Language of document : ECLI:EU:C:2002:403

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PHILIPPE LEGER

vom 27. Juni 2002(1)

Rechtssache C-14/01

Molkerei Wagenfeld Karl Niemann GmbH & Co. KG

gegen

Bezirksregierung Hannover

(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Hannover)

„Gemeinsame Marktorganisation - Milch und Milcherzeugnisse - Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 2799/1999 - Zuständigkeit - Vertrauensschutz - Gleichbehandlung“

1.
    Mit seiner Vorlagefrage ersucht das Verwaltungsgericht Hannover (Deutschland) den Gerichtshof, die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 2799/1999(2) und ihrer Anhänge mit Blick auf die Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1255/1999(3), 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere den Grundsatz des Vertrauensschutzes, zu prüfen.

Rechtlicher Rahmen

2.
    Artikel 34 Absatz 2 EG lautet:

„Die nach Absatz 1 gestaltete gemeinsame Organisation kann alle zur Durchführung des Artikels 33 erforderlichen Maßnahmen einschließen, insbesondere Preisregelungen, Beihilfen für die Erzeugung und die Verteilung der verschiedenen Erzeugnisse, Einlagerungs- und Ausgleichsmaßnahmen, gemeinsame Einrichtungen zur Stabilisierung der Ein- oder Ausfuhr.

Die gemeinsame Organisation hat sich auf die Verfolgung der Ziele des Artikels 33 zu beschränken und jede Diskriminierung zwischen Erzeugern und Verbrauchern innerhalb der Gemeinschaft auszuschließen.

...“

3.
    Der rechtliche Rahmen besteht auch aus den Verordnungen Nrn. 1255/1999 und 2799/1999.

Die Verordnung Nr. 1255/1999

4.
    Die Verordnung Nr. 1255/1999 ist die Grundverordnung. Sie enthält die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse. Unter ihren Zielen sieht diese Verordnung eine Regelung von Beihilfen und der Förderung des Verbrauchs von Milch und Milcherzeugnissen in der Gemeinschaft vor(4).

5.
    Artikel 11 der Verordnung Nr. 1255/1999 bestimmt:

„(1)    Für Magermilch und Magermilchpulver, die für Futterzwecke verwendet werden und gewisse Bedingungen erfüllen, werden Beihilfen gewährt.

    Der Magermilch und dem Magermilchpulver im Sinne dieses Artikels sind Buttermilch und Buttermilchpulver gleichgestellt.

(2)    Bei der Festsetzung der Beihilfebeträge wird folgendes berücksichtigt:

    -     der Interventionspreis für Magermilchpulver,

    -    die Entwicklung der Versorgungslage bei Magermilch und Magermilchpulver sowie ihrer Verwendung für Futterzwecke,

    -     die Entwicklung der Kälberpreise,

    -     die Entwicklung des Marktpreises konkurrierender Eiweißstoffe im Vergleich zu dem für Magermilchpulver.“

6.
    Artikel 15 dieser Verordnung sieht vor:

„Nach dem Verfahren des Artikels 42[(5)] wird Folgendes festgelegt:

a)    die Durchführungsbestimmungen zu diesem Kapitel und insbesondere die Bedingungen für die Gewährung der in diesem Kapitel genannten Beihilfen,

b)    die Beihilfebeträge im Sinne dieses Kapitels,

(...)

d)     die sonstigen Beschlüsse und Maßnahmen, welche die Kommission gemäß diesem Kapitel fassen bzw. erlassen kann.“

Die Verordnung Nr. 2799/1999

7.
    Die Verordnung Nr. 2799/1999 betrifft die Beihilferegelung für Magermilch und Milchpulver, die zur Verarbeitung und Verwendung in der Tierfütterung bestimmt sind.

8.
    Diese Verordnung ist die Durchführungsverordnung zur Verordnung Nr. 1255/1999. Sie enthält die Durchführungsvorschriften zu dieser hinsichtlich der Beihilfegewährung für Magermilch und Milchpulver für Futterzwecke(6).

