Sprache des Dokuments : ECLI:EU:C:2003:132

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

FRANCIS G. JACOBS

vom 6. März 2003(1)

Rechtssache C-305/01

Finanzamt Groß-Gerau

gegen

MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring GmbH

„Mehrwertsteuer - Sechste Richtlinie 77/388/EWG - Factoring - Factoring-Gesellschaft, die Forderungen aufkauft und das Ausfallrisiko für sie übernimmt“

1.
    Im vorliegenden Verfahren ersucht der Bundesfinanzhof (Deutschland) den Gerichtshof, zu klären, welchen Status das von ihm so bezeichnete „echte Factoring“ nach der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie(2) hat. Factoring ist ein Begriff, der zur Bezeichnung verschiedener Dienstleistungen verwendet wird, die Gläubigern im Zusammenhang mit der Verwaltung ihrer Forderungen erbracht werden. Der Erbringer solcher Dienstleistungen wird als Factor bezeichnet. Echtes Factoring nach dem Sprachgebrauch des vorlegenden Gerichts beschreibt eine Tätigkeit, bei der der Factor Forderungen seiner Kunden ankauft und damit das Risiko übernimmt, dass der Schuldner nicht zahlt. Es unterscheidet sich damit von Vereinbarungen über „unechtes Factoring“, bei denen der Factor ohne eine entsprechende Übernahme des Ausfallrisikos bei der Verwaltung und Eintreibung von Forderungen mitwirkt.

2.
    Der Bundesfinanzhof legt zwei Fragen vor, die die Beurteilung des echten Factorings betreffen. Mit seiner ersten Frage möchte er wissen, ob es sich beim echten Factoring um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, bei der eine steuerbare Dienstleistung erbracht wird, so dass es in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie fällt. Ist dies der Fall, so möchte er mit seiner zweiten Frage Aufschluss darüber erhalten, ob ein derartiges Factoring unter eine der Kategorien der Mehrwertsteuerbefreiung des Artikels 13 Teil B Buchstabe d fällt.

Rechtlicher Rahmen

3.
    Nach Artikel 2 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher gegen Entgelt ausführt. Nach Artikel 4 Absatz 1 gilt als Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, gleichgültig, zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Wirtschaftliche Tätigkeiten sind nach Artikel 4 Absatz 2 „alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden“ sowie „die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen“.

4.
    Abschnitt X der Sechsten Richtlinie nennt verschiedene Befreiungen von der Pflicht zur Mehrwertsteuerzahlung. Nach Artikel 13 Teil B Buchstabe d haben die Mitgliedstaaten für eine Reihe von Tätigkeiten Befreiungen zu gewähren, u. a. für

„1.    die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber,

...

3.    die Umsätze - einschließlich der Vermittlung - im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen,

...“

5.
    In der englischen und der schwedischen Fassung der Sechsten Richtlinie enthält der letzte Halbsatz des Artikels 13 Teil B Buchstabe d Nummer 3 eine ausdrückliche Bezugnahme auf das „Factoring“ als Dienstleistung, die von der Befreiung ausgenommen ist. Die anderen Sprachfassungen erwähnen diesen Begriff nicht. In der französischen Fassung z. B. heißt es allgemeiner „recouvrement de créances“.

6.
    Nach Artikel 13 Teil C Buchstabe b können die Mitgliedstaaten ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen, u. a. bei den Umsätzen nach Artikel 13 Teil B Buchstabe d für eine Besteuerung zu optieren.

7.
    Abschnitt XI der Richtlinie nennt die Umstände, unter denen ein Steuerpflichtiger Abzüge von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer vornehmen kann. Nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a ist der Steuerpflichtige befugt, die geschuldete oder entrichtete Steuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden, abzuziehen, soweit diese Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze verwendet werden.

8.
    Die einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts sind durch das Umsatzsteuergesetz 1991 (UStG) in das deutsche Recht umgesetzt worden. Nach § 9 dieses Gesetzes hat sich Deutschland dafür entschieden, von der in Artikel 13 Teil C Buchstabe b der Sechsten Richtlinie genannten Option Gebrauch zu machen.

