Language of document : ECLI:EU:C:2000:507

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ANTONIO SAGGIO

vom 26. September 2000 (1)

Rechtssache C-240/99

Försäkringsaktiebolag Skandia (publ)

(Vorabentscheidungsersuchen des schwedischen Regeringsrätt)

„Mehrwertsteuer - Sechste Richtlinie - Befreiungen - Versicherungsumsätze“

1.
    Das schwedische Regeringsrätt (Oberstes Verwaltungsgericht) hat mit Beschluss vom 10. Juni 1999 dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (im Folgenden: Sechste Richtlinie)(2) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Das Regeringsrätt möchte wissen, ob es einen Versicherungsumsatz im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie darstellt, wenn ein Versicherungsunternehmen sich verpflichtet, die Geschäftstätigkeit eines vollständig in seinem Besitz befindlichen Tochterunternehmens zu übernehmen.

Gemeinschaftsrecht

2.
    In der Sechsten Richtlinie ist die Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften über die Festsetzung der Bemessungsgrundlage vorgesehen. In Artikel 13 wird eine Reihe von Umsätzen genannt, die bei der Bestimmung dieser Berechnungsgrundlage außer Ansatz bleiben und damit von der Steuer befreit sind. Nach Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie sind u. a. von der Steuer befreit „die Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden“. Weder in Artikel 13 noch in einer anderen Bestimmung der Sechsten Richtlinie wird der Begriff der „Versicherungsumsätze“ definiert.

3.
    Für die vorliegende Rechtssache ist zudem Artikel 4 Absatz 4 Satz 2 der Sechsten Richtlinie über die Bestimmung der Steuerpflichtigen von Bedeutung. Nach dieser Vorschrift „steht es jedem Mitgliedstaat frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln“.

Innerstaatliches Recht

4.
    Artikel 13 der Sechsten Richtlinie wurde durch Kapitel 3 § 10 Mervärdesskattelagen (schwedisches Mehrwertsteuergesetz) umgesetzt. In der in der SFS(3) veröffentlichten Fassung bestimmt Kapitel 3 § 10, dass Versicherungsdienstleistungen von der Steuer befreit sind. Nach diesem Gesetz sind unter Versicherungsdienstleistungen Dienstleistungen zu verstehen, die eine Versicherungstätigkeit nach dem Försäkringsrörelselag (Gesetz über das Versicherungswesen) darstellen.

5.
    1998 wurden das schwedische Mehrwertsteuergesetz geändert und Bestimmungen über die steuerliche Eintragung von Gruppen eingefügt. In Umsetzung von Artikel 4 Absatz 4 Satz 2 der Sechsten Richtlinie bestimmt Kapitel 6a § 1 des genannten Gesetzes nunmehr, dass zwei oder mehr Wirtschaftsteilnehmer für die Zwecke der Mehrwertsteuer als ein Wirtschaftsteilnehmer angesehen werden können und dass in diesem Fall die vonder Gruppe ausgeübte Tätigkeit als einheitliche Tätigkeit anzusehen ist. Gemäß Kapitel 6a § 4 ist dies nur nach vorheriger Entscheidung der Steuerbehörden möglich, in der die Eintragung der Wirtschaftsteilnehmer als Gruppe genehmigt wird. Die wesentliche Folge dieser Eintragung besteht darin, dass Umsätze zwischen Unternehmen derselben Gruppe nicht der Steuer unterliegen.

6.
    Für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache ist auch von Belang, dass in Schweden seit 1951 die Möglichkeit besteht, einen bindenden Vorbescheid in Steuerangelegenheiten zu erhalten (Förhandsbeskedsinstitut). Über die Erteilung eines Vorbescheids in Mehrwertsteuerangelegenheiten entscheidet das Skatterättsnämnd (Steuerrechtsausschuss). Bis 1998 war das Nähere in Kapitel 21 des schwedischen Mehrwertsteuergesetzes und im Lag om förhandsbesked i taxeringsfrågor (Gesetz über den Vorbescheid in Steuerangelegenheiten) geregelt. Seit dem 1. Juli 1998 sind die einschlägigen Bestimmungen im Lag om förhandsbesked i skattefrågor (Gesetz über den Vorbescheid in Steuerangelegenheiten) zu finden.

