1995 / 18 - 183

18. Auszug aus dem Urteil der ARK vom 7. April 1995
i.S. T.F.S, Sri Lanka

Art. 12b Abs. 1 und 16 Abs. 1 Buchst. e AsylG: Nichteintreten auf Asylgesuch; Verletzung der Mitwirkungspflicht durch unwahre Angaben; Begriff der groben Verletzung der Mitwirkungspflicht .

Die Mitwirkungspflicht umfasst auch die Pflicht, wahrheitsgemässe und vollständige Angaben zum Sachverhalt zu machen. Bewusstes Verschweigen einer relevanten Tatsache (in casu: Aufenthalt in Drittstaat) ist daher als Verletzung der Mitwirkungspflicht zu werten. Indessen sind unwahre Angaben primär in materieller Hinsicht unter dem Aspekt der Glaubhaftigkeit zu berücksichtigen; die schwere prozessuale Sanktion eines Nichteintretensentscheides ist nur mit grösster Zurückhaltung anzuwenden und rechtfertigt sich nur bei einer Kumulation von Irreführungen, welche die Abklärungen effektiv behindern.

Art. 12b, al. 1 et 16, al. 1, let. e LA : non-entrée en matière sur la demande d'asile; violation de l'obligation de collaborer en cas de fausses déclarations; notion de violation grossière de l'obligation de collaborer.

L'obligation de collaborer comprend également le devoir d'exposer les faits de manière complète et conforme à la vérité. L'omission intentionnelle d'un fait déterminant (in casu : un séjour dans un pays tiers) doit par conséquent être considérée comme une violation de l'obligation de collaborer. Toutefois, les fausses déclarations doivent au premier chef être examinées du point de vue matériel sous l'angle de la vraisemblance. La lourde sanction de procédure que représente une décision formelle de non-entrée en matière ne doit être appliquée qu'avec une grande retenue et ne se justifie qu'en cas d'accumulation de tromperies qui empêchent effectivement l'établissement des faits.

Art. 12b cpv. 1 e art. 16 cpv. 1 lett. e LA: Non entrata nel merito di una domanda d'asilo; violazione del dovere di collaborare in caso di dichiarazioni inveritiere; nozione di violazione crassa dell'obbligo di collaborare.


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L'obbligo di collaborare comprende anche il dovere d'addurre i fatti in modo completo e veritiero. L'occultamento deliberato di fatti rilevanti (nella fattispecie soggiorno in un Paese terzo) è da ritenersi quale violazione dell'obbligo di collaborare. Tuttavia, dichiarazioni inveritiere vanno in primo luogo esaminate sotto il profilo della verosimiglianza; alla grave sanzione della non entrata nel merito va fatto ricorso con la massima prudenza e solo nel caso di una cumulazione di sviamenti che ostacolino un corretto accertamento dei fatti.

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Der Beschwerdeführer reichte am 16. November 1994 in der Empfangsstelle Basel ein Asylgesuch ein. Er gab dabei an, am 8. November 1994 aus Sri Lanka ausgereist zu sein. Im wesentlichen machte der Beschwerdeführer geltend, er sei im Dezember 1992 von der LTTE festgenommen und anschliessend eineinhalb Jahre an einem unbekannten Ort gefangen gehalten worden. Am 31. Oktober 1994 habe ihn die TELO in Colombo festgenommen, vier Tage festgehalten und dabei von ihm 200'000 Rupien verlangt. Ausserdem sei der Beschwerdeführer 1987 einmal von der CID-Polizei in Colombo festgenommen worden. Vor seiner Ausreise sei der Beschwerdeführer noch nie im Ausland gewesen.

Abklärungen der Vorinstanz ergaben, dass sich der Beschwerdeführer entgegen seinen Aussagen seit dem 9. März 1993 in Deutschland aufhielt, wo er auch ein Asylgesuch gestellt hatte, das am 24. Januar 1994 rechtskräftig abgelehnt wurde. Anlässlich der ergänzenden Einvernahme vom 13. Dezember 1994 in der Empfangsstelle wurde dem Beschwerdeführer zu diesem Sachverhalt das rechtliche Gehör gewährt. Er verneinte, jemals in Deutschland gewesen zu sein und hielt auch im übrigen an seinen Vorbringen fest.