9.
    In seiner bisherigen Rechtsprechung zum UStG hat der Bundesfinanzhof offenbar das echte und das unechte Factoring unterschiedlich behandelt. Während er die Tätigkeiten des unechten Factorings als besteuerbar betrachtet hat, sofern sie nicht unter eine der Befreiungen fallen, hat er die Ansicht vertreten, dass das echte Factoring keine wirtschaftliche Tätigkeit oder Erbringung einer Dienstleistung darstelle und daher nicht steuerbar sei.

Sachverhalt und Vorlagefragen

10.
    Der Sachverhalt, wie er sich nach dem Vorlagebeschluss darstellt, ist Folgender.

11.
    Die Klägerin und Revisionsbeklagte ist Rechtsnachfolgerin der MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring GmbH & Co. KG (MKG). Die MKG erbrachte Factoring- und Finanzierungsdienstleistungen für die MMC-Auto Deutschland GmbH (M-GmbH), die Fahrzeuge der Firma Mitsubishi importierte und über ein eigenes Händlernetz auf dem deutschen Markt vertrieb.

12.
    1991 schloss die MKG einen Vertrag mit der M-GmbH. Nach diesem Vertrag verpflichtete sich die MKG, bestimmte Forderungen der M-GmbH gegenüber ihren Händlern aus Fahrzeuglieferungen anzukaufen, wenn sie nicht innerhalb von 150 Tagen nach Fälligkeit beglichen würden. Hinsichtlich dieser Forderungen übernahm die MKG das Ausfallrisiko bei Nichtzahlung und erbrachte somit eine Dienstleistung des echten Factorings. Dafür erhielt sie von der M-GmbH Factoring- und Delkrederegebühren sowie Darlehenszinsen auf einen Betrag in Höhe des Nennwerts der Forderungen abzüglich der Gebühren während der 150-Tage-Frist. Außerdem verpflichtete sich die MKG, verschiedene Dienstleistungen des unechten Factorings für die M-GmbH zu erbringen.

13.
    Die MKG war der Ansicht, dass die Dienstleistungen des echten Factorings, die sie der M-GmbH erbracht habe, steuerbar seien, und machte auf dieser Grundlage in ihrer Steuererklärung 1991 Steuerabzüge für an sie gelieferte Waren und erbrachte Dienstleistungen geltend.

14.
    Die MKG reichte ihre Steuererklärung beim Beklagten und Revisionskläger, dem Finanzamt Groß-Gerau als dem zuständigen Finanzamt, ein. Nach einer Prüfung ihrer Geschäftstätigkeit versagte das Finanzamt der MKG den geltend gemachten Steuerabzug. Es vertrat auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Auffassung, dass echtes Factoring keine wirtschaftliche Tätigkeit oder Erbringung einer Dienstleistung darstelle und daher nicht steuerbar sei.

15.
    Die MKG focht die Entscheidung des Finanzamts erfolgreich beim Hessischen Finanzgericht an. Dieses war der Ansicht, dass echtes Factoring eine wirtschaftliche Tätigkeit darstelle und daher steuerbar sei. Das Finanzamt legte gegen diese Entscheidung Revision an den Bundesfinanzhof ein, der den erwähnten Vorlagebeschluss erließ.

16.
    Der Bundesfinanzhof möchte wissen, ob er in seiner bisherigen Rechtsprechung zutreffend davon ausgegangen ist, dass echtes Factoring keine steuerbare Dienstleistung im Sinne der Sechsten Richtlinie darstellt. Er ist der Ansicht, dass genügend Zweifel an der richtigen Auslegung des anzuwendenden Gemeinschaftsrechts bestünden, um eine Vorlage zu rechtfertigen, und hat daher dem Gerichtshof die beiden folgenden Fragen vorgelegt:

1.    Verwendet eine Factoring-Gesellschaft die von ihr bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen auch insoweit für Zwecke ihrer Umsätze, als sie Forderungen aufkauft und das Ausfallrisiko für diese Forderungen übernimmt?

