission bemerkt, von der Möglichkeit, ja der Gewissheit auszugehen, dass zwischen den luxemburgischen Krankenhäusern eine Vereinbarung besteht, nach der für Personen und Einrichtungen, die nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossen sind, sowie für die dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angehörenden Beamten der Gemeinschaften bei Leistungen in Zusammenhang mit Entbindungen einheitliche Gebührensätze anzuwenden sind. Im Rahmen dieser Vereinbarung scheint die Festlegung der ab 1. Januar 1989 für die nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossenen Personen und Einrichtungen geltenden Krankenhausgebühren durch die EHL stattgefunden zu haben. Diese Gebührensätze scheinen von den der EHL angehörenden Krankenhäusern, darunter dem CHL, eingehalten worden zu sein.

118.
    Da Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages drei mögliche Formen des Zusammenwirkens nennt (Vereinbarung zwischen Unternehmen, Beschluss einer Unternehmensvereinigung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen) scheint es nicht sehr wichtig zu sein, hier eine genaue Unterscheidung zu treffen, um auf die Vorabentscheidungsfrage zu antworten. Aus dem Vorstehenden ergibt sich indessen, dass es sich im vorliegenden Fall aller Wahrscheinlichkeit nach um den Beschluss einer Unternehmensvereinigung handelt, ohne dass man freilich das Vorliegen einer Absprache zwischen Unternehmen oder einer einfachen abgestimmten Verhaltensweise ganz ausschließen könnte. Auch hier ist es auf jeden Fall Sache des vorlegenden Gerichts, das die rechtlichen Aspekte und den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens besser kennt, die zutreffende Einstufung vorzunehmen, hierbei die Ergebnisse der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu berücksichtigen und gegebenenfalls, falls es dies für erforderlich hält, dem Gerichtshof zu dieser Einstufung eine neue Vorabentscheidungsfrage vorzulegen.

c)    Zur Frage einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs

119.
    Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages untersagt alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Beschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken.

120.
    Außerdem brauchen „[n]ach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ... die tatsächlichen Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden, wenn diese ersichtlich eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt, [und] [d]ies gilt auch für den Beschluss einer Unternehmensvereinigung“(69).

121.
    Außerdem stellt die horizontale Vereinbarung, die abgestimmte Verhaltensweise oder der Beschluss einer Unternehmensvereinigung desselben Sektors, mit denen einheitliche Gebührensätze für die erbrachten Leistungen festgelegt werden sollen, ein klassisches Beispiel für eine Absprache dar, die eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem Markt der betreffenden Leistungen bezweckt, wie sowohl die Kommission als auch Herr Ferlini dargelegt haben. Aus diesem Grund nennt auch Artikel 85 Absatz 1 Buchstabe a unter den Formen des Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln ausdrücklich die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise für Waren oder Dienstleistungen(70).

122.
    Im vorliegenden Fall dürfte es nicht zweifelhaft sein, dass die Festlegung einheitlicher Gebührensätze für Krankenhausleistungen bei Entbindungen, die für dem luxemburgischen Sozialversicherungssystem nicht Angeschlossene gelten sollen, in den Anwendungsbereich der Vorschrift fällt, die alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen oder abgestimmte Verhaltensweisen verbietet, die eine Einschränkung des Wettbewerbs bei der Erbringung der genannten Leistungen bezwecken.

d)    Zur Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels

123.
    Hier ist daran zu erinnern, dass Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht voraussetzt, dass die in dieser Bestimmung genannten Vereinbarungen den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigt haben, wofür der Beweis in den meisten Fällen auch rechtlich gesehen nur schwer zu erbringen wäre, sondern lediglich den Nachweis verlangt, dass diese Vereinbarungen für eine solche Beeinträchtigung geeignet sind(71). Außerdem sind nach ständiger Rechtsprechung „Beschlüsse, Vereinbarungen oder Verhaltensweisen nur dann geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn sich anhand objektiver rechtlicher oder tatsächlicherUmstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflussen, die befürchten lässt, dass sie dadurch die Verwirklichung eines einheitlichen Marktes zwischen Mitgliedstaaten behindern“(72).

124.
    Außerdem reicht nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes „[d]er Umstand, dass ein Preiskartell der streitigen Art nur den Vertrieb bestimmter Erzeugnisse in einem einzigen Mitgliedstaat zum Gegenstand hat, ... nicht aus, um auszuschließen, dass der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden kann, [da] ein sich auf das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaats erstreckendes Kartell ... schon seinem Wesen nach die Wirkung [hat], die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, [und] so die vom Vertrag gewollte gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung [verhindert] und ... die inländische Produktion [schützt], [so dass] [i]n diesem Zusammenhang ... zu untersuchen [sind] die Mittel, über die die Mitglieder eines Kartells verfügen, um sicherzustellen, dass die Kundschaft ihnen treu bleibt, die relative Bedeutung des Kartells auf dem betreffenden Markt und der gesamtwirtschaftliche Zusammenhang, in dem das Kartell sich betätigt“(73).

125.
    Im vorliegenden Fall kann sich die Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels daraus ergeben, dass die Anwendung höherer Gebührensätze für Krankenhausleistungen bei Entbindungen aller Wahrscheinlichkeit die dem luxemburgischen System nicht Angeschlossenen bewegen wird, ein Krankenhaus außerhalb von Luxemburg aufzusuchen. Es ist mit anderen Worten wahrscheinlich, dass die streitige Entscheidung der EHL, mit der für die nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem Angeschlossenen und die in Luxemburg arbeitenden Beamten der Gemeinschaften höhere Gebührensätze festgelegt wurden, den Handel mit Krankenhausleistungen bei Entbindungen auf dem betreffenden Markt von seiner erwarteten Richtung abbringt.