9.
    Die dritte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2799/1999 führt deren Ziele näher aus. Danach

„muss sichergestellt werden, dass die Magermilch und das Magermilchpulver, für die Beihilfen gewährt werden, tatsächlich als Tierfutter verwendet werden. Zu diesem Zweck ist festzulegen, dass die Beihilfegewährung auf Magermilch oder Magermilchpulver beschränkt ist, die bzw. das unter bestimmten Voraussetzungen zu Mischfutter verarbeitet oder denaturiert wird. Außerdem sind geeignete Maßnahmen zur Vermeidung einer mehrmaligen Zahlung der Beihilfe für dasselbe Erzeugnis erforderlich.“

10.
    In der elften Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2799/1999 vertritt die Kommission die Auffassung, dass es angezeigt sei, die in der Verordnung (EWG) Nr. 1105/68(7) vorgesehene Beihilfe für Magermilch aus den folgenden Gründen aufzuheben. Zunächst habe die Gewährung von Beihilfen für Magermilch zahlreiche Schwierigkeiten insbesondere in Bezug auf die Kontrolle der Beihilfeempfänger bereitet. Sodann wirke sich diese Beihilferegelung auf das Gleichgewicht des Milchmarktes wegen des starken Rückgangs der Magermilcherzeugung nur marginal aus. Schließlich sei die Stützung des Magermilchmarktes weiterhin durch die Beihilfe für die Verarbeitung von Magermilch zu Mischfutter erhalten.

11.
    Kapitel IV - Übergangs- und Schlussbestimmungen - der Verordnung Nr. 2799/1999 enthält Artikel 36, der die Aufhebung der Verordnung Nr. 1105/68 ausdrücklich vorsieht.

12.
    Artikel 38 der Verordnung Nr. 2799/1999 führt näher aus, dass diese am 1. Januar 2000 in Kraft tritt und dass „sie ... nur für die ab diesem Zeitpunkt zu Mischfutter oder zu denaturiertem Magermilchpulver verarbeiteten Magermilch- und Magermilchpulvermengen [gilt]“.

Sachverhalt und Ausgangsverfahren

13.
    Am 8. Januar 2000 stellte die Molkerei Wagenfeld Karl Niemann GmbH & Co. KG(8), eine private Molkerei, bei der Bezirksregierung Hannover (Deutschland) einen Antrag auf Gewährung von Beihilfe für Magermilch für Futterzwecke. Dieser Antrag bezog sich auf den Monat Januar 2000 und betraf in diesem Zeitraum eine Magermilchmenge von 6 695 kg. Der beantragte Beihilfebetrag betrug 759,47 DM.

14.
    Durch Bescheid vom 13. Januar 2000 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, dass die Verordnung Nr. 2799/1999 nur die Beihilfen zugunsten von Magermilchpulver beibehalten habe und sie für Magermilch aufgehoben habe(9).

15.
    Gegen diesen ablehnenden Bescheid erhob die Klägerin am 21. Januar 2000 Widerspruch. Sie bestritt die Gültigkeit der seit dem 1. Januar 2000 in Kraft befindlichen Verordnung Nr. 2799/1999 und brachte dafür vor,

-    die Verordnung Nr. 2799/1999 verstoße gegen das Diskriminierungsverbot des Artikels 34 Absatz 2 EG, da sie Magermilchpulver von Magermilch unterscheide, obwohl es sich um das gleiche Erzeugnis handele;

-    die Kommission sei nicht zur Aufhebung der Subventionsgewährung für Magermilch ermächtigt gewesen, da die Verordnung Nr. 1255/1999 Beihilfen sowohl für Magermilchpulver als auch für Magermilch vorsehe;

-    die kurzfristige Aufhebung von Subventionen verstoße gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Da die Verordnung Nr. 2799/1999 erst am 31. Dezember 1999 veröffentlicht worden sei, hätten die Erzeuger keine Möglichkeit gehabt, sich auf sie einzustellen.