7.
    In der vorliegenden Rechtssache sind jedoch die Bestimmungen des schwedischen Mehrwertsteuergesetzes anwendbar. Danach kann ein Betroffener einen Vorbescheid in Mehrwertsteuerangelegenheiten zu allen Fragen der Besteuerung beantragen, sofern sie unter Berücksichtigung der Interessen des Antragstellers für eine einheitliche Auslegung oder Anwendung des Gesetzes von Bedeutung sind. Gegen den Bescheid kann Klage beim Regeringsrätt erhoben werden.

Sachverhalt und Vorabentscheidungsfrage

8.
    Die Försäkringsaktiebolag Skandia (publ) (im Folgenden: Klägerin) ist ein Versicherungsunternehmen, das u. a. eine 100%ige Tochtergesellschaft, die Livförsäkringsaktiebolag Skandia (publ) (im Folgenden: Livbolag), besitzt.

9.
    Die Livbolag ist im Lebensversicherungsgeschäft, u. a. auf dem Gebiet der Renten- und Kapitalversicherungen tätig. Zusammen mit der Klägerin hat sie die Möglichkeit geprüft, ihre Versicherungstätigkeit im weiteren Sinne in einer Gesellschaft gemeinsam auszuüben. Sie haben also erwogen, das Personal und die Funktionen der Livbolag auf die Klägerin zu übertragen, um die Letztgenannte in der Praxis die gesamte Tätigkeit des kontrollierten Unternehmens ausüben zu lassen. Wie aus den von der Klägerin eingereichten Erklärungen hervorgeht, sollte diese Tätigkeit im Wesentlichen im Vertrieb von Versicherungsprodukten, der Schadenabwicklung, in versicherungsmathematischen Berechnungen und in der Kapitalverwaltung bestehen. Als Gegenleistung für die erbrachten Dienstleistungen sollte die Klägerin eine marktübliche Vergütung erhalten. Es ist jedoch hinzuzufügen, dass die Klägerin, wie sie in ihren Erklärungen ausdrücklich bestätigt, kein mit der Versicherungstätigkeit in Zusammenhang stehendes Risiko übernehmen sollte. Alle Risiken sollten im vollen Umfang bei der Livbolagverbleiben, die weiterhin als Versicherer im Sinne des schwedischen Zivilrechts handeln sollte.

10.
    Im Hinblick auf dieses Vorhaben wandte sich die Klägerin 1996 an den Steuerrechtsausschuss und beantragte einen Vorbescheid über die Frage, ob die Verpflichtung zur Übernahme der Tätigkeit der Livbolag als Versicherungsdienstleistung gemäß Kapitel 3 § 10 des schwedischen Mehrwertsteuergesetzes anzusehen und somit wie jene von der Mehrwertsteuer befreit sei.

11.
    In der Zwischenzeit begannen die beiden Versicherungsunternehmen ausweislich der von der Klägerin eingereichten Erklärungen, eine Teilumstrukturierung der entsprechenden Tätigkeiten vorzunehmen und bestimmte, insbesondere die Kapitalverwaltung betreffende Funktionen von der Livbolag auf die Klägerin zu übertragen. Dies führte zur Zahlung von Mehrwertsteuer in Höhe von 20 Millionen Schwedischen Kronen.

12.
    Am 15. Januar 1996 erließ der Steuerrechtsausschuss einen ablehnenden Bescheid, gegen den die Klägerin Klage beim Regeringsrätt erhob; sie stützte sich dabei auf einen früheren Bescheid der Finansinspektion, nach dem die Tätigkeit, zu deren Ausübung sich die Klägerin gegenüber der Livbolag verpflichten wolle, im Sinne der einschlägigen schwedischen Rechtsvorschriften als Versicherungstätigkeit anzusehen sei.