126.
    Obwohl es Sache des vorlegenden Gerichts ist, das das nationale Recht und den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens besser kennt, im Einzelnen die rechtlichen und tatsächlichen Parameter zu prüfen, auf deren Grundlage die fragliche Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, ist doch auf bestimmte Gesichtspunkte aufmerksam zu machen, die mit Rücksicht auf die in der Rechtsprechung erarbeiteten Kriterien positiv zu der besagten Feststellung führen sollten.

127.
    Zum einen kann die Festlegung höherer Gebührensätze für Krankenhausleistungen bei Entbindungen für das gesamte Staatsgebiet und alle Krankenhäuser eines Mitgliedstaats ganz allgemein ihrem Wesen nach zu einer Verstärkung der Abschottung des nationalen Marktes führen und damit die vom Vertrag gewollte wirtschaftliche Durchdringung verhindern. Für die genannte Wahrscheinlichkeit spricht weitgehend, dass es sich im vorliegenden Fall um den luxemburgischen Staat und in erster Linie um Beamte der Gemeinschaften handelt, die in dessen Staatsgebiet arbeiten. Wegen der geringen flächenmäßigen Ausdehnung dieses Mitgliedstaats und seiner Nachbarschaft zu drei anderen Mitgliedstaaten (Belgien, Frankreich und Deutschland) kann man davon ausgehen, dass sehr wahrscheinlich ein Großteil der Beamten der Gemeinschaften, die in Luxemburg arbeiten, die erforderlichen Krankenhausleistungen in den Krankenhäusern dieser Nachbarstaaten nachfragen werden, und ebenso werden die in diesen Staaten arbeitenden Beamten der Gemeinschaften es wegen der ihnen in Rechnung gestellten hohen Gebührensätze vermeiden, in luxemburgischen Krankenhäusern aufgenommen zu werden. Ferner lässt sich nicht ausschließen, wie Herr Ferlini in seinen Erklärungen angedeutet hat, dass die Krankenhäuser der Nachbarstaaten versucht sein könnten, ihren Gebührensätze den von der EHL festgelegten höheren Sätzen anzupassen, ebenso wenig die von der Kommission aufgezeigte Möglichkeit, dass die Einrichtungen, bei denen die nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem Angeschlossenen versichert sind, Abkommen vornehmlich mit den Krankenhäusern oder Kliniken abzuschließen, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befinden.

128.
    Zum anderen wird die genannte Wahrscheinlichkeit durch die Natur der streitigen Krankenhausleistungen bei Entbindungen noch verstärkt(74). Die Möglichkeit, die Entwicklung der Schwangerschaft vorauszusehen, erlaubt es normalerweise, den Ort der Niederkunft festzulegen. Außerdem lässt sich die Auffassung vertreten, dass die vergleichbaren Entfernungen zwischen den belgischen, französischen, deutschen und luxemburgischen Krankenhäusern es möglich machen, ein Krankenhaus aufgrund des Gebührensatzes für dieangebotenen Dienste auszuwählen, selbst wenn verhältnismäßig außergewöhnliche Umstände vorliegen.

129.
    Zu diesem Punkt sei gesagt, dass das vorlegende Gericht möglicherweise feststellt, dass die wahrscheinlichen Beeinträchtigungen des innergemeinschaftlichen Handels, von denen ich gesprochen habe, in der Praxis - vor allem bei Berücksichtigung der von der Rechtsprechung geforderten Spürbarkeit(75) - bisher nicht beobachtet worden sind, weil die erhöhten Gebührensätze für Krankenhausleistungen bei Entbindungen, die insbesondere bei Beamten der Gemeinschaften Anwendung finden, weitgehend durch das Gemeinsame Krankheitsfürsorgesystem übernommen werden, was die Bedeutung mindert, die für sie die Höhe der Gebührensätze bei der Wahl eines Krankenhauses hat. Eine solche denkbare Feststellung darf allerdings nicht zu dem Schluss verleiten, dass eine Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels im Sinn der Gemeinschaftsvorschriften nicht vorliegt. Zum einen reicht es bekanntlich aus, dass diese Beeinträchtigung wahrscheinlich ist, und es ist nicht erforderlich, dass sie bereits eingetreten ist. Zum anderen stellt die Übernahme der hohen Gebührensätze durch das Gemeinsame Krankheitsfürsorgesystem einen äußerlichen und der Veränderung unterliegenden Faktor dar, der dazu beiträgt, dass sich die besagte Beeinträchtigung in der Praxis nicht zeigt; ein solcher Faktor kann aber nicht auf Dauer und allgemein die Möglichkeit ausschließen, dass die streitige Festsetzung höherer Gebührensätze ihrem Wesen nach eine Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels bewirkt(76). Insoweit ist es, wenn man davon ausgeht, dass die Festsetzung der besagten Gebührensätze eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstellt und gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt, sehr wahrscheinlich, dass das Gemeinsame Krankheitsfürsorgesystem die genannten erhöhten Gebühren nicht mehr übernimmt, was dann auch in der Praxis, falls die luxemburgischen Krankenhäuser diese Gebühren beibehalten, ihre Auswirkung auf den innergemeinschaftlichen Handel sichtbar machen wird.

e)    Zur Spürbarkeit der Einschränkung des Wettbewerbs und der Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels

130.
    Eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, ein Beschluss von Unternehmensvereinigungen oder eine abgestimmte Verhaltensweise muss, um unter das Verbot des Artikels 85 zu fallen, geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten und den Wettbewerb spürbar zu beeinträchtigen(77). Der Gerichtshof hat zu diesem Punkt entschieden, dass „[d]er Einfluss einer Vereinbarung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten ... insbesondere von der Stellung und Bedeutung der Parteien auf dem Markt dieser Erzeugnisse ab[hängt], [und] ... eine Alleinvertriebsvereinbarung selbst bei absolutem Gebietsschutz von der Verbotsvorschrift des Artikels 85 nicht erfasst wird, wenn sie dem Markt angesichts der schwachen Stellung der Beteiligten auf dem Markt der fraglichen Erzeugnisse nur geringfügig beeinträchtigt ...“(78)

131.
    Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, das die rechtlichen und tatsächlichen Parameter des Ausgangsverfahrens besser kennt, zu prüfen, ob der innergemeinschaftliche Handel angesichts der Stellung der luxemburgischen Krankenhäuser auf dem betreffenden Markt durch die Entscheidung der EHL spürbar beeinträchtigt werden könnte.