16.
    Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2000 wies die Bezirksregierung Hannover den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13. Januar 2000 zurück. Sie führte aus, dass sie verpflichtet sei, die Verordnung Nr. 2799/1999 anzuwenden.

17.
    Am 13. März 2000 erhob die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Hannover. Sie ersuchte das nationale Gericht, sich zur Gültigkeit der Verordnung Nr. 2799/1999 im Hinblick auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, auf Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1255/1999 und auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu äußern.

Die Vorlagefrage

18.
    Das Verwaltungsgericht Hannover hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Verstößt die Verordnung (EG) Nr. 2799/1999 in Verbindung mit ihren Anhängen insoweit gegen

a)    Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1255/1999,

b)    Artikel 34 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG und

c)    die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Europäischen Gemeinschaft und den Grundsatz des Vertrauensschutzes,

als sie die Gewährung von Beihilfen für Magermilch und Buttermilch zur Flüssigverfütterung ohne vorherige Verarbeitung zu Mischfutter oder Magermilchpulver und ohne Übergangsfrist ausschließt, und ist sie deshalb (teilweise) nichtig?

Würdigung

19.
    Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof erstens wissen, ob die Kommission die Grenzen, die der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnis immanent sind, bei der Umsetzung der Verordnung Nr. 1255/1999 überschritten hat, indem sie die Beihilfen für Magermilch und Buttermilch zur Flüssigverfütterung aufgehoben hat, zweitens, ob diese Aufhebung gegen das Diskriminierungsverbot verstößt, und drittens, ob diese Aufhebung auch gegen die allgemeinen Rechtsgrundsätze und den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstößt.

Zur Durchführungsbefugnis der Kommission bei der Umsetzung der Verordnung Nr. 1255/1999

20.
    In ihren schriftlichen Erklärungen meint die Klägerin, dass die Durchführungsbefugnis der Kommission im Rahmen bestimmter, von der Gemeinschaftsrechtsprechung entwickelter Grenzen auszuüben sei. Die Befugnisse der Kommission seien nach den Hauptzielen der Organisation der Agrarmärkte zu beurteilen, wie der Rat sie in der Verordnung Nr. 1255/1999 festgelegt habe. Der Rat habe eine Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse zu dem Zweck der Stützung des Marktes sowohl für Milch als auch für Milchpulver errichtet. Indem die Beihilfen für Magermilch und Buttermilch in der Verordnung Nr. 2799/1999 aufgehoben würden, habe die Kommission den Geltungsbereich dieser Marktorganisation geändert und damit gegen die Verordnung Nr. 1255/1999 verstoßen.

21.
    Hiergegen bringt die Kommission vor, die Verordnung Nr. 1255/1999 verleihe ihr die Befugnis, die Subventionierung der zur Verfütterung bestimmten Milch davon abhängig zu machen, dass diese als Pulver oder als Bestandteil von Mischfutter verwendet werden. Der Rat sei dafür zuständig, die wesentlichen Vorschriften im Bereich der Agrarpolitik zu erlassen, und sie selbst habe die Aufgabe, die Durchführungsvorschriften zu erlassen. Die an die Kommission übertragene Befugnis sei daher weit auszulegen.

22.
    In dieser Rechtssache stellt sich die Frage, ob es gegen die Verordnung Nr. 1255/1999 verstößt, wenn die Beihilfegewährung davon abhängig gemacht wird, dass die zur Verfütterung bestimmte Magermilch zunächst zu Mischfutter oder Milchpulver verarbeitet wird.