2.    Handelt es sich dabei um besteuerte Umsätze oder - jedenfalls auch - um Umsätze im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe d der Richtlinie 77/388/EWG, die insoweit besteuert werden können, als die Mitgliedstaaten den Steuerpflichtigen das Recht eingeräumt haben, für eine Besteuerung zu optieren? Welche der in Artikel 13 Teil B Buchstabe d der Richtlinie 77/388/EWG aufgezählten Umsätze liegen in diesem Fall vor?

17.
    Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob (im Gegensatz zu seiner bisherigen Rechtsprechung) eine Person, die echtes Factoring betreibt, eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt und daher eine steuerbare Dienstleistung erbringt, die in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie fällt. Wenn ja, soll dann mit der zweiten Frage geklärt werden, ob echtes Factoring gleichwohl unter eine der in Artikel 13 Teil B Buchstabe d genannten Befreiungen fällt.

Analyse

18.
    Zur ersten Frage trägt die deutsche Regierung vor, dass echtes Factoring keine steuerbare Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie sei, da es weder eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 der Richtlinie darstelle noch eine Dienstleistung im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie betreffe.

19.
    Die deutsche Regierung stützt ihre Ansicht, dass echtes Factoring keine wirtschaftliche Tätigkeit sei, auf das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Polysar Investments Netherlands(3). Der Gerichtshof hat in dieser Rechtssache die Auffassung vertreten, dass der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen ohne irgendeine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an der Geschäftsführung der Gesellschaft keine wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne von Artikel 4 der Sechsten Richtlinie seien. Das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen könne nicht als Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen angesehen werden, weil eine gegebenenfalls erzielte Dividende Ausfluss der bloßen Innehabung des Gegenstands sei(4).

20.
    Nach Ansicht der deutschen Regierung entspricht der Ankauf von Forderungen beim echten Factoring genau dem Kauf von Gesellschaftsanteilen. Beide Arten von Geschäften seien eine Finanzanlage, bei der der Anleger das Ausfallrisiko übernehme und bei der etwaige Erträge die Folge der bloßen Innehabung des Gegenstands seien. Nach dem Urteil Polysar sei echtes Factoring daher keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Sechsten Richtlinie.

21.
    Die deutsche Regierung trägt ferner vor, dass echtes Factoring nicht nach der Sechsten Richtlinie steuerbar sei, da der Factor keine Dienstleistung im Sinne von Artikel 2 der Richtlinie erbringe. Die einzige Dienstleistung, um die es gehe, sei der Verkauf einer Forderung, hinsichtlich deren der Factor der Verbraucher sei. Die Regierung verweist insoweit auf das Urteil Mirror Group(5), in dem der Gerichtshof u. a. zu entscheiden hatte, ob der Mieter eines Geschäftsgrundstücks gegenüber dem Vermieter steuerbare Dienstleistungen erbracht hatte, indem er sich jeweils gegen Entgelt zur Erfüllung des ursprünglichen Vertrages verpflichtete und die Option ausübte, zusätzliche Flächen anzumieten. Bei der Prüfung dieser Frage hat der Gerichtshof die allgemeine Feststellung hervorgehoben, dass „ein Steuerpflichtiger, der nur die Gegenleistung für die Erbringung einer Dienstleistung in Geld zahlt oder der sich hierzu verpflichtet, ... selbst keine Dienstleistung im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie [erbringt]“(6).

22.
    Ich bin nicht davon überzeugt, dass echtes Factoring nicht in den Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie fällt.

23.
    Der Gerichtshof hat bei zahlreichen Gelegenheiten bestätigt, dass Artikel 4 der Sechsten Richtlinie einen sehr weiten Anwendungsbereich verleiht, die damit sämtliche Stadien der Erzeugung, des Handels und der Erbringung von Dienstleistungen umfasst(7).