132.
    Gegenständlich scheint es sich bei dem betreffenden Markt um den Markt für Krankenhausleistungen bei Entbindungen für in Luxemburg wohnhafte Personen zu handeln, die nicht dem Sozialversicherungssystem dieses Staates angeschlossen sind. Der Markt der betreffenden Dienstleistungen scheint eine gewisse Autonomie aufzuweisen, weil er sich, wie die Kommission hervorhebt, von dem Markt der entsprechenden Dienstleistungen für die dem nationalen System Angeschlossenen abhebt, für den die Gebühren einheitlich auf demVerordnungswege oder aufgrund von für allgemein verbindlich erklärten Kollektivabkommen festgelegt wurden. Außerdem ist vonseiten der Nachfrage, d. h. der Personen, die nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossen sind und Krankenhausleistungen bei Entbindung benötigen, darauf hinzuweisen, dass diese Leistungen nicht substituierbar sind, was die Autonomie des betreffenden Marktes weiter verstärkt.

133.
    Räumlich gesehen ist der relevante Markt anscheinend schwieriger abzugrenzen. Seine Festlegung hängt vom Wohnort der in Luxemburg arbeitenden Personen ab, die nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem angeschlossen sind und größtenteils Beamte der Gemeinschaften sein dürften. Insbesondere ist die räumliche Ausdehnung des Ortes zu berücksichtigen, an dem die Krankenhauseinrichtungen, die Leistungen bei Entbindungen anbieten, ihren Sitz haben und sich angesichts der Natur dieser Dienste in angemessener Entfernung zu dem Ort befinden, an dem die diese Leistungen nachfragenden Personen wohnen. In großen Linien lässt sich sagen, dass diese Kriterien räumlich gesehen einen relevanten Markt abgrenzen, der sich im vorliegenden Fall auf das gesamte luxemburgische Staatsgebiet und einen angemessenen Teil des Hoheitsgebiets der Nachbarstaaten erstreckt.

134.
    Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen hat das vorlegende Gericht zu ermitteln, ob innerhalb dieses räumlich abgegrenzten Marktes der Marktanteil der an der EHL beteiligten Krankenhäuser bei den genannten Leistungen für in Luxemburg arbeitende Personen, die nicht dem nationalen Sozialversicherungssystem angehören, bedeutsam ist oder nicht.

f)    Mein Standpunkt zum Schutz des Wettbewerbs

135.
    Aufgrund der vorstehenden Überlegungen bin ich der Auffassung, dass Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages dahin auszulegen ist, dass er die Entscheidung eines Krankenhausverbundes wie im vorliegenden Fall den Beschluss der EHL untersagt, mit der für Angehörige von Mitgliedstaaten, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats wie im vorliegenden Fall des Großherzogtums Luxemburg berufstätig sind, aber wie die dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossenen Beamten der Europäischen Gemeinschaften dem nationalen Sozialversicherungssystem dieses Mitgliedstaats nicht angehören, Gebühren für Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen festgelegt werden, die höher sind als diejenigen, die für dem nationalen Sozialversicherungssystem dieses Mitgliedstaats angeschlossene Gebietsansässige gelten, wenn nach Meinung desvorlegenden Gerichts eine solche Entscheidung geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel spürbar zu beeinträchtigen(79).

VI - Ergebnis

136.
    Ich schlage somit dem Gerichtshof vor, die vom Tribunal d'arrondissement Luxemburg (8. Kammer) vorgelegte Vorabentscheidungsfrage wie folgt zu beantworten:

1.    Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft hat die Bedeutung, dass er die Anwendung von Gebühren für Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen auf Angehörige von Mitgliedstaaten, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats wie im vorliegenden Fall des Großherzogtums Luxemburg berufstätig sind, aber wie die dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossenen Beamten der Europäischen Gemeinschaften dem nationalen Sozialversicherungssystem dieses Mitgliedstaats nicht angehören, ausschließt, wenn diese höher sind als diejenigen, die für dem nationalen Sozialversicherungssystem dieses Mitgliedstaats angeschlossene Gebietsansässige gelten.

2.    Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag ist dahin auszulegen, dass er die Entscheidung eines Krankenhausverbundes wie im vorliegenden Fall den Beschluss der EHL untersagt, mit der für Angehörige von Mitgliedstaaten, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats wie im vorliegenden Fall des Großherzogtums Luxemburg berufstätig sind, aber wie die dem Gemeinsamen Krankheitsfürsorgesystem angeschlossenen Beamten der Europäischen Gemeinschaften dem nationalen Sozialversicherungssystem dieses Mitgliedstaats nicht angehören, Gebühren für Arzt- und Krankenhausleistungen bei Entbindungen festgelegt werden, die höher sind als diejenigen, die für dem nationalen Sozialversicherungssystem dieses Mitgliedstaats angeschlossene Gebietsansässige gelten, wenn eine solche Entscheidung geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel spürbar zu beeinträchtigen.


1: -     Originalsprache: Griechisch.