Mit Verfügung vom 14. Dezember 1994 trat das BFF auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht ein und ordnete dessen Wegweisung aus der Schweiz an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gemäss Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
AsylG auf ein Asylgesuch nicht eingetreten wird, wenn der Gesuchsteller seine Mitwirkungspflicht vorsätzlich in grober Weise verletzt hat. Indem der Beschwerdeführer wiederholt trotz gezielter Fragen einen Aufenthalt in Deutschland von mindestens zehn Monaten verschwieg, habe er seine Mitwirkungspflicht vorsätzlich in grober Weise verletzt. Zudem wurde einer


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allfälligen Beschwerde gegen die Verfügung die aufschiebende Wirkung entzogen.

Mit Eingabe vom 28. Januar 1995 beantragt der Beschwerdeführer, vorsorglich sei seiner Beschwerde unverzüglich die aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen. Im weiteren sei der Nichteintretensentscheid vom 14. Dezember 1994 aufzuheben und der Beschwerdeführer zum ordentlichen Asylverfahren zuzulassen. Schliesslich sei die Unzulässigkeit und die Unzumutbarkeit der Rückschaffung des Beschwerdeführers in sein Heimatland festzustellen und das Wegweisungsdatum vom 13. Februar 1995 aufzuheben.

Mit Zwischenverfügung des Instruktionsrichters vom 2. Februar 1995 wurde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde wiederhergestellt.

Die Vorinstanz beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 17. März 1995 die Abweisung der Beschwerde.

Die ARK heisst die Beschwerde gut, hebt den Nichteintretensentscheid auf und weist das BFF an, das Asylgesuch materiell zu prüfen.

Aus den Erwägungen:

2. - Nach Artikel 12b Absatz 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
AsylG sind Asylsuchende verpflichtet, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken und müssen dabei insbesondere (Abs. 1 Bst. b) bei der Anhörung angeben, weshalb sie um Asyl ersuchen.

Nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e
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AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
AsylG wird auf ein Asylgesuch nicht eingetreten, wenn der Gesuchsteller seine Mitwirkungspflicht vorsätzlich in grober Weise verletzt.

3. a) Die Vorinstanz sieht die Mitwirkungspflicht dadurch als verletzt an, dass der Beschwerdeführer "wiederholt auf gezielte Fragen einen Aufenthalt in Deutschland von mindestens 10 Monaten verschwiegen hat" (angefochtener Entscheid, Erwägungen 2. Lemma). In der vorinstanzlichen Vernehmlassung (Ziff. 2) wird hierzu ergänzend folgendes ausgeführt: "Die Tatsache, dass der Gesuchsteller trotzdem seinen Aufenthalt in der BRD verschwiegen hat und behauptete, er sei noch nie im Ausland gewesen, ist unseres Erachtens für die Asylbegründung und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit wesentlich. Indem er diesen Aufenthalt auch auf entsprechende Vorhalte anlässlich der Gewäh-


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rung des rechtlichen Gehörs hartnäckig abstritt, hat er eine grobe Verletzung der Mitwirkungs- und Wahrheitspflicht begangen, die geeignet ist, die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen und sein Rechtsschutzinteresse grundsätzlich in Frage zu stellen."

b) Der Auffassung der Vorinstanz ist insoweit zuzustimmen, als die Mitwirkungspflicht nicht nur bedeutet, dass die Asylgesuchsteller im Verfahren durch ihre Aussagen und Beibringen von Beweismitteln kooperieren müssen, sondern auch gehalten sind, zu ihren Asylgründen möglichst vollständige und wahrheitsgemässe Angaben machen. Eine andere Frage ist allerdings, ob Verletzungen dieser Wahrheitspflicht mit prozessualen Sanktionen - im Extremfall mit einem Nichteintretensentscheid - belegt werden können oder ob sie einzig unter dem Aspekt der Glaubhaftigkeit nach Artikel 12a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 12a Eröffnung und Zustellung in den Zentren des Bundes - 1 In den Zentren des Bundes erfolgen die Eröffnung von Verfügungen und die Zustellung von Mitteilungen durch Aushändigung. Ist die asylsuchende Person untergetaucht, so richten sich die Eröffnung und die Zustellung nach Artikel 12.
1    In den Zentren des Bundes erfolgen die Eröffnung von Verfügungen und die Zustellung von Mitteilungen durch Aushändigung. Ist die asylsuchende Person untergetaucht, so richten sich die Eröffnung und die Zustellung nach Artikel 12.
3    Bei Asylsuchenden ohne zugewiesene Rechtsvertretung erfolgen die Eröffnung von Verfügungen und die Zustellung von Mitteilungen an die asylsuchende Person. Einer von der asylsuchenden Person bevollmächtigten Person wird die Eröffnung oder Zustellung unverzüglich bekannt gegeben.
4    Die mündliche Eröffnung und summarische Begründung richtet sich nach Artikel 12 Absatz 3.
AsylG zu würdigen sind.

