Sprache des Dokuments : ECLI:EU:C:2001:700

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JEAN MISCHO

vom 13. Dezember 2001(1)

Rechtssache C-294/00

Deutsche Paracelsus Schulen für Naturheilverfahren GmbH

gegen

Kurt Gräbner

(Vorabentscheidungsersuchen des österreichischen Obersten Gerichtshofs)

„Niederlassungsfreiheit - Freier Dienstleistungsverkehr - Anwendungsbereich der Richtlinie 92/51/EWG - Nationale Rechtsvorschriften, die die Ausübung der ärzlichen Tätigkeiten einschließlich der in Deutschland dem Heilpraktiker gestatteten Tätigkeit den Inhabern eines Ärztediploms vorbehalten - Nationale Rechtsvorschriften, die die Ausbildung zu den ärztlichen Tätigkeiten bestimmten Einrichtungen vorbehalten und die Werbung für derartige Ausbildungen untersagen“

1.
    In Österreich sind die Ausübung des Heilpraktikerberufs, wie er in Deutschland bekannt ist, die Ausbildung zum Heilpraktiker und die Werbung hierfür verboten. Der österreichische Oberste Gerichtshof sieht sich im Ausgangsverfahren vor die Frage gestellt, ob diese Verbote mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, und legt zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 43 EG und 49 EG sowie der Richtlinie 92/51/EWG des Rates über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG(2) zur Vorabentscheidung vor.

I - Rechtlicher Rahmen

Das Gemeinschaftsrecht

2.
    Artikel 1 der Richtlinie 92/51 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie gelten

...

e)    als .reglementierter Beruf‘ die reglementierte berufliche Tätigkeit oder die reglementierten beruflichen Tätigkeiten, die zusammen in einem Mitgliedstaat den betreffenden Beruf ausmachen;

f)    als .reglementierte berufliche Tätigkeit‘ eine berufliche Tätigkeit, bei der die Aufnahme oder Ausübung oder eine der Arten ihrer Ausübung in einem Mitgliedstaat direkt oder indirekt durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Besitz eines Ausbildungs- oder Befähigungsnachweises gebunden ist.

...“

3.
    Artikel 2 der Richtlinie 92/51, der den einzigen Artikel des Kapitels II („Anwendungsbereich“) darstellt, bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt für alle Angehörigen eines Mitgliedstaats, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen reglementierten Beruf in einem Aufnahmestaat ausüben wollen.

Diese Richtlinie gilt weder für Berufe, die Gegenstand einer Einzelrichtlinie sind, mit der in den Mitgliedstaaten eine gegenseitige Anerkennung der Diplome eingeführt wird, noch für Tätigkeiten, die Gegenstand einer in Anhang A aufgeführten Richtlinie sind.

...“

4.
    Die Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise(3) soll nach ihrer dritten Begründungserwägung den Ärzten die tatsächliche Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr erleichtern.

5.
Artikel 2 dieser Richtlinie bestimmt:

„Jeder Mitgliedstaat erkennt die in Artikel 3 aufgeführten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, die die anderen Mitgliedstaaten den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten nach Artikel 23 ausstellen, an und verleiht ihnen in seinem Hoheitsgebiet die gleiche Wirkung in Bezug auf die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten des Arztes wie den von ihm ausgestellten Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen.“

Das österreichische und das deutsche Recht

6.
    In Österreich ist gemäß § 1 Absatz 1 des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes (BGBl 378/1996, in der einschlägigen Fassung) die Ausbildung zu den insbesondere durch das Ärztegesetz 1984 (jetzt Ärztegesetz 1998, BGBl 169/1998) geregelten Tätigkeiten den nach den Bundesgesetzen dafür vorgesehenen Einrichtungen vorbehalten.

7.
    Nach dem Ausbildungsvorbehaltsgesetz ist das Anbieten oder Vermitteln solcher Ausbildungen durch andere Personen oder Einrichtungen verboten. Der Versuch ist strafbar. Werbung gilt als Versuch. Das Gesetz sieht als Sanktion Geldstrafen bis zu 500 000 ATS vor. Die Nichtigkeit von Ausbildungsverträgen, die unter Verstoß gegen dieses Gesetz geschlossen worden sind, ist nicht ausdrücklich als Sanktion vorgesehen.

8.
    Nach den Erläuternden Bemerkungen (150 BlgNR 20. GP, 24) bezweckte der Gesetzgeber mit der hier in Rede stehenden Norm, den Aktivitäten jener (insbesondere aus Deutschland stammenden) Institute entgegenzutreten, die sich in Österreich etablieren und dort Heilpraktikerausbildungen intensiv bewerben und anbieten, obwohl die Tätigkeit des Heilpraktikers nach österreichischem Recht nicht erlaubt ist. In den Erläuternden Bemerkungen wird insbesondere auch auf konsumentenschutzpolitische Gründe für den dringenden Handlungsbedarf des Gesetzgebers hingewiesen.

9.
    Nach § 2 Absatz 2 des Ärztegesetzes umfasst die Ausübung des ärztlichen Berufes jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere die Untersuchung und die Behandlung körperlicher und psychischer Krankheiten oder Störungen.

10.
    Aus § 3 Absätze 1 und 4 des Ärztegesetzes ergibt sich, dass die Ausübung dieses Berufes anderen Personen als den Ärzten verboten ist.

11.
    In Deutschland ist der Beruf des Heilpraktikers durch das Heilpraktikergesetz (im Folgenden: HPrG) vom 17. Februar 1939 (RGBl. I S. 251) in der Fassung des Gesetzes vom 2. März 1974 geregelt.

12.
    Nach § 1 Absatz 1 HPrG bedarf der Erlaubnis, wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestellt zu sein, ausüben will. Gemäß § 1 Absatz 2 HPrG ist die Ausübung der Heilkunde jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen.

13.
    Nach den relevanten Bestimmungen der Durchführungsverordnung zum HPrG (Durchführungsverordnung vom 18. Februar 1939, RGBl. I S. 259) wird die Erlaubnis zur Ausübung des Berufes des Heilpraktikers auf Antrag erteilt, sofern keiner der aufgeführten Verbotstatbestände eingreift. Insbesondere wird die Erlaubnis nicht erteilt, wenn der Antragsteller das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wenn er nicht mindestens eine abgeschlossene Volksschulbildung nachweisen kann oder wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde.

II - Sachverhalt und Ausgangsverfahren

14.
    Die Deutsche Paracelsus Schulen für Naturheilverfahren GmbH (im Folgenden: DPSN) ist ein deutsches Unternehmen, das seit etwa 20 Jahren Ausbildungslehrgänge für den Beruf des Heilpraktikers anbietet. Sie ist auch in Österreich tätig, wo sie seit etwa 10 Jahren Lehrgänge abhält. Die Akquirierung für die von ihr angebotenen Lehrgänge erfolgt insbesondere durch das Schalten von Zeitungsinseraten.