2: -     Das vorlegende Gericht bezieht sich auf die entsprechenden Artikel des EG-Vertrags. Im Hinblick auf die im Ausgangsverfahren maßgebende Zeit ist jedoch davon auszugehen, dass eine Antwort auf die Vorabentscheidungsfrage sich mit der Auslegung der Artikel des EWG-Vertrags zu befassen hat.


3: -     ABl. L 257, S. 2.


4: -     ABl. L 39, S. 2.


5: -     ABl. L 230, S. 6.


6: -     Laut Herrn Ferlini forderten die Europäischen Gemeinschaften die gleiche Nomenklatur der ärztlichen Leistungen, die gleichen Beitragssätze und die gleichen Tarife wie diejenigen, die für die dem luxemburgischen Sozialversicherungssystem Angeschlossenen galten. Die luxemburgischen Berufskreise widersetzten sich jedoch diesen Forderungen, da sie Arztleistungen nach Maßgabe der als hoch angenommenen Einkommen der Beamten der Gemeinschaften und der Natur ihrer Leistungen in Rechnung stellen wollten.


7: -     Genauer gesagt sah das Sozialversicherungsrecht vor 1925, wie das vorlegende Gericht ausführt, keine freie Arztwahl vor. Es empfahl zwar Abkommen zwischen den Krankenkassen und den Erbringern ärztlicher Dienstleistungen, schrieb sie aber nicht vor. Soweit solche Abkommen galten, waren sie daher rein vertraglicher Natur.

    Das Gesetz vom 17. Dezember 1925 sah eine allgemeine Regelung der Gebührensätze vor, ließ aber eine breite Abstufung zu (vom Einfachen bis zum Dreifachen). Da es ferner Höchstbeitragssätze festlegte, die die Kassen von den Versicherten fordern konnten, die künftig freie Arztwahl hatten, wurden Abkommen notwendig, auch wenn diese nicht immer zwingend waren. Außerdem waren der eigentlichen Natur der Sozialversicherung entsprechend einheitliche Gebührensätze für alle Versicherten einer bestimmten Berufsgruppe erforderlich.

    Das Gesetz vom 6. September 1933 hat in das Sozialversicherungsgesetzbuch den Artikel 308a eingefügt, wonach ein paritätischer Ausschuss, wenn ein Abkommen nicht besteht, einen Beschluss zu fassen hat, der von der Regierung für allgemeinverbindlich erklärt wird.

    Die Kollektivabkommen und die Beschlüsse des Ausschusses wurden nach Genehmigung durch die Regierung verbindlich.

    Ab 1951 wurde die Krankenversicherung auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt. Der Ärztebund forderte eine gewisse Freiheit bei der Gestaltung seiner Gebühren nach Maßgabe des Einkommens des Patienten. Dieser Forderung ist mit dem Reformgesetz vom 24. April 1954 in bestimmtem Umfang entsprochen worden.

    Mit dem Reformgesetz vom 2. Mai 1974 schrieb die Regierung einheitliche Nomenklatur und Gebührensätze für ärztliche Leistungen ohne Rücksicht auf das Einkommen des Versicherten und die Qualifikation des Leistungserbringer vor.

    Seit diesem Gesetz gibt es tatsächlich vier Normgruppen: Kollektivabkommen, die durch Ministerialerlasse für allgemein verbindlich erklärt werden, Beschlüsse des Schlichtungs- und Schiedsausschusses, falls Kollektivabkommen fehlen, die ebenfalls durch Ministerialerlasse für allgemein verbindlich erklärt werden, reine Vertragsnormen und schließlich reine Verwaltungs- und Gesetzesvorschriften.

    Ärztliche Leistungen, die zu Kollektivabkommen oder zu einem Beschluss des paritätischen Ausschusses führen können, sind grundsätzlich nur diejenigen, die in der durch Ministerialerlass festgelegten Nomenklatur aufgeführt sind, die Teil des Statuts der luxemburgischen Krankenkassen ist.

    Ab dem Haushaltsgesetz vom 20. Dezember 1982 hat der Gesetzgeber selbst bei der Festlegung des Tarifs für bestimmte Leistungen eingegriffen. Die gleiche Praxis lässt sich seither in jedem Haushaltsgesetz feststellen.


8: -     Die Kommission weist darauf hin, dass das System heute seine Natur nicht grundlegend geändert habe, abgesehen davon, dass jetzt für den Krankenhausbereich und den Nichtkrankenhausbereich getrennte Vereinbarungen getroffen würden.


9: -     Mémorial A Nr. 95 vom 31. Dezember 1974, S. 2398.


10: -     Der Wortlaut dieses Rundschreibens ist den schriftlichen Erklärungen von Herrn Ferlini im Anhang beigefügt.


11: -     Herr Ferlini behauptet unter Bezugnahme auf das Rundschreiben der UCM, dass der erste der drei Kostenanteile nach dem Abkommen zwischen der UCM und der Vereinigung der Ärzte und Zahnärzte (nachstehend: AMMD), der zweite und dritte nach dem Abkommen zwischen der UCM und der EHL berechnet worden sei.

    Er betont weiter, dass die neue gesetzliche Regelung jetzt dieser Praxis angepasst worden sei, so dass für alle Bestandteile der vorgesehenen Pauschale auf die durch Abkommen festgelegten Gebühren verwiesen werde.


12: -     Den schriftlichen Erklärungen von Herrn Ferlini ist zu entnehmen, dass dieser die italienische Staatsangehörigkeit besitzt.


