Sprache des Dokuments : ECLI:EU:C:2001:390

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PHILIPPE LÉGER

vom 10. Juli 2001(1)

Rechtssache C-309/99

J. C. J. Wouters,

J. W. Savelbergh,

Price Waterhouse Belastingadviseurs BV

gegen

Algemene Raad van de Nederlandse Orde van Advocaten

Beteiligter:

Raad van de Balies van de Europese Gemeenschap

(Vorabentscheidungsersuchen des Nederlandse Raad van State)

„Berufsständische Vertretung - Nationale Rechtsanwaltskammer - Regelung - Verbot von Sozietäten zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern - Wettbewerb - Niederlassungsrecht und freier Dienstleistungsverkehr - Beeinträchtigung - Rechtfertigung“

Inhaltsverzeichnis

     I -    Nationales Recht

I - 2

         A -    Die niederländische Verfassung

I - 2

         B -    Der Nederlandse Orde van Advocaten

I - 3

         C -    Die Samenwerkingsverordening von 1993

I - 4

     II -    Sachverhalt und Verfahren

I - 5

     III -    Vorlagefragen

I - 7

     IV -    Gegenstand der Vorlagefragen

I - 10

     V -    Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag

I - 11

         A -    Der Unternehmensbegriff

I - 12

         B -    Der Begriff der Unternehmensvereinigung

I - 14

         C -    Einschränkung des Wettbewerbs

I - 25

             a)    Gegenstand der SWV

I - 27

             b)    Wirkung der SWV

I - 27

             c)    Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung

I - 37

         D -    Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

I - 38

         E -    Ergebnis

I - 39

     VI -    Artikel 86 EG-Vertrag

I - 40

     VII -    Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag

I - 45

         A -    Tatbestandsmerkmale des Artikels 90 Absatz 2 EG-Vertrag

I - 46

         B -    Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

I - 51

     VIII -    Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 85 EG-Vertrag

I - 60

         A -    Befugnis der niederländischen Behörden, direkt oder indirekt über den Inhalt wesentlicher Berufsregelungen zu bestimmen

I - 64

         B -    Den Berufsangehörigen offen stehende Rechtsbehelfe

I - 66

     IX -    Artikel 52 und 59 EG-Vertrag

I - 67

         A -    Auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbare Bestimmungen

I - 68

         B -    Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit

I - 70

         C -    Rechtfertigung der Beschränkung

I - 73

     X -    Ergebnis

I - 75

1.
    Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die schwierige Frage der Anwendung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft auf freie Berufe(2).

2.
    Der Nederlandse Raad van State ist mit einem Verfahren befasst, das die Rechtmäßigkeit einer von der niederländischen Rechtsanwaltskammer erlassenen Verordnung zum Gegenstand hat. Die streitige Verordnung verbietet es den in den Niederlanden tätigen Rechtsanwälten, eine gemischte Sozietät („geïntegreerd samenwerkingsverband“) mit Mitgliedern der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer einzugehen. Der Gerichtshof hat darüber zu entscheiden, ob die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrags anwendbar sind und ob sie gegebenenfalls einem solchen Zusammenarbeitsverbot entgegenstehen.

3.
    Die Rechtssache steht in Zusammenhang mit zwei weiteren Auslegungsersuchen, die vom Pretore in Pinerolo (Italien) in der Rechtssache C-35/99 (Arduino) und vom Giudice di pace in Genua (Italien) in der Rechtssache C-221/99 (Conte) vorgelegt worden sind. Die italienischen Gerichte haben über die Vereinbarkeit von berufsständisch festgelegten Gebührenordnungen für die Leistungen von Rechtsanwälten und Architekten in diesem Land mit den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln zu entscheiden.

4.
    Obwohl die drei Rechtssachen dasselbe Problem betreffen, werde ich wegen der Unterschiedlichkeit der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Sachverhalte getrennte Schlussanträge erstellen(3). Die vorliegenden Schlussanträge beziehen sich auf das Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State in der Rechtssache C-309/99 (Wouters u. a.).

I -    Nationales Recht

A -    Die niederländische Verfassung

5.
    Artikel 134 der Verfassung des Königreichs der Niederlande betrifft die Gründung und die rechtliche Funktionsweise öffentlicher Körperschaften. Er lautet wie folgt:

„(1)    Durch Gesetz oder kraft eines Gesetzes können öffentliche Berufs- und Gewerbeverbände und andere öffentliche Körperschaften gegründet und aufgelöst werden.

(2)    Die Aufgaben und die Organisation dieser öffentlichen Körperschaften, die Zusammensetzung und Zuständigkeit ihrer Verwaltungen sowie die Öffentlichkeit ihrer Sitzungen regelt das Gesetz. Durch Gesetz oder kraft eines Gesetzes kann ihren Verwaltungen die Befugnis zum Erlass von Verordnungen übertragen werden.

(3)    Das Gesetz regelt die Aufsicht über diese Verwaltungen. Beschlüsse dieser Verwaltungen können nur aufgehoben werden, wenn sie im Widerspruch zum geltenden Recht oder zum Allgemeininteresse stehen.“

B -    Der Nederlandse Orde van Advocaten

6.
    Aufgrund dieser Bestimmung hat der niederländische Staat das Gesetz vom 23. Juni 1952 zur Gründung des Nederlandse Orde van Advocaten und zur Festlegung der Satzung und der Disziplinarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsbeistände (im Folgenden: Advocatenwet) erlassen.

7.
    Die Advocatenwet sieht vor, dass alle in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwälte den Nederlandse Orde van Advocaten (Niederländische Rechtsanwaltskammer, im Folgenden: NOvA oder Kammer) bilden. Darüber hinaus bilden alle bei einem bestimmten Gericht zugelassenen Rechtsanwälte die Rechtsanwaltskammer des jeweiligen Bezirks.

8.
    Der NOvA steht unter Leitung des Algemene Raad (Allgemeiner Rat), während die Bezirksrechtsanwaltskammern von den Raden van toezicht (Vorstände) geleitet werden. Die Mitglieder des Allgemeinen Rates werden von einer Delegiertenversammlung gewählt, deren Mitglieder ihrerseits in Versammlungen der Kammern der jeweiligen Bezirke gewählt werden.

9.
    Artikel 26 der Advocatenwet bestimmt:

„Der Allgemeine Rat und die Vorstände tragen Sorge für eine ordnungsgemäße Berufsausübung und sind befugt, alle Maßnahmen zu treffen, die dazu beitragen können. Sie setzen sich für die Rechte und Interessen der Rechtsanwälte ein, achten auf die Einhaltung der den Rechtsanwälten als solchen obliegenden Pflichten und erfüllen die ihnen durch Verordnungen übertragenen Aufgaben.“

10.
    Artikel 28 Absatz 1 der Advocatenwet sieht vor:

„Die Delegiertenversammlung kann Verordnungen im Interesse der guten Berufsausübung einschließlich Verordnungen über die Versorgung der Rechtsanwälte im Alter und bei völliger oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit sowie der Angehörigen verstorbener Rechtsanwälte erlassen. Die Versammlung erlässtferner die erforderlichen Verordnungen in Bezug auf den Haushalt und die Organisation des [NOvA].“

11.
    Nach Artikel 29 der Advocatenwet sind die Verordnungen für die Mitglieder des NOvA und für „Gastanwälte“, d. h. für Personen, die nicht in den Niederlanden als Rechtsanwalt zugelassen sind, aber in einem anderen Mitgliedstaatstaat ihre Berufstätigkeit unter der Bezeichnung Rechtsanwalt oder unter einer gleichwertigen Bezeichnung ausüben dürfen, verbindlich.

12.
    Artikel 30 der Advocatenwet regelt die Kontrolle der den Leitungsorganen des NOvA eingeräumten Befugnis zum Erlass von Verordnungen. Er sieht vor, dass „Beschlüsse der Delegiertenversammlung, des Allgemeinen Rates oder anderer Organe des [NOvA] ... durch königlichen Erlass [suspendiert oder] aufgehoben werden [können], soweit sie gegen das Recht oder das Allgemeininteresse verstoßen“.

C -    Die Samenwerkingsverordening von 1993

13.
    Die Delegiertenversammlung des NOvA erließ 1993 aufgrund von Artikel 28 der Advocatenwet eine Verordnung mit dem Titel „Samenwerkingsverordening“ (Zusammenarbeitsverordnung, im Folgenden: SWV oder streitige Verordnung).

14.
    Artikel 1 dieser Verordnung definiert den Begriff „Samenwerkingsverband“ als „jede Zusammenarbeit, bei der die Beteiligten ihre Berufstätigkeit für gemeinsame Rechnung und gemeinsames Risiko ausüben oder bei der sie Weisungsbefugnis oder die Letztverantwortlichkeit miteinander teilen“(4).

15.
    Artikel 4 der SWV gestattet es den Rechtsanwälten, Sozietäten mit anderen in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwälten und unter bestimmten Voraussetzungen auch mit in anderen Ländern zugelassenen Rechtsanwälten einzugehen.

16.
    Wollen die Rechtsanwälte dagegen Sozietäten mit Angehörigen einer anderen Berufsgruppe eingehen, so muss diese Berufsgruppe vom Allgemeinen Rat des NOvA hierfür anerkannt sein.

17.
    Außerdem sieht Artikel 8 der SWV vor, dass „[d]ie Sozietäten verpflichtet sind, nach außen unter einer gemeinsamen Firma aufzutreten“ und dass „die gemeinsame Firma ... nicht irreführend sein [darf]“.

18.
    Der Begründung der SWV lässt sich entnehmen, dass Sozietäten von Rechtsanwälten mit Notaren, Steuerberatern und Patentanwälten bereits früher genehmigt worden waren. Die entsprechende Anerkennung dieser drei Berufsgruppen behält ihre Gültigkeit. Dagegen werden die Wirtschaftsprüfer als Beispiel für eine Berufsgruppe angeführt, mit deren Angehörigen Rechtsanwälte keine Sozietäten gründen dürfen.

II -    Sachverhalt und Verfahren

19.
    Die Ausgangsverfahren wurden von fünf Personen anhängig gemacht: den Klägern Wouters und Savelbergh sowie den Gesellschaften Arthur Andersen & Co. Belastingadviseurs (Steuerberater), Arthur Andersen & Co. Accountants (Wirtschaftsprüfer) und Price Waterhouse Belastingadviseurs BV (Steuerberater).

20.
    Herr Wouters ist als Rechtsanwalt Mitglied der Rechtsanwaltskammer Amsterdam. Er wurde am 1. Januar 1991 Partner der Arthur Andersen & Co. Belastingadviseurs.

21.
    Im November 1994 teilte er dem Vorstand in Rotterdam mit, dass er beabsichtige, sich im dortigen Bezirk als Rechtsanwalt niederzulassen und seine Tätigkeit unter der Firma „Arthur Andersen & Co., advocaten en belastingadviseurs“ auszuüben.

22.
    Der Vorstand in Rotterdam wies diesen Antrag mit Beschluss vom 27. Juli 1995 zurück.

Der Vorstand war der Auffassung, dass die Gesellschaften Arthur Andersen & Co. Belastingadviseurs und Arthur Andersen & Co. Accountants wegen der zwischen ihnen bestehenden Beziehungen eine „Sozietät“ im Sinne von Artikel 4 der SWV darstellten. Indem der Kläger Wouters Partner der Ersteren werde, gehe er zugleich eine „Sozietät“ mit der Letzteren ein, d. h. mit Angehörigen der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer. Da jedoch für diese Berufsgruppe keine entsprechende Anerkennung des NOvA vorliege, verstoße die Sozietät zwischen dem Kläger Wouters und der Arthur Andersen & Co. Belastingadviseurs gegen Artikel 4 der SWV.

Im Übrigen könne der Kläger Wouters keine Sozietät begründen, deren gemeinsame Firma den Namen der Person „Arthur Andersen“ enthalte, ohne gegen Artikel 8 der SWV zu verstoßen.

23.
    Der Kläger Savelbergh ist Mitglied der Rechtsanwaltskammer Amsterdam.

24.
    Im Frühjahr 1995 teilte er dem Vorstand dieses Bezirks mit, dass er beabsichtige, eine Sozietät mit der Gesellschaft Price Waterhouse Belastingadviseurs BV zu gründen, die Teil des internationalen UnternehmensPrice Waterhouse sei, dem neben Steuerberatern auch Wirtschaftsprüfer angehörten.

25.
    Am 5. Juli 1995 erklärte der Vorstand in Amsterdam, dass die vom Kläger Savelbergh beabsichtigte Sozietät gegen Artikel 4 der SWV verstoße.

26.
    Mit zwei Entscheidungen vom 21. und 29. November 1995 wies der Allgemeine Rat des NOvA die Verwaltungsbeschwerden zurück, die die Kläger Wouters und Savelbergh sowie die Gesellschaft Price Waterhouse Belastingadviseurs BV gegen die genannten Beschlüsse eingelegt hatten.

27.
    Die fünf Kläger erhoben daraufhin Klage bei der Arrondissementsrechtbank Amsterdam (im Folgenden: Rechtbank). Sie machten insbesondere geltend, dass die Entscheidungen des Allgemeinen Rates des NOvA gegen die Bestimmungen des EG-Vertrags über den Wettbewerb, die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit verstießen.

28.
    Am 7. Februar 1997 erklärte die Rechtbank die Klagen der Arthur Andersen & Co. Belastingadviseurs und der Arthur Andersen & Co. Accountants für unzulässig. Das Vorbringen der Kläger Wouters und Savelbergh sowie der Gesellschaft Price Waterhouse Belastingadviseurs BV wies sie als unbegründet zurück.

29.
    Die Rechtbank war der Ansicht, dass die Bestimmungen des EG-Vertrags über den Wettbewerb im vorliegenden Fall nicht anwendbar seien.

Der NOvA sei eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die durch Gesetz gegründet worden sei, um einen im Allgemeininteresse liegenden Zweck zu verfolgen. Sie bediene sich hierbei der Befugnis zum Erlass von Verordnungen, die ihr nach Artikel 28 der Advocatenwet zustehe. Der NOvA habe im Allgemeininteresse die Unabhängigkeit und die „Parteilichkeit“(5) des Rechtsbeistand gewährenden Anwalts zu garantieren. Daher ist der NOvA nach Auffassung der Rechtbank keine Unternehmensvereinigung im Sinne von Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG).

Im Hinblick auf Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) entschied die Rechtbank, dass der NOvA weder als Unternehmen noch als Unternehmensvereinigung anzusehen sei. Im Übrigen würden durch Artikel 28 der Advocatenwet nicht etwa Befugnisse auf eine Weise an private Wirtschaftsteilnehmer übertragen, die die praktische Wirksamkeit der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag beeinträchtige. Die Bestimmung verstoße daher nicht gegen Artikel 5 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 Absatz 2 EG) in Verbindung mitArtikel 3 Buchstabe g EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g EG) und den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag.

30.
    Die Rechtbank ist den Klägern auch nicht in ihrem Vorbringen gefolgt, dass die SWV gegen die Niederlassungsfreiheit (Artikel 52 EG-Vertrag [nach Änderung jetzt Artikel 43 EG]) und die Dienstleistungsfreiheit (Artikel 59 EG-Vertrag [nach Änderung jetzt Artikel 49 EG]) verstoße.

Im vorliegenden Fall fehle es an grenzüberschreitenden Bezügen, so dass die genannten Bestimmungen unanwendbar seien. Jedenfalls sei das Zusammenarbeitsverbot durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und nicht unverhältnismäßig beeinträchtigend. Die SWV verstoße auch nicht gegen die Niederlassungsfreiheit. Mangels einschlägiger Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts stehe es den Mitgliedstaaten weiterhin frei, zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Parteilichkeit des Rechtsbeistand gewährenden Anwalts Regeln für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in ihrem Hoheitsgebiet zu erlassen.

31.
    Die Kläger des Ausgangsverfahrens legten gegen die Entscheidung der Rechtbank beim Raad van State ein Rechtsmittel ein.

32.
    Beklagter in diesem Verfahren ist der Allgemeine Rat des NOvA. Seine Anträge werden vom Raad van de Balies van de Europese Gemeenschap (Rat der Anwaltschaften der Europäischen Gemeinschaften, im Folgenden: CCBE), einem Verein belgischen Rechts, unterstützt, der im Ausgangsverfahren als Streithelfer zugelassen worden ist.

33.
    Mit Urteil vom 10. August 1999 hat der Raad van State die Unzulässigkeit der Klagen der Arthur Andersen & Co. Belastingadviseurs und der Arthur Andersen & Co. Accountants bestätigt. Bezüglich der übrigen Klagen hat er die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von der Auslegung verschiedener Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts abhängig sei.

III -    Vorlagefragen

34.
    Er hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:

1.    a)    Ist der Begriff Unternehmensvereinigung in Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) so auszulegen, dass davon nur gesprochen werden kann, wenn und soweit eine solche Vereinigung im Unternehmensinteresse handelt, so dass für die Anwendung der Bestimmung zu unterscheiden ist zwischen Tätigkeiten der Vereinigung im allgemeinen Interesse und anderen Tätigkeiten, oder reicht die bloße Tatsache, dass eine Vereinigung auch im unternehmerischen Interesse tätig werden kann, aus, um sie in ihremgesamten Auftreten als Unternehmensvereinigung im Sinne dieser Bestimmung anzusehen?

        Ist es für die Anwendung des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts von Bedeutung, dass die durch die betreffende Einrichtung erlassenen allgemeinverbindlichen Regeln aufgrund gesetzlicher Zuständigkeit und in der Eigenschaft als Sondergesetzgeber erlassen worden sind?

    b)    Falls Frage 1 a dahin beantwortet wird, dass eine Unternehmensvereinigung nur dann vorliegt, wenn und soweit eine solche Vereinigung im Unternehmensinteresse handelt: Richtet sich die Frage, wann von der Wahrung des Allgemeininteresses die Rede ist und wann nicht, - auch - nach Gemeinschaftsrecht?

    c)    Falls Frage 1 b dahin beantwortet wird, dass das Gemeinschaftsrecht hier eine Rolle spielt: Kann der Erlass allgemeinverbindlicher Regeln für die Bildung von Sozietäten zwischen Rechtsanwälten und Angehörigen anderer Berufe durch eine Einrichtung wie den NOvA aufgrund einer gesetzlichen Zuständigkeit für die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Parteilichkeit des Rechtsbeistand gewährenden Anwalts auch nach Gemeinschaftsrecht als Wahrung des Allgemeininteresses angesehen werden?

2.    Falls aufgrund der Antworten auf die unter 1 gestellten Fragen der Schluss zu ziehen ist, dass auch eine Regelung wie die SWV als Entscheidung einer Unternehmensvereinigung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) anzusehen ist: Muss von einer solchen Entscheidung, soweit sie allgemeinverbindliche Regeln für die Bildung von Sozietäten wie der vorliegenden zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Parteilichkeit der Rechtsbeistand gewährenden Anwälte enthält, angenommen werden, dass sie bezweckt oder bewirkt, den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu beschränken und insoweit den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen?

    Welche für die Beurteilung dieser Frage maßgebenden Kriterien ergeben sich aus dem Gemeinschaftsrecht?

3.    Ist der Begriff des Unternehmens in Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) dahin auszulegen, dass dann, wenn eine Einrichtung wie die nationale Rechtsanwaltskammer als Unternehmensvereinigung anzusehen ist, diese Einrichtung auch als Unternehmen oder Unternehmensgruppe im Sinne dieser Bestimmung zu betrachten ist, obwohl sie selbst keine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet?

4.    Falls die vorstehende Frage bejaht wird und festzustellen ist, dass eine Einrichtung wie die nationale Rechtsanwaltskammer eine beherrschende Stellung einnimmt: Nutzt eine solche Einrichtung diese Stellung missbräuchlich aus, wenn sie die ihr angehörenden Rechtsanwälte verpflichtet, sich auf dem Markt für juristische Dienstleistungen gegenüber anderen in einer den Wettbewerb beschränkenden Weise zu verhalten?

5.    Falls eine Einrichtung wie die nationale Rechtsanwaltskammer für die Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln in vollem Umfang als Unternehmensvereinigung anzusehen ist: Ist Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 2 EG) dahin auszulegen, dass er auch für eine Einrichtung wie die nationale Rechtsanwaltskammer gilt, die allgemeinverbindliche Regeln über die Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer Berufe zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Parteilichkeit der Rechtsbeistand gewährenden Anwälte erlässt?

6.    Falls eine Einrichtung wie die nationale Rechtsanwaltskammer als Unternehmensvereinigung oder auch als Unternehmen oder Unternehmensgruppe anzusehen ist: Schließen es die Artikel 3 Buchstabe g, 5 Absatz 2 sowie 85 und 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g EG, 10 EG, 81 EG und 82 EG) aus, dass ein Mitgliedstaat bestimmt, dass diese Einrichtung (oder eines ihrer Organe) Regeln erlassen kann, die u. a. die Zusammenarbeit von Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer Berufe betreffen können, wobei die staatliche Aufsicht über den Erlass dieser Regeln auf die Befugnis beschränkt ist, eine solche Regelung aufzuheben, ohne dass die Aufsichtsbehörde die aufgehobene Regelung durch eine eigene ersetzen kann?

7.    Sind auf ein Verbot der Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern wie das hier in Rede stehende sowohl die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit als auch diejenigen über die Dienstleistungsfreiheit anwendbar, oder ist der EG-Vertrag dahin auszulegen, dass ein solches Verbot, z. B. je nach der Art und Weise, in der die Betroffenen ihre Zusammenarbeit tatsächlich ausgestalten wollen, entweder den Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit oder denjenigen über die Dienstleistungsfreiheit genügen muss?

8.    Stellt ein Verbot gemischter Sozietäten von Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern wie das hier in Rede stehende eine Beschränkung des Niederlassungsfreiheit, der Dienstleistungsfreiheit oder beider Freiheiten dar?

9.    Falls sich aus der Antwort auf die vorstehende Frage ergibt, dass eine der beiden oder beide darin genannten Beschränkungen vorliegen: Ist die entsprechende Beschränkung deshalb gerechtfertigt, weil sie lediglich eine „Verkaufsmodalität“ im Sinne des Urteils Keck und Mithouard enthält unddeshalb nicht diskriminierend ist, oder aber weil sie die Voraussetzungen erfüllt, die der Gerichtshof hierfür in anderen Urteilen, insbesondere im Urteil Gebhard, entwickelt hat?

IV -    Gegenstand der Vorlagefragen

35.
    Das Vorabentscheidungsersuchen des Raad van State wirft fünf Fragenkomplexe auf.

36.
    Der erste Fragenkomplex betrifft die Auslegung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag. Es ist festzustellen, ob eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten wie der NOvA gegen diese Bestimmung verstößt, wenn sie eine verbindliche Maßnahme erlässt, durch die es den im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats tätigen Rechtsanwälten verboten wird, Sozietäten mit Angehörigen der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer einzugehen(6).

37.
    Beim zweiten Fragenkomplex geht es darum, ob eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten mit dem Erlass einer Maßnahme, die ein solches Zusammenarbeitsverbot enthält, im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag eine beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben missbräuchlich ausnutzt(7).

38.
    Der dritte Fragenkomplex wird relevant, wenn die streitige Maßnahme als Wettbewerbsbeschränkung oder Missbrauch einer beherrschenden Stellung anzusehen ist. In diesem Fall ist zu untersuchen, ob Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag dahin ausgelegt werden muss, dass die Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln auf eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten, die eine solche Maßnahme erlässt, die Erfüllung der dieser Einrichtung möglicherweise vom Staat übertragenen besonderen Aufgabe verhindern kann(8).

39.
    Der vierte Fragenkomplex bezieht sich auf Artikel 5 in Verbindung mit den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag. Es geht darum, ob ein Mitgliedstaat gegen diese Bestimmungen verstößt, wenn er einer berufsständischen Vertretung von Rechtsanwälten die Befugnis zum Erlass verbindlicher Maßnahmen einräumt, mit denen die Möglichkeit der in seinem Hoheitsgebiet tätigen Rechtsanwälte zur Begründung von Sozietäten mit Wirtschaftsprüfern geregelt wird, ohne sich das Recht vorzubehalten, die von der Vertretung erlassenen Maßnahmen durch seine eigenen Entscheidungen zu ersetzen(9).

40.
    Der fünfte Komplex betrifft schließlich die Frage, ob die Bestimmungen des EG-Vertrags zur Niederlassungsfreiheit (Artikel 52) und zur Dienstleistungsfreiheit (Artikel 59) es verbieten, dass eine berufsständische Vertretung eine Maßnahme wie die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende erlässt(10).

V -    Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag

41.
    Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verbietet „alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken“.

42.
    Nach Ansicht der Kläger des Ausgangsverfahrens sind die Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmungen erfüllt. Die Argumente, die sie hierfür vorbringen, lassen sich wie folgt zusammenfassen.

Erstens stelle der NOvA eine „Unternehmensvereinigung“ dar. Wie jeder andere Berufsverband diene er der Verteidigung der kollektiven und individuellen Interessen seiner Mitglieder. Dass er auch im Allgemeininteresse handeln oder über die Befugnis zum Erlass von Verordnungen verfügen könne, sei hierbei ohne Bedeutung.

Zweitens bezwecke die SWV eine „Einschränkung des Wettbewerbs“. Sie sei speziell zu dem Zweck erlassen worden, in den Niederlanden ein absolutes Verbot jeder Form des Zusammenschlusses von Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern aufrechtzuerhalten. Die streitige Verordnung habe jedenfalls zur Folge, dass Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer am Aufbau gemeinsamer Strukturen gehindert seien, die in einem komplexen rechtlichen und wirtschaftlichen Umfeld tätigen Kunden verbesserte Dienstleistungen anbieten könnten.

Drittens sei die SWV zur Beeinträchtigung des „Handels zwischen Mitgliedstaaten“ geeignet. Die Klägerinnen seien ebenso wie die Anwaltskanzleien international tätig. Sie seien häufig an grenzüberschreitenden Geschäften beteiligt, die die Rechtsordnungen mehrerer Mitgliedstaaten berührten.