15.
    Aufgrund eines solchen Inserats setzte sich Herr Gräbner, ein österreichischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Österreich, im Januar 1996 mit der DPSN in Verbindung und erhielt Informationsunterlagen, darunter auch ein Formular für Zulassungsanträge, zugeschickt. Dieses Formular enthält Zulassungsanträge für zwei Heilpraktikerausbildungsstufen (Kollegstufe I und II). Unter den einzelnen Kollegstufen sind die dafür vorgesehenen Ausbildungsformen angeführt sowie die ebenfalls angebotene Videoausbildung. Die Studienordnung wird in diesem Formular abgedruckt, das insbesondere den folgenden Hinweis enthält: „Wir weisen Sie darauf hin, dass der Beruf des Heilpraktikers in Österreich nicht ausgeübt werden darf ... Die amtsärztliche Prüfung zum Heilpraktiker ist in Deutschland abzulegen.“

16.
    Herr Gräbner schloss am 20. Februar 1996 einen Vertrag über die Heilpraktikerausbildung der Kollegstufe I und II und beantragte einen Videokauf zum Seminarstudium. Insgesamt betrugen die Kosten einschließlich der Einschreibgebühr 90 390 ATS, wobei ein Betrag von 18 000 ATS auf das Videolernprogramm entfiel.

17.
    Herr Gräbner hatte dann keinen Kontakt mehr mit der Deutsche Paracelsus Schulen. Er erklärte auch nicht den binnen einer Woche zulässigen Rücktritt und kündigte niemals schriftlich die von ihm geschlossenen Verträge.

18.
    Vor den österreichischen Gerichten begehrte die DPSN die Zahlung von 90 390 ATS auf der Grundlage des mit Herrn Gräbner geschlossenen Ausbildungsvertrags zum Beruf des Heilpraktikers. Sie trug vor, dass es möglich sein müsse, für Ausbildungen zu Berufen zu werben, deren Ausübung in Österreich nicht zulässig sei, und dass trotz des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes die Ausbildung zum Heilpraktiker in diesem Mitgliedstaat zulässig sein müsse. Sie betonte vor allem, dass jede andere Auslegung dieses Gesetz gegen das Gemeinschaftsrecht, insbesondere den freien Dienstleistungsverkehr, verstoße.

19.
    Herr Gräbner trug vor den österreichischen Gerichten insbesondere vor, dass der betreffende Vertrag wegen Verstoßes gegen das Ausbildungsvorbehaltsgesetz nichtig sei.

20.
    In der ersten Instanz verurteilte das Bezirksgericht Linz-Land Herrn Gräbner mit Entscheidung vom 29. Januar 1999 zur Zahlung von 90 390 ATS.

21.
    In der Berufung bestätigte das Landesgericht Linz die Entscheidung mit Urteil vom 26. Mai 1999 und ließ die Revision vor dem Obersten Gerichtshof zu.

22.
    In seinem Vorlagebeschluss führt der Oberste Gerichtshof aus, dass nach seiner Rechtsprechung ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot verstoße, nicht nur dann nichtig sei, wenn diese Rechtsfolge ausdrücklich normiert sei, sondern auch dann, wenn der Verbotszweck die Ungültigkeit des Geschäftes notwendig verlange. Seiner Ansicht nach hat der Normzweck des Ausbildungsvorbehaltsgesetzes die Nichtigkeit des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrages zur Folge. Er fragt sich jedoch, ob das einschlägige österreichische Recht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei.

II - Die Vorlagefragen

23.
    Daher hat das vorlegende Gericht mit Beschluss vom 13. Juli 2000 dem Gerichtshof die beiden folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.    Kann weiterhin, insbesondere nach Erlassung der zweiten allgemeinen Anerkennungsrichtlinie 92/51/EWG, ein Mitgliedstaat eine arztähnliche Tätigkeit wie die eines Heilpraktikers nach dem deutschen Heilpraktikergesetz (RGBl. 1939 I S. 251, in der geltenden Fassung) den Inhabern eines Ärztediploms vorbehalten und steht dem nunmehr insbesondere Artikel 43 EG über die Niederlassungsfreiheit und Artikel 50 EG über den freien Dienstleistungsverkehr entgegen?

2.    Stehen die genannten europarechtlichen Normen nationalen Bestimmungen entgegen, die die Ausbildung zu Tätigkeiten, die durch Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Gesundheitswesens geregelt sind, den hierfür vorgesehenen Einrichtungen vorbehalten und die das Anbieten oder Vermitteln solcher Ausbildungen durch andere Personen oder Einrichtungen sowie das Werben hierfür verbieten, auch wenn sich diese Ausbildung nur auf Teilgebiete der ärztlichen Tätigkeit bezieht?

IV - Erörterung

Zur ersten Vorlagefrage

24.
    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine nationale Regelung, die bewirkt, dass die Ausübung der Tätigkeit eines Heilpraktikers den Inhabern eines Ärztediploms vorbehalten wird, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

25.
    Das vorlegende Gericht erklärt, ihm sei das Urteil vom 3. Oktober 1990, Bouchoucha(4), bekannt. Dieses Urteil betraf praktisch das gleiche Problem wie der vorliegende Fall in dem Sinne, dass es ebenfalls um einen arztähnlichen Beruf ging. Der Gerichtshof hat in diesem Urteil festgestellt, dass „es keine gemeinschaftsrechtliche Definition der ärztlichen Tätigkeiten gibt, so dass die Definition der Handlungen, die dem Arztberuf vorbehalten sind, grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt. Da es folglich für die berufsmäßige Ausübung der Osteopathie an einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung fehlt, steht es jedem Mitgliedstaat frei, die Ausübung dieser Tätigkeit in seinem Hoheitsgebiet ohne diskriminierende Unterscheidung[(5)] zwischen seinen eigenen Staatsangehörigen und solchen der anderen Mitgliedstaaten zu regeln“(6).

26.
    Der Gerichtshof ist im Tenor dieses Urteils zu folgendem Ergebnis gelangt: „Solange es in Bezug auf die Tätigkeiten, deren Ausübung ausschließlich Ärzten vorbehalten ist, an einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene fehlt, steht Artikel 52 EWG-Vertrag dem nicht entgegen, dass ein Mitgliedstaat eine arztähnliche Tätigkeit wie etwa die Osteopathie den Inhabern eines Diploms eines Doktors der Medizin vorbehält.“

27.
    Zur Stützung dieser Erwägung, die auf Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) beruht, lässt sich auch Artikel 46 Absatz 1 EG anführen, wonach das der Niederlassungsfreiheit gewidmete Kapitel des Vertrages und die aufgrund desselben getroffenen Maßnahmen „die Anwendbarkeit der Rechts- und Verwaltungsvorschriften nicht beeinträchtigen(7), die eine Sonderregelung für Ausländer vorsehen und aus Gründen der ... Gesundheit gerechtfertigt sind(8).