23.
    Um auf das gesamte Vorbringen der Parteien zu antworten, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof der Auffassung ist, dass zur Beurteilung der Reichweite der Durchführungsbefugnis der Kommission im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik auf den Gesamtzusammenhang des EG-Vertrags Bezug zu nehmen ist, in den Artikel 211 EG(10) gestellt werden muss und aus dem sich ergibt, dass der Begriff Durchführung weit auszulegen ist. Nur die Kommission ist in der Lage, die Entwicklung der Agrarmärkte ständig und aufmerksam zu verfolgen und mit der jeweils gebotenen Schnelligkeit zu handeln, so dass sich der Rat veranlasst sehen kann, ihr in diesem Bereich weitgehende Beurteilungs- und Handlungsbefugnisse zu übertragen. In diesem Fall sind die Grenzen dieser Zuständigkeit nach den allgemeinen Hauptzielen der Marktorganisation zu beurteilen(11).

24.
    Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof zwischen wesentlichen, der Zuständigkeit des Rates vorbehaltenen und solchen Vorschriften unterscheidet, deren Erlass, da sie nur der Durchführung dienen, der Kommission übertragen werden kann. Nur die Vorschriften, durch die die grundsätzlichen Ausrichtungen der Gemeinschaftspolitik umgesetzt werden sollen, können als wesentliche Bestimmungen angesehen werden(12).

25.
    Im Licht dieser Rechtsprechung bin ich der Ansicht, dass die Kommission bei der Umsetzung der Verordnung Nr. 1255/1999 die Grenzen, die der Ausübung ihrer Durchführungsbefugnis immanent sind, nicht überschritten hat.

26.
    Wie die Kommission zutreffend hervorhebt, bestimmt Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1255/1999 nämlich, dass die Beihilfen für Magermilch und Milchpulver, die für Futterzwecke verwendet werden, nur unter gewissen Bedingungen gewährt werden(13).

27.
    Und wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, stelle ich fest, dass der Rat sie ermächtigt hat, die Bedingungen festzulegen, denen die Gewährung von Beihilfen für Magermilch und Magermilchpulver unterliegt.

28.
    Dazu enthält die Verordnung Nr. 2799/1999 zwei Vorschriften. Nach Artikel 8 dieser Verordnung können die Beihilfen für Magermilch und Magermilchpulver gewährt werden, wenn sie zum einen in einem nach Artikel 9 der Verordnung zugelassenen Betrieb verwendet werden und wenn für sie zum anderen keine Beihilfe oder Preissenkung im Rahmen anderer Gemeinschaftsmaßnahmen gewährt wird. Nach Artikel 9 der Verordnung Nr. 2799/1999 betrifft die vorgesehene Zulassung nur Betriebe, die Mischfutter oder denaturiertes Magermilchpulver herstellen.

29.
    Aus den Artikeln 8 und 9 der Verordnung Nr. 2799/1999 ergibt sich also, dass die Kommission die Bedingungen der Beihilfegewährung für Magermilch restriktiver machen wollte.

30.
    Nach dem Wortlaut der Verordnung Nr. 2799/1999 kann nur die vorher zu Mischfutter oder Magermilchpulver verarbeitete Magermilch Gegenstand der in der Verordnung Nr. 1255/1999 vorgesehenen Beihilfen sein.

31.
    Die Kommission rechtfertigt die Änderung der Beihilfegewährung für Magermilch damit, dass die Definition der konkreten Bedingungen, denen die Beihilferegelung unterliegt, Gegenstand ihrer ausschließlichen Zuständigkeit und eigenständigen Beurteilung sei. Sie ist auch der Ansicht, dass die Verordnung Nr. 1255/1999 ihr insoweit einen weiten Auslegungsspielraum lasse, da deren Artikel 11 unbestimmt sei und keine Aussage zum Inhalt der für die Gewährung dieser Beihilfen geforderten Bedingungen mache. Der Wortlaut des Artikels 11 erlaube nicht die Aussage, dass der Rat unbedingt die Subventionierung der direkt zur Verfütterung verwendeten Magermilch habe beibehalten wollen.