43.
    Der NOvA, der CCBE, die Kommission und die Mehrheit der Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben(11), sind gegenteiliger Auffassung. Nach ihrerAnsicht liegt kein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag vor. Das Zusammenarbeitsverbot in der SWV solle die Unabhängigkeit und Parteilichkeit des Rechtsanwalt sicherstellen. Es könne daher unter keinem Gesichtspunkt durch Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag erfasst oder untersagt werden.

44.
    Nacheinander sind der persönliche und der sachliche Anwendungsbereich von Artikel 85 Absatz 1 zu prüfen. Anhand des Ersteren ist zu untersuchen, ob der NOvA als Unternehmensvereinigung angesehen werden kann. Im Rahmen des Letzteren geht es um die Frage, ob das streitige Zusammenarbeitsverbot geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken und den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Zunächst bedarf es jedoch einer Vorbemerkung zum Unternehmensbegriff.

A -    Der Unternehmensbegriff

45.
    Der Raad van State hat in seinem Vorlagebeschluss(12) ausdrücklich festgestellt, dass die in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwälte „Unternehmen“ im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag seien.

46.
    Er hat darauf hingewiesen, dass der Begriff des Unternehmens im Rahmen des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“(13) umfasse. Die niederländischen Rechtsanwälte fielen unter diese Definition, da sie auf einem bestimmten Markt, nämlich dem für juristische Dienstleistungen, Dienste gegen Entgelt anböten.

47.
    Die Auffassung des Raad van State zu diesem Punkt wird von den Beteiligten, die eine Erklärung abgegeben haben, nicht in Zweifel gezogen. Da das vorlegende Gericht keine Frage zur Auslegung des Unternehmensbegriffs gestellt hat, gehe ich davon aus, dass Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag auf in den Niederlanden zugelassene Rechtsanwälte anwendbar ist.

48.
    Gleichwohl möchte ich der Vollständigkeit halber darauf hinweisen, dass sich die Situation der niederländischen Rechtsanwälte nach dem EG-Vertrag als komplexer erweisen könnte.

49.
    Aus den dem Gerichtshof übersandten Akten(14) ergibt sich nämlich, dass in den Niederlanden zugelassene Rechtsanwälte ihre Tätigkeit in zwei verschiedenenrechtlichen Formen ausüben können. Sie können entweder als Selbstständige oder als Angestellte tätig sein. Je nachdem, ob der Rechtsanwalt sich in der einen oder anderen Situation befindet, können jedoch für den Beruf unterschiedliche Vertragsbestimmungen anwendbar sein.

50.
    Die Tätigkeiten der Rechtsanwälte konzentrieren sich traditionell auf zwei grundlegende Funktionen: die beratende Tätigkeit (die die Beratung, die Verhandlung und die Abfassung bestimmter Dokumente umfasst) sowie den Beistand und die Vertretung des Mandanten vor Gerichten und außergerichtlichen Stellen.

51.
    Wenn der Rechtsanwalt seine Tätigkeit als Selbstständiger ausübt, bietet er Dienste auf einem bestimmten Markt, nämlich dem für juristische Dienstleistungen, an. Als Gegenleistung für diese Dienste verlangt und erhält er von seinen Mandanten ein Entgelt. Er trägt zudem die mit der Ausübung seiner Tätigkeit verbundenen finanziellen Risiken, da er im Falle eines Ungleichgewichts zwischen seinen Ausgaben und seinen Einnahmen die Verluste selbst trägt. In diesem Fall ist der Rechtsanwalt daher nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien(15) als „Unternehmen“ im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft anzusehen.

52.
    Ein Rechtsanwalt, der seine Tätigkeit als Angestellter ausübt, befindet sich demgegenüber in einer anderen Situation. Hier können zwei Fallgestaltungen auftreten.

Der Rechtsanwalt kann seine Leistungen im Interesse und unter der Leitung einer anderen Person erbringen, die ihm hierfür ein Entgelt bezahlt. In diesem Fall ist der Rechtsanwalt ein „Arbeitnehmer“ und fällt als solcher nicht in den Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft(16). Es ist aber auch möglich, dass ein angestellter Rechtsanwalt seine Tätigkeit nicht wirklich unter der Leitung seines Arbeitgebers ausübt und dass seine Entlohnung unmittelbar von dessen Verlusten und Gewinnen abhängt. Der Rechtsanwalt fällt dann in den „Grenzbereich“, den Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen zum Urteil Pavlov(17) beschrieben hat.

53.
    Der Umstand, dass in den Niederlanden zwei getrennte rechtliche Formen der Berufsausübung bestehen, kann sich auch auf die Auslegung des Begriffes der„Unternehmensvereinigung“ auswirken. Es ist nämlich schwieriger zu bestimmen, ob ein Berufsverband, dem sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmer angehören, eine Unternehmensvereinigung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag darstellt(18).

54.
    Da jedoch der Gerichtshof nicht um eine entsprechende Auslegung ersucht worden ist, habe ich mich zu diesen Fragen nicht zu äußern. Eine derartige Untersuchung wäre auch nicht durchführbar, da sich bei den Akten keine Unterlagen befinden, die es erlauben würden, genaue Feststellungen zum Status der angestellten Rechtsanwälte in den Niederlanden zu treffen.

55.
    Ich gehe deshalb davon aus, dass die in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwälte Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft sind.

B -    Der Begriff der Unternehmensvereinigung

56.
    Die erste Vorlagefrage bezieht sich auf den Begriff Unternehmensvereinigung.

57.
    Der Raad van State will wissen, ob Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag so auszulegen ist, dass der Begriff der Unternehmensvereinigung auch eine berufsständische Vertretung wie den NOvA erfasst, wenn diese aufgrund der ihr durch Gesetz verliehenen Befugnis zum Erlass von Verordnungen verbindliche Maßnahmen erlässt, durch die es den Rechtsanwälten zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit und Parteilichkeit verboten wird, Sozietäten mit Wirtschaftsprüfern einzugehen.

58.
    Das vorlegende Gericht ist mit dem folgenden Problem konfrontiert(19).

59.
    Es führt aus, dass der NOvA gemäß der Begründung der Advocatenwet verpflichtet sei, seine Befugnis zum Erlass von Verordnungen im Allgemeininteresse auszuüben. Er habe den Rechtssuchenden Zugang zum Recht und zum Richter zu gewährleisten. Gemäß Artikel 26 der Advocatenwet hat der NOvA jedoch ausdrücklich die Aufgabe, die Rechte und Interessen der Rechtsanwälte zu verteidigen. Der NOvA übt also seine Befugnis zum Erlass von Verordnungen auch zur Wahrung der kollektiven und individuellen Interessen seiner Mitglieder aus.

60.
    Vor diesem Hintergrund stellen sich dem vorlegenden Gericht eine Reihe von Fragen. Es will wissen,

(1)    ob Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag eine Unterscheidung zwischen den Tätigkeiten des NOvA verlangt, so dass dieser nur dann als Unternehmensvereinigung anzusehen ist, wenn er im Interesse seiner Mitglieder handelt, oder ob im Gegenteil die bloße Tatsache, dass der NOvA seine Befugnis zum Erlass von Verordnungen im Interesse seiner Mitglieder ausüben kann, ausreicht, um ihn für seine gesamten Tätigkeiten als Unternehmensvereinigung zu betrachten (Frage 1 Buchstabe a);

(2)    ob der Umstand, dass der NOvA über eine durch Gesetz verliehene Befugnis zum Erlass von Verordnungen verfügt, für eine mögliche Qualifikation als Unternehmensvereinigung von Bedeutung ist (Frage 1 Buchstabe a);

(3)    falls zwischen den Tätigkeiten des NOvA zu unterscheiden ist, ob das Gemeinschaftsrecht darüber bestimmt, wann eine berufsständische Vertretung im Allgemeininteresse tätig wird und wann sie im Interesse ihrer Mitglieder handelt (Frage 1 Buchstabe b);

(4)    falls das Gemeinschaftsrecht darüber bestimmt, wann eine berufsständische Vertretung im Allgemeininteresse tätig wird, ob der Erlass allgemein verbindlicher Maßnahmen durch den NOvA, mit denen es dessen Mitgliedern zur Wahrung der Unabhängigkeit und Parteilichkeit der Rechtsanwälte verboten wird, Sozietäten mit Wirtschaftsprüfern einzugehen, dem „Allgemeininteresse“ im Sinne des Gemeinschaftsrechts dient (Frage 1 Buchstabe c).

61.
    Der Begriff der Unternehmensvereinigung wird im EG-Vertrag nicht definiert. In der Regel bestehen solche Vereinigungen aus Unternehmen derselben Branche und haben die Aufgabe, deren gemeinsame Interessen gegenüber anderen Wirtschaftsteilnehmern, staatlichen Stellen und der Öffentlichkeit zu vertreten und zu verteidigen(20).

62.
    Dem Tatbestandsmerkmal der Unternehmensvereinigung kommt jedoch eine besondere Funktion in Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag zu.

Es soll verhindern, dass Unternehmen sich allein durch die Form, in der sie ihr Marktverhalten abstimmen, den Wettbewerbsregeln entziehen können. Um die Wirksamkeit dieses Grundsatzes sicherzustellen, erfasst Artikel 85 Absatz 1 nicht nur die direkten Formen der Verhaltensabstimmung zwischen Unternehmen(Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen), sondern auch institutionalisierte Formen der Zusammenarbeit, d. h. Fallgruppen, in denen die Wirtschaftsteilnehmer durch eine kollektive Struktur oder ein gemeinsames Organ handeln.

63.
    Der Gerichtshof war häufig mit Streitigkeiten befasst, die sich auf Vereinigungen mit rein wirtschaftlichem Charakter bezogen. Die Rechtssache CNSD war der erste Fall, in dem er den Begriff der Unternehmensvereinigung auf eine berufsständische Vertretung angewandt hat(21).

64.
    Angesichts der Bedeutung dieser Rechtssache für das vorliegende Verfahren möchte ich deren wesentliche Gesichtspunkte in Erinnerung bringen.

65.
    Die Tätigkeit des Zollspediteurs ist in Italien ein freier Beruf(22). Ihre Ausübung setzt den Besitz einer Zulassung und die Eintragung in ein nationales Register voraus. Die Tätigkeit der Zollspediteure wird auf Bezirksebene durch Bezirksräte überwacht, die dem Nationalen Rat der Zollspediteure (CNSD) unterstehen. Nach den italienischen Rechtsvorschriften hat der CNSD insbesondere die Aufgabe, die Gebührenordnung für die gewerblichen Leistungen der Zollspediteure festzulegen.

Die Kommission erhob eine Vertragsverletzungsklage gegen die Italienische Republik. Sie warf dieser vor, sie habe gegen Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 85 EG-Vertrag verstoßen, indem sie den CNSD verpflichtet habe, eine für alle Zollspediteure verbindliche Gebührenordnung festzulegen.

66.
    Eine der in dem Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen ging dahin, ob der CNSD eine Unternehmensvereinigung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag sei. Der Gerichtshof hat hierzu auf der Grundlage seiner früherenRechtsprechung(23) zwei Kriterien aufgestellt, die sich auf die Zusammensetzung der Einrichtung und den rechtlichen Rahmen ihrer Tätigkeit beziehen.

67.
    In Bezug auf das erste Kriterium hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Mitglieder des CNSD „Vertreter der Zollspediteure“ sind(24).

Er hat dazu ausgeführt, dass „Mitglieder des CNSD ... nur in das Register eingetragene Zollspediteure sein [können], da sie von den Mitgliedern der Bezirksräte, in denen nur Zollspediteure vertreten sind, aus ihrer Mitte gewählt werden“(25). Außerdem hat er darauf hingewiesen, dass „der Generaldirektor für Zölle [seit einer Gesetzesänderung 1992] dem CNSD nicht mehr als Vorsitzender angehört“(26). Schließlich hat sich herausgestellt, dass „der italienische Finanzminister, der mit der Aufsicht über den betreffenden Berufsverband betraut ist, bei der Benennung der Mitglieder der Bezirksräte und des CNSD nicht [mitwirkt]“(27).

68.
    In Bezug auf das zweite Kriterium hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Mitglieder des CNSD „durch die betreffende nationale Regelung in keiner Weise daran gehindert werden, im ausschließlichen Interesse ihres Berufsstandes zu handeln“(28).

Bei der Erstellung der Gebührenordnung durch den CNSD auf der Grundlage der Vorschläge der Bezirksräte „werden die Mitglieder des CNSD wie auch der Bezirksräte durch keine nationale Rechtsvorschrift dazu verpflichtet oder auch nur angeregt, Kriterien des öffentlichen Interesses zu berücksichtigen“(29).

69.
    Daher wurde der CNSD mit folgender Begründung als Unternehmensvereinigung qualifiziert:

„[D]ie Mitglieder des CNSD [können] nicht als unabhängige Sachverständige qualifiziert werden ... und [sind] nicht gesetzlich verpflichtet ..., bei derGebührenfestsetzung nicht nur die Interessen der Unternehmen oder der Unternehmensvereinigungen des Sektors, den sie vertreten, sondern auch das Interesse der Allgemeinheit und das Interesse der Unternehmen anderer Sektoren oder derjenigen, die die betreffenden Dienstleistungen in Anspruch nehmen, zu berücksichtigen.“(30)

70.
    Aus diesem Urteil ergibt sich, dass eine Einrichtung dann nicht als Unternehmensvereinigung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag anzusehen ist, wenn sie überwiegend aus Vertretern der öffentlichen Gewalt besteht und nach nationalem Recht verpflichtet ist, bei ihren Entscheidungen eine Reihe von Kriterien des öffentlichen Interesses zu berücksichtigen(31).

71.
    Diese beiden Kriterien sind nun auf den NOvA anzuwenden.

72.
    Hinsichtlich der Zusammensetzung bestimmt die Advocatenwet, dass der NOvA unter der Leitung des Allgemeinen Rates steht und die Bezirksrechtsanwaltskammern von den Vorständen geleitet werden(32). Die Vorstandsmitglieder werden unter den Mitgliedern der jeweiligen Bezirksrechtsanwaltskammern gewählt(33). Die Mitglieder des Allgemeinen Rates werden von einer Delegiertenversammlung gewählt(34), deren Mitglieder ihrerseits in Versammlungen der Kammern der jeweiligen Bezirke gewählt werden(35). In Artikel 24 Absatz 1 der Advocatenwet wird bestätigt, dass nur Rechtsanwälte als Mitglieder des Allgemeinen Rates, der Delegiertenversammlung und der Vorstände gewählt werden können.

Daraus folgt, dass die Leitungsorgane des NOvA ausschließlich aus Rechtsanwälten bestehen, die von den Angehörigen dieses Berufes gewählt worden sind. Zudem ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten(36), dass weder die Krone noch der Justizminister die Bestimmung der Mitglieder der Vorstände, der Delegiertenversammlung und des Allgemeinen Rates beeinflussen können.

73.
    Zum zweiten Kriterium finden sich in den von den Parteien im schriftlichen Verfahren abgegebenen Erklärungen nur wenig Informationen. Im mündlichenVerfahren habe ich die Vertreter des NOvA und der niederländischen Regierung um genauere Angaben gebeten. Ich habe insbesondere danach gefragt, ob das niederländische Recht zwingende Vorschriften enthalte, nach denen der NOvA bei der Ausübung seiner Befugnis zum Erlass von Verordnungen Kriterien des Allgemeininteresses zu berücksichtigen habe.

Die niederländische Regierung hat insoweit darauf verwiesen, dass die Krone nach Artikel 30 der Advocatenwet die Befugnis habe, Verordnungen des NOvA aufzuheben, wenn sie gegen das Allgemeininteresse verstoßen. Der NOvA hat vorgetragen, dass seine Leitungsorgane nach den Artikeln 26 und 28 der Advocatenwet verpflichtet seien, ihre Befugnisse „im Interesse der ordnungsgemäßen Berufsausübung“ wahrzunehmen.

74.
    Diese beiden Gesichtspunkte erscheinen mir nicht überzeugend.

Zum einen ist die Aufhebungsbefugnis der Krone, auch wenn sie tatsächlich besteht, jedenfalls mit Unsicherheiten behaftet. Wie die Kläger des Ausgangsverfahrens vorgetragen haben, bedeutet das Bestehen einer solchen Kontrolle nicht, dass die Kammer gesetzlich verpflichtet wäre, bei der Ausübung ihrer Befugnis zum Erlass von Verordnungen dem Allgemeininteresse positiv Rechnung zu tragen. Zum anderen ist der Begriff „Interesse der guten Berufsausübung“ ungenau und enthält für sich genommen keinen Beurteilungsmaßstab. Die Angaben des vorlegenden Gerichts(37) zeigen überdies, dass er dem NOvA als Grundlage für die Verteidigung der kollektiven Interessen der in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwälte dienen kann.

Somit ist festzustellen, dass der NOvA bei der Ausübung seiner Befugnis zum Erlass von Verordnungen nach niederländischem Recht nicht verpflichtet ist, „das Interesse der Allgemeinheit und das Interesse der Unternehmen anderer Sektoren oder derjenigen, die die betreffenden Dienstleistungen in Anspruch nehmen“(38), zu berücksichtigen.

75.
    Der NOvA ist daher im Einklang mit der Rechtsprechung als Unternehmensvereinigung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag zu qualifizieren.

76.
    Die Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, lehnen jedoch in ihrer Mehrzahl die Möglichkeit einer solchen Schlussfolgerung ab. Sie berufen sich dabei auf drei Gründe, die den Bedenken entsprechen, die das vorlegende Gericht in seinen Fragen geäußert hatte. Dabei führen sie die folgenden Argumente an.

Erstens übe der NOvA keine wirtschaftliche Tätigkeit aus. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts habe er die Aufgabe, Regeln der Deontologie zu erlassen.

Zweitens stelle der NOvA eine „Ausprägung“ des Staates dar und sei als solche mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet. Er verfüge über gesetzgeberische (Befugnis zum Erlass von Verordnungen) und richterliche (Disziplinargewalt) Befugnisse und über eine allgemeine Befugnis zur Beaufsichtigung des Verhaltens seiner Mitglieder.

Drittens sei der NOvA mit einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe im Zusammenhang mit der Rechtspflege betraut. Diese Aufgabe sei in einem Rechtsstaat unentbehrlich. Der NOvA habe ebenso wie die berufsständischen Vertretungen der Rechtsanwälte in anderen Mitgliedstaaten den Zugang der Bürger zum Recht und zu den Gerichten sicherzustellen, die Integrität der Rechtsanwälte zu gewährleisten, für eine ordnungsgemäße Berufsausübung zu sorgen und das Vertrauen der Allgemeinheit in den Berufsstand zu erhalten.

Der CCBE und die französische Regierung vertreten eine vermittelnde Auffassung. Es bedürfe einer Unterscheidung zwischen den Tätigkeiten des NOvA, so dass die Wettbewerbsregeln nur dann auf ihn anwendbar seien, wenn er ausschließlich im Interesse seiner Mitglieder handle. Das sei vorliegend nicht der Fall, da das streitige Zusammenarbeitsverbot im Allgemeininteresse die Unabhängigkeit und Parteilichkeit des Rechtsanwalts sicherstellen solle.

77.
    Das erste Argument der Beteiligten, das sich auf das Statut des NOvA stützt, vermag nicht zu überzeugen.

Seit dem Urteil BNIC steht nämlich fest, dass „der rechtliche Rahmen, in dem solche Vereinbarungen [zwischen Unternehmen] geschlossen und solche Beschlüsse [von Unternehmensvereinigungen] gefasst werden, für die Anwendbarkeit der gemeinschaftlichen Wettbewerbsbestimmungen, insbesondere des Artikels 85 EWG-Vertrag, ebenso wenig erheblich [ist] wie die rechtliche Einordnung dieses Rahmens durch die nationalen Rechtsordnungen“(39).

Außerdem ist es für die Qualifikation einer Einrichtung als Unternehmensvereinigung nicht erforderlich, dass sie selbst eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt(40). Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag gilt für Vereinigungen, soweitderen eigene Tätigkeit oder die der in ihnen zusammengeschlossenen Unternehmen auf die Folgen abzielt, die diese Vorschrift unterbinden will(41).

78.
    Was das zweite Argument angeht, so habe ich bereits festgestellt, dass die Leitungsorgane des NOvA ausschließlich aus Vertretern privater Wirtschaftsteilnehmer bestehen und die öffentliche Gewalt sich keine Eingriffsmöglichkeiten in ihrem Entscheidungsprozess vorbehalten hat. Unter diesen Umständen kann der NOvA nicht als staatliches Organ im Sinne des Gemeinschaftsrechts angesehen werden.

Dass der NOvA über die Befugnis zum Erlass von Verordnungen und die Disziplinargewalt verfügt, ist im Übrigen unerheblich. Das folgt aus den Urteilen CNSD und Pavlov.

Im Urteil Pavlov hat der Gerichtshof eine berufsständische Vertretung von Fachärzten in den Niederlanden als Unternehmensvereinigung qualifiziert, obwohl sie, wie der NOvA, über die Befugnis zum Erlass von Verordnungen verfügte, die ihr durch Gesetz verliehen worden war(42). Ebenso wurde der CNSD als Unternehmensvereinigung angesehen, obwohl er nach italienischem Recht Disziplinargewalt besaß. Er hatte nämlich die Befugnis, seine Mitglieder mit Disziplinarstrafen zu belegen, die vom Tadel bis zur endgültigen Streichung aus dem nationalen Register der Zollspediteure reichen konnten(43).

79.
    Auch das dritte Argument der Beteiligten ist nicht stichhaltig. Es beruht auf der Annahme, dass eine Einrichtung, die eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe erfülle, wegen der ihr übertragenen besonderen Funktion automatisch vom Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts ausgenommen sei.

80.
    Diese Annahme trifft jedoch nicht zu.

Im Wettbewerbsrecht erfasst der Unternehmensbegriff „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit“(44). Nach dieser Definition ist eine Einrichtung nur dann vom Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln ausgenommen, wenn die inRede stehende Tätigkeit keinen wirtschaftlichen Charakter hat(45). Übt eine Einrichtung dagegen eine Tätigkeit aus, die zumindest grundsätzlich auch von einem privaten Unternehmen zum Zweck der Gewinnerzielung ausgeübt werden könnte(46), so ist sie als Unternehmen einzustufen. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob der Einrichtung eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe oder ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag übertragen worden ist(47). Die staatlich auferlegten Zwänge bewirken nicht, dass die Einrichtung vom Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts ausgenommen wird, sie können jedoch gegebenenfalls die Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte im Sinne von Artikel 90 EG-Vertrag rechtfertigen(48).

Für Unternehmensvereinigungen gilt dasselbe. In der Rechtssache BNIC hat es der Gerichtshof abgelehnt, den Umstand, dass eine Berufsvereinigung vom Staat mit einem öffentlichen Auftrag betraut worden war, als Hindernis für die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag anzusehen(49).

81.
    Das letzte Argument, das von einigen Beteiligten vorgebracht wird, zielt schließlich auf eine Art funktioneller Auslegung des Unternehmensbegriffs ab. Die Beteiligten schlagen eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Tätigkeiten des NOvA vor, bei der auf die Art des mit einer Maßnahme verfolgten Interesses abzustellen und die Einrichtung nur dann als Unternehmensvereinigung anzusehen sei, wenn sie im ausschließlichen Interesse ihrer Mitglieder handle.

82.
    Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen.

83.
    Im gegenwärtigen Stadium der Untersuchung geht es nur um die Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs des Wettbewerbsrechts durch den Gerichtshof. Es soll lediglich der Personenkreis bestimmt werden, auf den die Artikel 85 bis 90 EG-Vertrag anwendbar sind.

Der Gerichtshof kann nicht schon in diesem Prüfungsstadium einen engen Ansatz zugrunde legen. In den Urteilen CNSD und Pavlov kommt klar zum Ausdruck, unter welchen Umständen eine Einrichtung vom Anwendungsbereich des Artikels 85 ausgenommen werden kann. Dabei handelt es sich um Fälle, in denen die betreffende Einrichtung wegen ihrer Zusammensetzung oder wegen des Rahmens ihrer Tätigkeit als staatliche Stelle anzusehen ist. Wenn eine Einrichtung dagegen - wie im vorliegenden Fall - ausschließlich aus privaten Wirtschaftsteilnehmern besteht, dann muss den Wettbewerbsbehörden die Möglichkeit gegeben werden, ihr gesamtes Verhalten anhand des EG-Vertrags zu überprüfen.

Die Gründe, die für eine weite Auslegung des Anwendungsbereichs des Wettbewerbsrechts sprechen, hat Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Albany klar zum Ausdruck gebracht. Er führt darin aus(50):

„Es kann davon ausgegangen werden, dass private Wirtschaftsteilnehmer normalerweise im eigenen und nicht im öffentlichen Interesse handeln, wenn sie untereinander Vereinbarungen treffen. Die Folgen ihrer Vereinbarungen liegen daher nicht notwendig im öffentlichen Interesse. Die Wettbewerbsbehörden sollten daher in der Lage sein, Vereinbarungen Privater auch in besonderen Wirtschaftsbereichen wie Kredit- und Versicherungsgewerbe und sogar im Sozialbereich zu überprüfen.“(51)

84.
    Außerdem beruht die Auffassung der Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, meines Erachtens auf einer Vermengung zweier getrennter Fragen, nämlich der nach der Abgrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs des Wettbewerbsrechts und der nach dem Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung oder einer möglichen Rechtfertigung der Maßnahme.

Es liegt auf der Hand, dass der NOvA ebenso wie die berufsständischen Vertretungen der Rechtsanwälte in anderen Mitgliedstaaten bei der Ausübung seiner Befugnis zum Erlass von Verordnungen im Allgemeininteresse handeln kann. Für die Frage, ob er als Unternehmensvereinigung anzusehen ist, kommt es jedoch hierauf nicht an(52). Die Tatsache, dass der NOvA im Allgemeininteresse liegende Maßnahmen erlassen kann, spielt in einem späteren Stadium der Prüfung eine Rolle, wenn es darum geht, ob die Maßnahme zur Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes geeignet ist, und, wenn das der Fall sein sollte, ob sie mit Hilfe der Ausnahmebestimmungen des EG-Vertrags gerechtfertigt werden kann.