28.
    Meines Erachtens lässt sich - e contrario - von der erwähnten Bestimmung herleiten, dass eine Regelung, die zum Schutz der Gesundheit erlassen wurde und die unterschiedslos für alle in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Personen oder solche gilt, die sich dort niederlassen möchten, keiner Rechtfertigung bedarf. Dies beeinträchtigt zwar nicht das Recht eines Klägers, die Rechtfertigung einer Regelung dadurch in Frage zu stellen, dass er darzutun sucht, dass die in Rede stehende Regelung eine verschleierte Diskriminierung darstelle, da sie in Wirklichkeit darauf abziele, die Niederlassung ausländischer Staatsangehöriger unmöglich zu machen oder zu erschweren. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wie ein derartiges Vorbringen in einem Fall wie dem vorliegenden Erfolg haben könnte, bei dem die Ausübung dieser Tätigkeit auch Inländern untersagt ist.

29.
    Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang auch auf Artikel 47 Absatz 3 EG zu verweisen, der, obwohl der Gerichtshof ihn nicht ausdrücklich erwähnt, dessen Erwägungen im Urteil Bouchoucha zugrunde liegt. Dieser lautet: „Die schrittweise Aufhebung der Beschränkungen für die ärztlichen, arztähnlichen und pharmazeutischen Berufe setzt die Koordinierung der Bedingungen für die Ausübung dieser Berufe in den einzelnen Mitgliedstaaten voraus.“

30.
    Somit ist die schrittweise Aufhebung der Beschränkungen für die ärztlichen, arztähnlichen und pharmazeutischen Berufe von einer Voraussetzung abhängig, die für die anderen Berufe nicht besteht.

31.
    Ich sehe daher im Urteil Bouchoucha einen brauchbaren Ausgangspunkt für die Lösung des Problems, das uns beschäftigt.

32.
    Das vorlegende Gericht fragt sich allerdings, ob die Richtlinie 92/51, die erst nach der Verkündung des Urteils Bouchoucha erlassen wurde, oder eine andere Norm des Gemeinschaftsrechts nicht die Rechtslage in diesem Bereich geändert hat.

33.
    In diesem Zusammenhang macht die DPSN geltend, dass die Richtlinie 92/51 für den Beruf des Heilpraktikers gelte. Somit müsse ein Heilpraktiker, der in einem Mitgliedstaat zugelassen sei, auch in allen anderen Mitgliedstaaten zugelassen werden.

34.
    Mit Herrn Gräbner, der österreichischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission bin ich jedoch der Ansicht, dass sich aus einer sorgfältigen Auslegung der Richtlinie 92/51 ergibt, dass diese das Ergebnis des Ausgangsverfahrens nicht beeinflussen kann.

35.
    Denn nach ihrem Artikel 2 gilt die Richtlinie 92/51 „für alle Angehörigen eines Mitgliedstaats, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen reglementierten Beruf[(9)] in einem Aufnahmestaat ausüben wollen“. Wie die Verfahrensbeteiligten ausführen, ist der Beruf des Heilpraktikers in Österreich, dem Aufnahmestaat, nicht reglementiert. Er ist schlicht verboten. Die Richtlinie 92/51 findet somit keine Anwendung auf das Problem, das uns beschäftigt.

36.
    Die DPSN vertritt jedoch die Ansicht, das Gemeinschaftsrecht kenne den Begriff des „verbotenen Berufes“ nicht, sondern unterscheide nur zwischen reglementierten und nicht reglementierten Berufen. Da es für den Beruf des Heilpraktikers in Österreich eine Regelung gebe, auch wenn diese Regelung in einem Verbot bestehe, sei dieser Beruf als reglementierter Beruf im Sinne der Richtlinie 92/51 zu betrachten.

37.
    Meines Erachtens kann diesem Vorbringen nicht gefolgt werden.

38.
    Denn der Begriff „reglementierter Beruf“ ist in Artikel 1 Buchstabe e der Richtlinie 92/51 definiert als „die reglementierte berufliche Tätigkeit oder die reglementierten beruflichen Tätigkeiten, die zusammen in einem Mitgliedstaat den betreffenden Beruf ausmachen“.

39.
    Der Begriff „reglementierte berufliche Tätigkeit“ ist in Artikel 1 Buchstabe f der Richtlinie 92/51 definiert als „eine berufliche Tätigkeit, bei der die Aufnahme oder Ausübung oder eine der Arten ihrer Ausübung in einem Mitgliedstaat direkt oder indirekt durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Besitz eines Ausbildungsnachweises ... gebunden ist“.

40.
    Ferner hat der Gerichtshof bei der Auslegung praktisch gleicher Bestimmungen der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen(10), bereits entschieden, dass „ein reglementierter Beruf aus einer beruflichen Tätigkeit besteht, deren Aufnahme oder Ausübung direkt oder indirekt rechtlich, also durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, geregelt ist“(11).

41.
    Aus diesen Definitionen ergibt sich, dass es sich bei einem reglementierten Beruf um einen grundsätzlich zulässigen Beruf handelt, dessen Aufnahme oder Ausübung jedoch von den Behörden der Mitgliedstaaten aufgestellten Voraussetzungen unterliegt. Ein verbotener Beruf ist daher kein reglementierter Beruf im Sinne der Richtlinie 92/51.

42.
    Wenn im Übrigen die DPSN aus ihrer Auffassung, dass die Richtlinie 92/51 Anwendung auf den Beruf des Heilpraktikers finde, den Schluss zieht, dass ein Heilpraktiker, der in einem Mitgliedstaat zugelassen worden sei, auch in allen anderen Mitgliedstaaten zugelassen werden müsse, so scheint mir das dem Zweck der Gemeinschaftsregelung über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise zuwiderzulaufen.

43.
    Denn der Zweck dieser Regelung besteht darin, dass ein Mitgliedstaat die von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Befähigungsnachweise anerkennt, die den von ihm selbst ausgestellten Befähigungsnachweisen gleichwertig sind. Das zeigt beispielsweise die zweite Begründungserwägung der Richtlinie 92/51, wo es heißt: „[J]eder Aufnahmestaat, in dem ein Beruf reglementiert ist, [hat] die in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Qualifikationen zu berücksichtigen und zu beurteilen, ob sie den von ihm geforderten Qualifikationen entsprechen.“

44.
    Zur gemeinschaftlichen Regelung der gegenseitigen Anerkennung gehört es somit, dass diese die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Befähigungsnachweise achtet und dabei von den Mitgliedstaaten im Verhältnis zueinander die gleiche Achtung in Form einer Anerkennung der gleichwertigen Befähigungsnachweise verlangt. Einen Mitgliedstaat zu verpflichten, in seinem Gebiet die Ausübung einer Tätigkeit zuzulassen, obwohl er es für notwendig gehalten hat, sie zu verbieten, scheint mir jedoch diesem der Regelung über die gegenseitige Anerkennung innewohnenden Gedanken der gegenseitigen Achtung diametral zuwiderzulaufen.

45.
    Vorsorglich möchte ich hinzufügen, falls der Begriff des Heilpraktikers in Deutschland als in Österreich „reglementiert“ in dem Sinne zu betrachten sein sollte, dass dort die Tätigkeiten dieser Art zu den Tätigkeiten des Arztberufs gehören, fände die Richtlinie 92/51 gleichwohl keine Anwendung.