32.
    Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Organe der Gemeinschaft im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik über ein weites Ermessen verfügen, das ihrer ihnen durch den EG-Vertrag übertragenen Verantwortung entspricht(14). Angesichts dieses Ermessens hat sich der Gemeinschaftsrichter auf die Prüfung zu beschränken, ob den Gemeinschaftsorganen bei der Ausübung dieses Ermessens ein offensichtlicher Irrtum oder Ermessensmissbrauch unterlaufen ist oder ob sie die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten haben(15).

33.
    Bei der Umsetzung der Verordnung Nr. 1255/1999 hat die Kommission jedoch keinen offensichtlichen Irrtum und auch keinen Ermessensmissbrauch begangen noch offensichtlich die Grenzen ihres Ermessens überschritten.

34.
    Die Verordnung Nr. 1255/1999 sieht nämlich ausdrücklich vor, dass die Berechnung des Beihilfebetrages unter Berücksichtigung einiger durch die Lage des Milchmarktes bedingter konjunktureller Elemente erfolgt. Artikel 11 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich dieser Verordnung führt aus, dass bei der Festsetzung der Beihilfebeträge bestimmte Faktoren berücksichtigt werden, darunter insbesondere „die Entwicklung der Versorgungslage bei Magermilch und Magermilchpulver sowie ihrer Verwendung für Futterzwecke“. Die Kommission ist der Auffassung, dass die Verwendung von Magermilch für die Tierfütterung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur noch sehr geringe Bedeutung für den Markt habe(16). Eine Fortdauer der Hilfe für den Magermilchmarkt sei nicht mehr gerechtfertigt.

35.
    Der Magermilchmarkt hat sich in den letzten Jahren erheblich entwickelt. Ohne dass dies von der Klägerin oder den Mitgliedstaaten bestritten würde, weist die Kommission nämlich darauf hin, dass „die Erfahrung ... gezeigt [hat], dass die Beihilferegelung ... zahlreiche Schwierigkeiten in Bezug auf ihre Durchführung und die Kontrolle der Beihilfeempfänger bereitet. Außerdem sind die Magermilchmengen, für die diese Maßnahme in Anspruch genommen wird, in den letzten Jahren sehr stark zurückgegangen, so dass sich diese Beihilferegelung auf das Gleichgewicht des Marktes nur marginal auswirkt. Im Übrigen bleibt die Stützung des Magermilchmarktes weiterhin durch die Beihilfe für die Verarbeitung von Magermilch zu Mischfutter erhalten.“(17)

36.
    Daher erscheint es nicht unvernünftig, dass die Kommission als Bedingung der Beihilfegewährung festgelegt hat, dass die zur Verfütterung bestimmte Magermilch zuvor zu Mischfutter oder Magermilchpulver verarbeitet wird.

37.
    Ich meine daher, dass die Kommission die ihrer Durchführungsbefugnis immanenten Grenzen nicht überschritten hat. Ich bin nämlich der Auffassung, dass der Ausschluss der Magermilch, die nicht zu Mischfutter oder Magermilchpulver verarbeitet worden ist, von der von der Verordnung Nr. 1255/1999 vorgesehenen Beihilferegelung nicht zu einer Änderung des Geltungsbereichs dieser Verordnung führt.

38.
    In Anbetracht des Vorstehenden schlage ich dem Gerichtshof vor, zu antworten, dass die Prüfung des ersten Teiles der Frage nicht den Schluss auf die Ungültigkeit der Verordnung Nr. 2799/1999 zulässt.

Zur Verletzung des Diskriminierungsverbots

39.
    Die Klägerin macht eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes allein aufgrund der unterschiedlichen Behandlung von Magermilchpulver und Magermilch geltend(18). Sie ist der Auffassung, dass kein fundamentaler Unterschied zwischen Magermilch und Magermilchpulver, die zur Verfütterung verwendet werden, bestehe. Das Magermilchpulver sei nämlich nichts anderes als Magermilch in getrockneter Form(19). Nach Auffassung der Klägerin hat die Kommission gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen.

40.
    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist dieses Diskriminierungsverbot lediglich ein besonderer Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes im Gemeinschaftsrecht, der besagt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine unterschiedliche Behandlung objektiv gerechtfertigt wäre(20).