85.
    Jedenfalls bin ich der Auffassung, dass das von den Beteiligten vorgeschlagene Kriterium bei den freien Berufen nicht praktikabel ist.

Die von den Kammerorganen erlassenen Regeln berühren nämlich in den meisten Fällen gleichzeitig öffentliche und private Interessen. Auch wenn eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten eine verbindliche Gebührenordnung für die Leistungen ihrer Mitglieder festlegt, ließe sich sagen, dass mit der Gebührenordnung die Transparenz der Vergütungen und der Zugang der Bürger zum Recht und zu den Gerichten sichergestellt werden sollen. Die Auffassung der Beteiligten würde dazu führen, dass sämtliche rechtlichen Fragen in den Rahmen der Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft fielen. Eine solche Auslegung ist nicht haltbar.

86.
    Ich bin daher der Auffassung, dass Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag keine Unterscheidung zwischen den Tätigkeiten des NOvA verlangt. Wenn eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten - wie im vorliegenden Fall - ausschließlich aus Vertretern dieses Berufes besteht und nicht gesetzlich verpflichtet ist, bei ihren Entscheidungen bestimmte Kriterien des Allgemeininteresses zu berücksichtigen, dann ist sie bei ihrer gesamten Tätigkeit unabhängig vom Gegenstand und Zweck der getroffenen Maßnahmen als Unternehmensvereinigung anzusehen. Dass ihr durch Gesetz die Befugnis zumErlass von Verordnungen und die Disziplinargewalt verliehen worden sind, ändert nichts an dieser Beurteilung.

87.
    Nach alledem stellt die SWV einen Beschluss einer Unternehmensvereinigung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag dar.

C -    Einschränkung des Wettbewerbs

88.
    Mit der zweiten Vorlagefrage soll geklärt werden, ob die SWV dadurch, dass sie den Rechtsanwälten die Begründung von Sozietäten mit Wirtschaftsprüfern verbietet, „eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs“ bezweckt oder bewirkt.

89.
    Der Gerichtshof geht bei der Prüfung einer Vereinbarung auf ihre Vereinbarkeit mit Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag in der Regel in zwei Schritten vor(53).

90.
    Zunächst untersucht er, ob die Vereinbarung eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt. Dazu nimmt er eine objektive Beurteilung der von der Vereinbarung verfolgten Ziele vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Zusammenhangs vor, in dem die Vereinbarung angewandt werden soll(54). Hat die Vereinbarung ein wettbewerbswidriges Ziel, so ist sie durch Artikel 85 Absatz 1 verboten, ohne dass ihre tatsächlichen Auswirkungen berücksichtigt zu werden brauchen(55). Für Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen gilt dasselbe(56).

Der Gerichtshof hat daher Vereinbarungen oder Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, deren einziger Zweck darin bestand, den Wettbewerb unter den Beteiligten untereinander oder zwischen den Beteiligten und Dritten einzuschränken oder zu verfälschen, für unvereinbar mit Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag erklärt. Darunter fallen horizontale Kartelle zur Festsetzung des Verkaufspreises von Waren(57) oder des Entgelts für Dienstleistungen(58), horizontaleKartelle zur Aufteilung der nationalen Märkte(59), vertikale Vereinbarungen mit Exportverbotsklauseln(60) und allgemein sämtliche Absprachen, die eine künstliche Abschottung des Gemeinsamen Marktes bezwecken(61).

91.
    Falls die Vereinbarung nicht speziell eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, prüft der Gerichtshof, ob sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bewirkt(62). Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verbietet dabei sowohl tatsächliche als auch rein potenzielle wettbewerbswidrige Auswirkungen, wenn sie nur hinreichend spürbar sind(63).

92.
    In beiden Fällen ist für die Beurteilung, ob ein Kartell zur Wettbewerbsbeschränkung geeignet ist, auf den Wettbewerb unter realen Voraussetzungen abzustellen, wie er ohne die Absprache bestehen würde(64).

93.
    Im Übrigen ist die Beurteilung der Vereinbarkeit einer Verhaltensweise mit Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag im wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang des Vorgangs(65) unter Berücksichtigung der Art des Erzeugnisses(66) oder der Dienstleistung(67) sowie der Struktur des Marktes und der auf diesem bestehenden tatsächlichen Bedingungen(68) vorzunehmen.

a)    Gegenstand der SWV

94.
    Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind der Ansicht, dass die SWV eine Beschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt für juristische Dienstleistungen in den Niederlanden bezwecke. Sie berufen sich auf eine Reihe von tatsächlichen Gesichtspunkten(69), um darzulegen, dass der NOvA die Verordnung allein zu dem Zweck erlassen habe, den Anstrengungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften entgegenzuwirken, sich Zutritt zu diesem Markt zu verschaffen.

95.
    Insoweit ist daran zu erinnern, dass das Verfahren nach Artikel 234 EG auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht und jede Würdigung oder Überprüfung des Sachverhalts in die ausschließliche Zuständigkeit des nationalen Gerichts fällt(70). Der Gerichtshof ist nur befugt, sich auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung oder zur Gültigkeit einer Gemeinschaftsvorschrift zu äußern(71).

Der Raad van State hat jedoch in seinem Vorlagebeschluss festgestellt, dass die SWV „das Ziel hat, ... die Unabhängigkeit und Parteilichkeit des Rechtsbeistand gewährenden Anwalts zu gewährleisten“(72).

Unter diesen Umständen kann der Gerichtshof die von den Klägern des Ausgangsverfahrens vorgebrachten tatsächlichen Gesichtspunkte nicht würdigen. Das Vorbringen, die SWV verfolge einen wettbewerbswidrigen Zweck, ist daher zurückzuweisen.

b)    Wirkung der SWV

96.
    Der Raad van State ersucht demgegenüber den Gerichtshof, zu prüfen, ob die SWV auf dem niederländischen Markt für juristische Dienstleistungen wettbewerbsbeschränkende Wirkungen entfaltet.

97.
    Der NOvA, der CCBE und einige Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, vertreten die Auffassung, dass diese Frage zu verneinen sei. Sie verweisen dabei insbesondere auf die Entscheidung 1999/267 der Kommission in der Sache EPI.

In dieser Sache hatte die Kommission über die Rechtmäßigkeit von Bestimmungen zu entscheiden, die in den Richtlinien für die Berufsausübung des Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter (EPI) enthalten waren. Die Kommission gelangte aus den folgenden Gründen zu dem Ergebnis, dass die meisten der untersuchten Bestimmungen nicht unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 fielen:

„Sie sind angesichts der besonderen Rahmenbedingungen des betreffenden Berufsstandes notwendig, um die Unparteilichkeit, Kompetenz, Integrität und Verantwortlichkeit der Vertreter zu gewährleisten, Interessenkonflikte und irreführende Werbung zu vermeiden, das Berufsgeheimnis zu wahren oder ein wirksames Funktionieren des [Patentamts] zu garantieren.“(73)

Nach Auffassung der Kommission sind die Bestimmungen der Richtlinien, die Regelungen dieser Art enthalten „nicht geeignet, wettbewerbsbeschränkende Wirkungen zu entfalten, sofern sie objektiv und in nicht diskriminierender Weise angewandt werden“(74).

98.
    Nach Ansicht der Beteiligten gelten diese Erwägungen der Kommission, auch wenn sie sich nur auf Vertreter in Patentsachen beziehen, für alle freien Berufe(75). Da das streitige Zusammenarbeitsverbot zum Ziel habe, die Unabhängigkeit und Parteilichkeit des Rechtsanwalts sicherzustellen, falle es nicht in den sachlichen Anwendungsbereich von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag.

Die Kommission hat sich in ihren schriftlichen Erklärungen nicht zu dieser Frage geäußert. Auf eine Frage des Gerichtshofes gab sie die knappe Antwort, die streitige Regelung sei nicht geeignet, den Wettbewerb spürbar zu beschränken, da sie die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts sicherstellen und Interessenkonflikte vermeiden solle.

99.
    Die Argumentation der Parteien läuft im Kern darauf hinaus, eine Art von „rule of reason“ einzuführen. Diese „rule of reason“ würde es erlauben, alle berufsrechtlichen Vorschriften, die die Einhaltung der Standesregeln für den Rechtsanwaltsberuf sicherstellen sollen, vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag auszunehmen.

100.
    Vor der Prüfung dieser Argumentation ist daran zu erinnern, dass die Bestimmungen des EG-Vertrags im Wettbewerbsrecht eine klare Struktur aufweisen. Artikel 85 Absatz 1 enthält den Grundsatz des Verbots wettbewerbsbeschränkender Absprachen. Die Artikel 85 Absatz 3 und 90 Absatz 2 sehen in ihren jeweiligen Anwendungsbereichen Ausnahmemöglichkeiten von diesem Grundsatz vor.

101.
    Die Lehre von der „rule of reason“ wurde im amerikanischen Kartellrecht entwickelt. In den Vereinigten Staaten sind sämtliche Beschränkungen des Wettbewerbs unabhängig von ihrer Stärke oder ihren Gründen nach Section 1 des Sherman Act verboten(76). Anders als Artikel 85 EG-Vertrag sieht dieses Gesetz keine Möglichkeit zur behördlichen Freistellung von Kartellen vor.

Angesichts der Strenge des Gesetzes haben die amerikanischen Gerichte früh die Notwendigkeit einer „angemesseneren“ Auslegung des Sherman Act erkannt. Zunächst haben sie die Lehre von den so genannten „akzessorischen Beschränkungen“ entwickelt. Dananch sollten Wettbewerbsbeschränkungen, die zur Verwirklichung einer an sich zulässigen Vereinbarung erforderlich waren, nicht von dem Verbot nach Section 1 des Sherman Act erfasst werden(77). Später hat der Supreme Court of the United States seine Auffassung geändert und sich für die „Methode der Wettbewerbsbilanz“(78) entschieden. Diese wird definiert als

„Untersuchungsmethode, bei der für jede Vereinbarung anhand ihres tatsächlichen Hintergrunds eine Bilanz der wettbewerbshindernden und wettbewerbsfördernden Wirkungen zu erstellen ist. Ergibt sich dabei ein positiver Saldo in dem Sinne, dass die Vereinbarung den Wettbewerb stärker fördert als behindert, so ist Section 1 des Sherman Act nicht anwendbar“(79).

102.
    Im Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft kann die „rule of reason“ verschiedene Bedeutungen haben(80). Im vorliegenden Fall ist es jedoch nicht erforderlich, auf den Meinungsstreit einzugehen, der in der Literatur über die Definition dieses Begriffes oder über die Zweckmäßigkeit seiner Einführung in das Gemeinschaftsrecht ausgetragen worden ist(81).

103.
    Für die Zwecke unseres Verfahrens genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof in einigen Urteilen die „rule of reason“ in beschränktem Umfang angewandt hat. Er hat bei besonderen Kategorien von Vereinbarungen eine wettbewerbliche Bilanz der Wirkungen der Absprache erstellt und, wenn sich diese Bilanz als positiv erwies, entschieden, dass die zur Umsetzung der Vereinbarung erforderlichen Klauseln nicht von dem Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag erfasst würden. So hat der Gerichtshof festgestellt, dass

-    selektive Vertriebssysteme ein mit Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag vereinbarer Bestandteil des Wettbewerbs sind, sofern die Auswahl der Wiederverkäufer aufgrund objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt und sofern diese Voraussetzungen einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden(82);

-    die Verbreitung eines neuen Agrarerzeugnisses den Wettbewerb fördert und die Gewährung einer „offenen“ ausschließlichen Lizenz für dessen Anbau und Vertrieb im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zur Erreichung dieses wettbewerbsfördernden Zieles erforderlich sein kann(83);

-    ein Kaufvertrag über ein Unternehmen zur Verstärkung des Wettbewerbs beiträgt und die zwischen den Vertragsparteien vereinbarten Wettbewerbsverbote nicht unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag fallen, soweit sie für die Übertragung des Unternehmens erforderlich und in ihrer Geltungsdauer und ihrem Anwendungsbereich strikt auf diesen Zweck beschränkt sind(84);

-    Bestimmungen, die für die Durchführung eines Franchisevertrags unerlässlich sind, keine Einschränkungen des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag darstellen(85);

-    eine Bestimmung der Satzung einer Bezugsgenossenschaft, die ihren Mitgliedern eine Beteiligung an anderen Formen der organisierten Zusammenarbeit in unmittelbarer Konkurrenz zu dieser Genossenschaft untersagt, nicht unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag fällt, sofern sie auf das beschränkt ist, was notwendig ist, um dasordnungsgemäße Funktionieren der Genossenschaft sicherzustellen und ihre Vertragsgestaltungsmacht gegenüber den Erzeugern zu erhalten(86).

104.
    Aus diesen Urteilen ergibt sich, dass die „rule of reason“ im Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft ungeachtet aller terminologischer Streitigkeiten streng auf eine rein wettbewerbliche Bilanz der Wirkungen einer Vereinbarung beschränkt ist(87). Wenn die Vereinbarung bei einer Gesamtbetrachtung den Wettbewerb auf dem Markt verstärken kann, dann fallen die für ihre Durchführung unerlässlichen Bedingungen möglicherweise nicht unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag. Das einzige „legitime Ziel“, dessen Verfolgung diese Bestimmung erlaubt, ist somit ausschließlich wettbewerblicher Art.

105.
    Im vorliegenden Fall geht jedoch die Argumentation der Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, und der Kommission weit über die in der Rechtsprechung zugelassene Wettbewerbsbilanz hinaus.

Die Beteiligten sind nicht etwa der Auffassung, dass die SWV eine Stärkung des Wettbewerbs auf dem Markt für juristische Dienstleistungen bewirke(88). Wie die Erklärungen zur ersten Vorlagefrage zeigen, halten sie vielmehr das Verbot gemischter Sozietäten zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern für erforderlich, um bestimmte Merkmale des Berufes - die Unabhängigkeit und die Parteilichkeit - zu schützen, die in einem Rechtsstaat wesentliche Bedeutung hätten. Ihre Argumentation läuft also darauf hinaus, Erwägungen, die mit der Verfolgung eines im Allgemeininteresse liegenden Zieles zusammenhängen, in den Tatbestand des Artikels 85 Absatz 1 einzubringen.

106.
    Insoweit ist es bedauerlich, dass die Kommission nicht dargelegt hat, auf welche rechtlichen Gründe sich ihre Auffassung stützt. Wie in der Lehre hervorgehoben wurde(89), lässt sich die Entscheidung 1999/267 in der Sache EPI möglicherweise auf das Bestreben zurückführen, die Anmeldung der von den berufsständischen Vertretungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten erlassenen Berufsregelungen zu vermeiden. Bekanntlich hat die Kommission beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts die ausschließliche Zuständigkeit für den Erlass von Freistellungsentscheidungen nach Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag(90).

Versucht man, den Ansatz der Kommission näher zu untersuchen, so scheint es, dass dieser aus mehreren Schritten besteht. Es ist nacheinander zu prüfen, (1) ob die betreffende Berufsregel zu einer Beschränkung des Wettbewerbs auf dem entsprechenden Markt führt, (2) ob sie in Anbetracht der Merkmale des Berufes ein legitimes Ziel verfolgt (Sicherung der Unabhängigkeit, Parteilichkeit, Kompetenz, Integrität oder Verantwortlichkeit des Rechtsanwalts, Schutz des Berufsgeheimnisses oder Vermeidung von Interessenkonflikten), (3) ob sie erforderlich ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen und (4) ob sie objektiv und in nicht diskriminierender Weise angewandt wird.

107.
    In Anbetracht dieser Gesichtspunkte bin ich der Auffassung, dass das Vorbringen der Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, den Sinn und Zweck sowie die Struktur der Vertragsbestimmungen verkennt.

Sie führt dazu, in den Wortlaut des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag Erwägungen aufzunehmen, die mit der Verfolgung eines im Allgemeininteresse liegenden Zieles zusammenhängen. Außerdem bewirkt sie, dass sämtliche rechtlichen und tatsächlichen Fragen im Rahmen dieser Bestimmung zu beantworten sind. Bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag wäre danach nicht nur das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung zu prüfen, sondern auch ihre mögliche Rechtfertigung. Bei einer solchen Auslegung verlieren die Artikel 85 Absatz 3 und 90 Absatz 2 EG-Vertrag einen großen Teil ihrer Bedeutung.

Diese Sichtweise wird durch das bereits erwähnte Urteil des Gerichts in der Rechtssache Institut der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter/Kommission bestätigt. Darin stellt das Gericht fest: „Insoweit lässt sich nicht der Standpunkt vertreten, dass Regeln über die Ausübung eines Berufes schon allein deshalb grundsätzlich nicht unter Artikel 81 Absatz 1 EG fallen, weil die zuständigen Einrichtungen sie als Standespflichten betrachten.“(91)

108.
    Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, das Vorbringen der Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, zurückzuweisen.

109.
    Bevor ich meinen Standpunkt näher darlege, möchte ich betonen, dass die Prüfung der von den berufsständischen Vertretungen erlassenen Regelungen nicht anhand einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des EG-Vertrags erfolgen kann.

110.
    Generalanwalt Jacobs weist in seinen Schlussanträgen zum Urteil Pavlov darauf hin, dass „[w]egen der Heterogenität der Berufe und der Spezifizität der Märkte, auf denen sie tätig sind, ... keine allgemeinen Formeln gelten [können]“(92). Ich teile diese Meinung vollauf.

Es erscheint mir nämlich unmöglich, eine einheitliche Formel zu entwickeln, die sämtliche Berufsregelungen aller freien Berufe in den verschiedenen Mitgliedstaaten abdecken könnte. Jede Berufsregelung muss im Einzelfall anhand ihres Gegenstands, ihres Umfelds und ihrer Zielsetzung geprüft werden.

111.
    Eine der Schwierigkeiten, die mit der Problematik der Anwendung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft auf freie Berufe verbunden sind, besteht darin, Lösungen zu finden, die der Struktur und dem Zweck der Vertragsbestimmungen gerecht werden. Meines Erachtens ist hierfür eine Aufgliederung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft erforderlich. Dabei erscheint es sinnvoll, ein Schema mit den folgenden drei Leitlinien anzuwenden.

112.
    Erstens lässt sich nicht ausschließen, dass bestimmte Berufsregeln wegen der besonderen Merkmale des Marktes für juristische Dienstleistungen den Wettbewerb im Sinne der bestehenden Rechtsprechung verstärken können.

Wie Generalanwalt Jacobs festgestellt hat, zeichnen sich die Märkte für berufliche Dienstleistungen durch eine „asymmetrische Information“(93) aus. Da der Verbraucher die Qualität der erbrachten Dienstleistungen nur selten beurteilen kann, sind möglicherweise bestimmte Regelungen erforderlich, um dasFunktionieren des Marktes unter normalen Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen. So wird die Ansicht vertreten, dass Regeln zur Beschränkung der Werbung das Entstehen einer Anlockmentalität auf dem Markt verhindern und langfristig einem Abfall der allgemeinen Qualität der Leistungen vorbeugen könnten(94).

In diesem Zusammenhang wird in der Lehre(95) auch die Möglichkeit erörtert, dass Regelungen, die es den Rechtsanwälten untersagen, ihr Honorar nach dem erzielten Ergebnis zu bemessen, wettbewerbsfördernde Wirkungen haben könnten.

Jedenfalls können Berufsregeln, die tatsächlich geeignet sind, den Wettbewerb auf dem Markt für juristische Dienstleistungen zu stärken oder zu sichern, nach der „rule of reason“ vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag ausgenommen werden.

113.
    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft keine Per-se-Verstöße kennt, bei denen eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag ausgeschlossen ist(96).

Nach der Rechtsprechung gestattet Artikel 85 Absatz 3 die Berücksichtigung von Besonderheiten bestimmter Wirtschaftszweige(97), von sozialen Belangen(98) und in einem gewissen Ausmaß von Erwägungen im Zusammenhang mit der Verfolgung eines öffentlichen Interesses(99). Berufsregeln, die gemessen an diesen Kriterien insgesamt positive wirtschaftliche Auswirkungen haben, können daher nach Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag freigestellt werden.

114.
    Schließlich betrifft Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag speziell Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind. Es ist daher denkbar, dass Berufsregelungen, die im Allgemeininteresse bestimmte wesentliche Merkmale des Anwaltsberufs schützen sollen, in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen. Dies ist Gegenstand der fünften Vorlagefrage.

115.
    Da ich vorschlage, das Vorbringen der Parteien, die Erklärungen abgegeben haben, zurückzuweisen, bleibt zu prüfen, ob die SWV eine Einschränkung des Wettbewerbs auf dem niederländischen Markt für juristische Dienstleistungen bewirkt.

116.
    Insoweit erweisen sich die Argumente der Kläger des Ausgangsverfahrens als überzeugend. Ohne das streitige Zusammenarbeitsverbot könnte sich der Wettbewerb auf verschiedene Weise entwickeln.

117.
    Erstens könnten die Wirtschaftsprüfer durch die Gründung gemischter Sozietäten mit Rechtsanwälten ihre Dienstleistungen sowohl qualitativ als auch quantitativ verbessern.

Die Rechtsanwälte verfügen im Allgemeinen über ein Monopol bei der Prozessvertretung. In den meisten Fällen kann nur ein Rechtsanwalt natürliche und juristischen Personen vor den staatlichen Gerichten vertreten. Durch ihre Tätigkeit haben die Rechtsanwälte eine umfassende Erfahrung in der Prozessführung. Außerdem genießen sie hohes Ansehen, so dass sie häufig auch mit der Vertretung der Interessen ihrer Mandanten bei Stellen außerhalb der Justizbehörden (Verwaltungsbehörden, supranationale Einrichtungen, Presse usw.) beauftragt werden.

Durch den Zusammenschluss mit Angehörigen des Anwaltsberufs könnten sich die Wirtschaftsprüfer deren Erfahrung zunutze machen. Die von ihnen abgefassten Stellungnahmen, Gutachten und Dokumente aus den verschiedenen Rechtsgebieten wären zuverlässiger und fachkundiger und würden damit einen beträchtlichen Mehrwert bieten. Überdies könnten die Wirtschaftsprüfer die Palette von Dienstleistungen, die sie ihren Mandanten anbieten, erweitern. Durch die Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten könnte die gemeinsame Sozietät die Interessen ihrer Mandanten auch in einem Rechtsstreit vor den Gerichten vertreten.

118.
    Umgekehrt könnten auch Rechtsanwälte, die sich mit Wirtschaftsprüfern zusammenschlössen, die Qualität und das Spektrum ihrer Leistungen verbessern.

Durch ihre Tätigkeit verfügen Wirtschaftsprüfer über erhebliche Erfahrung auf bestimmten Rechtsgebieten, wie etwa dem Steuerrecht, dem Recht der Buchführung, dem Finanzrecht, den Vorschriften im Bereich der Unternehmensbeihilfen und den Regelungen über die (Um)strukturierung von Unternehmen. Die Rechtsanwälte könnten sich die Erfahrung der Wirtschaftsprüfer in diesen Bereichen zunutze machen und so die Qualität der von ihnen angebotenen juristischen Dienstleistungen verbessern.

Außerdem sind die Wirtschaftsprüfer auch auf anderen Märkten als dem für juristische Dienstleistungen tätig. Sie bieten Leistungen im Bereich derAbschlussprüfung, der Revision, der Buchführung und der Managementberatung an(100). Ein Zusammenschluss mit Wirtschaftsprüfern würde es den Rechtsanwälten ermöglichen, ihren Mandanten ein wesentlich breiteres Leistungsspektrum anzubieten.

119.
    Zweitens wäre die Integration dieser verschiedenen Dienstleistungen in einer einheitlichen Kanzlei sowohl für die betreffenden Berufsausübenden als auch für die Verbraucher mit zusätzlichen Vorteilen verbunden.

Zunächst könnten die Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer Größenvorteile erzielen, da die gemeinsame Kanzlei über eine größere Anzahl von Dienstleistern verfügen würde. Diese Größenvorteile würden sich bei den Kosten der Leistungserbringung auswirken und hätten schließlich im Hinblick auf den Preis günstige Folgen für den Verbraucher.

Außerdem könnten die Mandanten für eine großen Teil der Dienstleistungen, die sie für die Organisation, die Verwaltung und den Betrieb ihres Unternehmens benötigen, einen einheitlichen Anbieter in Anspruch nehmen. Dadurch kämen sie in den Genuss von Leistungen, die besser an ihren Bedarf angepasst wären, da die Kanzlei über eine umfassende und vertiefte Kenntnis ihrer Politik (Geschäftspolitik, Verkaufsstrategie, Personalverwaltung usw.) und ihrer Probleme verfügte. Die Mandanten könnten auch Zeit und Geld sparen. Sie müssten nicht selbst die von den beiden Berufsgruppen (Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer) angebotenen Leistungen koordinieren und könnten sich darauf beschränken, einem einzigen Ansprechpartner alle für die Bearbeitung ihrer Angelegenheiten erforderlichen Informationen zu übermitteln.

120.
    Eine im nationalen Rahmen durchgeführte Studie(101) hat ergeben, dass die Nachfrage der Unternehmen nach solchen pluridisziplinären Sozietäten nicht einheitlich ist. In den Ländern, in denen sie zugelassen sind, scheint jedes Unternehmen selbstständig die Organisationsform zu wählen, die am besten seinen Bedürfnissen entspricht (einheitliche Sozietät oder mehrere Dienstleistungserbringer). Die Studie führt jedoch zu der Schlussfolgerung, dass eine tatsächliche Nachfrage nach Kanzleien besteht, die Rechtsanwälte und Mitglieder der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer umfassen.