Soweit ersichtlich existiert zu dieser spezifischen Frage weder eine Praxis der ARK noch eine solche des BFF, da es bei Nichteintretensentscheiden wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht in aller Regel um Fragen der Missachtung von Vorladungen, der Meldepflicht oder Aussageverweigerungen geht. Auch aus dem von der Vorinstanz zitierten Urteil der ARK vom 28. Februar 1995 (N 145 498) lässt sich bezüglich prozessualer Folgen des Verschweigens eines Drittstaatsaufenthaltes - entgegen der Auffassung des BFF - nichts zur Stützung des angefochtenen Entscheides ableiten, da sich jenes Urteil auf einen anderen Sachverhalt bezieht (Nichteintreten auf ein neues Asylgesuch gemäss Art. 16 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
Buchst. d AsylG). Immerhin hat die ARK in einem unveröffentlichten Urteil vom 15. Juli 1994 (N 234 567) einen auf Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e gestützten Nichteintretensentscheid des BFF bestätigt, welcher mit einer Kumulation von Falschangaben des Beschwerdeführers hinsichtlich Passverbleib, Reiseweg in die Schweiz sowie früheren Auslandaufenthalten begründet war: "In Anbetracht der potentiellen Erschwernisse, welche das Vorenthalten der Pässe grundsätzlich hervorzurufen geeignet ist, sowie der genannten kumulativ betrachtet nicht unbedeutenden
Verfahrensbeeinträchtigungen, die die Beschwerdeführer mit ihren Unwahrheiten herbeigeführt haben, erachtet die ARK die Qualifizierung der Mitwirkungspflichtverletzung als grob für angezeigt." (a.a.O., Erw. 2b).

In der Asylrechtsliteratur äussern sich W. Kälin (Grundriss des Asylverfahrens, Basel / Frankfurt a.M. 1990) und A. Achermann / Ch. Hausammann (Handbuch des Asylrechts, 2.A., Bern / Stuttgart 1991) zur Abgrenzung zwischen der Weigerung, Auskunft zu geben, was eine Verletzung der Mitwir-


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kungspflicht darstellt, und mangelnder Substantiierung durch vage Aussagen, was keinen Verstoss gegen die Mitwirkungspflicht, sondern eine Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit bewirkt (Kälin, a.a.O. S. 293; Achermann/Hausammann, a.a.O. S, 225). Zur Frage, wie unwahre Angaben in dieser Hinsicht prozessual bzw. materiell zu würdigen sind, äussert sich lediglich Kälin (a.a.O. S. 293) dahingehend, dass die Mitwirkungspflicht (ebenfalls) verletzt ist, "wenn der Gesuchsteller (...) gewisse Tatsachen bewusst und nachweisbar verschweigt". An anderer Stelle führt Kälin hingegen unter dem Titel der Glaubhaftmachung folgendes aus: "Die Gesuchsteller müssen schliesslich persönlich glaubwürdig sein. Daran gebricht es, wenn sie ihre Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abstützen, aber auch dann, wenn sie wichtige Tatsachen verheimlichen oder bewusst falsch darstellen, im Laufe des Verfahrens die Vorbringen auswechseln oder unbegründet und verspätet nachschieben oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigen und die nötige Mitwirkung verweigern." (a.a.O. S. 305).

