A. 8.1

8. Anwaltsrecht 8.1 Vollmacht ­ Anwaltschaftliche Vertretung bei Haftentlassungsgesuch.

Aus den Erwägungen: 1. Am 27. Mai 2002 stellte RA X. für den inhaftierten N. ein Gesuch um Haftentlassung. Dem Gesuch wurde eine Kopie eines Schreibens an den Inhaftierten beigelegt, womit der Anwalt den Inhaftierten um Unterzeichnung und Rücksendung einer Vollmacht aufforderte. Mit Verfügung vom 29. Mai 2002 ist das Verhöramt auf das Haftentlassungsgesuch nicht eingetreten mit der Begründung, dass der Anwalt nicht rechtsgenüglich bevollmächtigt sei. Dagegen erhebt RA X. namens und auftrags des Inhaftierten Beschwerde und beantragt: «1. Die Verfügung des Verhöramtes Schwyz vom 29. Mai 2002 sei aufzuheben.

2. Der Beschwerdeführer sei ohne Verzug aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

3. Eventuell sei das Verhöramt anzuweisen, den Beschwerdeführer unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

4. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge.»

2. Der Nichteintretensentscheid des Verhöramtes beinhaltet die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen die Verfügung innert 10 Tagen Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft erhoben werden könne (§ 140 StPO). Das Nichteintreten kommt vorliegend einer Verweigerung der Haftentlassung aus formellen Gründen gleich, weshalb dagegen Beschwerde beim Kantonsgerichtspräsidenten nach § 28 Abs. 1 StPO geführt werden kann.

3. Vorliegend ist überhaupt nicht nachvollziehbar, wieso das Verhöramt ohne weitere Abklärungen davon ausgegangen ist, dass RA X. nicht rechtsgenüglich bevollmächtigt gewesen sein soll. Dies umso weniger, als der Rechtsanwalt in seinem Haftentlassungsgesuch noch ausdrücklich darauf verwiesen hat, dass er dem Beschwerdeführer wegen der förmlichen Vollmachterteilung geschrieben habe. Dass es das Verhöramt unter diesen Umständen unterliess, mit einer Rücksprache beim Beschwerdeführer abzuklären, ob dieser RA X. als seinen Verteidiger bestellt haben will bzw. schon hat und sich mit einem blossen Nichteintretensentscheid begnügte, verletzt das Verbot des überspitzten Formalismus. Gerade an Haftentlassungsgesuche dürfen keine allzu hohen formellen Anforderungen gestellt werden, da die Untersuchungshaft ein äusserst schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte des Inhaftierten darstellt und dieser deshalb des besonderen Schutzes bedarf. Das Recht, ein Haftentlassungsgesuch zu stellen, beinhaltet grundsätzlich den Anspruch auf Behandlung 41

A. 8.1

dieses Gesuches, sodass auf ein namens und auftrags eines Inhaftierten eingereichtes Haftentlassungsgesuch nur nicht eingetreten werden dürfte, wenn dieser den gesuchstellenden Anwalt nachgewiesenermassen mit der Stellung eines solchen Ersuchens nicht beauftragt haben will (analog zu § 34 Abs. 1 ZPO). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Im Übrigen wäre auch auf ein namens und auftrags eines Inhaftierten eingereichten Haftentlassungsgesuch eines Anwaltes einzutreten, wenn diesem die Weiterführung des Mandates aufgrund eines Interessenkonfliktes nicht möglich wäre, wenn der Wille des Inhaftierten, aus der Haft entlassen zu werden, hinreichend deutlich gemacht worden ist.

Der Nichteintretensentscheid ist mithin in teilweiser Gutheissung der Beschwerde aufzuheben.

4. Soweit das Verhöramt im Nichteintretensentscheid ausführt, dass auch bei einem allfälligen Eintreten das Haftentlassungsgesuch abzuweisen wäre, kann der angefochtenen Verfügung diesbezüglich keine nachvollziehbare Begründung entnommen werden, weil die Haftgründe nicht ausgeführt werden. Da die Haftgründe nicht bekannt sind, kann über eine sofortige Haftentlassung bzw. eine entsprechende Anweisung hiezu entgegen der Auffassung des Verteidigers nicht entschieden werden. Deshalb ist das Verhöramt anzuweisen, umgehend unter Darlegung der Haftgründe über das Haftentlassungsgesuch in der Sache zu entscheiden, sofern der Angeschuldigte nicht aus der Haft entlassen wird.

(Verfügung vom 11. Juni 2002; KG 268/02 GP).

42

Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2002-A-8.1
Datum : 11. Juni 2002
Publiziert : 11. Juni 2002
Quelle : SZ-GVP
Status : 2002-A-8.1
Sachgebiet : Anwaltsrecht
Gegenstand : Vollmacht - Anwaltschaftliche Vertretung bei Haftentlassungsgesuch.


Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
nichteintretensentscheid • untersuchungshaft • wille • rechtsanwalt • teilweise gutheissung • entscheid • auftrag • begründung des entscheids • stelle • interessenkonflikt • gesuchsteller • tag • weiler • rechtsmittelbelehrung • verzug • kopie