121.
    Unter diesen Umständen bin ich der Auffassung, dass die streitige Verordnung eine Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des GemeinsamenMarktes bewirkt. Sie verhindert den Markteintritt von Kanzleien, die „integrierte“ Dienstleistungen anbieten können, für die eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher besteht. Die streitige Verordnung bewirkt daher „die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen“ im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 Buchstabe b EG-Vertrag(102).

c)    Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung

122.
    Nach ständiger Rechtsprechung untersagt Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag Wettbewerbsbeschränkungen nur, wenn sie spürbar sind(103).

123.
    Im vorliegenden Fall lässt sich anhand mehrerer Anhaltspunkte feststellen, dass die SWV den Wettbewerb auf dem niederländischen Markt für juristische Dienstleistungen spürbar beeinträchtigt.

124.
    Erstens gilt die streitige Verordnung für sämtliche in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwälte. Gemäß Artikel 29 der Advocatenwet ist sie zudem auch auf „Gastanwälte“ anwendbar, d. h. auf Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat ihre Berufstätigkeit unter der Bezeichnung Rechtsanwalt oder unter einer gleichwertigen Bezeichnung ausüben dürfen. Der Wettbewerb wäre offensichtlich weniger beeinträchtigt, wenn die Kammerorgane nur eine Einzelfallentscheidung gegenüber einem Mitglied des Berufsstands getroffen hätten.

125.
    Zweitens haben die von der streitigen Verordnung Betroffenen eine bedeutende Stellung auf dem niederländischen Markt für juristische Dienstleistungen.

Nach den Angaben der Parteien des Ausgangsverfahrens liegt der Marktanteil der Rechtsanwälte auf dem Markt für juristische Dienstleistungen in den Niederlanden zwischen 35 % und 50 %. Der Marktanteil der Wirtschaftsprüfergesellschaften wurde dem Gerichtshof nicht mitgeteilt. Aus offiziellen Unterlagen ergibt sich jedoch, dass die Gesellschaften Arthur Andersen Worldwide und Price Waterhouse zwischen 17 % und 20 % ihres Umsatzes im Bereich der Steuerberatung erzielen(104). Der weltweite Gesamtumsatz jeder dieser Gesellschaften beträgt zwischen 8 und 10 Milliarden Euro(105).

126.
    Schließlich betrifft die in der SWV enthaltene Beschränkung einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor, da sie sich direkt auf die Dienstleistungen auswirkt, die die Unternehmen auf dem Markt anbieten dürfen(106). Nach der Rechtsprechung ist der Wettbewerb, den sich die Beteiligten bei den Dienstleistungen bereiten können, ein wichtiges Element im Rahmen des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag(107).

127.
    Nach alledem ist die durch die SWV verursachte Wettbewerbsbeschränkung spürbar.

D -    Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

128.
    Nach ständiger Rechtsprechung sind „Beschlüsse, Vereinbarungen oder Verhaltensweisen ... nur dann geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn sich anhand objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflussen, die befürchten lässt, dass sie dadurch die Verwirklichung eines einheitlichen Marktes zwischen Mitgliedstaaten behindern“(108).

Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag setzt nicht voraus, dass die darin genannten Vereinbarungen oder Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen den innergemeinschaftlichen Handel tatsächlich beeinträchtigt haben, sondern verlangt nur, dass diese Vereinbarungen oder Beschlüsse geeignet sind, eine derartige Wirkung zu entfalten(109). In einigen Urteilen hat sich der Gerichtshof sogar damit begnügt, dass sich die Absprache, „sei es auch nur teilweise, auf [Erzeugnisse bezieht, die] aus einem anderen Mitgliedstaat [stammen]“(110).

129.
    Die Voraussetzung der Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehrs ist vorliegend ebenfalls erfüllt.

130.
    Es ist unstreitig, dass die in Rede stehende Verordnung das gesamte Hoheitsgebiet der Niederlande erfasst. Der Gerichtshof hat jedoch mehrfachentschieden, dass „ein Kartell, das sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstreckt, schon seinem Wesen nach die Wirkung [hat], die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, indem es die vom Vertrag gewollte wirtschaftliche Verflechtung behindert“(111).

131.
    Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Kläger Wouters und Savelbergh Sozietäten mit Gesellschaften gründen wollen, die wegen ihrer Verbindungen mit anderen Gesellschaften als international anzusehen sind.

Das Ziel dieser Zusammenarbeit besteht gerade darin, in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Mandanten „integrierte“ Dienstleistungen anzubieten. Das vorlegende Gericht hat zudem festgestellt(112), dass auch in anderen Mitgliedstaaten ansässige Rechtsanwälte und Steuerberater, die zur Gruppe Arthur Andersen oder zur Gruppe Price Waterhouse gehören, die Absicht haben könnten, in Zusammenarbeit mit den Klägern Wouters und Savelbergh „integrierte“ Dienstleistungen im niederländischen Hoheitsgebiet oder von diesem Hoheitsgebiet aus anzubieten. Schließlich sind Rechtsanwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfergesellschaften, wie die Kläger des Ausgangsverfahrens vorgetragen haben, häufig an grenzüberschreitenden Geschäften beteiligt, die die Rechtsordnungen mehrerer Mitgliedstaaten berühren.

132.
    Folglich ist die streitige Verordnung geeignet, den grenzüberschreitenden Verkehr „integrierter“ Dienstleistungen zu beeinträchtigen.

E -    Ergebnis

133.
    Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag im vorliegenden Fall erfüllt sind.

134.
    Im gegenwärtigen Stadium der Untersuchung komme ich daher zu dem Schluss, dass es gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstößt, wenn eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten wie der NOvA eine verbindliche Maßnahme erlässt, durch die es den im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats tätigen Rechtsanwälten verboten wird, Sozietäten mit Mitgliedern der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer einzugehen.

VI -    Artikel 86 EG-Vertrag

135.
    Die dritte und vierte Vorlagefrage betreffen die Auslegung von Artikel 86 EG-Vertrag. Der erste Absatz dieser Bestimmung lautet:

„Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.“

136.
    Der Raad van State fragt, ob der Begriff des Unternehmens in Artikel 86 EG-Vertrag auf eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten wie den NOvA anwendbar ist, „obwohl [diese] selbst keine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet“(113). Wenn das der Fall ist, will das vorliegende Gericht wissen, ob der NOvA eine beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben missbräuchlich ausnutzt, wenn er verbindliche Maßnahmen erlässt, durch die es den im Hoheitsgebiet der Niederlande tätigen Rechtsanwälten verboten wird, Sozietäten mit Wirtschaftsprüfern einzugehen(114).

137.
    Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass dem Begriff „Unternehmen“ in Artikel 86 dieselbe Bedeutung zukommt wie die, die er im Zusammenhang des Artikels 85 EG-Vertrag hat(115). Nach der Definition aus dem Urteil Höfner und Elser(116) umfasst der Begriff des Unternehmens „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“.

Der Gerichtshof hat außerdem entschieden, dass der Begriff „wirtschaftliche Tätigkeit“ jede Tätigkeit erfasst, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten(117). In der Regel hat eine Tätigkeit wirtschaftlichen Charakter, wenn sie zumindest grundsätzlich auch von einem privaten Anbieter zum Zweck der Gewinnerzielung ausgeübt werden könnte(118).

138.
    Dass es sich bei der betreffenden Einheit um eine „Unternehmensvereinigung“ im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag handelt,bedeutet nicht notwendig, dass sie nicht auch ein „Unternehmen“ im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft sein kann. Wie dargelegt, setzt die Qualifikation einer Einrichtung als Unternehmensvereinigung nicht die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit voraus(119). Übt jedoch die Unternehmensvereinigung selbst eine wirtschaftliche Tätigkeit, dann ist sie auch als „Unternehmen“ im Sinne der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag anzusehen(120).

139.
    Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen geltend, der NOvA übe - entgegen den Angaben in der dritten Vorlagefrage - selbst eine wirtschaftliche Tätigkeit aus(121). Dabei soll es sich im Wesentlichen um die Tätigkeiten handeln, die über einen Verein namens „BaliePlus“ durchgeführt würden.

140.
    Dieses Argument ist nicht stichhaltig.

141.
    Es ist nämlich allgemein anerkannt, dass der Unternehmensbegriff im Wettbewerbsrecht relativ ist(122). Er muss in jedem Einzelfall konkret auf die zur Prüfung anstehende besondere Tätigkeit angewandt werden. Übt eine Einheit gleichzeitig verschiedenartige Tätigkeiten aus, so nimmt der Gerichtshof eine „Aufspaltung“(123) dieser Tätigkeiten vor: Er untersucht nur, ob die Einheit im Hinblick auf die zu beurteilende Tätigkeit als Unternehmen anzusehen ist(124).

142.
    Im vorliegenden Fall stellt sich daher nur die Frage, ob die Tätigkeit, die der NOvA ausübt, wenn er verbindliche Maßnahmen erlässt, durch die die Möglichkeit der in den Niederlanden tätigen Rechtsanwälte zur Begründung von Sozietäten mit Wirtschaftsprüfern geregelt wird, wirtschaftlicher Natur ist oder nicht.

143.
    Eine solche Tätigkeit hat jedoch - wie auch der Raad van State in seiner dritten Vorlagefrage feststellt - keinen wirtschaftlichen Charakter. Der NOvA übt seine Befugnis zum Erlass von Verordnungen aus, um den Berufsstand der Rechtsanwälte in den Niederlanden zu organisieren. Er bietet nicht etwa eine Dienstleistung gegen Entgelt auf dem Markt an. Es ist auch schwer vorstellbar, dassein privater Anbieter eine derartige Regelungstätigkeit aus eigenem Antrieb zum Zweck der Gewinnerzielung aufnehmen könnte.

144.
    Folglich ist der Begriff des Unternehmens im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag nicht auf eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten wie den NOvA anwendbar, soweit diese verbindliche Maßnahmen erlässt, durch die die Möglichkeit für die im nationalen Hoheitsgebiet tätigen Rechtsanwälte zur Begründung von Sozietäten mit Wirtschaftsprüfern geregelt wird.

145.
    Die Kläger des Ausgangsverfahrens verweisen jedoch noch auf eine andere Möglichkeit. Nach ihrer Auffassung könnte der Gerichtshof das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung der in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwälte feststellen(125).

146.
    Der Raad van State hat den Gerichtshof nicht um eine Auslegung in Bezug auf das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden Stellung der niederländischen Rechtsanwälte ersucht. In der dritten Vorlagefrage geht es nur darum, ob der NOvA als Unternehmen im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag anzusehen ist. Da jedoch die Frage nach einer kollektiven beherrschenden Stellung im weiteren Verlauf des Ausgangsverfahrens Bedeutung gewinnen kann, will ich kurz auf die Argumente der Kläger eingehen.

147.
    Der Begriff „kollektive beherrschende Stellung“ lässt sich wie folgt umschreiben(126).

Es geht dabei um Situationen, in denen zwischen zwei oder mehr Unternehmen solche Bindungen oder verbindenden Faktoren bestehen, dass sie bei wirtschaftlicher Betrachtung als kollektive Einheit erscheinen, die die Möglichkeit hat, in beträchtlichem Umfang unabhängig von den anderen Wettbewerbern, ihrer Kundschaft und den Verbrauchern zu handeln. Nach dieser Definition setzt eine kollektive beherrschende Stellung voraus, dass die Unternehmen so eng miteinander verbunden sind, dass sie auf dem Markt in gleicher Weise vorgehen können(127).

148.
    Die genau Bedeutung des Begriffes der „Bindungen“, die zwischen den Unternehmen bestehen müssen, ist ungeklärt(128). Beim gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass diese Bindungen struktureller(129), rechtlicher(130) oder wirtschaftlicher(131) Art sein können. Darüber hinaus legen einige Urteile(132) nahe, dass der Begriff „wirtschaftliche Bindungen“ auch eine bloße wirtschaftliche Wechselbeziehung erfasst, wie sie zwischen den Mitgliedern eines Oligopols besteht(133).

Hinsichtlich der rechtlichen Bindungen hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein Kartell im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag zur Entstehung einer kollektiven beherrschenden Stellung führen kann. Zwar kann der bloße Umstand, dass einige Unternehmen durch eine Vereinbarung, einen Beschluss einer Unternehmensvereinigung oder eine abgestimmte Verhaltensweise verbunden sind, keine ausreichende Grundlage für eine solche Feststellung sein(134). Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass „die Durchführung einer Vereinbarung, eines Beschlusses oder einer abgestimmten Verhaltensweise ... unbestreitbar dazu führen [kann], dass sich die betreffenden Unternehmen hinsichtlich ihres Verhaltens auf einem bestimmten Markt so gebunden haben, dass sie auf diesem Markt gegenüber ihren Konkurrenten, ihren Geschäftspartnern und den Verbrauchern als kollektive Einheit auftreten“(135).

149.
    Schließlich hat der Gerichtshof mehrfach(136) angedeutet, dass ein Merkmal einer kollektiven beherrschenden Stellung darin besteht, dass die betreffenden Unternehmen keinen Wettbewerb gegeneinander betreiben(137).

150.
    Herkömmlicherweise betrifft die kollektive beherrschende Stellung Situationen, in denen die Wirtschaftsteilnehmer eine Oligopolstellung auf dem Markt einnehmen. Betrachtet man jedoch die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, so lässt sich die Möglichkeit der Anwendung dieses Begriffes auf freie Berufe nicht ausschließen(138).

151.
    Es ist nämlich durchaus vorstellbar, dass die Angehörigen eines freien Berufes in einer bestimmten Weise durch „strukturelle“ oder „rechtliche“ Bindungen miteinander verbunden sind. Durch die Zwangsmitgliedschaft in der für sie zuständigen berufsständischen Vertretung gehören die Berufsausübenden einer kollektiven Einheit an, die den Zweck hat, gemeinsame Bedingungen für die Ausübung des Berufes festzulegen und anzuwenden(139). Überdies können die Regelungen, die für die Berufsausübenden verbindlich gelten, den zwischen diesen bestehenden Wettbewerb hinsichtlich des Preises, der Leistungen und der Werbung im Einzelfall erheblich beschränken. Es ist daher möglich, dass die Berufsregeln als Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen anzusehen sind, deren Durchführung dazu führen kann, „dass sich die betreffenden Unternehmen hinsichtlich ihres Verhaltens auf [dem] Markt so gebunden haben, dass sie auf diesem Markt gegenüber ihren Konkurrenten, ihren Geschäftspartnern und den Verbrauchern als kollektive Einheit auftreten“(140).

152.
    In einem solchen Fall wäre möglicherweise zu prüfen, ob das Verhalten der Berufsangehörigen einen „Missbrauch“ einer kollektiven beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag darstellt oder ob es im Gegenteil den Wettbewerb auf dem Markt verstärken kann(141). Im Anschluss daran könnte es angebracht sein, zu untersuchen, ob das Verhalten des Berufsstands objektiv zurechtfertigen ist(142). Schließlich könnte man sich die Frage stellen, ob die mit dem missbräuchlichen Verhalten verbundene Wettbewerbsbeschränkung gemäß Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag für die Erfüllung einer den Berufsangehörigen möglicherweise übertragenen besonderen Aufgabe erforderlich ist.

153.
    Im vorliegenden Fall lassen sich diese Fragen jedoch nicht beantworten. Die von den Klägern des Ausgangsverfahrens angeregte Prüfung erweist sich als undurchführbar, weil sich die notwendigen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte nicht aus den Akten ergeben.

154.
    Folglich schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass der Begriff des Unternehmens in Artikel 86 EG-Vertrag nicht auf eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten wie den NOvA anzuwenden ist, soweit diese aufgrund der ihr durch Gesetz eingeräumten Befugnis zum Erlass von Verordnungen verbindliche Maßnahmen erlässt, durch die es den Rechtsanwälten verboten wird, Sozietäten mit Angehörigen der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer einzugehen. Die vierte Vorlagefrage nach einem möglichen missbräuchlichen Verhalten des NOvA ist damit gegenstandslos.

VII -    Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag

155.
    Die fünfte Vorlagefrage betrifft die Auslegung von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag. Diese Bestimmung lautet:

„Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Vorschriften dieses Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft.“

156.
    Der Raad van State fragt, ob der NOvA in den Anwendungsbereich von Artikel 90 Absatz 2 fallen kann. Er will dabei insbesondere wissen, ob der NOvA als Einrichtung betrachtet werden kann, die mit „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ betraut ist, da er die streitige Verordnung ausdrücklich zum Zweck der Wahrung der Unabhängigkeit und Parteilichkeit der Rechtsanwälte erlassen habe.

157.
    Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag enthält sechs Tatbestandsmerkmale. Er bestimmt, dass für Unternehmen (erstes Tatbestandsmerkmal), die betraut sind (zweites Tatbestandsmerkmal) mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (drittes Tatbestandsmerkmal) die Vorschriften des EG-Vertrags gelten, soweit (fünftes Tatbestandsmerkmal) die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe verhindert (viertes Tatbestandsmerkmal), wobei jedoch die Entwicklung des Handels (sechstes Tatbestandsmerkmal) nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden darf, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft.

158.
    Ich werde zunächst die von der Rechtsprechung zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen entwickelten Grundsätze in Erinnerung bringen. Anschließend werde ich den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits anhand dieser Grundsätze überprüfen.

A -    Tatbestandsmerkmale des Artikels 90 Absatz 2 EG-Vertrag

159.
    Das erste Tatbestandsmerkmal des Artikels 90 Absatz 2 bereitet keine Schwierigkeiten.

Der Begriff des Unternehmens hat in dieser Bestimmung dieselbe Bedeutung wie im Zusammenhang der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag(143). In dem bereits erwähnten Urteil Höfner und Elser wurde der Unternehmensbegriff im Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft einheitlich definiert. Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag gilt danach für sämtliche Unternehmen, unabhängig davon, ob sie öffentlich oder privat sind(144).

160.
    Das zweite Tatbestandsmerkmal verlangt, dass das Unternehmen durch Hoheitsakt der öffentlichen Gewalt(145) mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse „betraut“ worden ist.

Grundsätzlich genügt die bloße Ausübung einer reglementierten Tätigkeit unter staatlicher Überwachung nicht, um eine Einrichtung in den Anwendungsbereich des Artikels 90 Absatz 2 einzubeziehen; dies gilt selbst dann, wenn die betreffende Einrichtung einer besonders weitreichenden staatlichen Überwachung unterliegt(146). Allerdings hat der Gerichtshof bei der Entwicklung seiner Rechtsprechung dieAnforderungen an das Vorliegen eines förmlichen Aktes der öffentlichen Gewalt erheblich zurückgenommen.

Er hat zunächst entschieden, dass Artikel 90 Absatz 2 nicht notwendig eine staatliche Rechtsvorschrift verlangt(147). Der Hoheitsakt kann auch in einer bloßen öffentlich-rechtlichen Konzession bestehen(148) oder in „Konzessionen [,die] erteilt wurden, um die Verpflichtungen zu konkretisieren, die Unternehmen auferlegt sind, welche durch Gesetz mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind“(149). Der Gerichtshof hat sodann im Urteil Albany(150) implizit anerkannt, dass bereits der Umstand, dass die Sozialpartner einen Betriebsrentenfonds gründen und vom Staat verlangen, die Mitgliedschaft in diesem Fonds verbindlich vorzuschreiben, ausreicht, um den Fonds als Unternehmen anzusehen, das im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut ist(151).

161.
    Was das dritte Tatbestandsmerkmal angeht, so wird in der Rechtsprechung nicht definiert, was unter „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ zu verstehen ist.

Es steht fest, dass an der Tätigkeit des Unternehmens „ein allgemeines wirtschaftliches Interesse [bestehen muss], das sich von dem Interesse an anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens besonders unterscheidet“(152). Der Gerichtshof verwendet allerdings zur Bezeichnung der Dienstleistungen im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag mehrere Formulierungen, die praktisch austauschbar sind:Dienstleistungen von allgemeinem Interesse(153), allgemeiner Dienst(154) oder einfach „öffentlicher Versorgungsdienst“(155).

162.
    In Wirklichkeit ist es Sache der Mitgliedstaaten, den Inhalt ihrer Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu bestimmen. Sie verfügen dabei über einen erheblichen Freiraum, da der Gerichtshof nur eingreift, um möglichen Missbräuchen entgegenzuwirken, wenn die Mitgliedstaaten die Interessen der Gemeinschaft verletzen(156). Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag soll nämlich das Interesse der Mitgliedstaaten am Einsatz bestimmter Unternehmen als Instrument ihrer Wirtschafts-, Fiskal- oder Sozialpolitik mit dem Interesse der Gemeinschaft an der Einhaltung der Wettbewerbsregeln und der Wahrung der Einheit des Gemeinsamen Marktes in Einklang bringen(157).

163.
    Der Gerichtshof hat entschieden, dass die folgenden Einrichtungen und Aufgaben in den Anwendungsbereich von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag fallen: Fernsehanstalten, denen eine Aufgabe zur Erbringung öffentlicher Versorgungsdienstleistungen übertragen worden ist(158), Luftfahrtunternehmen, die verpflichtet sind, unrentable Linien zu bedienen(159), Elektrizitätsversorgungsunternehmen(160), ein mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauter Fonds, der im Rentensystem eines Mitgliedstaats eine wesentliche soziale Funktion erfüllt(161), der Betrieb eines öffentlichen Telefonnetzes(162), die Verteilung von Postsendungen im gesamten staatlichen Hoheitsgebiet(163), die Bewirtschaftung bestimmter Abfälle zwecks Beseitigung einesUmweltproblems(164) sowie ein allgemeiner Festmachdienst, der aus Gründen der öffentlichen Sicherheit eingerichtet worden ist(165).

Dagegen hat es der Gerichtshof abgelehnt, Hafenarbeiten ohne spezifische Merkmale(166) und bestimmte, vom allgemeinen Postdienst trennbare Dienstleistungen(167) als „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ zu qualifizieren.

164.
    Aufgrund des vierten Tatbestandsmerkmals des Artikels 90 Absatz 2 sind Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, von der Anwendung der Wettbewerbsregeln befreit, wenn diese die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe „verhindern“ würde.

Die staatlichen Behörden gewähren Unternehmen in der Regel Ausschließlichkeits- oder Sonderrechte, um es ihnen zu ermöglichen, den verschiedenen Zwängen zu begegnen, die ihnen auferlegt sind. Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag gestattet somit, Wettbewerbsbeschränkungen bis hin zum Ausschluss jeden Wettbewerbs zu rechtfertigen, die mit der Gewährung und Ausübung solcher Rechte verbunden sind.

Der Gerichtshof vertritt hierzu die Auffassung, dass der Tatbestand des Artikels 90 Absatz 2 nicht erst dann erfüllt ist, wenn durch die Anwendung der Wettbewerbsregeln das Überleben, die Wirtschaftlichkeit oder das finanzielle Gleichgewicht des Unternehmens gefährdet würden(168). Vielmehr genügt es, wenn ohne die staatlich eingeräumten Ausschließlichkeits- oder Sonderrechte die Erfüllung der dem Unternehmen übertragenen besonderen Pflichten gefährdet wäre oder wenn die Beibehaltung dieser Rechte erforderlich ist, um ihrem Inhaber die Erfüllung seiner Aufgaben zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen zu ermöglichen(169).

165.
    Das fünfte Tatbestandsmerkmal des Artikels 90 Absatz 2 EG-Vertrag beruht auf einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.

In der Bestimmung heißt es, dass für Unternehmen, die mit einer Dienstleistung von allgemeinem öffentlichem Interesse betraut sind, die Vorschriften des EG-Vertrags gelten, „soweit“ die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgabe verhindert.

Daraus ergibt sich, dass Beschränkungen des Wettbewerbs von Seiten anderer Wirtschaftsteilnehmer nur zulässig sind, „soweit sie erforderlich sind, um dem mit einer solchen Aufgabe von allgemeinem Interesse betrauten Unternehmen die Erfüllung dieser Aufgabe zu ermöglichen“(170). Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist also zu ermitteln, ob die besondere Aufgabe des Unternehmens nicht mit Hilfe von Maßnahmen erreicht werden kann, die den Wettbewerb weniger einschränken(171). Mit anderen Worten, es muss die angesichts der Verpflichtungen und Zwänge, denen das Unternehmen ausgesetzt ist, den Wettbewerb „am wenigsten belastende“(172) Lösung gewählt werden.

166.
    Das letzte Tatbestandsmerkmal besteht schließlich darin, dass die „Entwicklung des Handelsverkehrs ... nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden [darf], das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft“.

Meines Wissens hat sich der Gerichtshof noch nicht mit der Bedeutung und Reichweite dieser Anforderung auseinander gesetzt. In den Urteilen Kommission/Niederlande, Kommission/Italien und Kommission/Frankreich(173) heißt es, es „oblag ... der Kommission ... unter der Kontrolle des Gerichtshofes das Interesse der Gemeinschaft zu definieren, an dem die Entwicklung des Handels zu messen ist“. Aus diesen Urteilen lässt sich jedoch nur schwer eine Schlussfolgerung ziehen, weil sie im spezifischen Zusammenhang des Vertragsverletzungsverfahrens ergangen sind. Die dem klagenden Organ auferlegte Verpflichtung erklärt sich somit aus den Regeln der Beweislastverteilung bei dieser Verfahrensart.

Allerdings haben mehrere Generalanwälte zu der Frage Stellung genommen(174). Sie sind der Auffassung, dass die Beeinträchtigung der Entwicklung des Handelsverkehrs im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 - anders als die klassische Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen - den Nachweis voraussetzt, dass die streitige Maßnahme den innergemeinschaftlichen Handel tatsächlich und wesentlich beeinträchtigt hat. Diese Auslegung erscheint mir angesichts des Wortlauts von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag in der Tat gerechtfertigt.

B -    Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

167.
    Mehrere Beteiligte machen geltend, dass der NOvA in den Anwendungsbereich von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag falle.