41.
    In der vorliegenden Rechtssache sind Magermilch und Magermilchpulver sehr wohl zwei vergleichbare Erzeugnisse.

42.
    Zwei objektive Unterschiede scheinen es indessen zu rechtfertigen, dass sie Gegenstand einer unterschiedlichen Behandlung sind. Zum einen ist Magermilch sehr viel kürzer haltbar als Milchpulver. Magermilch kann nicht auf dieselbe Art aufbewahrt werden wie Milchpulver. Zum anderen unterliegt Magermilch nicht denselben Kontrollen wie Magermilchpulver. Wie die Kommission zutreffend bemerkt, ist es unter Berücksichtigung der Verderblichkeit von Magermilch unerlässlich, Kontrollen in relativ kurzen Abständen sowohl in den Molkereien als auch bei den diese Milch verfütternden Kälbermästern vorzunehmen(21). Daher sind die Kosten dieser Kontrollen viel höher als die Kosten, die durch die Kontrollen von Milchpulver verursacht werden.

43.
    Die Kommission erklärt die Ungleichbehandlung, indem sie nachdrücklich darauf verweist, dass sich der Magermilchmarkt in den letzten Jahren ständig verringert hat und die Aufrechterhaltung der Beihilfen hohe Kosten verursache, die kaum weiter gerechtfertigt werden könnten.

44.
    Es ist die Tendenz festzustellen, Magermilch anscheinend immer weniger attraktiv ist. Die Fortdauer der Hilfe für diesen Milchsektor, während dessen Marktanteil immer weiter abnimmt, bedingt, dass die Beihilferegelung revidiert und den Bedürfnissen des Marktes angepasst wird.

45.
    Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen bin ich daher der Auffassung, dass Magermilch und Magermilchpulver objektive Unterschiede aufweisen, die es rechtfertigen, dass die Kommission auf sie eine unterschiedliche Beihilferegelung anwendet.

46.
    Daher bin ich der Ansicht, dass die Verordnung Nr. 2799/1999 im Hinblick auf Artikel 34 Absatz 2 EG gültig ist.

Zur Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes

47.
    In seinem Vorlagebeschluss bezieht sich das Gericht allgemein auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaft und im besonderen auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Es ist festzustellen, dass die Gültigkeit der Verordnung Nr. 2799/1999 in den Gründen des Vorlagebeschlusses nur im Hinblick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes substantiiert bestritten wird. Ich beschränke mich daher auf die Frage der Gültigkeit der Verordnung Nr. 2799/1999 im Hinblick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes.

48.
    Hierzu macht die Klägerin geltend, dass die Kommission vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2799/1999, die die Aufhebung der Beihilfen für flüssige Magermilch vorsieht, eine hinreichende Übergangsfrist hätte vorsehen müssen.

49.
    Ich teile den Standpunkt der Klägerin nicht.

50.
    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die Berufung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes gegenüber einer Gemeinschaftsregelung nur möglich ist, wenn die Gemeinschaft selbst zuvor eine Lage geschaffen hat, die ein berechtigtes Vertrauen hervorrufen konnte(22).

51.
    Auf dem Gebiet der gemeinsamen Marktorganisationen, deren Zweck eine ständige Anpassung an die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage mit sich bringt, dürfen die Marktbürger nicht darauf vertrauen, dass sie nicht Beschränkungen unterworfen werden, die sich aus markt- oder strukturpolitischen Bestimmungen ergeben.