13: -     Vgl. statt aller Urteil vom 22. Oktober 1974 in der Rechtssache 27/74 (Demag, Slg. 1974, 1037, Randnr. 8), vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-204/90 (Bachmann, Slg. 1992, I-249, Randnr. 6), vom 29. Oktober 1980 in der Rechtssache 22/80 (Boussac, Slg. 1980, 3427, Randnr. 5) und vom 7. März 1990 in der Rechtssache C-69/88 (Krantz, Slg. 1990, I-583, Randnr. 7).


14: -     Zur Unterscheidung der formellen von der materiellen Diskriminierung vgl. statt aller Urteil vom 17. Juli 1963 in der Rechtssache 13/63 (Italien/Kommission, Slg. 1963, 359, vor allem Ziff. 4 a).


15: -     Was Artikel 7 des Vertrages betrifft, vgl. statt aller Urteil vom 10. Februar 1994 in der Rechtssache C-398/92 (Mund & Fester, Slg. 1994, I-467, Randnr. 17). Zu Artikel 48 des Vertrages und Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68 vgl. statt aller Urteil vom 27. November 1997 in der Rechtssache C-57/96 (Meints, Slg. 1997, I-6689, Randnr. 45).


16: -     Vgl. statt aller Urteil vom 23. Februar 1994 in der Rechtssache C-419/92 (Scholz, Slg. 1994, I-505, Randnr. 7) und vom 24. September 1998 in der Rechtssache C-35/97 (Kommission/Frankreich, Slg. 1998, I-5325, Randnr. 37).


17: -     Vgl. statt aller Urteil Meints (zitiert in Fußnote 14, Randnrn. 45 und 46). Der Umstand übrigens, dass in der begünstigten Gruppe Angehörige anderer Mitgliedstaaten oder in der benachteiligten Gruppe auch luxemburgische Staatsangehörige zu finden sein können, schließt, wie die Kommission hervorhebt, eine mittelbare Diskriminierung nicht aus. Vgl. statt aller Urteil vom 7. Juni 1988 in der Rechtssache 20/85 (Roviello, Slg. 1988, 2805, Randnr. 16).


18: -     Vgl. Urteil vom 12. Mai 1998 in der Rechtssache C-85/96 (Martínez Sala, Slg. 1998, I-2691, Randnr. 36).


19: -     Urteil vom 27. Mai 1993 in der Rechtssache C-310/91 (Schmid, Slg. 1993, I-3011).


20: -     Nr. 44 seiner Schlussanträge.


21: -     Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Artikel 16 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1408/71 speziell für Hilfskräfte der Europäischen Gemeinschaften die Möglichkeit vorsieht, zwischen der Anwendung der Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu wählen. Aus der Beschränkung dieser Wahlmöglichkeit, wie sie der genannten Vorschrift zu entnehmen ist, folgt mittelbar, dass die Verordnung selbst davon ausgeht, dass die ständigen Beamten der Gemeinschaften nicht den nationalen Rechtsvorschriften unterliegen und folglich nicht in ihren Anwendungsbereich fallen.

    Nach Auffassung der luxemburgischen Regierung fällt das Gemeinsame Krankheitsfürsorgesystem, das auf Rechten der Beamten der Gemeinschaft nach dem Beamtenstatut beruht, nicht in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71, weil es ein Schutzniveau vorsieht, das den Koordinierungsbestimmungen aufgrund des Artikels 51 des Vertrages zumindest gleichwertig ist.


22: -     Vgl. Urteil Martínez Sala (zitiert in Fußnote 17, Randnr. 31).


23: -     Vgl. besonders Urteil vom 15. März 1989 in den Rechtssachen 389/87 und 390/87 (Echternach und Moritz, Slg. 1989, 723), in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass „ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung ausübt, für die ein besonderes Statut des internationalen Rechts gilt - wie zum Beispiel eine Beschäftigung bei der Europäischen Weltraumorganisation -, als Arbeitnehmer eines Mitgliedstaats im Sinn von Artikel 48 Absätze 1 und 2 EWG-Vertrag anzusehen ist und ebenso wie seine Familienangehörigen die Rechte und Vorrechte genießt, die in diesen Vorschriften sowie in der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vorgesehen sind“ (Randnr. 15). Vgl. auch Urteil Schmid (zitiert in Fußnote 18, Randnr. 20).


24: -     Zu der - abweichenden - Frage der unmittelbaren horizontalen Wirkung des Artikels 48 vgl. Nr. 77 dieser Schlussanträge.


25: -     Vgl. Urteil vom 14. März 1996 in der Rechtssache C-315/94 (De Vos, Slg. 1996, I-1417, Randnr. 18).


26: -     Vgl. statt aller Urteile vom 14. Januar 1982 in der Rechtssache 65/81 (Reina, Slg. 1982, 33, Randnr. 12), vom 27. März 1985 in der Rechtssache 249/83 (Hoeckx, Slg. 1985, 973, Randnr. 20), vom 6. Juni 1985 in der Rechtssache 157/84 (Frascogna, Slg. 1985, 1739, Randnr. 30) sowie Urteile Schmid (zitiert in Fußnote 18, Randnr. 18) und Meints (zitiert in Fußnote 14, Randnr. 39).


27: -     Vgl. Urteil vom 10. März 1993 in der Rechtssache C-111/91 (Kommission/Luxemburg, Slg. 1993, I-817).