Nach ihrer Auffassung ist die Kammer mit einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe betraut, da sie die ordnungsgemäße Ausübung des Anwaltsberufs zu fördern und Vorschriften zu erlassen habe, die den Zugang der Bürger zum Recht und zu den niederländischen Gerichten gewährleisten sollten. Falls der Gerichtshof den NOvA als Unternehmensvereinigung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 ansehe, dann müsse er auch die Ausnahmeregelung des Artikels 90 Absatz 2 EG-Vertrag auf ihn anwenden.

168.
    Ich kann mich dieser Argumentation nicht anschließen.

169.
    Bei der Prüfung der dritten Vorlagefrage hat sich herausgestellt, dass der Begriff des Unternehmens in Artikel 86 EG-Vertrag nicht auf den NOvA anwendbar ist, soweit dieser verbindliche Maßnahmen erlässt, durch die die Möglichkeit der in den Niederlanden tätigen Rechtsanwälte zur Begründung von Sozietäten mit Wirtschaftsprüfern geregelt wird.

Dem Begriff des Unternehmens kommt jedoch - wie bereits dargelegt - in Artikel 90 Absatz 2 dieselbe Bedeutung zu wie die, die er im Zusammenhang des Artikels 86 EG-Vertrag hat. Dieser Begriff hat eine einheitliche Definition, die für sämtliche Vertragsbestimmungen im Wettbewerbsbereich gilt. Der NOvA kann daher nicht als Unternehmen im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag angesehen werden.

170.
    Demgegenüber kann Artikel 90 Absatz 2 meines Erachtens auf Rechtsanwälte angewandt werden, die in den Niederlanden tätig sind. Die Tatbestandsmerkmale der Bestimmung scheinen mir bei dieser besonderen Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern gegeben zu sein.

171.
    Erstens sind die niederländischen Rechtsanwälte, soweit sie selbstständig tätig sind, Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft(175). Sie bieten Dienste auf dem Markt für juristische Dienstleistungen an. Als Gegenleistung für diese Dienste verlangen und erhalten sie von ihren Mandanten ein Entgelt. Sie tragen zudem die mit der Ausübung ihrer Tätigkeit verbundenen finanziellen Risiken.

172.
    Zweitens bin ich der Auffassung, dass die Rechtsanwälte als Unternehmen angesehen werden können, die im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag mit „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut“ sind.

173.
    Es ist allgemein anerkannt, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten auf dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit beruhen(176). Die Rechtsordnungen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten verleihen den Einzelnen Rechtsansprüche, die zu ihrem eigenen Bestand an Rechten gehören(177). Die Mitgliedstaaten haben zur Gewährleistung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit unterschiedliche Rechtsprechungsorgane geschaffen. Sie haben auch den Grundsatz aufgestellt, dass die Bürger in jedem Fall die Möglichkeit haben müssen, diese Organe anzurufen, um die Anerkennung und Einhaltung ihrer Rechte zu erreichen.

174.
    Allerdings sind die Bürger wegen der Komplexität der Gesetze und der Organisation der Gerichtsbarkeit nur selten in der Lage, die ihnen zustehenden Rechte selbst geltend zu machen. Die Rechtsanwälte bieten ihnen den hierfür unabdingbaren Beistand.

Im Rahmen der beratenden Tätigkeit unterstützt der Rechtsanwalt seine Mandanten dabei, ihre verschiedenen Tätigkeiten im Einklang mit den Rechtsvorschriften zu gestalten. Er stellt auch die Durchsetzung ihrer Rechte gegenüber anderen Bürgern und staatlichen Stellen sicher. Außerdem kann er Ratschläge über die Zweckmäßigkeit oder Notwendigkeit der Erhebung einer Klage vor Gericht erteilen. Bei seiner Tätigkeit als Beistand und Vertreter muss der Rechtsanwalt den Bürgern eine angemessene und wirksame Interessenvertretung verschaffen. Aufgrund seiner Qualifikation muss er die Vorschriften kennen, die es ihm ermöglichen, den Standpunkt seines Mandanten wirksam vor Gericht zu vertreten. In dieser Hinsicht nehmen die Rechtsanwälte „als Mittler zwischen denBürgern und den Gerichten eine zentrale Stellung bei der Justizgewährung“(178) ein. Der Gerichtshof hat die Rechtsanwälte im Übrigen als Hilfspersonen der Justiz(179) und Mitgestalter der Rechtspflege(180) bezeichnet.

175.
    Der Rechtsanwalt übt somit Tätigkeiten aus, die in einem Rechtsstaat wesentlich sind. Er ermöglicht es den Bürgern, die ihnen zustehenden Rechte besser zu kennen, zu verstehen und auszuüben. Anders ausgedrückt, der Rechtsanwalt garantiert im Rechtsstaat die Wirksamkeit des Grundsatzes des Zugangs der Bürger zum Recht und zu den Gerichten.

Die Bedeutung der Rolle des Rechtsanwalts hat im Übrigen die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten veranlasst, das Recht auf Beistand und Vertretung durch einen Berater in den Rang eines Grundrechts zu erheben(181). Ebenso wird es von den meisten demokratischen Gesellschaften als unabdingbar angesehen, Systeme der Prozesskostenhilfe einzurichten, durch die jeder unabhängig von seinem Einkommen und der Schwere der gegen ihn erhobenen Vorwürfe die Möglichkeit erhält, den Beistand eines Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen.

176.
    Unter diesen Umständen übt der Rechtsanwalt eine Tätigkeit aus, an der „ein allgemeines wirtschaftliches Interesse besteht, das sich von dem Interesse an anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens besonders unterscheidet“(182).

177.
    Außerdem lässt sich anhand verschiedener Bestimmungen des niederländischen Rechts feststellen, dass die Rechtsanwälte in den Niederlanden tatsächlich durch einen Hoheitsakt mit ihrer besonderen Aufgabe „betraut“ worden sind.

Nach Artikel 11 Absatz 1 der Advocatenwet haben die den in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwälte die Befugnis, sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen vor sämtlichen Gerichten des Königreichs aufzutreten. Darüber hinaus bestimmt Artikel 46 der Advocatenwet, dass die Rechtsanwälte hinsichtlich „jeder Handlung oder Unterlassung, die gegen die Sorgfaltspflicht verstößt, die ihnen als Rechtsanwälten gegenüber denjenigen, deren Interessen sie vertreten oder zu vertreten haben, obliegt“, der Disziplinarrechtsprechung unterliegen. DieseBestimmung setzt das Bestehen einer besonderen Verantwortung des Rechtsanwalts im Rahmen der Erfüllung seiner Aufgaben bei der Vertretung der Interessen der Bürger voraus.

Da der Gerichtshof die Anforderungen an das Vorliegen eines förmlichen Aktes der öffentlichen Gewalt erheblich zurückgenommen hat, scheinen mir Rechtsvorschriften dieser Art ausreichend, um festzustellen, dass die in den Niederlanden tätigen Rechtsanwälte von den dortigen Behörden mit ihrer besonderen Aufgabe „betraut“ worden sind(183).

178.
    Ich bin daher der Auffassung, dass die in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwälte im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind.

179.
    Drittens kann die Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft die Erfüllung der besonderen Aufgaben der Rechtsanwälte „verhindern“.

180.
    Um den Rechtsanwälten die Erfüllung ihrer Aufgabe des „öffentlichen Versorgungsdienstes“ in dem beschriebenen Sinne zu ermöglichen, hat der Staat ihnen bestimmte berufliche Vorrechte eingeräumt und Pflichten auferlegt. Dabei bestimmen drei Grundpflichten in allen Mitgliedstaaten das eigentliche Wesen des Anwaltsberufs. Diese Pflichten betreffen die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts, die Wahrung des Berufsgeheimnisses und die Vermeidung von Interessenkonflikten.

181.
    Die Unabhängigkeit setzt voraus, dass der Rechtsanwalt seine Beratungs-, Beistands- und Vertretungstätigkeit im ausschließlichen Interesse seines Mandanten ausüben kann. Sie wirkt gegenüber der öffentlichen Gewalt, anderen Wirtschaftsteilnehmern und Dritten, von denen sich der Rechtsanwalt unter keinen Umständen beeinflussen lassen darf. Sie wirkt auch gegenüber dem Mandanten, der nicht zum Arbeitgeber seines Rechtsanwalts werden darf. Die Unabhängigkeit stellt eine wesentliche Garantie für den Bürger und für die Rechtsprechungsgewalt dar; der Rechtsanwalt hat daher die Pflicht, sich nicht an Geschäften oder gemeinsamen Vorhaben zu beteiligen, durch die seine Unabhängigkeit gefährdet werden könnte.

182.
    Das Berufsgeheimnis ist die Grundlage des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten. Es verpflichtet den Rechtsanwalt, die ihm von seinem Mandanten übermittelten Informationen nicht weiterzugeben; eserstreckt sich in zeitlicher Hinsicht auch auf den Zeitraum nach der Beendigung des Mandats und erfasst vom betroffenen Personenkreis her sämtliche Dritte. Das Berufsgeheimnis stellt zugleich eine „wesentliche Garantie für die persönliche Freiheit und das ordnungsgemäße Funktionieren der Justiz“(184) dar und gehört daher in den meisten Mitgliedstaaten zum Ordre public.

183.
    Der Rechtsanwalt hat schließlich eine Loyalitätspflicht gegenüber seinem Mandanten und muss daher Interessenkonflikte vermeiden. Diese Pflicht verbietet es dem Rechtsanwalt, Parteien, deren Interessen denen seines Mandanten entgegenstehen oder früher entgegengestanden haben, zu beraten, ihnen Beistand zu leisten oder sie zu vertreten. Außerdem darf der Rechtsanwalt Informationen, die einen anderen Mandanten betreffen oder die er von einem solchen erhalten hat, nicht zu Gunsten seines Mandanten ausnutzen.

184.
    Angesichts dieser Merkmale kann das in der streitigen Verordnung enthaltene Zusammenarbeitsverbot erforderlich sein, um dem Rechtsanwalt die Erfüllung der ihm übertragenen besonderen Aufgabe zu ermöglichen.

185.
    Zum einen können gemischte Kanzleien mit Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern eine Gefahr für die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts darstellen.

Es besteht nämlich eine gewisse Unvereinbarkeit zwischen der „Beratungstätigkeit“ des Rechtsanwalts und der „Prüfungstätigkeit“ des Wirtschaftsprüfers. Aus den schriftlichen Erklärungen des NOvA geht hervor, dass die Wirtschaftsprüfer in den Niederlanden die Aufgabe der Abschlussprüfung wahrnehmen(185). Dabei führen sie eine objektive Prüfung und Bewertung der Buchführung ihrer Mandanten durch, auf deren Grundlage sie interessierten Dritten ihre persönliche Beurteilung über die Zuverlässigkeit der Abschlussdaten übermitteln.

Der Rechtsanwalt ist jedoch möglicherweise nicht mehr in der Lage, seinen Mandaten unabhängig zu beraten und zu vertreten, wenn er einer Kanzlei angehört, die zugleich die Aufgabe hat, über die finanziellen Ergebnisse der Vorgänge zu berichten, an denen er mitgewirkt hat. Mit anderen Worten, die Begründung einer wirtschaftlichen Interessengemeinschaft mit Angehörigen der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer kann den Rechtsanwalt dazu veranlassen - oder sogar dazu zwingen -, Erwägungen zu berücksichtigen, die nicht ausschließlich an den Interessen seines Mandanten orientiert sind.

186.
    Zum anderen können sich Sozietäten zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern als bedeutendes Hindernis für die Wahrung des Berufsgeheimnisses des Rechtsanwalts erweisen.

Wenn sich Angehörige dieser beiden Berufsgruppen dazu verpflichten, die Gewinne, Verluste und finanziellen Risiken aus ihrer Zusammenarbeit gemeinsam zu tragen, dann haben sie ein offensichtliches Interesse daran, Informationen über ihre gemeinsamen Mandanten untereinander auszutauschen. Ein Wirtschaftsprüfer kann versucht sein, von einem Rechtsanwalt beispielsweise Informationen über Verhandlungen zu verlangen und zu erhalten, die dieser im Rahmen eines bestimmten Rechtsstreits führt. Umgekehrt kann ein Rechtsanwalt versucht sein, sich an einen Wirtschaftsprüfer zu wenden, um Angaben zu erhalten, aufgrund deren er eine wirksamere Interessenvertretung vor Gericht erreichen kann.

Die Gefahr einer Verletzung des Berufsgeheimnisses des Rechtsanwalts wird noch dadurch vergrößert, dass die Wirtschaftsprüfer unter bestimmten Voraussetzungen gesetzlich verpflichtet sind, den zuständigen Behörden Angaben über die Tätigkeit ihrer Mandanten zu übermitteln.

187.
    Ich bin daher der Auffassung, dass die mit der SWV verbundene Wettbewerbsbeschränkung erforderlich ist, um im Allgemeininteresse bestimmte Merkmale zu schützen, die in den Niederlanden zum eigentlichen Wesen des Rechtsanwaltsberufs gehören.

188.
    Viertens beeinträchtigt das streitige Zusammenarbeitsverbot die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft.

Zwar hat sich bei der Prüfung der zweiten Vorlagefrage ergeben, dass die streitige Verordnung geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen(186). Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Artikel 90 Absatz 2 im Unterschied zu Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verlangt, dass die streitige Maßnahme den innergemeinschaftlichen Handel tatsächlich und wesentlich beeinträchtigt hat. Das ist hier aber nicht der Fall.

Die streitige Verordnung kann nur den innergemeinschaftlichen Verkehr „integrierter“ Dienstleistungen beeinträchtigen. Sie verbietet es den Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern nicht, unabhängig voneinander ihre Dienste in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Mandanten anzubieten. Sie berührt auch nicht die Möglichkeit der in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer, unabhängig voneinander Aufträge von niederländischen Mandanten anzunehmen. Damit liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass die SWVdie Entwicklung des Handelsverkehrs im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag wesentlich beeinträchtigt.

189.
    Schließlich bleibt zu untersuchen, ob das streitige Zusammenarbeitsverbot sich bei einer Verhältnismäßigkeitsprüfung als die den Wettbewerb am wenigsten belastende Lösung erweist.

190.
    Insoweit sprechen verschiedene Anhaltspunkte dafür, dass die Beschränkung des Wettbewerbs nicht über das hinausgeht, was unbedingt erforderlich ist, um den niederländischen Rechtsanwälten die Erfüllung ihrer Aufgabe zu ermöglichen.

191.
    Erstens verbietet die streitige Verordnung nur die intensivsten Formen der Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern. Sie beschränkt sich auf ein Verbot der Gründung von Sozietäten, d. h. von Kanzleien, die auf einer Teilung der Gewinne, der Weisungsbefugnis und der Letztverantwortlichkeit beruhen(187). Abgesehen von dieser besonderen Form des Zusammenschlusses dürfen die Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer auf dem niederländischen Markt jede Form der Zusammenarbeit praktizieren(188).

192.
    Zweitens lassen sich die Unabhängigkeit und das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte nach meiner Auffassung nicht durch Maßnahmen wahren, die den Wettbewerb weniger beeinträchtigen.

193.
    Die Befürworter gemischter Kanzleien verweisen im Allgemeinen auf eine Reihe von Mechanismen, die es erlaubten, die Einhaltung der Standesregeln der Rechtsanwälte sicherzustellen. Dabei führen sie folgende Gesichtspunkte an: (1) Die Kammer könne gegen Rechtsanwälte, die ihre Standespflichten verletzten, Disziplinarmaßnahmen ergreifen(189). (2) In den vertraglichen Vereinbarungen könne ausdrücklich festgelegt werden, dass die Mitglieder der Kanzlei ihre Standespflichten zu erfüllen hätten. (3) Durch ein System von „Chinese Walls“ könne jeder Informationsfluss zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern unterbunden werden.

194.
    Diese Argumente erscheinen mir nicht überzeugend.

Zum einen ist bekannt, dass die Organe der Kammern keine umfassende und dauernde Überwachung der Berufsangehörigen durchführen können. Eine solche Überwachung wäre auch nicht wünschenswert, weil sie ein Klima des Misstrauens unter den Berufsangehörigen schaffen würde.

Zum anderen sind vertragliche Verpflichtungen und das System der „Chinese Walls“ mit zahlreichen praktischen Problemen verbunden(190). So ist es im Fall der Weitergabe vertraulicher Informationen praktisch unmöglich, die Angaben, die an den Rechtsanwalt übermittelt wurden, von denen zu unterscheiden, die dem Wirtschaftsprüfer zugeleitet wurden. Angesichts der finanziellen Bedeutung mancher Transaktionen, die von gemischten Kanzleien abgewickelt werden, sind ein System von „Chinese Walls“ und vertragliche Verpflichtungen für sich genommen meines Erachtens keine ausreichenden Maßnahmen zur Wahrung der Unabhängigkeit und des Berufsgeheimnisses der Rechtsanwälte(191).

195.
    Drittens ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes „der Umstand, dass ein Mitgliedstaat weniger strenge Vorschriften erlässt als ein anderer Mitgliedstaat, nicht bedeutet, dass dessen Vorschriften unverhältnismäßig und folglich mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sind“(192). Es spielt daher keine Rolle, dass andere Mitgliedstaaten wie die Bundesrepublik Deutschland gemischte Sozietäten zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern zulassen(193).

196.
    Ich bin allerdings der Auffassung, dass der Gerichtshof nicht über die erforderlichen Informationen verfügt, um die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der streitigen Verordnung selbst zu beantworten.

197.
    Die Kläger des Ausgangsverfahrens haben nämlich noch weitere Argumente dafür vorgebracht, dass die SWV in Anbetracht des mit ihr verfolgten Zieles unverhältnismäßig sei. Zur Würdigung dieser Argumente bedarf es jedoch einer vertieften Prüfung des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, bei der auch rechtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die sich speziell auf das niederländische Recht beziehen. Es handelt sich um die folgenden Gesichtspunkte.

198.
    Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen zunächst geltend, die vom NOvA erlassenen Regeln seien diskriminierend. Der NOvA gestatte den Rechtsanwälten ausdrücklich die Begründung von Sozietäten mit Notaren, Steuerberatern und Patentanwälten. Er verbiete ihnen dagegen, Sozietäten mit Angehörigen der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer einzugehen.

Hier stellt sich die Frage, ob objektive Gründe vorliegen, die eine derartige Ungleichbehandlung der genannten Berufsgruppen rechtfertigen können. Die Beteiligten vertreten dabei sehr unterschiedliche Auffassungen. Sie haben eine Vielzahl von Argumenten vorgebracht, die sich auf die Merkmale der betroffenen Berufsgruppen beziehen (Unparteilichkeit, Unabhängigkeit, Berufsgeheimnis, Recht zur Selbstablehnung). Der Gerichtshof kann sich hierzu nicht äußern.

199.
    Außerdem haben die Kläger des Ausgangsverfahrens einen Bericht vorgelegt, der im Juli 1999 von einer Arbeitsgruppe des Justiz- und des Wirtschaftsministeriums erstellt wurde(194). Diese Arbeitsgruppe sei zu dem Ergebnis gekommen, das Verbot multidisziplinärer Sozietäten zwischen Notaren und Wirtschaftsprüfern sei unverhältnismäßig und objektiv nicht zu rechtfertigen. Nach Auffassung der Kläger lässt sich diese Schlussfolgerung in vollem Umfang auf Sozietäten zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern übertragen. Der Stellenwert und die Bedeutung dieses Berichtes sind in der mündlichen Verhandlung erörtert worden. Auch hier ist der Gerichtshof nicht zu einer Beurteilung in der Lage.

200.
    Die Prüfung dieser Fragen ist daher Sache des Raad van State. Nach meiner Auffassung kann das vorlegende Gericht die Vereinbarkeit der streitigen Verordnung mit Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag bejahen, wenn es zu der Feststellung gelangt, dass objektive Gründe dafür vorliegen, den in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwälten zwar die Begründung von Sozietäten mit Notaren, Steuerberatern und Patentanwälten zu gestatten, ihnen jedoch zugleich Sozietäten mit Angehörigen der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer zu untersagen.

201.
    Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, auf die fünfte Vorlagefrage zu antworten, dass es nicht gegen Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag verstößt, wenn eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten wie der NOvA eine verbindliche Maßnahme erlässt, durch die es den im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats tätigen Rechtsanwälten verboten wird, Sozietäten mit Angehörigen der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer einzugehen, sofern sich herausstellt, dass diese Maßnahme zur Wahrung der Unabhängigkeit und des Berufsgeheimnisses der Rechtsanwälte erforderlich ist.

VIII -    Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 85 EG-Vertrag

202.
    Die sechste Vorlagefrage betrifft Artikel 5 in Verbindung mit den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag.

203.
    Der Raad van State will wissen, ob ein Mitgliedstaat gegen die genannten Bestimmungen verstößt, wenn er einer berufsständischen Vertretung von Rechtsanwälten wie dem NOvA die Befugnis einräumt, verbindliche Maßnahmen zu erlassen, mit denen die Möglichkeit der in seinem Hoheitsgebiet tätigen Rechtsanwälte zur Begründung von Sozietäten mit Wirtschaftsprüfern geregelt wird, ohne sich die Möglichkeit vorzubehalten, die von der Vertretung erlassenen Maßnahmen durch seine eigenen Entscheidungen zu ersetzen.

204.
    Bei der Prüfung der dritten Vorlagefrage hat sich ergeben, dass Artikel 86 EG-Vertrag nicht auf den NOvA anwendbar ist. Gegenstand der sechsten Vorlagefrage ist folglich allein die Auslegung von Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 85 EG-Vertrag.

205.
    Hierzu wurden in der Rechtsprechung die folgenden Grundsätze aufgestellt(195).

206.
    Artikel 85 EG-Vertrag betrifft an sich nur das Verhalten von Unternehmen. Er erfasst also grundsätzlich nicht durch Gesetz oder Verordnung getroffene Maßnahmen der Mitgliedstaaten. Diese dürfen jedoch aufgrund von Artikel 85 in Verbindung mit Artikel 5 EG-Vertrag keine Maßnahmen, und zwar auch nicht in Form von Gesetzen oder Verordnungen, treffen oder beibehalten, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln aufheben könnten. Das ist der Fall, (1) wenn ein Mitgliedstaat gegen Artikel 85 EG-Vertrag verstoßende Vereinbarungen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen vorschreibt oder erleichtert, (2) wenn ein Mitgliedstaat die Auswirkungen eines solchen Kartells verstärkt und (3) wenn ein Mitgliedstaat seiner eigenen Regelung dadurch ihren staatlichen Charakter nimmt, dass er die Verantwortung für in die Wirtschaft eingreifende Entscheidungen privaten Wirtschaftsteilnehmern überträgt.

207.
    Bei den ersten beiden Fallgruppen verlangt die Rechtsprechung für die Feststellung, dass eine durch Gesetz oder Verordnung getroffene Maßnahme gegen Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 85 EG-Vertrag verstößt, das Bestehen eines Zusammenhangs zwischen der staatlichen Maßnahme und dem Verhalten eines Unternehmens oder mehrerer Unternehmen(196). Durch diese Voraussetzung soll ausgeschlossen werden, dass staatliche Maßnahmen wegen der mit ihnen verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen an Artikel 85 EG-Vertrag gemessen werden können. In ihren Schlussanträgen zu den Urteilen Meng, Reiff, Ohra Schadeverzekeringen und DIP u. a.(197) haben die Generalanwälte Tesauro(198), Darmon(199) und Fenelly(200) überzeugend dargelegt, warum die Rechtsprechung insoweit Zustimmung verdient. Es ist daher nicht erforderlich, auf die einzelnen Argumente erneut einzugehen.

Allerdings ist der Gerichtshof in einigen neueren Urteilen(201) bei der Bestimmung der Voraussetzungen einen Schritt weiter gegangen. Er hat eine Verbindung zwischen der Rechtmäßigkeit des privaten Verhaltens und der Zulässigkeit der staatlichen Maßnahme hergestellt. Wenn eine Vereinbarung, ein Beschluss oder eine abgestimmte Verhaltensweise nicht gegen Artikel 85 Absatz 1 verstoße, dann sei die staatliche Maßnahme, mit der das Kartell vorgeschrieben, erleichtert oder in seinen Auswirkungen verstärkt werde, automatisch mit den Artikeln 5 und 85 EG-Vertrag vereinbar. Wie auch Generalanwalt Jacobs(202) halte ich einen solchen Automatismus für kaum vereinbar mit der wirtschaftlichen Realität. Es gibt nämlich zahlreiche Fälle, in denen ein Kartell zwar an sich nicht gegen Artikel 85 Absatz 1 verstößt, die staatliche Maßnahme aber wegen der Verstärkung der Auswirkungen des Kartells eine spürbare Einschränkung des Wettbewerbs auf dem Markt verursachen kann(203).

Wie dem auch sei, die ersten beiden Fallgruppen aus der Rechtsprechung sind für unseren Rechtsstreit nicht einschlägig. Das vorlegende Gericht hat keine Angaben gemacht, denen sich entnehmen ließe, dass die niederländischen Behörden die streitige Verordnung vorgeschrieben, erleichtert oder in ihren Wirkungen verstärkt hätten. Damit ist nur die dritte Fallgruppe zu untersuchen, die sich auf eine mögliche Übertragung von Regelungsbefugnissen bezieht.

208.
    Im Rahmen dieser Fallgruppe erhebt der Gerichtshof einen „grundlegenden Einwand gegen gesetzgeberische Maßnahmen, durch die sich der Staat der ihm zukommenden Rolle begibt und den Unternehmen die Befugnisse verschafft, die sie zur Verwirklichung ihrer eigenen Politik benötigen“(204).