52.
    In der vorliegenden Rechtssache verdienen zwei Umstände Beachtung.

53.
    Der erste betrifft den Sonderbericht Nr. 1/99 des Rechnungshofes(23). Im Anhang zu diesem Bericht kündigt die Kommission sehr deutlich an, dass sie die bestehende Regelung über Beihilfen im Magermilchsektor zu ändern beabsichtigt. Zum einen weist sie darauf hin, dass sie im Rahmen der Agenda 2000 einen Vorschlag zur Änderung der Verordnung Nr. 1255/1999 vorgelegt habe(24). Zum anderen stellt sie sehr deutlich die Beibehaltung der Beihilfen für Magermilch unter Berücksichtigung der marginalen Bedeutung dieses Erzeugnisses für das Gleichgewicht auf dem Milcheiweißmarkt (3 % des insgesamt subventionierten Magermilchmenge auf dem Binnenmarkt) in Frage(25).

54.
    Der zweite Umstand ist der Schriftwechsel der Kommission mit den betroffenen Agrarverbänden. Aus den Unterlagen ergibt sich, dass die Kommission den deutschen Bauernverband und den Bundesverband der Kälbermäster im August 1999 über ihre Absicht informiert hat, die Beihilfen für Magermilch zur Verfütterung aufzuheben.

55.
    Folglich ist die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ebenfalls zurückzuweisen.

56.
    Nach alledem ist auf den dritten Teil der Frage zu antworten, dass dessen Prüfung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Verordnung Nr. 2799/1999 beeinträchtigen könnte.

Ergebnis

57.
    Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, festzustellen:

Die Prüfung der Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 2799/1999 der Kommission vom 17. Dezember 1999 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1255/1999 des Rates hinsichtlich der Gewährung einer Beihilfe für Magermilch und Magermilchpulver für Futterzwecke und des Verkaufs dieses Magermilchpulvers in Frage stellen könnte.


1: -     Originalsprache: Französisch.


2: -    Verordnung (EG) Nr. 2799/1999 der Kommission vom 17. Dezember 1999 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1255/1999 des Rates hinsichtlich der Gewährung einer Beihilfe für Magermilch und Magermilchpulver für Futterzwecke und des Verkaufs dieses Magermilchpulvers (ABl. L 340, S. 3).


3: -    Verordnung (EG) Nr. 1255/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 160, S. 48).


4: -    Vierte Begründungserwägung.


5: -    Artikel 42 beschreibt das einzuhaltende Verfahren sowie die jeweiligen Rollen der Kommission und des Ausschusses, der Stellungnahme abzugeben hat, um die Anwendung der Verordnung Nr. 1255/1999 sicherzustellen.


6: -    Gemäß ihrem Artikel 1 Buchstabe a legt die Verordnung die Durchführungsvorschriften der Verordnung Nr. 1255/1999 hinsichtlich „der Gewährung einer Beihilfe für Magermilch, Magermilchpulver, Buttermilch und Buttermilchpulver für Futterzwecke gemäß Artikel 11 der genannten Verordnung“ fest.


7: -    Verordnung (EWG) Nr. 1105/68 der Kommission vom 27. Juli 1968 über Durchführungsbestimmungen zur Gewährung von Beihilfen für Magermilch für Futterzwecke (ABl. L 184, S. 24).


8: -    Im Folgenden Klägerin.


9: -    Betrifft nur die französische Fassung.


10: -    Ich weise darauf hin, dass die Kommission nach diesem Artikel zum einen für die Anwendung des EG-Vertrages sowie der von den Organen aufgrund dieses Vertrages getroffenen Bestimmungen Sorge trägt und zum anderen die Befugnisse, die ihr der Rat zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften überträgt, ausübt, um das ordnungsgemäße Funktionieren und die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten.


11: -    Urteile vom 11. März 1987 in der Rechtssache 265/85 (Van den Bergh en Jurgens und Van Dijk Food Products [Lopic]/Kommission, Slg. 1987, 1155, Randnr. 14), vom 21. Mai 1987 in den Rechtssachen 133/85 bis 136/85 (Rau u. a., Slg. 1987, 2289, Randnr. 31) und vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-359/89 (SAFA, Slg. 1991, I-1677, Randnr. 16).