28: -     Vgl. statt aller Urteile vom 15. Oktober 1969 in der Rechtssache 15/69 (Ugliola, Slg. 1969, 363) zum Schutz gegen Nachteile bei der Erfüllung von Wehrdienstpflichten, vom 13. Dezember 1972 in der Rechtssache 44/72 (Marsman, Slg. 1972, 1243) zu Schutzmaßnahmen gegen Entlassung, vom 12. Februar 1974 in der Rechtssache 152/73 (Sotgiu, Slg. 1974, 153) zur „Trennungsentschädigung“ für Arbeitnehmer, die an einem anderen Ort als ihrem Wohnort tätig sind, vom 30. September 1975 in der Rechtssache 32/75 (Cristini, Slg. 1975, 1085) zur Ermäßigungskarte eines nationalen Eisenbahnunternehmens, vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 237/83 (Prodest, Slg. 1984, 3153) zum Recht auf Beibehaltung der Mitgliedschaft bei der Sozialversicherung des Mitgliedstaats des Unternehmenssitzes, und vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 137/84 (Mutsch, Slg. 1985, 2681) zum Recht eines Arbeitnehmers auf Benutzung seiner Muttersprache im Rahmen eines Verfahrens vor den Gerichten des Wohnmitgliedstaats.


29: -     Urteil vom 26. Januar 1999 in der Rechtssache C-18/95 (Terhoeve, Slg. 1999, I-345, Randnr. 41).


30: -     Vgl. Urteil Terhoeve (zitiert in Fußnote 28, Randnr. 40).


31: -     Vgl. statt aller Urteile vom 30. Mai 1989 in der Rechtssache 305/87 (Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 1461, Randnr. 13) und vom 17. Mai 1994 in der Rechtssache C-18/93 (Corsica Ferries, Slg. 1994, I-1783, Randnr. 19). Zur sog. Subsidiarität des Artikels 6 EG-Vertrag vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt La Pergola [Nrn. 10 ff.) in der Rechtssache C-43/95 (Urteil vom 26. September 1996, Data Delecta und Forsberg, Slg. 1996, I-4661).


32: -     Vgl. besonders Urteil Data Delecta und Forsberg (zitiert in Fußnote 30, Randnrn. 14 und 15), zu nationalen Rechtsvorschriften, die wegen ihrer auch nur mittelbaren Auswirkung auf den innergemeinschaftlichen Waren- und Dienstleistungsverkehr in den Anwendungsbereich des Vertrages fallen.


33: -     Vgl. etwa zur Berufsbildung Urteile vom 13. Februar 1985 in der Rechtssache 293/83 (Gravier, Slg. 1985, 593) und vom 2. Februar 1988 in der Rechtssache 24/86 (Blaizot u. a., Slg. 1988, 379).


34: -     Die Ehefrau von Herrn Forcheri war unstreitig italienische Staatsangehörige.


35: -     Urteil vom 13. Juli 1983 in der Rechtssache 152/82 (Slg. 1983, 2323, Randnr. 9).


36: -     Randnr. 18.


37: -     Vgl. Starkle, G., „Extension du principe de non-discrimination en droit communautaire au ressortissant d'un État membre licitement installé dans un autre État membre“ [Bemerkungen zum Urteil Forcheri], Cahiers de droit européen, 1984, S. 672 ff. Im Urteil Forcheri hat der Gerichtshof zudem nach Meinung von Generalanwalt Darmon „offensichtlich jedem Gemeinschaftsbürger unabhängig davon, ob er in einem Beschäftigungsverhältnis zu den Gemeinschaftsorganen steht, das Recht auf alle Vorteile [zuerkannt], die sich aus dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere im Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, ergeben“ (Schlussanträge zum Urteil Echternach und Moritz, zitiert in Fußnote 22, Nr. 37).


38: -     Artikel 8 lautet:

    „(1) Es wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt. Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt.

    (2) Die Unionsbürger haben die in diesem Vertrag vorgesehenen Rechte und Pflichten.“

    Ferner gilt gemäß Artikel 8a Absatz 1: „Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.“


39: -     Vgl. Urteil Martínez Sala (zitiert in Fußnote 17, Randnrn. 62 und 63).


40: -     Wegen der Arztleistungen verweist die Kommission auf das Urteil vom 31. Januar 1984 in den Rechtssachen 286/82 und 26/83 (Luisi und Carbone, Slg. 1984, 377), in dem der Gerichtshof entscheiden hat, dass „Touristen sowie Personen, die eine medizinische Behandlung in Anspruch nehmen, ... als Empfänger von Dienstleistungen anzusehen sind“ (Randnr. 16).


41: -     Vgl. Nrn. 52 ff. dieser Schlussanträge.


42: -     Die Hauptargumente für diese Bedenken waren folgende: a) die allgemeine Systematik des Vertrages beruht auf Pflichten, die die Mitgliedstaaten treffen, ausgenommen ganz wenige Fälle, in denen der Vertrag ausdrücklich Einzelnen, insbesondere Unternehmen, aus Gründen des Wettbewerbsschutzes Pflichten auferlegt; b) andere Vorschriften des Vertrages, die wie Artikel 48 Absatz 2 unscharf formuliert waren, hatten keine unmittelbare horizontale Wirkung; c) zunächst ist es Aufgabe der Kommission, die Einhaltung der Pflichten aus dem Vertrag zu prüfen, sie kann den Gerichtshof nur wegen eines Aktes anrufen, der einem Mitgliedstaat zuzurechnen ist. Vgl. hierzu Durand, C.-F., „Les principes“, Commentaire Mégret. Le droit de la CEE, Band 1: Préambule. Principes. Libre circulation des marchandises, Éditions de l'Université de Bruxelles, Études européennes, 2. Aufl. 1992, S. 60.


43: -     Vgl. Urteil vom 12. Dezember 1974 in der Rechtssache 36/74 (Walrave und Koch, Slg. 1974, 1405, Randnrn. 16 und 17). Vgl. auch Urteil vom 14. Juli 1976 in der Rechtssache 13/76 (Donà, Slg. 1976, 1333, Randnrn. 17 ff.).


44: -     Vgl. Urteil vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93 (Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnrn. 83 und 84).


45: -     Vgl. Nrn. 113 bis 115 dieser Schlussanträge.