Nach Auffassung des Gerichtshofes behält die Regelung staatlichen Charakter, wenn sich die staatlichen Stellen die Befugnis zur Festlegung der wesentlichen Elemente der wirtschaftlichen Entscheidung selbst vorbehalten(205). Das ist offensichtlich der Fall, wenn das Verbot, von dem die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen ausgehen, in der staatlichen Maßnahme enthalten ist(206). Dasselbe gilt, wenn die Entscheidung zwar von privaten Wirtschaftsteilnehmern getroffen wird, die staatlichen Behörden jedoch das Recht haben, sie zu genehmigen, abzulehnen, zu ändern oder durch ihre eigene Entscheidung zu ersetzen(207). Unter diesen Umständen wird der staatliche Charakter der Regelung auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass sie nach vorheriger Abstimmung mit Vertretern privater Wirtschaftsteilnehmer erlassen worden ist(208).

Im Urteil CNSD(209) hat der Gerichtshof dagegen angenommen, dass die staatlichen Behörden ihre Befugnisse privaten Wirtschaftsteilnehmern überlassen hatten. Er stützte sich dabei auf folgende Erwägungen: (1) Bei den Mitgliedern des CNSD handelte es sich um Vertreter der Zollspediteure. (2) Der zuständige Minister wirkte bei der Benennung der Mitglieder des CNSD nicht mit. (3) Die Mitglieder des CNSD waren nicht gesetzlich verpflichtet, bei ihren Entscheidungen Gesichtspunkte des Allgemeininteresses zu berücksichtigen. Der Gerichtshof hat also dieselben Kriterien angewandt, die auch zur Definition der „Unternehmensvereinigung“ im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag herangezogen werden.

209.
    Die Frage der Übertragung von Befugnissen im Wirtschaftsbereich erhält bei den freien Berufen ausschlaggebende Bedeutung. Generalanwalt Jacobs hat die Brisanz dieser Problematik in seinen Schlussanträgen zum Urteil Pavlov deutlich gemacht. Er führt darin aus:

„[D]ie spezifischen Merkmale der Märkte für berufliche Dienstleistungen [machen] einen gewissen Grad an Regulierung erforderlich ... Gegner der beruflichen Selbstregulierung bestehen darauf, dass der Staat oder zumindest staatlich kontrollierte Standeseinrichtungen die Berufe regulieren sollten, da die Gefahr bestehe, dass Regulierungsbefugnisse missbraucht würden. Wirtschaftlich gesehen entsteht aber wiederum ein Informationsproblem. Die komplexe Natur dieser Dienstleistungen und ihre ständige Evolution durch rasch wechselnde Entwicklungen des Wissens und der Technik erschweren es Parlamenten und Regierungen, die erforderlichen detaillierten und dem neuesten Stand angepassten Regelungen zu treffen. Selbstregulierung durch kenntnisreiche Angehörige der Berufe ist häufig angemessener, weil sie mit der erforderlichen Flexibilität reagieren kann. Die größte Herausforderung für jedes System des Wettbewerbsrechts ist daher die Verhinderung des Missbrauchs der Regulierungsbefugnisse, ohne dabei die Regelungsautonomie der Berufe zu zerstören.“(210)

210.
    Der Gerichtshof hat daher die Aufgabe, Kriterien aufzustellen, mit denen ein Ausgleich hergestellt werden kann zwischen der Notwendigkeit, den freien Berufen gewisse Befugnisse zur Selbstregulierung zuzuerkennen, und dem Erfordernis der Vermeidung möglicher wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen, die mit solchen Befugnissen verbunden sind.

211.
    Meines Erachtens lässt sich ein solcher Ausgleich durch zwei Bedingungen herstellen.

212.
    Die erste Bedingung ergibt sich bereits aus der vorhandenen Rechtsprechung. Die Behörden müssen sich die Befugnis zur Festlegung der wesentlichen Berufsregelungen selbst vorbehalten, insbesondere, soweit es um Regeln geht, die die Rechte der Betroffenen beeinträchtigen können. Diese Befugnis kann auf verschiedene Weise ausgeübt werden. Sie kann in der Anfangsphase des Rechtssetzungsverfahrens stattfinden, indem die Behörden die Möglichkeit erhalten, sich an diesem Verfahren zu beteiligen. Sie kann aber auch in der Endphase in Form einer nachträglichen Kontrolle der von der Kammer erlassenen Vorschriften erfolgen.

213.
    Die zweite Bedingung betrifft die den Berufsangehörigen offen stehenden Rechtsbehelfe. Die Berufsausübenden müssen zur Anfechtung der von den Kammerorganen getroffenen Entscheidungen berechtigt sein, so dass sie gegen möglicherweise innerhalb des Berufsstands auftretende wettbewerbswidrige Verhaltensweisen vorgehen können. Insoweit erscheint mir ein Rechtsbehelf vor den Kammerorganen nicht ausreichend, um eine tatsächliche Überwachung durch die Behörden zu gewährleisten. Eine solche Überwachung setzt vielmehr voraus, dass die Berufsausübenden die Möglichkeit haben, die ordentliche Gerichte, d. h. eine Gerichtsbarkeit außerhalb des Berufsstands, anzurufen. Die gerichtlicheKontrolle darf sich dabei nicht nur auf Einzelfallentscheidungen erstrecken, sondern muss auch Maßnahmen mit allgemeiner Geltung einbeziehen.

214.
    Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens ist nun anhand dieser beiden Bedingungen zu untersuchen.

A -    Befugnis der niederländischen Behörden, direkt oder indirekt über den Inhalt wesentlicher Berufsregelungen zu bestimmen

215.
    Was die erste Bedingung angeht, so enthalten die dem Gerichtshof übermittelten Akten Anzeichen für das Bestehen einer präventiven und einer repressiven Kontrolle.

216.
    Zur präventiven Kontrolle führt der NOvA aus(211), dass die niederländischen Behörden sich intensiv am Verfahren zum Erlass der Verordnungen beteiligten. Die Kammer übermittle ihre Verordnungsentwürfe regelmäßig dem Justizministerium, um diesem die Möglichkeit zu geben, die Entwicklungen innerhalb des Berufsstands genau zu verfolgen. In seinem Vorlagebeschluss(212) hat der Raad van State allerdings festgestellt, dass in der Advocatenwet keine Beteiligung staatlicher Behörden an der Ausarbeitung der Verordnungen des NOvA vorgesehen sei.

Diese beiden Informationen scheinen mir nicht unbedingt widersprüchlich zu sein. Möglicherweise hat sich die Praxis trotz des Fehlens einer formellen Regelung in der Advocatenwet in Richtung einer präventiven Inhaltskontrolle der Verordnungen des NOvA durch das Justizministerium entwickelt. Es ist also zu ermitteln, ob eine solche Praxis tatsächlich existiert und, wenn das der Fall sein sollte, welchen Charakter und welchen Umfang die Kontrolle hat.

217.
    Der Gerichtshof verfügt nicht über die nötigen Angaben, um diese Frage beantworten zu können. Es ist daher Sache des Raad van State, die erforderlichen Untersuchungen anzustellen.

Meines Erachtens kann das vorlegende Gericht das Bestehen einer ausreichenden präventiven Kontrolle bejahen, wenn es feststellt, dass die Organe des NOvA nach ständiger Praxis verpflichtet sind, (1) Verordnungsentwürfe, die wesentliche Berufsregeln der Rechtsanwälte in den Niederlanden betreffen, an das Justizministerium zu übermitteln und (2) die Bemerkungen des Justizministers zu diesen Entwürfen zu berücksichtigen.

218.
    Sollte die präventive Kontrolle durch den Justizminister nicht den genannten Anforderungen entsprechen, so würde das nicht notwendigerweise bedeuten, dass die niederländischen Behörden gegen Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 85 EG-Vertrag verstoßen haben. Vielmehr bleibt die repressive Kontrolle nach Artikel 30 der Advocatenwet zu untersuchen.

Nach dieser Bestimmung können „Beschlüsse der Delegiertenversammlung, des Allgemeinen Rates oder anderer Organe des [NOvA] ... durch königlichen Erlass [suspendiert oder] aufgehoben werden, soweit sie gegen das Recht oder das Allgemeininteresse verstoßen“.

219.
    Die Kläger des Ausgangsverfahrens vertreten hierzu die Auffassung, die Advocatenwet verstoße gegen Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 85 EG-Vertrag. Die staatlichen Behörden hätten nicht die Möglichkeit, selbst Regelungen zur Organisation des Anwaltsberufs zu erlassen oder die von den Kammerorganen beschlossenen Maßnahmen durch ihre eigenen Entscheidungen zu ersetzen.

220.
    Ich kann mich dieser Beurteilung nicht anschließen.

221.
    Meines Erachtens ist die von der Rechtsprechung aufgestellte Bedingung, dass die staatlichen Behörden die Möglichkeit haben müssen, die von privaten Wirtschaftsteilnehmern beschlossenen Maßnahmen durch ihre eigenen Entscheidungen zu ersetzen, lediglich Ausdruck eines allgemeineren Grundsatzes, wonach bei der Überwachung durch die staatlichen Behörden eine wirksame Kontrolle stattfinden muss. Die Befugnis zur Ersetzung einer Entscheidung wäre dann nur eine mögliche Ausübungsmodalität der staatlichen Kontrolle.

222.
    Damit stellt sich die Frage, ob die der Krone eingeräumte Aufhebungs- und Suspendierungsbefugnis als wirksame Kontrolle anzusehen ist. Meines Erachtens kommt es hier auf drei Kriterien an. Diese betreffen (1) die Häufigkeit der Ausübung der Aufhebungs- und Suspendierungsbefugnis, (2) den Gegenstand der aufgehobenen oder suspendierten Maßnahmen und (3) die Bindungswirkung der Gründe für die Aufhebung oder Suspendierung.

223.
    Hinsichtlich der ersten beiden Kriterien hat der NOvA mitgeteilt(213), dass die Krone in der Vergangenheit bereits von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht habe. Sie habe (im Jahr 1955) eine Verordnung über den Vorbereitungsdienst der Rechtsanwälte teilweise aufgehoben und (im Jahr 1997) eine Reihe von Bestimmungen einer Verordnung über die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs als Arbeitnehmer suspendiert. Außerdem habe die Krone damit gedroht, von ihrer Befugnis Gebrauch zu machen, falls der NOvA bestimmte Regelungen erlassen sollte. So habe sie 1977 bezüglich einer Verordnung über die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes als Arbeitnehmer und 1984 hinsichtlich einer Änderung derVerordnung über den Vorbereitungsdienst, die den so genannten „externen Ausbilder“ betroffen habe, damit gedroht, von ihrer Aufhebungsbefugnis Gebrauch zu machen.

Zum dritten Kriterium haben die Kläger des Ausgangsverfahrens vorgetragen, dass „die Kammer auch nach der Aufhebung einer Verordnung die Befugnis behält, den Inhalt der (neuen) Verordnung selbst und unabhängig festzulegen“(214).

224.
    Meines Erachtens reichen diese Angaben nicht aus, um dem Gerichtshof eine Stellungnahme zu der repressiven Kontrolle der Krone zu ermöglichen.

225.
    Die Angaben zu den ersten beiden Kriterien geben Anlass zu der Vermutung, dass die staatlichen Behörden eine tatsächliche Kontrolle über die Rechtsetzungstätigkeit des NOvA ausüben. Sie müssen jedoch im Verfahren vor dem Raad van State durch weitere Beweismittel bestätigt werden.

Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die Krone tatsächlich eingreift, um Verordnungen, die für den Zugang zum Beruf und dessen Ausübung wesentlich sind, auf ihre Vereinbarkeit mit dem Allgemeininteresse zu prüfen.

226.
    Was das dritte Kriterium angeht, so erscheint es mir nur schwer vorstellbar, dass der NOvA nach einem Eingriff der Krone eine Verordnung erlassen kann, die mit der aufgehobenen oder suspendierten Regelung identisch ist. Die Logik des in der niederländischen Rechtsordnung vorgesehenen Systems scheint vielmehr zu verlangen, dass der NOvA die Pflicht hat, eine neue Verordnung zu erlassen, die den Gründen für die Aufhebung oder Suspendierung Rechnung trägt. Sollte dies zutreffen, so kann der Raad van State die Feststellung treffen, dass sich die Behörden die Befugnis vorbehalten haben, indirekt über den Inhalt der Berufsregeln für Rechtsanwälte in den Niederlanden zu bestimmen.

B -    Den Berufsangehörigen offen stehende Rechtsbehelfe

227.
    Die zweite Bedingung, die sich auf die den Berufsangehörigen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe bezieht, ist im vorliegenden Fall offensichtlich erfüllt.

Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zeigt, dass die Kläger Wouters und Savelbergh die Möglichkeit hatten, die ordentlichen Gerichte anzurufen, um eine sie betreffende Einzelfallentscheidung der Kammerorgane anzufechten. Im Rahmen dieses Rechtsstreits konnten die Kläger geltend machen, dass die streitige Verordnung als allgemeine Maßnahme gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen habe. Den in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwälten steht also gegenindividuelle und allgemeine Entscheidungen der Kammerorgane ein wirksamer Rechtsbehelf vor den ordentlichen Gerichten zur Verfügung.

228.
    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die sechste Vorlagefrage zu antworten, dass es nicht gegen Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 85 EG-Vertrag verstößt, wenn ein Mitgliedstaat einer berufsständischen Vertretung von Rechtsanwälten wie dem NOvA die Befugnis einräumt, verbindliche Maßnahmen zu erlassen, mit denen die Möglichkeit der in seinem Hoheitsgebiet tätigen Rechtsanwälte zur Begründung von Sozietäten mit Angehörigen der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer geregelt wird, sofern (1) die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats sich die Befugnis zur direkten oder indirekten Festlegung des Inhalts der wesentlichen Berufsregeln vorbehalten und (2) den Berufsangehörigen gegen die Entscheidungen der Kammerorgane ein wirksamer Rechtsbehelf vor den ordentlichen Gerichten zur Verfügung steht.

IX -    Artikel 52 und 59 EG-Vertrag

229.
    Die letzten drei Vorlagefragen beziehen sich auf die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit (Artikel 52) und die Dienstleistungsfreiheit (Artikel 59).

230.
    Mit der siebten Vorlagefrage soll ermittelt werden, welche Vertragsbestimmungen auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbar sind. Die Kläger des Ausgangsverfahrens haben vor den niederländischen Gerichten geltend gemacht, der Rechtsstreit falle in den Anwendungsbereich der beiden genannten Vertragsbestimmungen. Demgegenüber vertritt der NOvA die Auffassung, die Artikel 52 und 59 EG-Vertrag könnten nicht gleichzeitig auf ein und denselben Sachverhalt anwendbar sein.

231.
    Mit der achten Vorlagefrage will das vorlegende Gericht wissen, ob das streitige Zusammenarbeitsverbot eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und/oder der Dienstleistungsfreiheit darstellt.

232.
    Die neunte Vorlagefrage bezieht sich schließlich auf die Rechtfertigungsmöglichkeiten im Fall einer Beschränkung der Freizügigkeitsrechte. Der Raad van State will insbesondere wissen, ob das Verbot von Sozietäten zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern mit einer „Verkaufsmodalität“ im Sinne des Urteils Keck und Mithouard(215) verglichen werden kann oder ob ein solches Verbot vielmehr anhand der im Urteil Gebhard(216) entwickelten Voraussetzungen zu beurteilen ist.

233.
    Im Lauf des vorliegenden Verfahrens haben mehrere Beteiligte vorgetragen, der Ausgangsrechtsstreit habe keinen Bezug zum Gemeinschaftsrecht. Es handle sich um einen rein internen, auf die Niederlande beschränkten Sachverhalt. Ich werde auf dieses Argument im Rahmen der Untersuchung der siebten Vorlagefrage eingehen.

A -    Auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbare Bestimmungen

234.
    Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr nicht nur für behördliche Maßnahmen gelten. Sie erstrecken sich auch auf Maßnahmen anderer Art, die zur kollektiven Regelung unselbständiger Arbeit und der Erbringung von Dienstleistungen dienen(217). Die Artikel 52 und 59 EG-Vertrag können daher auf Regelungen von Vereinigungen oder Einrichtungen wie berufsständischen Vertretungen Anwendung finden.

235.
    Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr nach ständiger Rechtsprechung nicht auf rein interne Sachverhalte anwendbar sind, d. h. auf Sachverhalte, deren Elemente sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen(218).

236.
    Die Kläger des Ausgangsverfahrens machen geltend(219), bei der Ermittlung der auf den Rechtsstreit anwendbaren Bestimmungen sei zu unterscheiden zwischen der tatsächlichen Situation der Kläger Wouters und Savelbergh und der der Gesellschaften Arthur Andersen & Co. Belastingadviseurs und Price Waterhouse Belastingadviseurs BV.

Die Kläger Wouters und Savelbergh beriefen sich auf die Vertragsbestimmungen über die Dienstleistungsfreiheit. Sie wollten mit den beiden genannten Gesellschaften eine Sozietät eingehen, um in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Mandanten „integrierte“ Dienstleistungen anzubieten. Die Gesellschaften Arthur Andersen & Co. Belastingadviseurs und Price Waterhouse Belastingadviseurs BVberiefen sich dagegen auf die Gemeinschaftsbestimmungen über das Niederlassungsrecht. Sie beanspruchten „für sich selbst und die mit ihnen zusammenarbeitenden Berufsangehörigen“(220) das Recht auf dauerhafte Niederlassung in den Niederlanden zwecks Gründung einer gemischten Sozietät mit Rechtsanwälten.

237.
    Das Argument der Kläger des Ausgangsverfahrens ist nicht stichhaltig.

238.
    Die Vertragsbestimmungen zum Niederlassungsrecht gelten für natürliche oder juristische Personen, die beabsichtigen, „in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als [ihres] Herkunftsstaat teilzunehmen ... im Bereich der selbstständigen Tätigkeiten“(221).

239.
    Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ausgangsrechtsstreit einen derartigen Bezug zu Artikel 52 EG-Vertrag aufweist.

Wie sich aus den Akten ergibt(222), waren alle Kläger des Ausgangsverfahrens im niederländischen Hoheitsgebiet ansässig, als die Kammerorgane die streitigen Zusammenarbeitsverbote verhängten. Die Kläger Wouters und Savelbergh sowie die Gesellschaften Arthur Andersen & Co. Belastingadviseurs, Price Waterhouse Belastingadviseurs BV und Arthur Andersen & Co. Accountants übten ihre Tätigkeit bereits in stabiler und kontinuierlicher Weise in den Niederlanden aus.

Entgegen der von den Klägern des Ausgangsverfahrens wohl vertretenen Annahme spricht auch nichts dafür, dass die Gesellschaften Arthur Andersen & Co. Belastingadviseurs und Price Waterhouse Belastingadviseurs BV eine besondere Vollmacht erhalten haben, um im Namen der in anderen Mitgliedstaaten ansässigen „mit ihnen zusammenarbeitenden Berufsangehörigen“ aufzutreten. Die Kläger des Ausgangsverfahrens können sich daher nicht mit Erfolg auf die Vertragsbestimmungen über das Niederlassungsrecht berufen(223).

240.
    Die Gemeinschaftsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr sind dagegen auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbar.

Der Gerichtshof hat nämlich in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass „sich ein Unternehmen gegenüber dem Staat, in dem es seinen Sitz hat, auf den freien Dienstleistungsverkehr berufen [kann], sofern die Leistungen an Leistungsempfänger erbracht werden, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind“(224). Nach dieser Rechtsprechung ist es also nicht erforderlich, dass der Erbringer oder Empfänger der Dienstleistung innerhalb der Gemeinschaft einen Ortswechsel durchführt. Der einzige Bezugspunkt zum Gemeinschaftsrecht kann im „Ortswechsel“ der betreffenden Dienstleistung liegen. So verhält es sich hier, weil die Rechtsanwälte und Gesellschaften, die im Ausgangsverfahren als Kläger auftreten, „integrierte“ Dienstleistungen für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Mandanten erbringen wollen(225).

241.
    Die streitige Verordnung ist somit nur im Hinblick auf Artikel 59 EG-Vertrag zu prüfen. Es geht dabei um die Frage, ob das Verbot von Sozietäten zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern zu einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit führt.

B -    Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit

242.
    Der Raad van State will wissen, ob sich die im Urteil Keck und Mithouard entwickelten Kriterien auf den vorliegenden Rechtsstreit übertragen lassen.

243.
    Das Urteil Keck und Mithouard sollte der Gefahr von Fehlentwicklungen entgegenwirken, die sich aus der extrem weiten Definition der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßigen Beschränkungen in Artikel 30 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG) ergab. Um seine Rechtsprechung wieder an den eigentlichen Vertragszielen im Bereich der Warenverkehrsfreiheit auszurichten, hat der Gerichtshof wie folgt entschieden:

„[E]ntgegen der bisherigen Rechtsprechung [ist] die Anwendung nationaler Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Urteils Dassonville (Urteil vom 11. Juli 1974 in der Rechtssache 8/74, Slg. 1974, 837) unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren.“(226)

244.
    Der Gerichtshof hat dadurch diejenigen Maßnahmen aus dem Anwendungsbereich von Artikel 30 EG-Vertrag herausgenommen, die nicht geeignet sind, den Marktzugang für eingeführte Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tun(227). Durch das Urteil Keck und Mithouard wurde somit die Behinderung des Marktzugangs für Importwaren als wesentliches Kriterium anerkannt(228).

245.
    Die Frage nach der Übertragbarkeit des Urteils Keck und Mithouard auf den Bereich der Dienstleistungsfreiheit hat sich in der bereits erwähnten Rechtssache Alpine Investments gestellt(229).

Die Firma Alpine Investments übte ihre Geschäftstätigkeit in den Niederlanden aus. Sie hatte sich auf Warenterminverträge spezialisiert. Die niederländischen Behörden untersagten ihr die Praxis des so genannten „cold calling“, bei der mit Privatpersonen ohne ihre vorherige schriftliche Zustimmung telefonisch Kontakt aufgenommen wird, um ihnen verschiedene Finanzdienstleistungen anzubieten. Alpine Investments focht diese Entscheidung unter Berufung auf Artikel 59 EG-Vertrag an. Die niederländische Regierung machte vor dem Gerichtshof geltend, das streitige Verbot sei dem Anwendungsbereich des Artikels 59 EG-Vertrag entzogen(230). Das Verbot des „cold calling“ betreffe nur die Art und Weise, in der die Dienstleistungen angeboten werden könnten, und weise daher die Merkmale einer „Verkaufsmodalität“ im Sinne des Urteils Keck und Mithouard auf.

Der Gerichtshof hat dazu festgestellt: „Ein solches Verbot nimmt den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern ... ein schnelles und direktes Mittel der Werbung und der Kontaktaufnahme mit potenziellen Kunden in anderen Mitgliedstaaten. Es kann deshalb eine Beschränkung des grenzüberschreitenden freien Dienstleistungsverkehrs darstellen.“(231)

Das Vorbringen der niederländischen Regierung wurde vom Gerichtshof aus den folgenden Gründen zurückgewiesen: „Ein Verbot wie das hier streitige geht aber von dem Mitgliedstaat aus, in dem der Leistungserbringer ansässig ist, und betrifft nicht nur die Angebote, die er Leistungsempfängern gemacht hat, die im Gebiet dieses Staates ansässig sind oder sich dorthin begeben, um Dienstleistungen entgegenzunehmen, sondern auch die Angebote an Leistungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat. Aus diesem Grund beeinflusst es unmittelbar den Zugang zum Dienstleistungsmarkt in anderen Mitgliedstaaten. Es ist daher geeignet, den innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehr zu behindern.“(232)

246.
    Aus diesem Urteil ergibt sich, dass eine Maßnahme in den Anwendungsbereich des Artikels 59 EG-Vertrag fällt, wenn sie das Recht der im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats niedergelassenen Dienstleistungserbringer beeinträchtigt, Dienstleistungen für im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässige Kunden anzubieten(233). Das Urteil Keck und Mithouard lässt sich daher nicht auf Maßnahmen übertragen, die unmittelbar den Zugang von Anbietern zum Dienstleistungsmarkt in anderen Mitgliedstaaten beeinflussen.

247.
    Genauso verhält es sich jedoch bei der streitigen Verordnung.

Die SWV beschränkt das Recht der in den Niederlanden ansässigen Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer, potenziellen Mandanten, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, „integrierte“ Dienstleistungen anzubieten. Dadurch beeinflusst die streitige Verordnung den Zugang von Anbietern zu den Dienstleistungsmärkten anderer Mitgliedstaaten. Eine solche Beschränkung des innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehrs besteht nicht nur theoretisch, denn andere Mitgliedstaaten wie die Bundesrepublik Deutschland gestatten die Gründung gemischter Kanzleien mit Angehörigen der beiden genannten Berufsgruppen. Im Gebiet dieser Staaten ansässige Mandanten könnten also „integrierte“ Dienstleitungen von Anbietern aus den Niederlanden in Anspruch nehmen wollen.

248.
    Das streitige Zusammenarbeitsverbot lässt sich daher nicht mit einer „Verkaufsmodalität“ im Sinne des Urteils Keck und Mithouard vergleichen. Esstellt eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar und ist somit anhand der Voraussetzungen des Artikels 59 EG-Vertrag zu prüfen.

C -    Rechtfertigung der Beschränkung

249.
    Im Urteil Gebhard(234) hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass Maßnahmen, die die Ausübung der durch den EG-Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen, um mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar zu sein. Sie müssen (1) in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, (2) aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, (3) geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und dürfen (4) nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.

250.
    Die streitige Verordnung ist anhand dieser vier Voraussetzungen zu untersuchen.

251.
    Ich kann mich hierzu in weiten Teilen auf die Erwägungen beziehen, die ich im Rahmen der Prüfung der fünften Vorlagefrage bezüglich der Auslegung von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag angestellt habe.

252.
    Der Raad van State hat in seinem Vorlagebeschluss(235) festgestellt, dass die streitige Verordnung die erste Voraussetzung aus dem Urteil Gebhard erfüllt.

Anhand der Akten lässt sich bestätigen, dass die SWV keine Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer vorsieht. Gemäß Artikel 29 der Advocatenwet gelten die Verordnungen der Kammerorgane gleichermaßen für in den Niederlanden zugelassene Rechtsanwälte und für „Gastanwälte“, d. h. für Personen, die nicht in den Niederlanden als Rechtsanwälte zugelassen sind, aber in einem anderen Mitgliedstaat ihre Berufstätigkeit unter der Bezeichnung Rechtsanwalt oder einer gleichwertigen Bezeichnung ausüben dürfen.