46.
    Denn die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise wird durch die Richtlinie 93/16/EWG des Rates vom 5. April 1993 zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise(12) geregelt. Daher gehört dieser Bereich gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 92/51, wonach diese Richtlinie nicht „für Berufe [gilt], die Gegenstand einer Einzelrichtlinie sind, mit der in den Mitgliedstaaten eine gegenseitige Anerkennung der Diplome eingeführt wird“, nicht zum Anwendungsbereich dieser Richtlinie.

47.
    Nach allem findet daher die Richtlinie 92/51 keine Anwendung auf das Problem, das uns beschäftigt.

48.
    Meines Erachtens gibt es auch keine anderen, nach diesem Urteil erlassenen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, die dieses Ergebnis beeinflussen könnten. Allenfalls käme hier die Richtlinie 93/16 in Betracht. Doch mit der Kommission stelle ich fest, dass die vorliegende Rechtssache nicht die Anerkennung des Diploms eines Arztes betrifft. Daher spielt diese Richtlinie hier keine Rolle.

49.
    Hilfsweise trägt die DPSN jedoch noch vor: „Sollten die Annahmen, die der Entscheidung im Fall Bouchoucha zugrunde lagen, nämlich, .dass es in Bezug auf die Tätigkeiten, deren Ausübung ausschließlich Ärzten vorbehalten ist, an einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene fehlt‘, nach wie vor zutreffen, kann es zumindest nicht angehen, dass Mitgliedstaaten die Dienstleistungsfreizügigkeit dadurch behindern bzw. ausschalten, dass sie einfach bestimmte Tätigkeiten, die jemand in einem anderen Mitgliedstaat zulässigerweise als Nichtarzt ausübt, den Ärzten vorbehalten.“

50.
    Im Einzelnen macht die DPSN unter Berufung auf das Urteil vom 9. März 1999, Centros(13), geltend, dass nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen könnten, nur dann zulässig seien, wenn vier Voraussetzungen erfüllt seien: Die Maßnahmen müssten in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssten in zwingenden Gründen dem Allgemeininteresse entsprechen, sie müssten zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet sein, und sie dürften nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich sei.

51.
    Was ist von diesem Vorbringen zu halten?

52.
    Das Urteil Centros greift in diesem Punkt nur die Rechtsprechung des Gerichtshofes auf, die auf die Urteile vom 31. März 1993, Kraus(14), vom 30. November 1995, Gebhard(15), und vom 4. Juli 2000, Haim(16), zurückgeht. Diese Urteile sind nach dem Urteil Bouchoucha ergangen.

53.
    Zudem sind diese vier Voraussetzungen im Urteil vom 1. Februar 2001, Mac Quen u. a.(17), in dem es um eine nationale Regelung ging, die verschiedene Augenuntersuchungen den Augenärzten vorbehielt und sie den Optikern untersagte, und somit um einen Sachverhalt, der dem der Rechtssache Bouchoucha und der vorliegenden Rechtssache recht ähnlich ist, wieder aufgegriffen worden. In diesem Urteil hat der Gerichtshof zunächst darauf hingewiesen, dass sich einer der Beteiligten des Ausgangsverfahrens zur Stützung seiner Ansicht auf das Urteil Bouchoucha berufen habe, in dem der Gerichtshof anerkannt habe, dass es, da es für die Tätigkeit eines Osteopathen an einer gemeinschaftlichen Regelung fehle, jedem Mitgliedstaat freistehe, die Ausübung dieser Tätigkeit in seinem Hoheitsgebiet unter dem einzigen Vorbehalt zu regeln, dass er keine diskriminierende Unterscheidung zwischen seinen eigenen Staatsangehörigen und solchen der anderen Mitgliedstaaten treffe, und dass für das Ausgangsverfahren die gleichen Erwägungen gälten.

54.
    Der Gerichtshof hat dazu Folgendes ausgeführt:

„Zwar bleiben die Mitgliedstaaten in Ermangelung einer Harmonisierung der im Ausgangsverfahren betroffenen Tätigkeiten grundsätzlich befugt, die Ausübung dieser Tätigkeiten zu regeln, jedoch müssen sie ihre Befugnisse in diesem Bereich unter Beachtung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten ausüben (vgl. Urteile vom 29. Oktober 1998 in den Rechtssachen C-193/97 und C-194/97, De Castro Freitas und Escallier, Slg. 1998, I-6747, Randnr. 23, und vom 3. Oktober 2000 in der Rechtssache C-58/98, Corsten, Slg. 2000, I-7919, Randnr. 31).

Nach Artikel 52 Absatz 2 des Vertrages wird die Niederlassungsfreiheit nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen ausgeübt. Ist folglich die Aufnahme oder Ausübung einer bestimmten Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat geregelt, so muss der Angehörige eines anderen Mitgliedstaats, der diese Tätigkeit ausüben will, die Bedingungen dieser Regelung grundsätzlich erfüllen (Urteil vom 30. November 1995 in der Rechtssache C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165, Randnr. 36).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sind jedoch nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten behindern oder unattraktiver machen können, nur unter vier Voraussetzungen zulässig ...“(18)

55.
    Diese Ausführungen veranlassen mich zu folgenden Bemerkungen. Zwar haben die Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeiten im Bereich der medizinischen Tätigkeiten unbestreitbar unter Beachtung der vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten auszuüben, doch kann es dabei nur um die Grundfreiheiten in der Gestalt gehen, wie sie tatsächlich vom Vertrag gewährleistet werden.

56.
    Der Vertrag sieht aber vor, dass die Niederlassungsfreiheit „nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen“ ausgeübt wird. Zudem setzt nach Artikel 47 Absatz 3 EG die schrittweise Aufhebung der Beschränkungen für die ärztlichen, arztähnlichen und pharmazeutischen Berufe die Koordinierung der Bedingungen für die Ausübung dieser Berufe in den einzelnen Mitgliedstaaten voraus.

57.
    Daher kann über die erwähnten Bestimmungen hinaus, die konkret den Inhalt oder den Umfang der als „Niederlassungsfreiheit“ bezeichneten Grundfreiheit, die der Vertrag gewährleisten will, festlegen, im ärztlichen und arztähnlichen Bereich keine ungeschriebene Regel existieren, wonach jede nationale Regelung, die Bestimmungen enthält, die es im Herkunftsstaat des Einzelnen, der sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben will, nicht gibt, automatisch eine „Beschränkung“ schafft, die nur hingenommen werden kann, wenn sie durch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ gerechtfertigt werden kann. Eine derartige Rechtfertigung sollte somit nicht verlangt werden. Daher teile ich die Ansicht, dass Artikel 43 EG unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen verbietet, es aber nicht grundsätzlich jedem Mitgliedstaat untersagt, eine strengere Regelung als andere zu haben und ihn also nicht verpflichtet, diese „Beschränkung“ zu rechtfertigen(19). Diese Regelung kann sich im Übrigen als freizügiger als die anderer Mitgliedstaaten erweisen, so dass man, führt man diesen Gedankengang zu Ende, letztlich nur die freizügigste Regelung von allen für mit dem Vertrag vereinbar ansehen könnte. Artikel 47 Absatz 3 EG beabsichtigt jedoch gewiss nicht diese Art automatischer Harmonisierung auf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners.