46: -     Vgl. Urteil vom 9. Dezember 1997 in der Rechtssache C-265/95 (Kommission/Frankreich, Slg. 1997, I-6959, Randnrn. 30 bis 32), das insbesondere den freien Warenverkehr betrifft.


47: -     Vgl. z. B. Urteil vom 31. Mai 1995 in der Rechtssache C-400/93 (Royal Copenhagen, Slg. 1995, I-1275, Randnr. 45).


48: -     Das vorlegende Gericht stellt hierzu fest: „Als Frau Ferlini ins Krankenhaus eingewiesen wurde, betrug die von der luxemburgischen Krankenkasse gezahlte Pauschale 36 854 Franken, d. h. 4 645 Franken für ärztlichen Beistand, 29 949 Franken für Entbindungskosten und 2 260 Franken für Säuglingsnahrung, während der Kläger und das Gemeinsame Krankheitsfürsorgesystem für die gleichen Leistungen 59 306 Franken hätten entrichten müssen, was im Vergleich zum nationalen Gebührensatz einem Aufschlag von 71,43 % entspricht.“


49: -     Vgl. Nr. 77 dieser Schlussanträge.


50: -     Vgl. Urteil vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-158/96 (Kohll, Slg. 1998, I-1931, Randnrn. 18 und 19).


51: -     Vgl. Artikel 18 des Protokolls.


52: -     Vgl. Artikel 6 des Protokolls.


53: -     Die Ernennung einer Person, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, zum Beamten der Gemeinschaften ist möglich, wenn eine Ausnahme wie die nach Artikel 28 Buchstabe a des Beamtenstatuts gemacht wird.


54: -     Vgl. Urteil Forcheri (zitiert in Fußnote 34, Randnr. 19).


55: -     Vgl. Urteile vom 2. Februar 1989 in der Rechtssache 186/87 (Cowan, Slg. 1989, 195, Randnrn. 15 bis 17) und vom 15. März 1994 in der Rechtssache C-45/93 (Kommission/Spanien, Slg. 1994, I-911) zum Recht der Touristen, die Angehörige eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft sind, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben und dort unter den gleichen Bedingungen wie Inländer und Personen, die sich dort gewöhnlich aufhalten, Dienstleistungen entgegenzunehmen.


56: -     Vgl. z. B. Urteil Meints (zitiert in Fußnote 14, Randnr. 45).


57: -     Vgl. Urteil vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-120/95 (Slg. 1998, I-1831, Randnr. 39).


58: -     Vgl. Nr. 94 dieser Schlussanträge.


59: -     Vgl. Nr. 92 dieser Schlussanträge.


60: -     Vgl. Urteil Terhoeve (zitiert in Fußnote 28, Randnr. 57).


61: -     Vgl. Nr. 77 dieser Schlussanträge.


62: -     Vgl. z. B. Urteile vom 17. November 1993 in der Rechtssache C-2/91 (Meng, Slg. 1993, I-5751, Randnr. 14) und vom 17. Juni 1997 in der Rechtssache C-70/95 (Sodemare u. a., Slg. 1997, I-3395, Randnr. 41).


63: -     Vgl. etwa Urteile vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-41/90 (Höfner und Elser, Slg. 1991, I-1979, Randnr. 21) und vom 17. Februar 1993 in den Rechtssachen C-159/91 und C-160/91 (Poucet und Pistre, Slg. 1993, I-637, Randnr. 17).


64: -     Vgl. zum Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit Urteil vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-35/96 (Kommission/Italien, Slg. 1998, I-3851, Randnr. 36).


65: -     Vgl. Commentaire Mégret. Le droit de la CEE, Band 4: Concurrence; Waelbroeck, M., und Frignani, A., Études européennes, herausgegeben vom Institut d'Études européennes, 2. Aufl. 1997, S. 37 und 38.


66: -     Vgl. Urteil Poucet und Pistre (zitiert in Fußnote 62, Randnrn. 18 und 19).


67: -     Vgl. hierzu Urteil vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 170/83 (Hydrotherm, Slg. 1984, 2999, Randnr. 11).


68: -     Man geht davon aus, dass es sich um eine „Unternehmensvereinigung“ handelt, wenn ein Koordinierungsorgan besteht, auch wenn die Rechtspersönlichkeit fehlen sollte (vgl. hierzu Commentaire J. Mégret, a. a. O., S. 133 und 134). Ebenso hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein Erwerbszweck für die Vereinigung unerheblich ist (vgl. Urteil vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 88).

    Bezüglich des Vorliegens einer „Unternehmensvereinigung“ hat der Gerichtshof mehrfach den Gedanken einer sofortigen und unmittelbaren Vertretung der Interessen der Wirtschaftsteilnehmer eines bestimmten Sektors geäußert und die Voraussetzungen dafür festgelegt, dass die Mitglieder bestimmter Ausschüsse, die den für die Gesamtheit der Unternehmen mit einer bestimmten Tätigkeit geltenden Tarif ausarbeiten sollen, nicht als Vertreter bestimmter Geschäftskreise betrachtet werden können. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes etwa dann, wenn a) die Mitglieder der besagten Ausschüsse (Tarifausschüsse) nicht an Anweisungen oder Anordnungen der Unternehmen oder Vereinigungen gebunden sind, die sie gebildet haben; die Ausschüsse nicht als Sitzungen der Vertreter der Unternehmen des betreffenden Sektors betrachtet werden können und die Mitglieder der Ausschüsse folglich als unabhängige Sachverständige gelten können; und wenn b) das Gesetz die Mitglieder dieser Tarifausschüsse verpflichtet, die Tarife nicht nur allein im Interesse der Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen des Sektors festzulegen, die sie geschaffen haben, sondern auch im Allgemeinen Interesse und im Interesse der Unternehmen anderer Sektoren oder der Empfänger dieser Dienstleistungen (vgl. statt vieler Urteile vom 17. November 1993 in der Rechtssache C-185/91, Reiff, Slg. 1993, I-5801, vom 9. Juni 1994 in der Rechtssache C-153/93, Delta Schifffahrts- und Speditionsgesellschaft, Slg. 1994, I-2517, vom 5. Oktober 1995 in der Rechtssache C-96/94, Centro Servizi Spediporto, Slg. 1995, I-2883, und vom 17. Oktober 1995 in den Rechtssachen C-140/94 bis C-142/94, DIP u. a., Slg. 1995, I-3257).