253.
    Im Hinblick auf die zweite Voraussetzung hat der Raad van State ausdrücklich festgestellt, dass „die [SWV] das Ziel hat, ... die Unabhängigkeit und Parteilichkeit des ... Rechtsanwalts zu gewährleisten“(236). Wie sich aus den Nummern 182 und 186 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, ist das streitige Zusammenarbeitsverbot auch erforderlich, um die Einhaltung des Berufsgeheimnisses des Rechtsanwalts sicherzustellen.

Im Bereich der Freizügigkeit hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Anwendung von Berufsregeln auf Rechtsanwälte - insbesondere von Vorschriften über Organisation, Befähigung, Standespflichten, Kontrolle und Haftung - ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt(237). Nach Auffassung des Gerichtshofes bietet die Anwendung derartiger Regeln den Empfängern juristischer Dienstleistungen die erforderliche Gewähr für Integrität und Erfahrung und trägt damit zu einer geordneten Rechtspflege bei(238).

254.
    Die streitige Verordnung ist somit im Sinne der Rechtsprechung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt.

255.
    Was die dritte Voraussetzung angeht, so habe ich bereits festgestellt, dass das Verbot von Sozietäten zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihm verfolgten Zieles zu gewährleisten. Ich verweise daher den Gerichtshof auf meine entsprechenden Ausführungen in den Nummern 185 und 186 der vorliegenden Schlussanträge.

256.
    Bezüglich der letzten Voraussetzung habe ich dargelegt, warum verschiedene Anzeichen dafür sprechen, dass die streitige Verordnung nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Unabhängigkeit und das Berufsgeheimnis der Rechtsanwälte zu wahren(239). Ich habe allerdings auch darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof nicht über die erforderlichen Informationen verfügt, um die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der SWV selbst zu beantworten(240). Die Prüfung dieser Frage obliegt daher dem vorlegenden Gericht.

Insoweit kann der Raad van State die Vereinbarkeit der streitigen Verordnung mit Artikel 59 EG-Vertrag bejahen, wenn er zu der Feststellung gelangt, dass objektive Gründe dafür vorliegen, den in den Niederlanden zugelassenen Rechtsanwälten zwar die Begründung von Sozietäten mit Notaren, Steuerberatern und Patentanwälten zu gestatten, ihnen jedoch zugleich Sozietäten mit Angehörigen der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer zu untersagen(241).

257.
    Deshalb schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die letzten Vorlagefragen zu antworten, dass es nicht gegen Artikel 59 EG-Vertrag verstößt, wenn eineberufsständische Vertretung wie der NOvA eine verbindliche Maßnahme erlässt, durch die es den im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats tätigen Rechtsanwälten verboten wird, Sozietäten mit Wirtschaftsprüfern einzugehen, sofern diese Maßnahme zur Wahrung der Unabhängigkeit und des Berufsgeheimnisses der Rechtsanwälte erforderlich ist.

X -    Ergebnis

258.
    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorabentscheidungsfragen des Raad van State wie folgt zu beantworten:

1.    Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) ist so auszulegen, dass der Begriff der Unternehmensvereinigung auch eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten wie den Nederlandse Orde van Advocaten erfasst.

    Wenn eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten ausschließlich aus Berufsangehörigen besteht und nicht gesetzlich verpflichtet ist, bei ihren Entscheidungen bestimmte Kriterien des Allgemeininteresses zu berücksichtigen, so ist sie bei allen von ihr ausgeübten Tätigkeiten unabhängig vom Gegenstand und Zweck der getroffenen Maßnahmen als Unternehmensvereinigung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag anzusehen.

    Der Umstand, dass einer berufsständischen Vertretung von Rechtsanwälten durch Gesetz die Befugnis zum Erlass von Verordnungen und Disziplinargewalt verliehen worden sind, ändert nichts an ihrer Einstufung als Unternehmensvereinigung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag.

2.    Vorbehaltlich der Anwendung des Artikels 90 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 2 EG) verstößt es gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag, wenn eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten wie der Nederlandse Orde van Advocaten eine verbindliche Maßnahme erlässt, durch die es den im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats tätigen Rechtsanwälten verboten wird, Sozietäten mit Mitgliedern der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer einzugehen.

3.    Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) ist dahin auszulegen, dass der Begriff des Unternehmens nicht auf eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten wie den Nederlandse Orde van Advocaten anzuwenden ist, soweit diese aufgrund der ihr durch Gesetz eingeräumten Befugnis zum Erlass von Verordnungen verbindliche Maßnahmen erlässt, mit denen die Möglichkeit für die im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats tätigen Rechtsanwälte zur Begründung von Sozietäten mit Mitgliedern der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer geregelt wird.

4.    Es verstößt nicht gegen Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag, wenn eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten wie der Nederlandse Orde van Advocaten eine verbindliche Maßnahme erlässt, durch die es den im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats tätigen Rechtsanwälten verboten wird, Sozietäten mit Angehörigen der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer einzugehen, sofern diese Maßnahme zur Wahrung der Unabhängigkeit und des Berufsgeheimnisses der Rechtsanwälte erforderlich ist. Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob das der Fall ist.

5.    Es verstößt nicht gegen Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) in Verbindung mit Artikel 85 EG-Vertrag, wenn ein Mitgliedstaat einer berufsständischen Vertretung von Rechtsanwälten wie dem Nederlandse Orde van Advocaten die Befugnis einräumt, verbindliche Maßnahmen zu erlassen, mit denen die Möglichkeit der in seinem Hoheitsgebiet tätigen Rechtsanwälte zur Begründung von Sozietäten mit Angehörigen der Wirtschaftsprüfer geregelt wird, sofern (1) die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats sich die Befugnis zur direkten oder indirekten Festlegung des Inhalts der wesentlichen Berufsregeln vorbehalten und (2) den Berufsangehörigen gegen die von den Organen der berufsständischen Vertretung erlassenen Entscheidungen eine wirksamer Rechtsbehelf vor den ordentlichen Gerichten zur Verfügung steht. Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob das der Fall ist.

6.    Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) ist nicht auf rein interne Sachverhalte anwendbar.

7.    Es verstößt nicht gegen Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG), wenn eine berufsständische Vertretung von Rechtsanwälten wie der Nederlandse Orde van Advocaten eine verbindliche Maßnahme erlässt, durch die es den im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats tätigen Rechtsanwälten verboten wird, Sozietäten mit Mitgliedern der Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer einzugehen, sofern diese Maßnahme zur Wahrung der Unabhängigkeit und des Berufsgeheimnisses der Rechtsanwälte erforderlich ist. Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob das der Fall ist.


1: -     Originalsprache: Französisch.


2: -     Diese Frage ist in der Literatur umstritten, vgl. insbesondere Ehlermann, C., „Concurrence et professions libérales: antagonisme ou compatibilité?“, Revue du marché commun et de l'Union européenne 1993, S. 136; Misson, L., und Baert, F., „Les barèmes d'honoraires des avocats sont-ils illégaux?“, Journal des tribunaux 1995, S. 485; Idot, L., „Quelques réflexions sur l'application du droit communautaire de la concurrence aux ordres professionnels“, Journal des tribunaux de droit européen April 1997, S. 73; Nyssens, H., „Concurrence et ordres professionnels: les trompettes de Jéricho sonnent-elles?“, Revue de droit commercial belge 1999, S. 475, und Van den Bossche, A.-M., „Voor economische vrijheid en mededingingsrecht: hoe vrij is de plichtenleer in het beperken van de economische keuzevrijheid van vrije beroepers?“, Tijdschrift voor Privaatrecht 2000, S. 13.


3: -     Vgl. meine Schlussanträge von heute in der Rechtssache Arduino und vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache Conte.


4: -     Diese Form der Zusammenarbeit wird im Folgenden als „Sozietät“ bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine Zusammenarbeit, die auf einer Teilung der Gewinne, der Verluste, der Weisungsbefugnis und der Letztverantwortlichkeit beruht.


5: -     Dieser Begriff, der offenbar eine Besonderheit des niederländischen Rechts ist, scheint auf die parteiliche Vertretung der Interessen des Mandanten abzustellen.


6: -     Erste Vorlagefrage Buchstaben a, b und c sowie zweite Vorlagefrage.


7: -     Dritte und vierte Vorlagefrage.


8: -     Fünfte Vorlagefrage.


9: -     Sechste Vorlagefrage.


10: -     Siebte, achte und neunte Vorlagefrage.


11: -     Die dänische, die deutsche, die französische, die niederländische, die portugiesische und die schwedische Regierung sowie die Regierung von Liechtenstein haben schriftliche Erklärung nach der EG-Satzung des Gerichtshofes abgegeben. Die luxemburgische Regierung hat mündliche Erklärungen abgegeben.


12: -     S. 10.


13: -     Urteil vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-41/90 (Höfner und Elser, Slg. 1991, I-1979, Randnr. 21).


14: -     Vgl. den Vorlagebeschluss (S. 6 und 10) sowie die schriftlichen Erklärungen des NOvA (Nr. 27) und der niederländischen Regierung (Nr. 19).


15: -     Urteile vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-35/96 (Kommission/Italien, Slg. 1998, I-3851, Randnrn. 36 bis 38, im Folgenden: Urteil CNSD) und vom 12. September 2000 in den verbundenen Rechtssachen C-180/98 bis C-184/98 (Pavlov u. a., Slg. 2000, I-6451, Randnrn. 73 bis 77, im Folgenden: Urteil Pavlov).


16: -     Urteil vom 16. September 1999 in der Rechtssache C-22/98 (Becu u. a., Slg. 1999, I-5665, Randnrn. 24 bis 26).


17: -     Nr. 112.


18: -     Diese Frage hat sich auch in der Rechtssache Pavlov gestellt. Für die Beantwortung der dem Gerichtshof gestellten Vorlagefragen bedurfte es insoweit jedoch keiner Entscheidung (vgl. die Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs, Nr. 125).


19: -     Vorlagebeschluss (S. 5 und 11).


20: -     Waelbroeck, M. und Frignani, A., Commentaire J. Megret, Le droit de la CE, volume 4, Concurrence, 2. Aufl., Editions de l'université de Bruxelles, Brüssel 1997, Randnr. 128.


21: -     Die Kommission hat drei Entscheidungen zu berufsständischen Vertretungen erlassen: Entscheidung 93/438/EWG vom 30. Juni 1993 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/33.407 - CNSD), ABl. L 203, S. 27, Entscheidung 95/188/EG vom 30. Januar 1995 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/33.686 - COAPI), ABl. L 122, S. 37, und Entscheidung 1999/267/EG vom 7. April 1999 über ein Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/36.147 - Richtlinien für die Berufsausübung des Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter), ABl. L 106, S. 14. Die letztgenannte Entscheidung ist durch das Urteil des Gerichts vom 28. März 2001 in der Rechtssache T-144/99 (Institut der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter/Kommission, Slg. 2001, I-0000) teilweise für nichtig erklärt worden.


22: -     Urteil CNSD, Randnr. 34.


23: -     Insbesondere Urteile vom 17. November 1993 in der Rechtssache C-185/91 (Reiff, Slg. 1993, I-5801), vom 9. Juni 1994 in der Rechtssache C-153/93 (Delta Schiffahrts- und Speditionsgesellschaft, Slg. 1994, I-2517), vom 5. Oktober 1995 in der Rechtssache C-96/94 (Centro Servizi Spediporto, Slg. 1995, I-2883) und vom 17. Oktober 1995 in den verbundenen Rechtssachen C-140/94 bis C-142/94 (DIP u. a., Slg. 1995, I-3257).


24: -     Urteil CNSD, Randnr. 41.


25: -     Urteil CNSD, Randnr. 42.


26: -     Urteil CNSD, Randnr. 42.


27: -     Urteil CNSD, Randnr. 42.


28: -     Urteil CNSD, Randnr. 41.


29: -     Urteil CNSD, Randnr. 43.


30: -     Urteil CNSD, Randnr. 44.


31: -     Vgl. auch Urteil Pavlov, Randnr. 87.


32: -     Artikel 18 Absatz 1 und 22 Absatz 1 der Advocatenwet.


33: -     Artikel 22 Absatz 2 der Advocatenwet.


34: -     Artikel 19 Absatz 1 der Advocatenwet.


35: -     Artikel 20 Absatz 1 der Advocatenwet.


36: -     Vgl. Vorlagebeschluss (S. 5) sowie die schriftlichen Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens (Nr. 43).


37: -     Vorlagebeschluss (S. 5 und 11).


38: -     Urteil CNSD, Randnr. 44.


39: -     Urteil vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 123/83 (BNIC, Slg. 1985, 391, Randnr. 17). Vgl. auch die Urteile CNSD, Randnr. 40, und Pavlov, Randnr. 85.


40: -     Urteile vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78 (Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnrn. 87 und 88) und vom 8. November 1983 in den verbundenen Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82 (IAZ u. a./Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnrn. 19 und 20).


41: -     Urteile vom 15. Mai 1975 in der Rechtssache 71/74 (Frubo/Kommission, Slg. 1975, 563, Randnr. 30), Van Landewyck u. a./Kommission, Randnr. 88, und IAZ u. a./Kommission, Randnr. 20.


42: -     Urteil Pavlov, Randnrn. 84 und 87. Der Gerichtshof wendet auch beim Unternehmensbegriff dieselben Grundsätze an. Er hat entschieden, dass Artikel 86 EG-Vertrag auf die regulatorische Tätigkeit eines öffentlichen Telekommunikationsunternehmens anwendbar sei (Urteil vom 20. März 1985 in der Rechtssache 41/83, Italien/Kommission, Slg. 1985, 873, Randnrn. 16 bis 20).


43: -     Vgl. Urteil CNSD, Randnr. 7, und die Schlussanträge von Generalanwalt Cosmas in dieser Rechtssache, Nr. 71.


44: -     Urteil Höfner und Elser, Randnr. 21.


45: -     Das ist der Fall bei Einrichtungen, die für die Verwaltung bestimmter obligatorischer Systeme der sozialen Sicherheit zuständig sind, die auf dem Grundsatz der nationalen Solidarität beruhen (Urteil vom 17. Februar 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-159/91 und C-160/91, Poucet und Pistre, Slg. 1993, I-637, Randnr. 18), sowie bei Einrichtungen, deren Tätigkeit einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe entspricht, die zu den wesentlichen Staatsaufgaben gehört und die nach ihrer Art, ihrem Gegenstand und den für sie geltenden Regeln mit der Ausübung von Vorrechten zusammenhängt, die typischerweise hoheitliche Vorrechte sind (Urteile vom 19. Januar 1994 in der Rechtssache C-364/92, SAT Fluggesellschaft, Slg. 1994, I-43, Randnr. 30, und vom 18. März 1997 in der Rechtssache C-343/95, Diego Calì & Figli, Slg. 1997, I-1547, Randnrn. 22 und 23).


46: -     Vgl. die Schlussanträge von Generalanwalt Tesauro in der Rechtssache Poucet und Pistre, Nr. 8.


47: -     Vgl. die Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache C-67/96 (Albany, Urteil vom 21. September 1999, Slg. 1999, I-5751, Nr. 312).


48: -     Vgl. insbesondere Urteile vom 16. November 1995 in der Rechtssache C-244/94 (Fédération française des sociétés d'assurances u. a., Slg. 1995, I-4013, Randnr. 20), Albany, Randnr. 86, und Pavlov, Randnr. 118.


49: -     Vgl. den Sitzungsbericht in der Rechtssache BNIC, Nr. 1.1, das Urteil BNIC, Randnr. 16, sowie die Entscheidung 82/896/EWG der Kommission vom 15. Dezember 1982 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/29.883 - UGEL/BNIC), ABl. L 379, S. 1, zweite und dritte Begründungserwägung.


50: -     Nr. 184 der Schlussanträge. Diese Erwägungen zum sachlichen Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln lassen sich auf deren persönlichen Anwendungsbereich übertragen.


51: -     Vgl. auch Bach, A., Anmerkung zu den Urteilen vom 17. November 1993 in den Rechtssachen C-185/91 (Reiff), C-2/91 (Meng, Slg. 1993, I-5751) und C-245/91 (Ohra Schadeverzekeringen, Slg. 1993, I-5851), Common Market Law Review 1994, S. 1357, Fußnote 14. Der Autor führt aus: „Statt davon auszugehen, dass die aufgrund einer abgeleiteten Ermächtigung erlassenen Regelungen im Allgemeininteresse liegen, erscheint es viel eher gerechtfertigt, anzunehmen, dass Regelungen dieser Art den wirtschaftlichen Interessen der an ihrer Erstellung Beteiligten entsprechen und für Neuzugänger auf dem Markt und Ausländer erschwerte Bedingungen schaffen“ (freie Übersetzung).


52: -     Vgl. insbesondere das Urteil IAZ u. a./Kommission. In diesem Fall hatte die Anseau mit bestimmten Herstellern und Einführern von Waschmaschinen ein Übereinkommen geschlossen, um sicherzustellen, dass die Waschmaschinen den Vorschriften des belgischen Rechts zum Schutz der Trinkwasserqualität entsprechen. Das Übereinkommen wurde jedoch in einer Weise angewandt, die zu Behinderungen von Parallelimporten nach Belgien führte. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass „das Übereinkommen [bezweckt], den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes spürbar einzuschränken, obwohl es auch den Zweck verfolgt, die öffentliche Gesundheit zu schützen“ (Randnr. 25, Hervorhebung von mir). Das mit dem Übereinkommen verfolgte Ziel des Allgemeininteresses hat also den Gerichtshof nicht daran gehindert, festzustellen, dass die Anseau eine Unternehmensvereinigung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag war (Randnrn. 19 bis 21 des Urteils).


53: -     Urteil vom 30. Juni 1966 in der Rechtssache 56/65 (Société technique minière, Slg. 1966, 282, 303).


54: -     Urteil vom 28. März 1984 in den verbundenen Rechtssachen 29/83 und 30/83 (CRAM und Rheinzink/Kommission, Slg. 1984, 1679, Randnr. 26).


55: -     Urteil vom 13. Juli 1966 in den verbundenen Rechtssachen 56/64 und 58/64 (Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322, 390).


56: -     Urteil vom 27. Januar 1987 in der Rechtssache 45/85 (Verband der Sachversicherer, Slg. 1987, 405, Randnr. 39).


57: -     Urteil vom 26. November 1975 in der Rechtssache 73/74 (Groupement des fabricants de papiers peints de Belgique u. a./Kommission, Slg. 1975, 1491, Randnr. 10) und BNIC, Randnr. 22.


58: -     Urteil Verband der Sachversicherer/Kommission, Randnrn. 39 bis 43.


59: -     Urteil vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69 (ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 128).


60: -     Urteil vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77 (Miller/Kommission, Slg. 1978, 131, Randnr. 7).


61: -     Urteil Consten und Grundig/Kommission, S. 390 bis 392.


62: -     Urteile Société technique minière, S. 303 bis 304, und vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-234/89 (Delimitis, Slg. 1991, I-935, Randnr. 13).


63: -     Urteil des Gerichts vom 27. Oktober 1994 in der Rechtssache T-35/92 (Deere/Kommission, Slg. 1994, II-957, Randnr. 61).


64: -     Urteile Société technique minière, S. 304, vom 25. November 1971 in der Rechtssache 22/71 (Béguelin, Slg. 1971, 949, Randnr. 17), vom 11. Dezember 1980 in der Rechtssache 31/80 (L'Oréal, Slg. 1980, 3775, Randnr. 19), vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 42/84 (Remia u. a./Kommission, Slg. 1985, 2545, Randnr. 18) und vom 10. Dezember 1985 in der Rechtssache 31/85 (ETA, Slg. 1985, 3933, Randnr. 11).


65: -     Urteil Société technique minière, S. 304, und Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1997 in den verbundenen Rechtssachen T-213/95 und T-18/96 (SCK und FNK/Kommission, Slg. 1997, II-1739, Randnr. 134).


66: -     Urteil Société technique minière, S. 304.


67: -     Urteil Pavlov, Randnr. 91.


68: -     Urteile vom 12. Dezember 1995 in der Rechtssache C-399/93 (Oude Luttikhuis u. a., Slg. 1995, I-4515, Randnr. 10) und Pavlov, Randnr. 91.


69: -     Schriftliche Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens, Nrn. 81 bis 93.


70: -     Vgl. insbesondere Urteile vom 19. Dezember 1968 in der Rechtssache 13/68 (Salgoil, Slg. 1968, 679, 690), vom 16. März 1978 in der Rechtssache 104/77 (Oehlschläger, Slg. 1978, 791, Randnr. 4), vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-235/95 (Dumon und Froment, Slg. 1998, I-4531, Randnr. 25) und vom 5. Oktober 1999 in den verbundenen Rechtssachen C-175/98 und C-177/98 (Lirussi und Bizzaro, Slg. 1999, I-6881, Randnr. 37).


71: -     Vgl. insbesondere Urteile Oehlschläger, Randnr. 4, vom 2. Juni 1994 in der Rechtssache C-30/93 (AC-ATEL Electronics, Slg. 1994, I-2305, Randnr. 16) und vom 20. März 1997 in der Rechtssache C-352/95 (Phytheron International, Slg. 1997, I-1729, Randnr. 11).


72: -     Vorlagebeschluss (S. 13).


73: -     Randnr. 38 der Begründung.


74: -     Randnr. 38 der Begründung.


75: -     Das scheint auch die offizielle Auffassung der Kommission zu sein; vgl. Bicho, M.-J., „Professions libérales: aspects essentiels de l'action de la Commission en matière d'application des règles de concurrence“, Competition Policy Newsletter Nr. 2, Juni, S. 24, sowie XXIX. Bericht über die Wettbewerbspolitik 1999, Randnr. 138.


76: -     Fasquelle, D., Droit américain et droit communautaire des ententes, Étude de la règle de raison, Éditions Joly, Paris 1993, S. 25.


77: -     Kovar, R., „Le droit communautaire de la concurrence et la .règle de raison'“, Revue trimestrielle de droit européen 1987, S. 237, 238.


78: -     Fasquelle, D., a. a. O., S. 31.


79: -     Kovar, R., a. a. O., S. 238.


80: -     Vgl. Wils, G., „.Rule of reason': une règle raisonnable en droit communautaire?“, Cahiers de droit européen 1990, S. 19, sowie Bellamy, C., und Child, G., Common Market Law of Competition, 4. Aufl., Sweet & Maxwell, London 1993, Randnrn. 2-062 ff.


81: -     Vgl. dazu die Fundstellen bei Commentaire J. Megret, a. a. O., Randnr. 172.


82: -     Urteil vom 25. Oktober 1977 in der Rechtssache 26/76 (Metro/Kommission, Slg. 1977, 1875, Randnrn. 20 bis 22).


83: -     Urteil vom 8. Juni 1982 in der Rechtssache 258/78 (Nungesser und Eisele/Kommission, Slg. 1982, 2015, Randnrn. 54 bis 58).


84: -     Urteil Remia u. a./Kommission, Randnrn. 17 bis 20.


85: -     Urteil vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 161/84 (Pronuptia, Slg. 1986, 353, Randnrn. 14 bis 27).


86: -     Urteil vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-250/92 (DLG, Slg. 1994, I-5641, Randnrn. 28 bis 45).


87: -     Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82 (AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151, Randnrn. 33 bis 36).


88: -     In der mündlichen Verhandlung hat die luxemburgische Regierung allerdings vorgetragen, die SWV habe eine positive Wirkung für den Wettbewerb. Indem sie es den Rechtsanwälten verbiete, sich mit Wirtschaftsprüfern zusammenzuschließen, erlaube die SWV, der Konzentration des Geschäfts auf wenige große internationale Firmen entgegenzuwirken und so eine ausreichende (oder sogar bedeutende) Anzahl von Wirtschaftsteilnehmern auf dem Markt zu erhalten. Ich teile die Bedenken der luxemburgischen Regierung vollauf. Angesichts der Größe bestimmter Rechtsanwaltskanzleien und Wirtschaftsprüfergesellschaften besteht tatsächlich die Gefahr derartiger Zusammenschlüsse. In rechtlicher Hinsicht ist diese Problematik jedoch anhand anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zu prüfen. Strukturelle Zusammenschlüsse fallen in den Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1). Das Verhalten der zusammengeschlossenen Einheiten ist anhand von Artikel 86 EG-Vertrag zu beurteilen.


89: -     Nyssens, H., a. a. O., Randnr. 4.1.2.


90: -    Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204). Am 27. September 2000 hat die Kommission dem Rat einen Vorschlag für eine Verordnung zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag niedergelegten Wettbewerbsregeln und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 1017/68, (EWG) Nr. 2988/74, (EWG) Nr. 4056/86 und (EWG) Nr. 3975/87, „Durchführungsverordnung zu den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag“ (KOM[2000] 582 endg., ABl. C 365 E, S. 284) vorgelegt. Artikel 1 dieses Vorschlags sieht u. a. vor, dass Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag für direkt anwendbar erklärt wird.


91: -     Randnr. 64.


92: -     Nr. 89.


93: -     Schlussanträge zum Urteil Pavlov, Nr. 86.


94: -     Vgl. aber das Urteil Institut der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter/Kommission, Randnrn. 72 bis 79.


95: -     Nyssens, H., a. a. O., Randnr. 4.1.1.


96: -     Urteil des Gerichts vom 15. Juli 1994 in der Rechtssache T-17/93 (Matra Hachette/Kommission, Slg. 1994, II-595, Randnr. 85).


97: -     Urteil Verband der Sachversicherer/Kommission, Randnr. 15.


98: -     Urteile Metro/Kommission, Randnr. 43, und Remia u. a./Kommission, Randnr. 42.