13.
    Mit Urteil vom 16. Juni 1997 wies das Regeringsrätt die Klage ab und führte u. a. aus, die Befreiung gemäß Kapitel 3 § 10 des schwedischen Mehrwertsteuergesetzes gelte für Versicherungsdienstleistungen im engeren Sinne, also Leistungen, die ein Versicherer unmittelbar dem Versicherten erbringe, und nicht etwa EDV-Dienstleistungen, die eine Tochtergesellschaft einem Versicherungsunternehmen erbringe. In diesem Urteil wird zudem ausgeführt, dass der in Artikel 13 der Sechsten Richtlinie verwendete Begriff durch die ausdrückliche Bezugnahme auf „Versicherungsumsätze“ daran denken lasse, dass die vorgesehene Ausnahme auf den Versicherten erbrachte Dienstleistungen zu beschränken sei und daher solche Formen der Zusammenarbeit, wie sie zwischen der Klägerin und der Livbolag beabsichtigt seien, nicht umfassen könne.

14.
    Die Klägerin stellte beim Regeringsrätt Antrag auf Wiederaufnahme des mit diesem Urteil abgeschlossenen Verfahrens. Dieser Antrag stützte sich auf das Urteil des Gerichtshofes vom 5. Juni 1997 in der Rechtssache C-2/95(4), in dem festgestellt worden sei, dass die Befreiung bestimmter Bankgeschäfte gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummern 3 bis 5 der Sechsten Richtlinie nicht davon abhänge, dass diese Geschäfte von einer bestimmten Art von Einrichtung getätigt würden und dass diese in einer rechtlichen Beziehung zum Endkunden stehe. ImLicht dessen trug die Klägerin vor, das Urteil des Regeringsrätt stehe in Widerspruch zur Sechsten Richtlinie wie sie der Gerichtshof ausgelegt habe und sei daher fehlerhaft. Dementsprechend beantragte sie, sowohl den Vorbescheid als auch das Urteil abzuändern und festzustellen, dass die Tätigkeit, zu deren Ausübung sich die Klägerin verpflichten wolle, eine von der Mehrwertsteuer befreite Versicherungsdienstleistung sei.

15.
    In der Zwischenzeit erfolgte eine Änderung des schwedischen Mehrwertsteuergesetzes in Bezug auf die Eintragung von Gruppen(5). Im Anschluss daran kamen die Klägerin und die Livbolag überein, eine Unternehmensgruppe zu bilden, die am 27. Januar 1999 mit - für die Zwecke der Mehrwertsteuer - Wirkung vom 1. Januar 1999 eingetragen wurde. In dieser Gruppe ist die Klägerin das führende Unternehmen.

16.
    Obwohl die Umsätze zwischen der Klägerin und der Livbolag, die nach dem Urteil vom 16. Juni 1997 mehrwertsteuerpflichtig waren, im Anschluss an die Eintragung der Gruppe fortan tatsächlich befreit sind, geht das Regeringsrätt davon aus, dass der von der Klägerin gestellte Wiederaufnahmeantrag nicht überholt sei. Zum einen beruhe die infolge der Eintragung als Gruppe gewährte Befreiung nicht auf den Vorschriften, die im schwedischen Recht Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie entsprächen. Zum anderen komme diese Befreiung anders als die nach der genannten Bestimmung nicht ohne weiteres zur Anwendung, sondern nur als Folge einer Eintragung, die die Genehmigung der Finanzbehörden erfordere. Daher ist das Regeringsrätt der Auffassung, dass die Frage, um die es im Ausgangsverfahren gehe, gleichwohl im Licht des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie zu prüfen sei. Da jedoch nach der zuvor angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht klar sei, ob die Verpflichtung, die die Klägerin gegenüber der Livbolag übernehmen möchte, unter den Begriff des Versicherungsumsatzes gemäß dieser Bestimmung falle, hat das Regeringsrätt dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt eine Verpflichtung - der von der Klägerin beschriebenen Art - eines Versicherungsunternehmens, die Tätigkeit eines vollständig in seinem Besitz befindlichen Versicherungsunternehmens zu übernehmen, einen Versicherungsumsatz im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie dar?