24.
    In der englischen und der schwedischen Fassung des Artikels 13 Teil B Absatz 3 heißt es überdies ausdrücklich, dass Factoring von den in dieser Vorschrift festgelegten Befreiungen ausgenommen ist und daher eine steuerbare Tätigkeit darstellt. „Factoring“ muss im Hinblick auf den allgemeinen Gebrauch dieses Wortes, der sich in der vom Bundesfinanzhof gewählten Terminologie widerspiegelt, sicherlich so verstanden werden, dass es echtes Factoring umfasst. Obwohl die anderen Sprachfassungen des Artikels 13 Teil B Buchstabe d Nummer 3 das Factoring nicht ausdrücklich erwähnen, ist nicht vorgetragen worden, dass irgendeine von ihnen mit dem englischen und dem schwedischen Text nicht vereinbar wäre.

25.
    Meiner Meinung nach würde man auf jeden Fall die wirtschaftliche Realität des echten Factorings außer Acht lassen, wenn man es außerhalb des Anwendungsbereichs der Sechsten Richtlinie ansiedelte. Kauft ein Factor Forderungen an, so erbringt er eine Dienstleistung, indem er seinem Kunden das Ausfallrisiko abnimmt. Der Kunde entrichtet dann ein Entgelt für die erbrachte Dienstleistung, normalerweise in Form einer Gebühr oder Provision. Im Fall einer solchen Dienstleistung erhält der Verkäufer der Forderung im Gegensatz sowohl zum Erwerb und Halten von Gesellschaftsanteilen als auch zum Anmieten von Immobilien daher einen Vorteil, der sich vom Erlös aus dem Verkauf des Gegenstands unterscheidet.

26.
    Ein Beleg für die These, dass eine derartige Tätigkeit eine steuerbare Dienstleistung im Sinne der Sechsten Richtlinie darstellt, lässt sich dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Bally(8) entnehmen. Der Gerichtshof hat die Auffassung vertreten, dass ein Kreditkartenaussteller einem Händler, der die Karte von seinen Kunden für die Bezahlung von Waren oder Dienstleistungen akzeptiert, eine Dienstleistung erbringt. Diese Dienstleistung besteht zum Teil aus der Gewährung einer Zahlungsgarantie an den Händler für die getätigten Käufe(9). Ein Entgelt für die Dienstleistung wird vom Käufer in Form einer als Prozentsatz des Kaufpreises der vom Kunden erworbenen Waren oder Dienstleistungen berechneten Provision geleistet, die der Kartenaussteller von dem Betrag abzieht, der dem Händler ausgezahlt wird(10).

27.
    Wie die Kommission und die MKG vortragen, ist das echte Factoring ganz ähnlicher Natur wie die Dienstleistung eines Kreditkartenausstellers. Ein Factor dient dazu, die Zahlung der Forderungen seines Kunden zu gewährleisten, indem er das Ausfallrisiko übernimmt. Dafür zahlt der Kunde ein Entgelt in Form einer Gebühr, die normalerweise vom Kaufpreis der Forderung abgezogen wird.

28.
    Ich bin daher der Ansicht, dass echtes Factoring eine steuerbare Dienstleistung im Sinne der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie darstellt.

29.
    Zur zweiten Vorlagefrage trägt die deutsche Regierung vor, dass das echte Factoring, falls es eine steuerbare Dienstleistung sei, einen Umsatz „im Geschäft mit Forderungen“ im Sinne von Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 3 darstelle und daher unter die in dieser Vorschrift vorgesehene Befreiung falle. Die MKG macht geltend, dass das echte Factoring nach Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 3 letzter Halbsatz von der Befreiung ausnommen sei.

30.
    Die Kommission bezweifelt, ob eine Beantwortung der zweiten Frage tatsächlich erforderlich ist, um dem vorlegenden Gericht die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu ermöglichen. Da Deutschland sich dafür entschieden habe, es den Steuerzahlern zu erlauben, für die Zahlung von Steuern auf sonst nach Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 3 befreite Umsätze zu optieren, erscheine es ohne Belang, ob echtes Factoring unter die Befreiung des Artikels 13 Teil B Buchstabe d Nummer 3 falle oder unter die Ausnahme von dieser Befreiung.