58.
    Auf alle Fälle zeigt sich jedoch, dass man selbst unter Anwendung der vier erwähnten Voraussetzungen auf den vorliegenden Fall zu dem Ergebnis gelangen müsste, dass Österreich die Tätigkeiten, die in Deutschland von Heilpraktikern ausgeübt werden, den Ärzten vorbehalten darf.

59.
    Zunächst stellt keiner der Verfahrensbeteiligten in Abrede, dass die Regel, wonach nur Ärzte die in Rede stehenden Tätigkeiten ausüben dürfen, unabhängig von der Staatsangehörigkeit und dem Mitgliedstaat der Niederlassung der Personen gilt, an die sie sich richtet.

60.
    In Bezug auf die zweite und die dritte Voraussetzung erscheint mir diese Regel durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt, der im Zusammenhang mit dem Gesundheitsschutz steht. Sie ist auch geeignet, die Verwirklichung dieses Zieles zu gewährleisten. Hierfür lässt sich das Urteil Mac Quen u. a. anführen, dessen folgende Erwägungen meines Erachtens in vollem Umfang auf das Problem übertragbar sind, das uns beschäftigt:

„Sodann ist bei der Frage, ob zwingende Gründe des Allgemeininteresses vorliegen, die die sich aus dem streitigen Verbot ergebende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können, darauf hinzuweisen, dass der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu den Gründen zählt, die gemäß Artikel 56 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 46 Absatz 1 EG) Einschränkungen rechtfertigen können, die sich aus einer Sonderregelung für Ausländer ergeben. Der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung kann daher grundsätzlich auch unterschiedslos geltende nationale Maßnahmen wie im vorliegenden Fall rechtfertigen.

Die Bedeutung des Gesundheitsschutzes wird auch dadurch unterstrichen, dass gemäß Artikel 3 Buchstabe o EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe p EG) die Tätigkeit der Gemeinschaft nach Maßgabe des Vertrages und der darin vorgesehenen Zeitfolge einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus umfasst.

Behält ein Mitgliedstaat einer Gruppe von besonders qualifizierten Berufstätigen wie den Augenärzten das Recht vor, bei ihren Patienten eine objektive Untersuchung des Sehvermögens mit Hilfe technisch hochentwickelter Instrumente vorzunehmen, die die Feststellung des Augeninnendrucks, die Messung des Gesichtsfeldes oder die Feststellung des Zustands der Hornhaut ermöglicht, so ist diese Entscheidung des betreffenden Mitgliedstaats als ein geeignetes Mittel anzusehen, die Erreichung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus zu gewährleisten.“(20)

61.
    So verhält es sich zwangsläufig auch, wenn ein Mitgliedstaat den Ärzten die Tätigkeiten vorbehält, die in anderen Mitgliedstaaten von den Heilpraktikern versehen werden.

62.
    Schließlich scheint mir, was die vierte Voraussetzung angeht, die in Rede stehende österreichische Regelung nicht über das hinauszugehen, was zur Verwirklichung des verfolgten Zieles, nämlich des Gesundheitsschutzes, notwendig ist.

63.
    Der bloße Umstand, dass Deutschland den Beruf des Heilpraktikers anerkennt, belegt nicht, dass die österreichische Regelung unverhältnismäßig wäre. Wie der Gerichtshof auch in seinem Urteil Mac Quen u. a. ausgeführt hat, bedeutet „die Tatsache, dass ein Mitgliedstaat weniger strenge Vorschriften erlässt als ein anderer, nicht ..., dass dessen Vorschriften unverhältnismäßig und folglich mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sind (vgl. Urteile vom 10. Mai 1995 in der Rechtssache C-304/93, Alpine Investments, Slg. 1995, I-1141, Randnr. 51, und vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache C-3/95, Reisebüro Broede, Slg. 1996, I-6511, Randnr. 42).

Der Umstand allein, dass ein Mitgliedstaat andere Schutzregelungen als ein anderer Mitgliedstaat erlassen hat, ist nämlich für die Beurteilung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen ohne Belang (Urteil vom 21. Oktober 1999 in der Rechtssache C-67/98, Zenatti, Slg. 1999, I-7289, Randnr. 34).“(21)

64.
    Schließlich belegt der Umstand, dass nach dem Vorbringen der DPSN das österreichische Recht mehrere Tätigkeiten, die im weiteren Sinne der Heilkunde zuzuordnen seien (z. B. die Ausübung der „Hilfestellung“ zur Erreichung einer körperlichen bzw. energetischen Ausgewogenheit oder der Beruf der „Lebens- und Sozialberater“), schon aufgrund einfacher Gewerbeanmeldung zulässt, ebenfalls nicht, dass die österreichische Regelung unverhältnismäßig wäre. Denn es ist nicht dargetan, dass diese Tätigkeiten zum Beruf eines Arztes in Österreich gehörten und daher mit denjenigen vergleichbar wären, die von einem Heilpraktiker ausgeübt werden.

65.
    Auch kann dem Vorbringen der DPSN, dass die Unverhältnismäßigkeit dadurch belegt werde, dass eine Reihe von Patienten aus den Deutschland benachbarten österreichischen Bundesländern die Dienste von Heilpraktikern in Bayern in Anspruch nähmen, ohne dass dies einen nachteiligen Einfluss auf die medizinische Versorgung in diesen Bundesländern, verglichen mit dem Rest Österreichs habe, nicht gefolgt werden.

66.
    Denn unabhängig davon, dass es sich dabei um eine Behauptung der DPSN handelt, für die sie keinen Beweis vorgelegt und zu der sie nicht einmal konkrete Angaben gemacht hat, lässt sich nicht sagen, dass eine Maßnahme nur dann im richtigen Verhältnis zum Zweck des Gesundheitsschutzes steht, wenn sie die Bevölkerung vor Gefahren oder vor nachteiligen Einflüssen auf die medizinische Versorgung bewahrt. Eine Maßnahme kann auch dann verhältnismäßig sein, wenn sie einen positiven Beitrag zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung leistet, etwa, wie im vorliegenden Fall, eine zusätzliche Garantie für die Gesundheit dank der Vorschrift, dass bestimmte Handlungen nur von Personen vorgenommen werden dürfen, die eine weiter gehende Ausbildung erhalten haben als die Heilpraktiker.