Vorabentscheidungsfrage

17.
    Ich halte zunächst eine kurze Vorbemerkung für angebracht. Wie erwähnt(6), unterliegen die Umsätze zwischen der Klägerin und der Livbolag seit dem 1. Januar 1999 nicht mehr der Mehrwertsteuer, da sie zwischen Unternehmen abgewickeltwerden, die zu einer eingetragenen Gruppe im Sinne von Kapitel 6a § 1 des schwedischen Mehrwertsteuergesetzes gehören. Ich bin jedoch mit dem vorlegenden Gericht und auch der Kommission der Meinung, dass das an der Berechtigung der Vorabentscheidungsfrage nichts ändert. Der Gerichtshof hat nämlich zu entscheiden, ob die betreffende Tätigkeit unter den Begriff der Versicherungsumsätze gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie fällt, ob die Mehrwertsteuerbefreiung sich als ein Recht darstellt, das sich unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt, und ob daher ihre Gewährung nicht in das Ermessen der innerstaatlichen Finanzbehörden gestellt werden darf(7). Zudem erfolgte, worauf die Klägerin in ihren Erklärungen hinweist, die Eintragung der Gruppe für die Zwecke der Mehrwertbesteuerung mit Wirkung vom 1. Januar 1999, während eine Befreiung dieser Tätigkeit auf der Grundlage von Artikel 13 Teil B Buchstabe a es dem Unternehmen erlaubte, die Erstattung der Steuer zu beantragen, die es für Umsätze vor diesem Zeitpunkt bereits entrichtet hat(8). Im Ergebnis bin ich daher der Meinung, dass die Äußerung des Gerichtshofes auf jeden Fall erforderlich ist, um die genaue Tragweite der den Einzelnen im konkreten Fall verliehenen Rechte klar und eindeutig zu bestimmen und die Rechtssicherheit zu gewährleisten(9).

18.
    Mit seiner Vorabentscheidungsfrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Tätigkeit, zu deren Ausübung sich die Klägerin gegenüber der Livbolag verpflichtet hat, in den Anwendungsbereich des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie fällt und somit als von der Mehrwertsteuer befreit anzusehen ist.

19.
    Zunächst ist zu unterstreichen, dass es bei der vom nationalen Gericht vorgelegten Frage ausschließlich um den Begriff der „Versicherungstätigkeiten“ geht. Keiner der Beteiligten hat behauptet, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tätigkeit unter die anderen in dieser Bestimmung genannten Arten fällt. Da die Klägerin, wie sie selbst erklärt hat, in der Praxis die Tätigkeit der Livbolag ausüben möchte, ohne jedoch ein Risiko zu übernehmen, kann diese Tätigkeit vor allem nicht als „Rückversicherung“ betrachtet werden. Denn nach allgemeinem Verständnis sichert sich mit einem solchen Vertrag ein Versicherer seinerseits gegen das Risiko, die in einem mit seinem Kunden geschlossenen Vertrag vorgesehene Leistung zahlen zu müssen. Daher übernimmt der Rückversicherer, wenn auch nur mittelbar, z. T. Risiken, die ursprünglich nur auf dem Versichererlasteten. Weiter kann die Tätigkeit, von der hier die Rede ist, auch nicht unter die „... zu [Versicherungsumsätzen] gehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden“, fallen. Im vorliegenden Fall kann die Klägerin nämlich nicht als Versicherungsmakler oder -vertreter angesehen werden, da sie nicht zu den Versicherten in Beziehung tritt, die, mit allen Auswirkungen, Kunden der Livbolag bleiben(10).