12: -    Urteile vom 14. November 1989 in den Rechtssachen 6/88 und 7/88 (Spanien und Frankreich/Kommission, Slg. 1989, 3639, Randnr. 15), vom 27. Oktober 1992 in der Rechtssache C-240/90 (Deutschland/Kommission, Slg. 1992, I-5383, Randnrn. 36 und 37) und vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache C-356/97 (Molkereigenossenschaft Wiedergeltingen, Slg. 2000, I-5461, Randnr. 21).


13: -    Vgl. S. 8 bis 10 der schriftlichen Erklärungen (deutsche Fassung).


14: -    Urteile vom 29. Oktober 1998 in der Rechtssache C-375/96 (Zaninotto, Slg. 1998, I-6629, Randnr. 64), vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache C-189/01 (Jippes u. a., Slg. 2001, I-5689, Randnr. 80), vom 7. Februar 2002 in der Rechtssache C-328/00 (Weber, Slg. 2002, I-0000, Randnr. 32) und vom 16. Mai 2002 in der Rechtssache C-63/00 (Schilling und Nehring, Slg. 2002, I-0000, Randnr. 39).


15: -    Urteile vom 5. Dezember 1979 in der Rechtssache 143/77 (Koninklijke Scholten-Honig/Rat und Kommission, Slg. 1979, 3583, Randnr. 10), vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-331/88 (Fedesa u. a., Slg. 1990, I-4023, Randnr. 8), vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-354/95 (National Farmers' Union u. a., Slg. 1997, I-4559, Randnr. 50) und vom 22. November 2001 in der Rechtssache C-301/97 (Niederlande/Rat, Slg. 2001, I-8853, Randnr. 74).


16: -    Vgl. S. 4 des Vorlagebeschlusses.


17: -    Elfte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2799/1999.


18: -    Vgl. Vorlagebeschluss, S. 3.


19: -    Vgl. S. 9 ihrer schriftlichen Erklärungen.


20: -    Urteile vom 20. September 1988 in der Rechtssache 203/86 (Spanien/Rat, Slg. 1988, 4563, Randnr. 23), vom 13. Dezember 1989 in den Rechtssachen C-181/88, C-182/88 und C-218/88 (Deschamps u. a., Slg. 1989, 4381, Randnr. 18), vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache C-309/89 (Codorniu/Rat, Slg. 1994, I-1853, Randnr. 26), vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache C-56/94 (SCAC, Slg. 1995, I-1769, Randnr. 27), vom 17. April 1997, in der Rechtssache C-15/95 (EARL de Kerlast, Slg. 1997, I-1961, Randnr. 35), National Farmers' Union (Randnr. 61), vom 10. März 1998 in den Rechtssachen C-364/95 und C-365/95 (T. Port, Slg. 1998, I-1023, Randnr. 81) und vom 13. April 2000 in der Rechtssache C-292/97 (Karlsson u. a., Slg. 2000, I-2737, Randnr. 39).


21: -    Vgl. Nr. 12 ihrer schriftlichen Erklärungen.


22: -    Urteile vom 10. Januar 1992 in der Rechtssache C-177/90 (Kühn, Slg. 1992, I-35, Randnrn. 13 und 14), vom 15. Februar 1996 in der Rechtssache C-63/93 (Duff u. a., Slg. 1996, I-569, Randnr. 20), vom 15. April 1997 in der Rechtssache C-22/94 (Irish Farmers Association u. a., Slg. 1997, I-1809, Randnr. 19), vom 18. Mai 2000 in der Rechtssache C-107/97 (Rombi und Arkopharma, Slg. 2000, I-3367, Randnr. 67) und vom 15. Januar 2002 in der Rechtssache C-179/00 (Weidacher, Slg. 2002, I-0000, Randnr. 31).


23: -    Bericht über die Gewährung einer Beihilfe bei der Verwendung von Magermilch und Magermilchpulver für Futterzwecke, zusammen mit den Antworten der Kommission (ABl. 1999, C 147, S. 1).


24: -    Ebenda, Punkt 14.


25: -    Ebenda, Punkt 16.