Aus den erwähnten Aeusserungen in Literatur und Praxis ergibt sich somit eine gewisse Ueberschneidung, indem Verletzungen der Wahrheitspflicht sowohl unter dem materiellen Aspekt der Glaubhaftigkeit als auch in prozessualer Hinsicht als Verletzung der Mitwirkungspflicht von Bedeutung sein können. Dies bedeutet indessen noch nicht, dass unwahre Angaben des Gesuchstellers für sich allein schon zu einem Nichteintretensentscheid nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
AsylG führen können.

c) Ein Nichteintretensentscheid gestützt auf die genannte Bestimmung setzt kumulativ voraus, dass die Mitwirkungspflicht (verschuldeterweise) verletzt wurde und dass diese Verletzung vorsätzlich und in grober Weise erfolgte. Eine Verletzung ist dann als grob zu qualifizieren, wenn dadurch die Abklärungen des Falles erheblich erschwert werden (Kälin, a.a.O. S. 262; bereits erwähntes Urteil der ARK vom 15. Juli 1994, Erw. 2b). Dabei muss sich die Erschwernis auf konkrete Verfahrenshandlungen beziehen und kann nicht bloss theoretischer Natur sein (EMARK 1994 Nr. 15, S. 122 ff.). In Uebereinstimmung mit der massgeblichen Literatur (Kälin, a.a.O. S. 261; Achermann/Hausammann, a.a.O. S. 297; N. Raselli, Zur Problematik des Nichteintretensgrundes der groben Verletzung der Mitwirkungspflicht gemäss Art. 16 Abs. 1 lit. e
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AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
AsylG, ASYL 1991/3 S. 8 ff.; W. Stöckli, Nichteintretensfälle, ASYL 1991/2, S. 13) geht die Praxis der ARK davon aus, dass der Begriff der groben Verletzung angesichts der hohen Rechtsgüter, die im Asylverfahren auf dem Spiel stehen, restriktiv ausgelegt werden muss (EMARK 1994 Nr. 15, S. 126).


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Aus diesen Gründen erscheint es nach Auffassung der Kommission geboten, den genannten Nichteintretenstatbestand bei Verletzungen der Wahrheitspflicht nur mit grösster Zurückhaltung anzuwenden. Das "blosse" Verschweigen einer Tatsache reicht für sich allein nicht aus, die schwere prozessuale Sanktion eines Nichteintretensentscheides zu rechtfertigen. Es dürften dabei, entsprechend dem bereits zitierten Urteil der ARK vom 15. Juli 1994, nur Sachverhalte einer Kumulation von Irreführungen in Frage kommen, welche die Abklärungen effektiv behindern. Andernfalls würde die im vorliegenden Fall vom BFF vertretene Auffassung zu einer undurchschaubaren Vermischung von Artikel 12a
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AsylG Art. 12a Eröffnung und Zustellung in den Zentren des Bundes - 1 In den Zentren des Bundes erfolgen die Eröffnung von Verfügungen und die Zustellung von Mitteilungen durch Aushändigung. Ist die asylsuchende Person untergetaucht, so richten sich die Eröffnung und die Zustellung nach Artikel 12.
1    In den Zentren des Bundes erfolgen die Eröffnung von Verfügungen und die Zustellung von Mitteilungen durch Aushändigung. Ist die asylsuchende Person untergetaucht, so richten sich die Eröffnung und die Zustellung nach Artikel 12.
3    Bei Asylsuchenden ohne zugewiesene Rechtsvertretung erfolgen die Eröffnung von Verfügungen und die Zustellung von Mitteilungen an die asylsuchende Person. Einer von der asylsuchenden Person bevollmächtigten Person wird die Eröffnung oder Zustellung unverzüglich bekannt gegeben.
4    Die mündliche Eröffnung und summarische Begründung richtet sich nach Artikel 12 Absatz 3.
und 16 Absatz 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
Buchstabe e AsylG führen. (Es ist im übrigen darauf hinzuweisen, dass auch die Argumentation in der Vernehmlassung des BFF, insb. Ziff. 2, ausdrücklich die Frage der Glaubwürdigkeit beschlägt.) Gegen eine Vermengung der beiden Bestimmungen spricht auch, dass in Artikel 12a Absatz 3
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AsylG Art. 12a Eröffnung und Zustellung in den Zentren des Bundes - 1 In den Zentren des Bundes erfolgen die Eröffnung von Verfügungen und die Zustellung von Mitteilungen durch Aushändigung. Ist die asylsuchende Person untergetaucht, so richten sich die Eröffnung und die Zustellung nach Artikel 12.
1    In den Zentren des Bundes erfolgen die Eröffnung von Verfügungen und die Zustellung von Mitteilungen durch Aushändigung. Ist die asylsuchende Person untergetaucht, so richten sich die Eröffnung und die Zustellung nach Artikel 12.
3    Bei Asylsuchenden ohne zugewiesene Rechtsvertretung erfolgen die Eröffnung von Verfügungen und die Zustellung von Mitteilungen an die asylsuchende Person. Einer von der asylsuchenden Person bevollmächtigten Person wird die Eröffnung oder Zustellung unverzüglich bekannt gegeben.
4    Die mündliche Eröffnung und summarische Begründung richtet sich nach Artikel 12 Absatz 3.
AsylG explizit tatsachenwidrige Vorbringen enthalten sind, weshalb solche auch unter diesen Artikel subsumiert werden sollten. Die Verheimlichung eines Drittstaatsaufenthaltes ist in gewisser Weise vergleichbar mit der Verheimlichung der Identität. Für diesen
Tatbestand ist aber - im Gegensatz zur Verheimlichung eines Drittstaatsaufenthaltes - explizit ein Nichteintreten vorgesehen. Es erscheint daher kaum logisch, für die Verheimlichung eines Drittstaatsaufenthaltes - mangels einer gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolge - Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
AsylG sozusagen als "Auffangbecken" heranzuziehen.

d) Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Beschwerdeführer zwar den Aufenthalt in Deutschland - dessen tatsächliche Dauer in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung ist - verschwiegen und sogar noch nach dessen Aufdeckung auf Vorhalt hin bestritten hat. Dies lässt auf eine gewisse Uneinsichtigkeit schliessen, was unter dem Aspekt der persönlichen Glaubwürdigkeit zu berücksichtigen ist. Indessen hat der Beschwerdeführer dadurch die erforderlichen Abklärungen nicht behindert; er hat es lediglich unterlassen, die Behörde von sich aus auf den genannten Umstand hinzuweisen. Dieses Verhalten ist vorwerfbar, reicht indessen nach dem Gesagten nicht aus, um einen Nichteintretensentscheid nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
AsylG zu begründen.

e) Zusammenfassend ergibt sich, dass die Vorinstanz zu Unrecht auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers nicht eingetreten ist. Die Verfügung des BFF ist daher aufzuheben und das BFF ist anzuweisen, das Asylgesuch materiell zu prüfen.


Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 1995-18-183-188
Datum : 07. April 1995
Publiziert : 07. April 1995
Quelle : Vorgängerbehörden des BVGer bis 2006
Status : Publiziert als 1995-18-183-188
Sachgebiet : Sri Lanka
Gegenstand : Art. 12b Abs. 1 und 16 Abs. 1 Buchst. e AsylG: Nichteintreten auf Asylgesuch; Verletzung der Mitwirkungspflicht durch unwahre...


Gesetzesregister
AsylG: 12a 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 12a Eröffnung und Zustellung in den Zentren des Bundes - 1 In den Zentren des Bundes erfolgen die Eröffnung von Verfügungen und die Zustellung von Mitteilungen durch Aushändigung. Ist die asylsuchende Person untergetaucht, so richten sich die Eröffnung und die Zustellung nach Artikel 12.
1    In den Zentren des Bundes erfolgen die Eröffnung von Verfügungen und die Zustellung von Mitteilungen durch Aushändigung. Ist die asylsuchende Person untergetaucht, so richten sich die Eröffnung und die Zustellung nach Artikel 12.
3    Bei Asylsuchenden ohne zugewiesene Rechtsvertretung erfolgen die Eröffnung von Verfügungen und die Zustellung von Mitteilungen an die asylsuchende Person. Einer von der asylsuchenden Person bevollmächtigten Person wird die Eröffnung oder Zustellung unverzüglich bekannt gegeben.
4    Die mündliche Eröffnung und summarische Begründung richtet sich nach Artikel 12 Absatz 3.
12b  16
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
mitwirkungspflicht • 1995 • nichteintretensentscheid • frage • vorinstanz • buchstabe • gesuchsteller • sachverhalt • deutschland • aufschiebende wirkung • asylverfahren • sanktion • sri lanka • monat • empfangsstelle • stelle • buch • literatur • entscheid • asylrecht
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EMARK
1994/15 S.122 • 1994/15 S.126
ASYL
3/91 S.8 S.8