20.
    Was den Begriff der „Versicherungstätigkeiten“ angeht, so macht die Klägerin hauptsächlich geltend, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere aus dem Urteil CPP(11), gehe hervor, dass dieser Begriff mangels einer Definition für die Zwecke der Mehrwertbesteuerung den einschlägigen gemeinschaftlichen Vorschriften in den so genannten „Versicherungsrichtlinien“(12) zu entnehmen sei, und zwar deshalb, weil es in dem angeführten Urteil heißt, dass es „keinen Grund [gibt], den Begriff .Versicherung' in der Sechsten Richtlinie anders als in den Versicherungsrichtlinien zu verstehen“(13). Hiervon ausgehend verweist die Klägerin auf den von der Finansinspektion(14) erteilten Bescheid, nach dem die Dienstleistungen, die sie der Livbolag erbringen wolle, einen Versicherungsumsatz im Sinne des schwedischen Gesetzes über die Ausübung von Versicherungstätigkeiten darstellten, und folgert daraus, dass die streitige Tätigkeit, da es sich bei diesem Gesetz um die Umsetzung der Gemeinschaftsrichtlinien in dienationale Rechtsordnung handele, nach Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie als von der Mehrwertsteuer befreit anzusehen sei.

21.
    Zweitens trägt die Klägerin vor, dass Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 73/239/EWG über Versicherungen in der durch Artikel 6 der Richtlinie 92/49/EWG(15) geänderten Fassung die Unternehmen, die in diesem Sektor tätig werden wollten, verpflichte, ihren Gesellschaftszweck (d. h. die Tätigkeit, zu deren Ausübung sie offiziell gegründet worden sind) unter Ausschluss jeder anderen Geschäftstätigkeit auf die Versicherungstätigkeit und auf solche Geschäfte zu beschränken, die unmittelbar hiermit in Zusammenhang stünden. Daraus folge, dass ein Versicherungsunternehmen ausschließlich eine Versicherungstätigkeit ausüben dürfe und dass daher alle von ihm getätigten Umsätze zwangsläufig Versicherungsumsätze darstellten. Im Hinblick darauf also, dass der Versicherungsbegriff für die Mehrwertbesteuerung die gleiche Bedeutung haben müsse wie im Allgemeinen, gelangt die Klägerin zu dem Ergebnis, dass ein in diesem Sektor tätiges Unternehmen seinem Wesen nach gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit sein müsse.

22.
    Wenn der Begriff „Versicherungsumsätze“ in der Sechsten Richtlinie auch zweifelsfrei grundsätzlich im Licht der einschlägigen Gemeinschaftsrichtlinien auszulegen ist, kann ich der Klägerin doch nicht folgen. Beim ersten Argument stützt sie sich ausschließlich auf den Bescheid der Finansinspektion über die Subsumtion der in Rede stehenden Tätigkeit unter das innerstaatliche Versicherungsrecht. Auch wenn es sich dabei um die Umsetzung der Gemeinschaftsrichtlinien in das schwedische Recht handelt, so kann dem Bescheid einer nationalen Behörde für die vom vorlegenden Gericht gestellte Vorabentscheidungsfrage keine Bedeutung zukommen.

23.
    Auch das zweite Argument, die in den „Versicherungsrichtlinien“ für die in diesem Sektor tätigen Unternehmen geregelte Beschränkung des Gesellschaftszwecks, greift meiner Ansicht nach nicht durch, da es auf falschen Prämissen beruht. Diese Beschränkung soll nämlich verhindern, dass eine beliebige Diversifizierung der Tätigkeiten die Risiken des Unternehmens vergrößert und so die Zahlungsfähigkeit gegenüber den Versicherten gefährdet(16). Hingegen sind sämtliche in Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen nach mittlerweile gefestigter Gemeinschaftsrechtsprechung autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die in den Gesamtzusammenhang desMehrwertsteuersystems(17) einzufügen sind. Das bedeutet, dass der Inhalt dieser Bestimmung anhand von Artikel 33 der Sechsten Richtlinie auszulegen ist, wonach die Mitgliedstaaten befugt sind, Abgaben auf Versicherungsverträge beizubehalten oder einzuführen(18). Mit der Befreiung soll daher verhindert werden, dass der Versicherte wegen einer einheitlichen Tätigkeit einer mehrfachen Belastung - Mehrwertsteuer und andere mögliche Abgaben - ausgesetzt werden kann(19).