67.
    Aus dem gleichen Grund kann meines Erachtens entgegen der Auffassung der DPSN nicht verlangt werden, dass ein Mitgliedstaat, hier Österreich, bei seinen Entscheidungen berücksichtigt, dass die Tätigkeit der Heilpraktiker in einem anderen Staat, hier Deutschland, positiv beurteilt wird. Denn es geht nicht um die Frage, ob die Heilpraktiker gute oder schlechte Ergebnisse erzielen, sondern darum, ob es unverhältnismäßig ist, dass ein Mitgliedstaat verlangt, dass im Interesse des Gesundheitsschutzes die Ausübung bestimmter Tätigkeiten Personen vorbehalten bleibt, die ein Studium der Medizin absolviert haben.

68.
    So formuliert ist die Frage entsprechend dem Vorschlag der Kommission wie folgt zu beantworten: „Da keine mildere Maßnahme als das Tätigkeitsverbot ersichtlich ist, ist Letzteres als zur Erreichung des gewünschten Zieles erforderlich anzusehen: Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist genügt.“

69.
    Daher ist meines Erachtens das Verbot der Ausübung des Berufes des Heilpraktikers mit Artikel 43 EG, der die Niederlassungsfreiheit betrifft, vereinbar. Im Übrigen besteht kein Grund dafür, dass für Artikel 49 EG, der den freien Dienstleistungsverkehr regelt, etwas anderes gelten sollte.

70.
    Daher schlage ich vor, dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass die Artikel 43 EG und 49 EG einen Mitgliedstaat nicht daran hindern, die Ausübung einer arztähnlichen Tätigkeit wie der eines Heilpraktikers im Sinne des Deutschen Heilpraktikergesetzes den Inhabern eines Ärztediploms vorzubehalten.

Zur zweiten Vorlagefrage

71.
    Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es das Gemeinschaftsrecht einem Mitgliedstaat erlaubt, die Ausbildung zu Tätigkeiten, die durch Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Gesundheitswesens geregelt sind, den hierfür vorgesehenen Einrichtungen vorzubehalten und das Anbieten oder Vermitteln solcher Ausbildungen durch andere Personen oder Einrichtungen sowie das Werben hierfür zu verbieten, auch wenn sich diese Ausbildung nur auf Teilgebiete der ärztlichen Tätigkeit bezieht. Im Kern begehrt das nationale Gericht also Auskunft darüber, ob ein Mitgliedstaat im Inland die Ausbildung zum Heilpraktiker und die Werbung für eine derartige Ausbildung verbieten kann.

72.
    Die DPSN vertritt die Ansicht, dass dieses Verbot gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße, während Herr Gräbner, die österreichische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs gegenteiliger Ansicht sind. Nach Meinung der Kommission ist zwischen der Niederlassungsfreiheit und dem freien Dienstleistungsverkehr zu unterscheiden. Während das Verbot nach Artikel 43 EG zulässig sei, sei es nach Artikel 49 EG unzulässig.

73.
    Angesichts der Formulierung dieser Frage durch das vorlegende Gericht halte ich es für zweckdienlich, zwischen dem Verbot, in Österreich zum Heilpraktiker auszubilden, und dem Verbot der Werbung für diese Ausbildung zu unterscheiden.

Das Verbot der Ausbildung zum Heilpraktiker in Österreich

74.
    In § 1 des österreichischen Ausbildungsvorbehaltsgesetzes heißt es: „Die Ausbildung zu Tätigkeiten, die durch das ... Bundesgesetz über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte ... geregelt sind, obliegt ausschließlich den nach diesen Bundesgesetzen dafür vorgesehenen Einrichtungen. Das Anbieten oder Vermitteln solcher Ausbildungen durch andere Personen oder Einrichtungen ist verboten. ...“

75.
    Aus diesem Wortlaut ergibt sich, dass das Verbot der Ausbildung zum Heilpraktiker in Österreich allgemein gilt und daher sowohl die Ausbildung durch eine in einem anderen Mitgliedstaat als Österreich ansässige Einrichtung betrifft, die sich in Österreich niederlassen möchte, als auch diejenige durch eine Einrichtung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, die in Österreich eine Dienstleistung anbieten möchte, die diese Ausbildung zum Gegenstand hat. Es erscheint daher zweckmäßig, wie die Kommission vorschlägt, die Frage des vorlegenden Gerichts unter dem Gesichtspunkt sowohl der Niederlassungsfreiheit als auch des freien Dienstleistungsverkehrs zu betrachten.

76.
    Die Niederlassungsfreiheit umfasst bekanntlich nach Artikel 43 EG „die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten ... nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen ...“, und nach Artikel 46 Absatz 1 EG muss ein Mitgliedstaat seine Regelung nur dann rechtfertigen, wenn er eine Sonderregelung für Ausländer vorsieht. Ein Einzelner kann allenfalls versuchen, darzutun, dass eine unterschiedslos anwendbare Regelung eine verschleierte Diskriminierung darstellt.

77.
    Da es im vorliegenden Fall um Ausbildung oder berufliche Bildung geht, sind ferner auch die Artikel 149 Absatz 1 und 150 Absatz 1 EG heranzuziehen, wo es heißt: „Die Gemeinschaft trägt zur Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung dadurch bei, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems ... erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt(22) und: „Die Gemeinschaft führt eine Politik der beruflichen Bildung, welche die Maßnahmen der Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für Inhalt und Gestaltung der beruflichen Bildung unterstützt und ergänzt.(23)

78.
    In den Absätzen 4 der erwähnten Bestimmungen heißt es ferner: „[Der Rat erlässt] Fördermaßnahmen unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten ...“(24) und: „Der Rat erlässt ... Maßnahmen, die zur Verwirklichung der Ziele dieses Artikels beitragen, unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten.“(25)

79.
    Die Organe der Gemeinschaft können daher keine Maßnahme erlassen, mit der unmittelbar bezweckt ist, die Bildungsinhalte oder die Inhalte der beruflichen Bildung in einem Mitgliedstaat oder die Harmonisierung der Gestaltung ihrer Bildungssysteme im Allgemeinen oder ihrer beruflichen Bildung im Besonderen zu harmonisieren.

80.
    Die Bestimmungen im Bereich der Niederlassungsfreiheit dürfen also meines Erachtens nicht so ausgelegt werden, dass sie indirekt den Artikeln 149 EG und 150 EG ihren Sinn nehmen.

81.
    Dies wäre der Fall, wenn Österreich verpflichtet würde, im Inland Einrichtungen zuzulassen, die aus einem anderen Mitgliedstaat kommen und eine Heilpraktikerausbildung anbieten. Es würde dann für Österreich sehr schwierig, seinen eigenen Staatsangehörigen die Gründung von Einrichtungen zu untersagen, die die gleiche Ausbildung anbieten. Auf jeden Fall würde die auf den erwähnten Bestimmungen beruhende Zuständigkeit Österreichs zur freien Festlegung des Inhalts und der Gestaltung der im Inland vermittelten Bildungsgänge auf diese Weise in Frage gestellt.