69: -     Vgl. Urteil vom 27. Januar 1987 in der Rechtssache 45/85 (Verband der Sachversicherer/Kommission, Slg. 1987, 405, Randnr. 39).


70: -     Vgl. Urteile vom 3. Juli 1985 in der Rechtssache 243/83 (Binon, Slg. 1985, 2015, Randnr. 44) und Verband der Sachversicherer/Kommission (zitiert in Fußnote 68, Randnr. 41).


71: -     Vgl. z. B. Urteile vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 123/83 (BNIC, Slg. 1985, 391, Randnr. 22) und vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P (Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411, Randnr. 19).


72: -     Vgl. z. B. Urteile Ferriere Nord/Kommission (zitiert in Fußnote 70, Randnr. 20), vom 12. Dezember 1995 in der Rechtssache C-399/93 (Oude Luttikhuis u. a., Slg. 1995, I-4515, Randnr. 18) und Van Landewyck u. a./Kommission (zitiert in Fußnote 67, Randnr. 170).


73: -     Vgl. Urteil vom 26. November 1975 in der Rechtssache 73/74 (Papiers peints/Kommission, Slg. 1975, 1491, Randnrn. 24 bis 26).

    In anderen Urteilen scheint der Gerichtshof eine absolutere Formel zu gebrauchen, wenn er lediglich feststellt, dass „Kartelle, die sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken, schon ihrem Wesen nach die Wirkung [haben], die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, indem sie die vom Vertrag gewollte wirtschaftliche Verflechtung behindern“. Vgl. z. B. Urteile vom 17. Oktober 1972 in der Rechtssache 8/72 (Vereniging van Cementhandelaren/Kommission, Slg. 1972, 977, Randnr. 29) und vom 11. Juni 1985 in der Rechtssache 42/84 (Remia u. a./Kommission, Slg. 1985, 2545, Randnr. 22).


74: -     Jedoch müssen, wie die Kommission bemerkt, da die streitigen höheren Gebührensätze sämtliche Krankenhausleistungen und nicht nur die Entbindungsleistungen betreffen (vgl. Nr. 83 dieser Schlussanträge), diese berücksichtigt werden, wenn die wahrscheinliche Auswirkung auf den innergemeinschaftlichen Handel in ihrer Gesamtheit zu prüfen ist.


75: -     Vgl. Nrn. 130 ff. dieser Schlussanträge.


76: -     Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82 (AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151, Randnr. 60) entschieden, dass bei Vereinbarungen, die ihrem Wesen nach geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen, „der bloße Umstand, dass die Händler, die ihre Zulassung zu einem Betriebsnetz beantragen oder die schon zugelassen sind, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht am innergemeinschaftlichen Handel beteiligt haben, nicht genügt, um auszuschließen, dass Beschränkungen der Aktionsfreiheit der Händler den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigen können, denn die Lage kann sich aufgrund von Veränderungen in den Marktbedingungen und in der Struktur sowohl des Gemeinsamen Marktes insgesamt als auch der verschiedenen nationalen Märkte von Jahr zu Jahr ändern“ (Hervorhebung von mir).


77: -     Vgl. Urteil vom 25. November 1971 in der Rechtssache 22/71 (Béguelin, Slg. 1971, 949, Randnr. 16).


78: -     Vgl. Urteil vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-306/96 (Javico, Slg. 1998, I-1983, Randnr. 17).

    Die Kommission hat, um eine Grenze für Vereinbarungen von geringer Bedeutung festzulegen, die nicht von Artikel 85 Absatz 1 erfasst werden, den Standpunkt vertreten, dass horizontale Vereinbarungen hierunter fallen, wenn der Marktanteil der beteiligten Unternehmen 5 % des von den Vereinbarungen betroffenen Teils des Gemeinsamen Marktes nicht übersteigt oder der von den beteiligten Unternehmen erzielte Gesamtumsatz eines Geschäftsjahres 200 Mio. ECU nicht übersteigt (vgl. Bekanntmachung der Kommission vom 3. September 1986 über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft fallen, ABl. C 231, S. 2). In einer jüngeren Bekanntmachung scheint die Kommission aber, wie sie selbst in ihren Erklärungen geäußert hat, nicht mehr ausschließen zu wollen, dass, die Anwendbarkeit des Verbots des Artikels 85 Absatz 1, selbst wenn die Marktanteile gering sind, d. h. unter der genannten Ziffer liegen, bei bestimmten Gruppen von Vereinbarungen bejaht werden kann, so etwa bei denen, die der Preisfestlegung dienen (vgl. Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft fallen, ABl. 1997, C 372, S. 13).


79: -     Im Rahmen der vorliegenden Rechtssache bedarf es nicht der Prüfung, ob eine solche Entscheidung eines Krankenhausverbundes gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages freigestellt werden kann. Allein die Kommission kann diese Freistellungen aussprechen, und nach Aktenlage ist nie die Rede davon gewesen, dass sie diese ausschließliche Befugnis - und der Gerichtshof die damit verbundene Kontrollbefugnis - ausgeübt hätte.