Daher lässt sich der Beschränkung des Gesellschaftszwecks nach den Versicherungsrichtlinien nicht allgemein entnehmen, dass ein in diesem Sektor tätiges Unternehmen ausschließlich Versicherungsumsätze tätigt. Diese Beschränkung kann schon gar nicht für eine Auslegung des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie dahin herangezogen werden, dass Versicherungsunternehmen allgemein und automatisch befreit seien. Eine solche Auslegung ginge weit über den Grund für die Befreiung hinaus, zu verhindern, dass für die gleiche Tätigkeit mehrere Abgaben entrichtet werden müssen.

24.
    Ich bin der Meinung, dass für die Beantwortung der vom vorlegenden Gericht gestellten Frage auf das Urteil CPP von 1999 Bezug zu nehmen ist. In diesem Urteil hat der Gerichtshof ausgeführt, dass „es nach allgemeinem Verständnis das Wesen eines Versicherungsumsatzes [ist], dass der Versicherer sich verpflichtet, dem Versicherten gegen vorherige Zahlung einer Prämie beim Eintritt des Versicherungsfalls die bei Vertragsschluss vereinbarte Leistung zu erbringen“(20). Im selben Urteil heißt es weiter, dass in erster Linie „[d]ie Leistung, zu deren Erbringung im Versicherungsfall der Versicherer sich verpflichtet, ... nicht in der Zahlung eines Geldbetrags [zu bestehen braucht], sondern ... auch in Beistandsleistungen entweder durch Geldzahlung oder Sachleistungen bestehen [kann]“, und dass „der Ausdruck .Versicherungsumsätze' grundsätzlich weit genug [ist], um die Gewährung von Versicherungsschutz durch einen Steuerpflichtigen zu umfassen, der nicht selbst der Versicherer ist, der aber ... seinen Kunden einen solchen Schutz durch Inanspruchnahme der Leistungen eines Versicherers, der das versicherte Risiko zu decken übernimmt, verschafft“(21).

25.
    Aus diesen Feststellungen geht klar hervor, dass nach Auffassung des Gerichtshofes Leistungsgegenstand und -empfänger Versicherungsdienstleistungen kennzeichnen, dass, anders ausgedrückt, zwischen demjenigen, der die Deckung eines Risikos anbietet (er kann Versicherer im Rechtssinne oder einfach derjenige sein, der für eine solche Deckung sorgt), und dem Versicherten, d. h. demjenigen, dessen Risiken Vertragsgegenstand sind, eine rechtliche Beziehung bestehen muss, damit von einem Versicherungsumsatz gesprochen werden kann.

26.
    Zwar hat der Gerichtshof, wie die Klägerin vorträgt(22), im Urteil SDC ausgeführt, dass es im Hinblick auf Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummern 3 und 5 der Sechsten Richtlinie für die Anwendung der Steuerbefreiung nicht auf die Identität des Dienstleistungsempfängers ankomme. Allerdings waren in jener Rechtssache die Umstände andere. Wie der Wortlaut der damals in Rede stehenden Bestimmung klar zeigt, ging es um die in der Sechsten Richtlinie vorgesehene Befreiung einer ganzen Reihe von Umsätzen, die sich auf bestimmte Bankgeschäfte „beziehen“. Dies erlaubte eine weite Auslegung der betreffenden Bestimmungen, die unterschiedliche Arten von Umsätzen erfassen sollte. In der vorliegenden Rechtssache betrifft die Befreiung hingegen ausschließlich Versicherungsumsätze. Unter Berücksichtigung dessen, dass nach inzwischen ständiger Rechtsprechung „die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Artikel 13 der [Sechsten] Richtlinie umschrieben sind, eng auszulegen [sind], da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, daß jede Dienstleistung ... der Umsatzsteuer unterliegt“(23), bin ich daher der Meinung, dass es für die Bestimmung der Versicherungsumsätze entscheidend auf den Leistungsempfänger ankommt, so dass die vom Gerichtshof im Urteil SDC entwickelten Kriterien im vorliegenden Fall nicht anwendbar sind.