31.
    Trotz ihrer Vorbehalte gegenüber der zweiten Vorlagefrage schlägt die Kommission eine Einordung sowohl des echten als auch des unechten Factorings unter Artikel 13 Teil B Buchstabe d vor, wobei ihrer Ansicht nach beides unter die Ausnahme von der Befreiung fällt.

32.
    Da der Bundesfinanzhof eine Beantwortung der zweiten Frage für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens für erforderlich hält, bin ich der Meinung, dass der Gerichtshof die Frage behandeln sollte. Ich habe jedoch den Eindruck, dass sich die zweite Frage nur auf Umsätze aus echtem Factoring bezieht, da solche „Tätigkeiten“ Gegenstand der ersten Frage sind. Ich werde daher nur den Status des echten Factorings nach Artikel 13 Teil B Buchstabe d berücksichtigen.

33.
    Die ausdrückliche Erwähnung des Factorings in der englischen und der schwedischen Fassung des letzten Halbsatzes des Artikels 13 Teil B Buchstabe d Nummer 3 ist ein starker Beleg für die Schlussfolgerung, dass echtes Factoring unter die Ausnahme von der in dieser Vorschrift vorgesehenen Befreiung fällt, insbesondere da die allgemeineren Formulierungen der Ausnahme in den anderen Sprachfassungen mit einer Auslegung, die echtes Factoring einschließt, nicht unvereinbar zu sein scheinen.

34.
    Die deutsche Regierung hat auch kein Argument dafür vorgetragen, weshalb davon auszugehen ist, dass das Factoring unter die Befreiung des Artikels 13 Teil B Buchstabe d Nummer 3 fällt. Ihre Hinweise auf die Entstehungsgeschichte der Richtlinie überzeugen meines Erachtens nicht, da sie lediglich nahe legen, dass die richtige Qualifizierung des Factorings keine Frage war, die zu einer Erörterung im Rat geführt hat.

35.
    Mir scheint daher, dass echtes Factoring wegen der im letzten Halbsatz des Artikels 13 Teil B Buchstabe d Nummer 3 enthaltenen Ausnahme nicht unter die Befreiung nach dieser Vorschrift fällt.

Ergebnis

36.
    Ich bin demnach der Ansicht, dass der Gerichtshof die zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt beantworten sollte:

1.    Bei richtiger Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage handelt eine Factoring-Gesellschaft als steuerpflichtige Person, wenn sie Forderungen aufkauft und das Ausfallrisiko für diese Forderungen übernimmt, und kann daher von den von ihr geschuldeten Steuern die Steuern abziehen, die sie auf die von ihr für Zwecke ihrer steuerbaren Umsätze bezogenen Waren und Dienstleistungen gezahlt hat.

2.    Eine derartige Tätigkeit stellt eine „Einziehung von Forderungen“ im Sinne von Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 3 der Richtlinie dar und ist daher von der in dieser Vorschrift genannten Befreiung ausgenommen.


1: -     Originalsprache: Englisch.


2: -    Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).


3: -    Urteil vom 20. Juni 1991 in der Rechtssache C-60/90 (Slg. 1991, I-3111).


4: -    Randnrn. 13 und 14. Wegen einer Erörterung der späteren Rechtsprechung des Gerichtshofes, in der der in der Rechtssache Polysar Investment Netherlands aufgestellte Grundsatz angewandt wird, siehe Schlussanträge von Generalanwalt Léger vom 12. September 2002 in der Rechtssache C-77/01 (EDM, Nr. 19) und Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer vom 6. Februar 2003 in der Rechtssache C-442/01 (KapHag Renditefonds, Nrn. 25 bis 31), beide noch nicht veröffentlicht.


5: -    Urteil vom 9. Oktober 2001 in der Rechtsache C-409/98 (Slg. 2001, I-7175).


6: -    Randnr. 26.


7: -    Urteil vom 4. Dezember 1990 in der Rechtssache C-186/89 (Van Tiem, Slg. 1990, I-4363, Randnr. 17).


8: -    Rechtssache C-18/92 (Bally, Slg. 1993, I-2871).


9: -    Randnr. 9.


10: -    Randnr. 11.