82.
    Aber auch wenn man von diesen Erwägungen, die auf einer grammatikalischen Auslegung beruhen, absehen und also das vom österreichischen Gesetzgeber ausgesprochene Verbot nur anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofes prüfen würde, wonach nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, die bereits untersuchten Voraussetzungen erfüllen müssen, ist meines Erachtens das Verbot der Ausbildung zum Heilpraktiker, wie es in Österreich besteht, zuzulassen.

83.
    Die DPSN ist der Ansicht, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien. Insbesondere macht sie geltend, das Verbot der Ausbildung könne nur dann als durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt gelten, wenn es sich um einen Beruf handele, der so anstößig und/oder gefährlich sei, dass er gegen den Ordre public verstoße, so dass es gerechtfertigt erscheine, „das Übel sozusagen an der Wurzel zu erfassen“.

84.
    Ich stimme mit der DPSN darin überein, dass ein Verbot der Ausbildung zum Heilpraktiker nicht automatisch dadurch gerechtfertigt sein kann, dass die Ausübung des Heilpraktikerberufs verboten ist. Nach der Rechtsprechung ist nämlich zu prüfen, ob das Verbot der Ausbildung selbst durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

85.
    Dies ist meines Erachtens hier der Fall. Ich schließe mich dem Standpunkt der Kommission an, wonach „[n]icht nur Aspekte des präventiven Gesundheitsschutzes, sondern auch das Streben nach gesetzgeberischer Kohärenz gegenüber dem Verbraucher bzw. der Gesamtbevölkerung[(26)] ... das Niederlassungsverbot der streitigen Ausbildungsstätten auf österreichischem Territorium als gerechtfertigt erscheinen [lassen]“.

86.
    Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung noch darauf hingewiesen, dass die freie Ausbildung zum Heilpraktiker in Österreich einen Anreiz zur unerlaubten Ausübung des Heilpraktikerberufs mit sich bringen könne. Mir scheint tatsächlich die Annahme berechtigt, dass, wenn die Ausbildung zum Heilpraktiker in Österreich praktisch überall frei angeboten werden könnte, während die Ausübung der Tätigkeit eines Heilpraktikers dort verboten ist, dies eine Verwirrung auslösen würde, die das Bewusstsein der Bevölkerung dafür schwächen könnte, dass die Ausübung dieses Berufes verboten ist. Die Betroffenen könnten auf den Gedanken kommen: „Wenn ich den Beruf erlernen kann, kann es doch nicht so schlimm sein, wenn ich ihn ausübe.“

87.
    Daher besteht meines Erachtens eine eigenständige Rechtfertigung für das Verbot der Ausbildung zum Heilpraktiker in dem Sinn, dass dieses Verbot dazu dient, zu verhindern, dass das Verbot der Ausübung des Heilpraktikerberufs seine Glaubwürdigkeit nicht verliert. Dies stellt meines Erachtens einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar. Denn wenn ein Verbot wie das der Ausübung des Heilpraktikerberufs gültig ist, kann man dem Mitgliedstaat nicht die Möglichkeit nehmen, dieses Verbot in kohärenter und glaubwürdiger Weise durchzusetzen.

88.
    Im Übrigen bin ich mit der Kommission der Ansicht, dass eine weniger einschneidende Maßnahme als das allgemeine Niederlassungsverbot nicht ersichtlich ist. Insbesondere lässt sich meines Erachtens mit der von den Ausbildungseinrichtungen gemachten Angabe, dass der Heilpraktikerberuf in Österreich nicht ausgeübt werden darf, die Verwirrung nicht vermeiden. Denn diese ergibt sich aus dem Widerspruch zwischen dem Verbot der Ausübung des Heilpraktikerberufs einerseits und der Erlaubnis, diesen Beruf zu erlernen, andererseits. Die erwähnte Angabe verhindert diesen Widerspruch nicht, sondern unterstreicht ihn nur.

89.
    Ich bin daher der Ansicht, dass die Niederlassungsfreiheit durch ein Verbot der Ausbildung zum Heilpraktiker, wie es in Österreich besteht, nicht beeinträchtigt wird.

90.
    Zum freien Dienstleistungsverkehr führt die Kommission aus: „Das Untersagen von Angebot und Werbung für eine Ausbildung zum Heilpraktiker im Ausland[(27)], die den Verbraucher von vornherein dahin gehend informiert, dass die Tätigkeit in Österreich nicht ausgeübt werden kann, erscheint weder zum Schutz der Volksgesundheit noch des Verbraucherschutzes erforderlich: Es verstößt gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip und kann damit im Endergebnis nicht als gerechtfertigt gewertet werden.“

91.
    Daraus ergibt sich aber, dass die Kommission im Rahmen ihres Vorbringens zum freien Dienstleistungsverkehr die Möglichkeit behandelt, in Österreich Werbung für eine im Ausland angebotene Ausbildung zum Heilpraktiker zu betreiben - diese Frage werde ich später behandeln -, und nicht die Frage, ob das Gemeinschaftsrecht einen Mitgliedstaat daran hindert, zu verbieten, dass eine im Ausland ansässige Einrichtung in seinem Gebiet Dienstleistungen erbringt, die die Ausbildung zum Heilpraktiker zum Gegenstand haben.

92.
    Die letztere Frage ist jedoch unter Berücksichtigung des Wortlauts der zweiten Frage des vorlegenden Gerichts, das um eine Untersuchung unter dem Gesichtspunkt der Artikel 43 EG und 49 EG ersucht, und im Licht der in der mündlichen Verhandlung erhaltenen Angaben zu behandeln, wonach Bildungsveranstaltungen in Österreich in Form von „Reise“-Seminaren durchgeführt werden könnten.

93.
    Meines Erachtens sind jedoch die vier Voraussetzungen, die auch im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs gelten, in Bezug auf das Verbot für außerhalb Österreichs niedergelassene Einrichtungen erfüllt, in Österreich die Ausbildung zum Heilpraktiker in Form von Dienstleistungen anzubieten.

94.
    Denn die widersprüchliche Lage, die Verwirrung schafft und damit das Bewusstsein dafür schwächt, dass die Ausübung des Heilpraktikerberufs verboten ist, würde auch dann bestehen, wenn die Ausbildung zum Heilpraktiker in Österreich angeboten würde. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Ausbildung von einer in Österreich ansässigen Einrichtung oder von einer Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat erteilt wird, die die Ausbildung in Form einer Dienstleistung in Österreich anbietet.

95.
    Daher halte ich ein Verbot der Ausbildung zum Heilpraktiker, wie es in Österreich besteht, auch unter dem Gesichtspunkt des freien Dienstleistungsverkehrs für gültig.

Das Verbot der Werbung für die Ausbildung zum Heilpraktiker

96.
    Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht auch wissen, ob die Artikel 43 EG und 49 EG einem Verbot der Werbung für eine Ausbildung zum Heilpraktiker entgegenstehen, wie es im österreichischen Recht vorgesehen ist.