Eine Bestätigung findet sich darin, dass Artikel 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie die Befreiung ausdrücklich auf die zur Versicherung „... gehörigen“ Umsätze, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden, beschränkt. Müsste die Auslegung des Begriffes „Versicherungsumsätze“ den im Urteil SDC aufgestellten Grundsätzen folgen, würde sich der Begriff der Versicherungsumsätze praktisch nicht mehr von dem des dazugehörigen Umsatzes unterscheiden, was dazu führte, dass der Präzisierung in dieser Bestimmung kein Regelungsgehalt zukäme.

27.
    Im vorliegenden Fall ist es offensichtlich Sache des vorlegenden Gerichts, das über die bessere Kenntnis der Umstände des Einzelfalls verfügt, festzustellen, ob die Verpflichtung, die die Klägerin gegenüber der Livbolag eingehen wollte,unter den Begriff „Versicherungsumsätze“ fällt. Ich teile dabei die Ansicht der Kommission und der schwedischen Regierung, dass die Frage zu verneinen sei. Die Dienstleistungen, die die Klägerin der Livbolag zu erbringen sich verpflichten will, weisen keines der vorstehend genannten Merkmale auf, da sie nicht die Deckung des Risikos umfassen und nicht an die Versicherten gerichtet sind. Sie bestehen aus Verwaltungstätigkeiten, die ausschließlich die Beziehung zwischen den beiden Versicherungsunternehmen betreffen. Die ausgeübte Tätigkeit der Klägerin lässt daher das Versicherungsverhältnis völlig unberührt und kann allenfalls unter den Begriff der zu Versicherungsumsätzen gehörigen Dienstleistungen subsumiert werden. Wie ich jedoch bereits ausgeführt habe(24), sind derartige Dienstleistungen nur dann von der Steuer befreit, wenn sie von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden, während die Klägerin zu keiner der beiden Gruppen gehört. Im Endergebnis ist damit die in Rede stehende Tätigkeit, auch im Hinblick darauf, dass sie marktüblich vergütet werden soll, als eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie anzusehen und somit der Mehrwertsteuer unterworfen(25).

28.
    Es bleibt mir noch, zu einem Hilfsvorbringen der Klägerin Stellung zu nehmen. Sie führt aus, die Dienstleistung, die sie der Livbolag erbringen wolle, sei eine aus verschiedenen Diensten bestehende unteilbare Pauschalleistung, deren Hauptbestandteil ein Versicherungsumsatz sei, während der Rest Nebenleistungen seien. In den Erklärungen der Klägerin wird zudem ausgeführt, aus dem Urteil CPP(26) gehe hervor, dass im Fall von Pauschalleistungen auf die Nebenleistungen die gleichen steuerlichen Vorschriften anzuwenden seien wie auf die Hauptleistung. Deshalb sie die betreffende Tätigkeit insgesamt als von der Mehrwertsteuer befreit anzusehen. Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Nach den vorstehenden Erwägungen sind in der Tätigkeit, die die Klägerin für die Livbolag ausüben möchte, keine Leistungen erkennbar, die als „Versicherungsumsätze“ im Sinne der Sechsten Richtlinie betrachtet werden könnten.

Ergebnis

Aus den dargelegten Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Regeringsrätt vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Die Verpflichtung eines Versicherungsunternehmens, die Tätigkeit eines vollständig in seinem Besitz befindlichen Versicherungsunternehmens zu übernehmen, stellt keinen Versicherungsumsatz im Sinne des Artikels 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie dar.


1: Originalsprache: Italienisch.


2: -     ABl. L 145, S. 1.


3: -     Svensk Författningssamling (Amtliche Sammlung von Gesetzen, Erlassen und Verordnungen) (1988:300).


4: -     SDC (Slg. 1997, I-3017).


5: -     Vgl. hierzu Nr. 5 der vorliegenden Schlussanträge.


6: -     Vgl. Nr. 14 der vorliegenden Schlussanträge.