99: -     Urteil des Gerichts vom 11. Juli 1996 in den verbundenen Rechtssachen T-528/93, T-542/93, T-543/93 und T-546/93 (Métropole Télévision u. a./Kommission, Slg. 1996, II-649, Randnr. 118). Vgl. dazu auch Urteil SCK und FNK/Kommission, Randnr. 194.


100: -     Vgl. die Entscheidung 1999/152/EG der Kommission vom 20. Mai 1998 über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem Funktionieren des EWR-Abkommens (Sache IV/M.1016 - Price Waterhouse/Coopers & Lybrand), ABl. 1999, L 50, S. 27, Randnrn. 20 ff. der Begründung.


101: -     Nallet, H., Les réseaux pluridisciplinaires et les professions du droit, La documentation française, Paris 1999, S. 77 ff.


102: -     Vgl. in diesem Sinne zu einem ganz anderen Bereich Urteil vom 6. April 1995 in den verbundenen Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P (RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743, Randnrn. 48 bis 58).


103: -     Vgl. insbesondere Urteile vom 9. Juli 1969 in der Rechtssache 5/69 (Völk, Slg. 1969, 295, Randnr. 7) und Pavlov, Randnrn. 94 bis 97.


104: -     Entscheidung 1999/152, Randnr. 70 der Begründung.


105: -     Nallet, H., a. a. O., S. 21.


106: -     Vgl. dazu Urteil Pavlov, Randnrn. 94 bis 97.


107: -     Urteil Metro/Kommission, Randnrn. 20 bis 22.


108: -     Urteil vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P (Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411, Randnr. 20). Vgl. auch u. a. die Urteile Société technique minière, S. 303, Consten und Grundig/Kommission, S. 389, L'Oréal, Randnr. 18, und DLG, Randnr. 54.


109: -     Urteile Miller/Kommission, Randnr. 15, und Ferriere Nord/Kommission, Randnr. 19.


110: -     Urteil vom 10. Dezember 1985 in den verbundenen Rechtssachen 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82 (Stichting Sigarettenindustrie u. a./Kommission, Slg. 1985, 3831, Randnr. 49).


111: -     Urteil CNSD, Randnr. 48. Vgl. auch Urteile vom 17. Oktober 1972 in der Rechtssache 8/72 (Vereeniging van Cementhandelaren/Kommission, Slg. 1972, 977, Randnr. 29), vom 16. Juni 1981 in der Rechtssache 126/80 (Salonia, Slg. 1981, 1563, Randnr. 14) und Remia u. a./Kommission, Randnr. 22, sowie Urteile des Gerichts vom 21. Februar 1995 in der Rechtssache T-29/92 (SPO u. a./Kommission, Slg. 1995, II-289, Randnr. 229) und SCK und FNK/Kommission, Randnr. 179.


112: -     Vorlagebeschluss (S. 23).


113: -     Dritte Vorlagefrage.


114: -     Vierte Vorlagefrage.


115: -     Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in den verbundenen Rechtssachen T-68/89, T-77/89 und T-78/89 (SIV u. a./Kommission, Slg. 1992, II-1403, Randnr. 358).


116: -     Randnr. 21.


117: -     Vgl. insbesondere Urteile vom 16. Juni 1987 in der Rechtssache 118/85 (Kommission/Italien, Slg. 1987, 2599, Randnr. 7), CNSD, Randnr. 36, und Pavlov, Randnr. 75.


118: -     Vgl. die Schlussanträge von Generalanwalt Tesauro in den Rechtssachen Poucet und Pistre, Nr. 8, und SAT Fluggesellschaft, Nr. 9.


119: -     Urteile Van Landewyck u. a./Kommission, Randnrn. 87 und 88, sowie IAZ u. a./Kommission, Randnrn. 19 und 20.


120: -     Urteil des Gerichts vom 2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89 (Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931, Randnr. 50).


121: -     Schriftliche Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens, Nr. 121.


122: -     Vgl. die Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Albany, Nr. 207.


123: -     So die Ausdrucksweise von Idot, L., „Nouvelle invasion ou confirmation du domaine du droit de la concurrence? A propos de quelques développements recents ...“, Europe, Januar 1996, S. 1, Nr. 24.


124: -     Vgl. insbesondere Urteile Kommission/Italien vom 16. Juni 1987, Randnr. 7, und Diego Calì & Figli, Randnrn. 16 bis 18.


125: -     Schriftliche Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens, Nrn. 121 bis 124.


126: -     Urteile vom 31. März 1998 in den verbundenen Rechtssachen C-68/94 und C-30/95 (Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998, I-1375, Randnr. 221) und vom 16. März 2000 in den verbundenen Rechtssachen C-395/96 P und C-396/96 P (Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Slg. 2000, I-1365, Randnrn. 36, 41 und 42).


127: -     Urteile vom 27. April 1994 in der Rechtssache C-393/92 (Almelo, Slg. 1994, I-1477, Randnr. 42), Centro Servizi Spediporto, Randnr. 33, DIP u. a., Randnr. 26, und vom 17. Juni 1997 in der Rechtssache C-70/95 (Sodemare u. a., Slg. 1997, I-3395, Randnr. 46).


128: -     Korah, V., „Compagnie Maritime Belge, Collective Dominant Position and Exclusionary Pricing“, Mélanges en hommage à Michel Waelbroeck, Bruylant, Brüssel 1999, S. 1101, 1110.


129: -     Urteil des Gerichts vom 7. Oktober 1999 in der Rechtssache T-228/97 (Irish Sugar/Kommission, Slg. 1999, II-2969, Randnrn. 50 bis 52). Dieses Urteil ist zurzeit Gegenstand eines Rechtsmittels in der Rechtssache C-497/99 P (Irish Sugar/Kommission).


130: -     Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission vom 16. März 2000, Randnrn. 43 bis 48.


131: -     Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnrn. 42 und 45.


132: -     Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnr. 45, und Urteil des Gerichts vom 25. März 1999 in der Rechtssache T-102/96 (Gencor/Kommission, Slg. 1999, II-753, Randnrn. 273 bis 276).


133: -     Vgl. in diesem Sinne Muñiz Fernández, P., „Increasing powers and increasing uncertainty: collective dominance and pricing abuses“, ELRev. 2000, S. 645, 648 f.


134: -     Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission vom 16. März 2000, Randnr. 43.


135: -     Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission vom 16. März 2000, Randnr. 44.


136: -     Urteile Centro Servizi Spediporto, Randnr. 34, und DIP u. a., Randnr. 27.


137: -     Vgl. in diesem Sinne die Schlussanträge von Generalanwalt Fenelly in der Rechtssache Sodemare u. a., Fußnote 81.


138: -     Vgl. dazu Politique de la concurrence et professions libérales, OECD, Paris 1985, Randnr. 69.


139: -     Vgl. dazu Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 1996 in den verbundenen Rechtssachen T-24/93 bis T-26/93 und T-28/93 (Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Slg. 1996, II-1201, Randnr. 65).


140: -     Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission vom 16. März 2000, Randnr. 44.


141: -     Vgl. Urteil DLG, Randnrn. 49 bis 52, und Nr. 112 der vorliegenden Schlussanträge.


142: -     Vgl. Urteil vom 14. November 1996 in der Rechtssache C-333/94 P (Tetra Pak/Kommission, Slg. 1996, I-5951, Randnr. 37) und Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89 (Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, Randnrn. 102 bis 119). Vgl. auch Entscheidung 2000/12/EG der Kommission vom 20. Juli 1999 in einem Verfahren gemäß Artikel 82 EG-Vertrag und Artikel 54 EWR-Abkommen (Sache IV/36.888 - Fußball-Weltmeisterschaft 1988), ABl. 2000, L 5, S. 55, Randnrn. 105 bis 114 der Begründung.


143: -     Vgl. Urteil Pavlov, Randnr. 77.


144: -     Urteil vom 21. März 1974 in der Rechtssache 127/73 (BRT II, Slg. 1974, 313, Randnr. 20).


145: -     Urteile BRT II, Randnr. 20, und vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86 (Ahmed Saeed Flugreisen und Silver Line Reisebüro, Slg. 1989, 803, Randnr. 55).


146: -     Urteile vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 172/80 (Züchner, Slg. 1981, 2021, Randnr. 7), und vom 2. März 1983 in der Rechtssache 7/82 (GVL/Kommission, Slg. 1983, 483, Randnrn. 29 bis 32).


147: -     Urteil vom 23. Oktober 1997 in der Rechtssache C-159/94 (Kommission/Frankreich, Slg. 1997, I-5815, Randnr. 66).


148: -     Urteil Almelo, Randnr. 47.


149: -     Urteil Kommission/Frankreich vom 23. Oktober 1997, Randnr. 66.


150: -     Randnrn. 98 bis 111.


151: -     Vgl. hierzu Gyselen, L., Anmerkung zu den Urteilen vom 21. September 1999 in den Rechtssachen C-67/96 (Albany), C-115/97 bis C-117/97 (Brentjens', Slg. 1999, I-6025) und C-219/97 (Drijvende Bokken, Slg. 1999, I-6121), Common Market Law Review 2000, S. 425, 445.


152: -     Urteile vom 10. Dezember 1991 in der Rechtssache C-179/90 (Merci convenzionali porto di Genova, Slg. 1991, I-5889, Randnr. 27), vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-242/95 (GT-Link, Slg. 1997, I-4449, Randnr. 53) und vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-266/96 (Corsica Ferries France, Slg. 1998, I-3949, Randnr. 45).


153: -     Urteil vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-320/91 (Corbeau, Slg. 1993, I-2533, Randnr. 19).


154: -     Urteil Corsica Ferries France, Randnr. 45.


155: -     Urteil Corsica Ferries France, Randnr. 60.


156: -     Blum, F., „De Sacchi à Franzén en passant par la Crespelle: la jurisprudence récente de l'article 90“, Gazette du Palais 1999, Nr. 20, S. 12, 21.


157: -     Urteile vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-202/88 (Frankreich/Kommission, Slg. 1991, I-1223, Randnr. 12) und Albany, Randnr. 103).


158: -     Urteil vom 30. April 1974 in der Rechtssache 155/73 (Sacchi, Slg. 1974, 409, Randnrn. 13 bis 15).


159: -     Urteil Ahmed Saeed Flugreisen und Silver Line Reisebüro, Randnr. 55.


160: -     Urteile Almelo, Randnr. 48, und vom 23. Oktober 1997 in der Rechtssache C-157/94 (Kommission/Niederlande, Slg. 1997, I-5699, Randnr. 41).


161: -     Urteil Albany, Randnr. 105.


162: -     Urteil vom 13. Dezember 1991 in der Rechtssache C-18/88 (GB-Inno-BM, Slg. 1991, I-5941, Randnr. 16).


163: -     Urteil Corbeau, Randnr. 15.


164: -    Urteil vom 23. Mai 2000 in der Rechtssache C-209/98 (Sydhavnens Sten & Grus, Slg. 2000, I-3743, Randnr. 75).


165: -     Urteil Corsica Ferries France, Randnrn. 45 und 60.


166: -     Urteile Merci convenzionali porto di Genova, Randnr. 27, und GT-Link, Randnrn. 52 und 53.


167: -     Urteil Corbeau, Randnr. 19.


168: -     Urteile Kommission/Frankreich vom 23. Oktober 1997, Randnrn. 59 und 95, und Pavlov, Randnr. 107.


169: -     Urteil Pavlov, Randnr. 107. Der Gerichtshof hat damit seine Anforderungen hinsichtlich des vierten Tatbestandsmerkmals des Artikels 90 Absatz 2 EG-Vertrag erheblich herabgesetzt. Ursprünglich hatte er nämlich den Nachweis verlangt, dass die Anwendung der Wettbewerbsregeln mit der Erfüllung der besonderen Aufgabe des Unternehmens unvereinbar sei (vgl. Urteile Sacchi, Randnr. 15, vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84, CBEM, Slg. 1985, 3261, Randnr. 17, Höfner und Elser, Randnr. 24, und vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-260/89, ERT, Slg. 1991, I-2925, Randnr. 33).


170: -     Urteil Almelo, Randnr. 49. Vgl. auch Urteil Corbeau, Randnr. 14.


171: -     Urteil Sydhavnens Sten & Grus, Randnr. 80.


172: -     So die Formulierung von Kovar, R., „La Cour de justice et les entreprises chargées de la gestion d'un service d'intérêt économique général. Un pas dans le bon sens vers une dérégulation réglée (2ème partie)“, Europe 1994, S. 2.


173: -     Urteile vom 23. Oktober 1997 in der Rechtssache C-157/94 (Kommission/Niederlande, Randnr. 69), in der Rechtssache C-158/94 (Kommission/Italien, Slg. 1997, I-5789, Randnr. 65), und in der Rechtssache C-159/94 (Kommission/Frankreich, Randnr. 113).


174: -     Vgl. die Schlussanträge von Generalanwältin Rozès in der Rechtssache 78/82 (Kommission/Italien, Urteil vom 7. Juni 1983, Slg. 1983, 1955, Abschnitt VI - C), und die Schlussanträge von Generalanwalt Cosmas in den Rechtssachen Kommission/Niederlande, Kommission/Italien und Kommission/Frankreich (Urteile vom 23. Oktober 1997, Nr. 126).


175: -     Vgl. Nr. 51 der vorliegenden Schlussanträge.


176: -     Urteil vom 23. April 1986 in der Rechtssache 294/83 (Les Verts/Parlament, Slg. 1986, 1339, Randnr. 23) sowie Präambel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. 2000, C 364, S. 1.


177: -     Vgl. für die Gemeinschaftsrechtsordnung Urteil vom 5. Februar 1963 in der Rechtssache 26/62 (Van Gend & Loos, Slg. 1963, 1, 25).


178: -     EGMR, Urteil Schöpfer/Schweiz vom 20. Mai 1998, Recueil des arrêts et décisions 1998-III, S. 1042, § 29.


179: -     Urteil vom 3. Dezember 1974 in der Rechtssache 33/74 (Binsbergen, Slg. 1974, 1299, Randnr. 14).


180: -     Urteil vom 18. Mai 1982 in der Rechtssache 155/79 (AM & S/Kommission, Slg. 1982, 1575, Randnr. 24).


181: -     Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.


182: -     Urteile Merci convenzionali porto di Genova, Randnr. 27, GT-Link, Randnr. 53, und Corsica Ferries France, Randnr. 45.


183: -     Vgl. auch Commentaire J. Megret, a. a. O., Randnr. 290: „Es ist kein Grund dafür ersichtlich, Einrichtungen, die offensichtlich zu Zwecken des Allgemeininteresses gegründet worden sind, nur deshalb aus dem Anwendungsbereich von Artikel 90 Absatz 2 auszunehmen, weil dies nicht aus einem förmlichen Akt hervorgeht. Soweit das Unternehmen tatsächlich eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe erfüllt und soweit es bei dieser Tätigkeit einer staatlichen Überwachung unterliegt, gibt es keinen Grund, ihm das Recht zu versagen, sich auf Absatz 2 zu berufen.“


184: -     Lambert, P., Règles et usages de la profession d'avocat au barreau de Bruxelles, 3. Aufl., Bruylant, Brüssel 1994, S. 432. Ebenso Damien, A., La profession d'avocat, Gazette du Palais, Litec, Paris 1991: „Das Berufsgeheimnis beruht ausschließlich auf dem gesellschaftlichen Interesse.“


185: -     Schriftliche Erklärungen des NOvA, Nr. 36 ff.


186: -     Vgl. Nrn. 128 bis 132 der vorliegenden Schlussanträge.


187: -     Vorlagebeschluss (S. 26).


188: -     Schriftliche Erklärungen des NOvA, Nrn. 216 und 217.


189: -     Vgl. die schriftlichen Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens, Nr. 12.


190: -     Vgl. die schriftlichen Erklärungen des NOvA, Nr. 252, sowie die Resolution des CCBE über die integrierten Formen der Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwälten und berufsfremden Personen, verabschiedet in Athen am 12. November 1999 (http://www.ccbe.org [S. 3]).


191: -     In diesem Sinne auch Nallet, H., a. a. O., S. 107: „Die Netzwerke müssen schriftliche Garantien dafür abgeben, wie sie die Unabhängigkeit der Berufe untereinander und die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte innerhalb des Netzwerks sicherstellen. Im Grundsatz muss dabei ein Verbot der Honorarteilung gelten.


192: -     Urteile vom 10. Mai 1995 in der Rechtssache C-384/93 (Alpine Investments, Slg. 1995, I-1141, Randnr. 51), vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache C-3/95 (Reisebüro Broede, Slg. 1996, I-6511, Randnr. 42) und vom 1. Februar 2001 in der Rechtssache C-108/96 (Mac Queen u. a., Slg. 2001, I-837, Randnr. 33).


193: -     Hier ist allerdings darauf hinzuweisen, dass für die Wirtschaftsprüfer im deutschen Recht eine Berufsregelung gilt, die weitgehend mit der der Rechtsanwälte übereinstimmt. Insbesondere haben die Wirtschaftsprüfer gegenüber Dritten keine Verpflichtung zur Weitergabe von Informationen.


194: -     „Interdisciplinaire Samenwerking door Notarissen“, Interministerieller Bericht des niederländischen Justizministeriums und des niederländischen Wirtschaftsministeriums, Anlage 13 zu den schriftlichen Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens.


195: -     Vgl. insbesondere Urteile vom 16. November 1977 in der Rechtssache 13/77 (GB-Inno-BM, Slg. 1977, 2115, Randnrn. 29 bis 31), vom 1. Oktober 1987 in der Rechtssache 311/85 (Verenigung van Vlaamse Reisbureaus, Slg. 1987, 3801, Randnrn. 22 bis 24), vom 21. September 1988 in der Rechtssache 267/86 (Van Eycke, Slg. 1988, 4769, Randnr. 16), Ahmed Saeed Flugreisen und Silver Line Reisebüro, Randnr. 48, Meng, Randnr. 14, Reiff, Randnr. 14, Ohra Schadeverzekeringen, Randnr. 10, Delta Schiffahrts- und Speditionsgesellschaft, Randnr. 14, Centro Servizi Spediporto, Randnrn. 20 und 21, DIP u. a., Randnrn. 14 und 15, Sodemare u. a., Randnrn. 41 und 42, CNSD, Randnrn. 53 und 54, Corsica Ferries France, Randnrn. 35 und 49, und Albany, Randnr. 65.


196: -     Vgl. den Tenor der Urteile Meng und Ohra Schadeverzekeringen.


197: -     A. a. O.


198: -     Schlussanträge in den Rechtssachen Meng und Ohra Schadeverzekeringen.


199: -     Schlussanträge in der Rechtssache Reiff.


200: -     Schlussanträge in der Rechtssache DIP u. a.


201: -     Vgl. insbesondere die Urteile Corsica Ferries France, Randnrn. 50 bis 54, Albany, Randnr. 66, und Pavlov, Randnrn. 99 und 100.


202: -     Schlussanträge zum Urteil Pavlov, Nrn. 160 bis 164.


203: -     Vgl. dazu meine Schlussanträge in der Rechtssache Arduino.


204: -     Joliet, R., „National Anti-competitive Legislation and Community Law“, Fordham International Law Journal 1989, S. 163, 172 (freie Übersetzung).


205: -     Urteil Van Eycke, Randnr. 19.


206: -     Urteile Meng, Randnr. 20, Ohra Schadeverzekeringen, Randnr. 13, und Corsica Ferries France, Randnr. 52.


207: -     Urteile Reiff, Randnr. 22, Delta Schiffahrts- und Speditionsgesellschaft, Randnr. 21, und Centro Servizi Spediporto, Randnr. 27.


208: -     Urteile Van Eycke, Randnr. 19, und Corsica Ferries France, Randnr. 52.


209: -     Randnr. 57.


210: -     Nr. 92 der Schlussanträge.


211: -     Schriftliche Erklärungen des NOvA, Nrn. 32 und 197.


212: -     S. 19.


213: -     Schriftliche Erklärungen des NOvA, Nrn. 33 bis 35 und 106.


214: -     Schriftliche Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens, Nr. 145.


215: -     Urteil vom 24. November 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-267/91 und C-268/91 (Slg. 1993, I-6097, Randnr. 16, im Folgenden: Urteil Keck und Mithouard).


216: -     Urteil vom 30. November 1995 in der Rechtssache C-55/94 (Slg. 1995, I-4165, Randnr. 37, im Folgenden: Urteil Gebhard).


217: -     Vgl. insbesondere Urteile vom 12. Dezember 1974 in der Rechtssache 36/74 (Walrave und Koch, Slg. 1974, 1405, Randnr. 17), vom 14. Juli 1976 in der Rechtssache 13/76 (Donà, Slg. 1976, 1333, Randnr. 17), vom 11. April 2000 in den verbundenen Rechtssachen C-51/96 und C-191/97 (Deliège, Slg. 2000, I-2549, Randnr. 47) und vom 6. Juni 2000 in der Rechtssache C-281/98 (Angonese, Slg. 2000, I-4139, Randnrn. 30 bis 36).


218: -     Vgl. zu Artikel 59 EG-Vertrag insbesondere Urteile vom 18. März 1980 in der Rechtssache 52/79 (Debauve u. a., Slg. 1980, 833, Randnr. 9), Höfner und Elser, Randnr. 37, Reisebüro Broede, Randnr. 14, und Deliège, Randnr. 58; zu Artikel 52 EG-Vertrag insbesondere Urteile vom 20. April 1988 in der Rechtssache 204/87 (Bekaert, Slg. 1988, 2029, Randnr. 12) und vom 3. Oktober 1990 in den verbundenen Rechtssachen C-54/88, C-91/88 und C-14/89 (Nino u. a., Slg. 1990, I-3537, Randnr. 11).


219: -     Schriftliche Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens, Nr. 162.


220: -     Schriftliche Erklärungen der Kläger des Ausgangsverfahrens, Nr. 162.


221: -     Urteil Gebhard, Randnr. 25 (Hervorhebung von mir).


222: -     Vgl. die Angaben des NOvA (Nr. 208 der schriftlichen Erklärungen), die von den Klägern des Ausgangsverfahrens nicht in Frage gestellt worden sind.


223: -     In seinem Vorlagebeschluss (S. 23) führt der Raad van State aus, in anderen Mitgliedstaaten ansässige Rechtsanwälte und Steuerberater, die der Gruppe Arthur Andersen oder der Gruppe Price Waterhouse angehörten, könnten beabsichtigen, sich dauerhaft im niederländischen Hoheitsgebiet niederzulassen, um ihre Tätigkeit in einer Sozietät mit den Klägern Wouters und Savelbergh auszuüben. Eine solcher Sachverhalt könnte ggf. in den Anwendungsbereich von Artikel 52 EG-Vertrag fallen. Vorliegend ist die Frage allerdings hypothetisch, da nichts in den Akten darauf hindeutet, dass die betreffenden Personen am Verfahren vor dem Raad van State beteiligt sind.


224: -     Urteil Alpine Investments, Randnr. 30. Vgl. auch Urteile vom 17. Mai 1994 in der Rechtssache C-18/93 (Corsica Ferries, Slg. 1994, I-1783, Randnr. 30), vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache C-379/92 (Peralta, Slg. 1994, I-3453, Randnr. 40), vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-381/93 (Kommission/Frankreich, Slg. 1994, I-5145, Randnr. 14), Sodemare u. a., Randnr. 37, sowie vom 8. März 2001 in der Rechtssache C-405/98 (Gourmet International Products, Slg. 2001, I-1795, Randnr. 37).


225: -     In seinem Vorlagebeschluss (S. 23) führt der Raad van State aus, in anderen Mitgliedstaaten ansässige Rechtsanwälte und Steuerberater, die der Gruppe Arthur Andersen oder der Gruppe Price Waterhouse angehörten, könnten beabsichtigen, gemeinsam mit den Klägern Wouters und Savelbergh im niederländischen Hoheitsgebiet oder von diesem Hoheitsgebiet aus „integrierte“ Dienstleistungen anzubieten. Eine solcher Sachverhalt könnte ggf. in den Anwendungsbereich von Artikel 59 EG-Vertrag fallen. Vorliegend ist die Frage allerdings hypothetisch, da nichts in den Akten darauf hindeutet, dass die betreffenden Personen am Verfahren vor dem Raad van State beteiligt sind.


226: -     Urteil Keck und Mithouard, Randnr. 16 (Hervorhebung von mir).


227: -     Urteil Keck und Mithouard, Randnr. 17.


228: -     Vgl. in diesem Sinne auch die Schlussanträge von Generalanwalt Lenz in der Rechtssache C-391/92 (Kommission/Griechenland, Urteil vom 26. Juni 1995, Slg. 1995, I-1621, Nr. 18).


229: -     Der Gerichtshof hat das Kriteriums des „Marktzugangs“ bereits auf den Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit übertragen; vgl. Urteile vom 19. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93 (Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 103) und vom 27. Januar 2000 in der Rechtssache C-190/98 (Graf, Slg. 2000, I-493, Randnrn. 23 bis 26).


230: -     Urteil Alpine Investments, Randnr. 33.


231: -     Urteil Alpine Investments, Randnr. 28.


232: -     Urteil Alpine Investments, Randnr. 38 (Hervorhebungen von mir).


233: -     Vgl. auch Urteil Gourmet International Products, Randnr. 38.


234: -     Randnr. 37.


235: -     S. 25.


236: -     Vorlagebeschluss (S. 13).


237: -     Vgl. Urteile Binsbergen, Randnrn. 12 bis 14, vom 28. April 1977 in der Rechtssache 71/76 (Thieffry, Slg. 1977, 765, Randnr. 12), vom 19. Januar 1988 in der Rechtssache 292/86 (Gullung, Slg. 1988, 111, Randnr. 29), Gebhard, Randnr. 35, und Reisebüro Broede, Randnr. 38.


238: -     Urteil Reisebüro Broede, Randnr. 38.


239: -     Vgl. Nrn. 190 bis 195 der vorliegenden Schlussanträge.


240: -     Vgl. Nrn. 196 bis 199 der vorliegenden Schlussanträge.


241: -     Vgl. Nr. 200 der vorliegenden Schlussanträge.