97.
    Zunächst ist der Umfang des Verbotes der Werbung für eine Ausbildung zum Heilpraktiker zu prüfen.

98.
    Wenn nur die Werbung für eine Ausbildung zum Heilpraktiker, die in Österreich erteilt wird, verboten ist, so dürfte das Verbot weder nach Artikel 43 EG noch nach Artikel 49 EG zu beanstanden sein. Denn da die Ausbildung zum Heilpraktiker in Österreich verboten ist, ist es nur folgerichtig, dass die Werbung für diese Ausbildung ebenfalls verboten ist. Eine derartige Werbung hätte im Übrigen keinen Sinn, da sie die Menschen auf etwas hinwiese, was nicht stattfinden darf.

99.
    Eine ganz andere Frage ist, ob die Werbung für eine Ausbildung zum Heilpraktiker, die im Ausland angeboten wird, in Österreich verboten ist. Auf die entsprechende Frage des Gerichtshofes hat die österreichische Regierung geantwortet, das österreichische Ausbildungsvorbehaltsgesetz verbiete eine derartige Werbung nicht.

100.
    Obwohl es Sache des vorlegenden Gerichts ist, das österreichische Gesetz in dieser Hinsicht auszulegen, erscheint mir die Erklärung der österreichischen Regierung überzeugend. Denn das Gesetz verbietet eindeutig in § 1 Absatz 2(28) die Werbung für die Tätigkeit, die es in § 1 Absatz 1 untersagt. Ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass der österreichische Gesetzgeber die Absicht gehabt haben könnte, die im Ausland angebotenen Ausbildungen zum Heilpraktiker zu untersagen.

101.
    Da die Werbung für eine im Ausland angebotene Ausbildung zum Heilpraktiker somit offensichtlich nicht untersagt ist, stellt sich keine Frage des Gemeinschaftsrechts.

102.
    Falls allerdings - rein hypothetisch - das vorlegende Gericht dennoch zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass das österreichische Gesetz die Werbung für die im Ausland angebotene Ausbildung zum Heilpraktiker in Österreich untersagt, wäre ich mit der Kommission der Ansicht, dass ein derartiges Verbot gegen Artikel 49 EG verstieße.

103.
    Denn eine solche Werbung wäre weder geeignet, das österreichische Gesundheitswesen zu bedrohen, noch dadurch, dass sie von ausländischen Einrichtungen für eine im Ausland angebotene Ausbildung ausginge, ernstlich zu einer Verwirrung der Bevölkerung hinsichtlich des Verbotes beizutragen, den Beruf des Heilpraktikers in Österreich auszuüben.

104.
    Im Interesse der Verbraucher ist der Mitgliedstaat jedoch berechtigt, zu verlangen, dass in der Werbung klargestellt wird, dass der Beruf des Heilpraktikers in seinem Gebiet nicht ausgeübt werden darf.

105.
    Daher schlage ich vor, auf die zweite Frage zu antworten, dass die Artikel 43 EG und 49 EG einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die die im Inland erteilte Ausbildung zu Berufen, die durch Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Gesundheitswesens geregelt sind, den hierfür vorgesehenen Einrichtungen vorbehält und die das Anbieten oder Vermitteln einer derartigen Ausbildung durch andere Personen oder Einrichtungen sowie das Werben hierfür verbietet, auch wenn sich diese Ausbildung nur auf Teilgebiete der ärztlichen Tätigkeit bezieht. Dagegen hindert Artikel 49 EG einen Mitgliedstaat daran, die Werbung für eine derartige in einem anderen Mitgliedstaat angebotene Ausbildung zu verbieten, sofern diese Werbung die Öffentlichkeit über das Verbot der Ausübung des der Ausbildung entsprechenden Berufes im Gebiet des ersten Mitgliedstaats unterrichtet.

V - Entscheidungsvorschlag

106.
    Nach allem schlage ich vor, dem vorlegenden Gericht wie folgt zu antworten:

-    Die Artikel 43 EG und 49 EG hindern einen Mitgliedstaat nicht daran, die Ausübung einer arztähnlichen Tätigkeit wie der eines Heilpraktikers im Sinne des Deutschen Heilpraktikergesetzes (RGBl. 1939 I S. 251) den Inhabern eines Ärztediploms vorzubehalten;

-    die Artikel 43 EG und 49 EG stehen einer nationalen Regelung nicht entgegen, die die im Inland erteilte Ausbildung zu Berufen, die durch Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Gesundheitswesens geregelt sind, den hierfür vorgesehenen Einrichtungen vorbehält und die das Anbieten oder Vermitteln einer derartigen Ausbildung durch andere Personen oder Einrichtungen sowie das Werben hierfür verbietet, auch wenn sich diese Ausbildung nur auf Teilgebiete der ärztlichen Tätigkeit bezieht. Dagegen hindert Artikel 49 EG einen Mitgliedstaat daran, die Werbung für eine derartige in einem anderen Mitgliedstaat angebotene Ausbildung zu verbieten, sofern diese Werbung die Öffentlichkeit über das Verbot der Ausübung des der Ausbildung entsprechenden Berufes im Gebiet des ersten Mitgliedstaats unterrichtet.


1: -     Originalsprache: Französisch.


2: -     ABl. L 209, S. 25.


3: -     ABl. L 165, S. 1.


4: -     C-61/89, Slg. 1990, I-3551.


5: -     Hervorhebung durch den Verfasser.


6: -     Randnr. 12 des Urteils.


7: -     Hervorhebung durch den Verfasser.


8: -     Hervorhebung durch den Verfasser.


9: -     Hervorhebung durch den Verfasser.


10: -     ABl. 1989, L 19, S. 16.


11: -     Urteil vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-234/97 (Fernández de Bobadilla, Slg. 1999, I-4773, Randnr. 16). Vgl. auch Urteil vom 1. Februar 1996 in der Rechtssache C-164/94 (Aranitis, Slg. 1996, I-135, Randnr. 18).


12: -     ABl. L 165, S. 1.


13: -     C-212/97, Slg. 1999, I-1459.


14: -     C-19/92, Slg. 1993, I-1663, Randnr. 32.


15: -     C-55/94, Slg. 1995, I-4165, Randnr. 37.


16: -     C-424/97, Slg. 2000, I-5123, Randnr. 57.


17: -     C-108/96, Slg. 2001, I-837.


18: -     Randnrn. 24 bis 26.


19: -     Zur Erörterung dieser Frage siehe insb. Troberg, P. in: Groeben-Thiesing-Ehlermann, Kommentar zum EU-EG-Vertrag, Nomos, 5. Auflage, Band 1, S. 1331 ff.


20: -    Urteil Mac Quen u. a., Randnrn. 28 bis 30.


21: -     Urteil Mac Quen u. a., Randnrn. 33 und 34.


22: -     Hervorhebung durch den Verfasser.


23: -     Hervorhebung durch den Verfasser.


24: -     Hervorhebung durch den Verfasser.


25: -     Hervorhebung durch den Verfasser.


26: -     Hervorhebung durch den Verfasser.


27: -     Hervorhebung durch den Verfasser.


28: -     Diese Bestimmung lautet wie folgt: „Der Versuch ist strafbar. Werbung gilt als Versuch.“