7: -     Vgl. hierzu u. a. Urteil vom 20. April 1999 in der Rechtssache C-241/97 (Försäkringsaktiebolaget Skandia, Slg. 1999, I-1879, Randnr. 50).


8: -     Vgl. Nr. 11 der vorliegenden Schlussanträge.


9: -     Vgl. u. a. Urteil vom 23. Mai 1985 in der Rechtssache 29/84 (Kommission/Deutschland, Slg. 1985, I-1661, Randnr. 23). Vgl. außerdem Urteile vom 30. Mai 1991 in der Rechtssache 361/88 (Kommission/Deutschland, Slg. 1991, I-2567, Randnr. 24) und vom 13. März 1997 in der Rechtssache C-197/96 (Kommission/Frankreich, Slg. 1997, I-1489, Randnr. 15).


10: -    Für den Begriff des Versicherungsmaklers und -vertreters lässt sich auf die Richtlinie 77/92/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 über Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die Tätigkeiten des Versicherungsagenten und des Versicherungsmaklers (aus ISIC-Gruppe 630), insbesondere Übergangsmaßnahmen für solche Tätigkeiten (ABl. L 26, S. 14), sowie auf die Empfehlung 92/48/EWG der Kommission vom 18. Dezember 1991 über Versicherungsvermittler (ABl. L 19, S. 32) verweisen. Aus ihnen geht hervor, dass die Makler und die Vermittler im Allgemeinen eine berufliche Tätigkeit ausüben, die darin besteht, Interessenten und Versicherungsunternehmen zum Zweck des Abschlusses von Versicherungsverträgen miteinander in Verbindung zu bringen oder die Öffentlichkeit mit Versicherungsprodukten bekannt zu machen oder auch Prämien einzuziehen. In allen Fällen tritt jedoch deutlich zu Tage, dass ein wesentliches Merkmal dieser Tätigkeiten darin besteht, eine unmittelbare Beziehung zu den Versicherten herzustellen.


11: -     Urteil vom 25. Februar 1999 in der Rechtssache C-349/96 (Slg. 1999, I-973).


12: -     Dabei handelt es sich um folgende Richtlinien: a) Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) (ABl. L 228, S. 3); b) Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung) (ABl. L 63, S. 1); c) Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG (Dritte Richtlinie Schadenversicherung) (ABl. L 228, S. 1).


13: -     Urteil CPP, Randnummer 18.


14: -     Vgl. Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge.


15: -     Beide bereits zitiert.


16: -     Vgl. dazu die Ausführungen von Generalanwalt Alber in den Schlussanträgen vom 29. September 1999 in der Rechtssache C-239/98 (Kommission/Frankreich, Slg. 1999, I-8936, Nr. 2).


17: -     Vgl. hierzu Urteil vom 26. März 1987 in der Rechtssache 235/85 (Kommission/Niederlande, Slg. 1987, 1471, Randnr. 18).


18: -     Wörtlich heißt es in Artikel 33 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie in der durch die Richtlinie 91/680/EWG (ABl. L 376, S. 1) geänderten Fassung: „Unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen, insbesondere der geltenden Gemeinschaftsbestimmungen über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge ... beizubehalten oder einzuführen“.


19: -     Urteil CPP, Randnr. 22.


20: -     Urteil CPP, Randnr. 17.


21: -     Urteil CPP, Randnrn. 18 und 22.


22: -     Vgl. Nr. 14 der vorliegenden Schlussanträge.


23: -     Urteil vom 12. November 1998 in der Rechtssache C-149/97 (Institute of the Motor Industry, Slg. 1998, I-7053, Randnr. 17). Vgl. auch Urteile vom 12. Februar 1998 in der Rechtssache C-346/95 (Blasi, Slg. 1998, I-481, Randnr. 18) und vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-453/93 (Bulthuis-Griffioen, Slg. 1995, I-2341, Randnr. 19).


24: -     Vgl. Nr. 19 der vorliegenden Schlussanträge.


25: -     Zu diesem Begriff vgl. u.a. Urteil SDC, Randnr. 45.


26: -     Randnr. 30.