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Auszug aus dem Urteil der Abteilung IV
i.S. A. gegen Bundesamt für Migration
D 6684/2011 vom 18. April 2013

Asyl. Türkei. Folter durch Sicherheitskräfte. Illegitime Strafverfolgung.

Art. 3 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
und 2
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG.

1. Prüfung der Glaubhaftigkeit von Folter und Übergriffen durch die Sicherheitskräfte unter Berücksichtigung des Entwicklungsstandes des türkischen Rechtsstaates im fraglichen Zeitraum (E. 5.1 5.3).

2. Abgrenzung zwischen legitimer und illegitimer Strafverfolgung von politischen Aktivisten, die sich für die Rechte der Kurden einsetzen. Im konkreten Einzelfall besteht die Gefahr einer rechtsstaatlich nicht legitimen Verfolgung (E. 5.4 6).

Asile. Turquie. Torture exercée par les forces de sécurité. Poursuite pénale illégitime.

Art. 3 al. 1 et 2 LAsi.

1. Examen de la vraisemblance de tortures et d'agressions exercées par les forces de sécurité, compte tenu du stade de développement de l'Etat de droit turc à l'époque en question (consid. 5.1 5.3).

2. Distinction entre poursuite pénale légitime et poursuite pénale illégitime d'activistes politiques engagés pour les droits des Kurdes. Dans le cas d'espèce, il existe un risque de poursuite contraire à l'Etat de droit (consid. 5.4 6).

Asilo. Turchia. Tortura inflitta dalle forze di sicurezza. Perseguimento penale illegittimo.

Art. 3 cpv. 1 e 2 LAsi.

1. Esame della verosimiglianza di torture e aggressioni da parte delle forze di sicurezza, conto tenuto dell'evoluzione dello stato di diritto della Turchia nel periodo considerato (consid. 5.1 5.3).

2. Delimitazione tra perseguimento penale legittimo e illegittimo di militanti politici che si battono per i diritti dei curdi. Nella fattispecie, da un punto di vista dello stato di diritto, sussiste un rischio di perseguimento illegittimo (consid. 5.4 6).


Der Beschwerdeführer - ein Kurde - verliess die Türkei eigenen Angaben zufolge am 18. oder 19. Juni 2010 und stellte am 23. Juni 2010 in der Schweiz ein Asylgesuch. Bereits am 5. März 2009 hatte er ein Asylgesuch aus dem Ausland gestellt, das jedoch vom Bundesamt für Migration (BFM) mit Verfügung vom 9. Juni 2010 abgewiesen worden war.

Zur Begründung gab er im Wesentlichen an, er sei in verschiedenen Funktionen für Jugendorganisationen der DTP (Demokratik Toplum Partisi, Partei der demokratischen Gesellschaft) tätig gewesen. Wegen seines politischen Engagements sei er mehrmals von der Polizei oder von Unbekannten - vermutlich Zivilpolizisten - bedroht, angegriffen und zum Teil schwer geschlagen worden. Entsprechende Anzeigen seien nicht ernst genommen worden, weshalb er sich an die Medien gewandt habe. Dies habe die Angriffe jedoch intensiviert. Im Jahre 2008 sei er verhaftet worden, wobei bei einer Hausdurchsuchung die Waffe seines Vaters gefunden worden sei. Während zweier Tage sei er bei der Antiterrorabteilung der Sicherheitsdirektion in Gewahrsam gewesen und dabei gefoltert worden. Anschliessend sei er für acht Monate in Untersuchungshaft verblieben. Eineinhalb Monate nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis sei der Beschwerdeführer erneut von der Polizei mitgenommen und zu Spitzeltätigkeiten innerhalb der Partei aufgefordert worden. Er habe sich daraufhin nur noch selten zu Hause aufgehalten, sei dort jedoch polizeilich gesucht worden. Im August 2009 sei er von der Polizei in ein Auto gezerrt, zu einem Raum gefahren und dort misshandelt worden. Die Polizei
habe ihn vor dem Newroz-Fest 2010 erneut angehalten, in die Berge gefahren und bis am Abend, als die Feierlichkeiten vorbei gewesen seien, mit anderen Personen dort festgehalten. Bei der Freilassung habe man ihm mit weiteren Festnahmen gedroht und ihn aufgefordert, über bestimmte Personen belastende Aussagen zu machen. Die Polizei habe sich danach noch mehrere Male bei seinen Brüdern nach ihm erkundigt und diese auch bedroht.

Seit der Haft im Jahre 2008 sei ein Gerichtsverfahren gegen ihn hängig, wobei ihm Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation, Propaganda zugunsten einer terroristischen Organisation, Beschädigung öffentlichen Eigentums, Drohungen mit terroristischen Motiven und Verstoss gegen das Waffengesetz vorgeworfen würden. Sein Anwalt rechne mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zwölf Jahren.

Mit Verfügung vom 9. November 2011 wurde das Asylgesuch des Beschwerdeführers abgelehnt und es wurden die Wegweisung aus der Schweiz sowie der Vollzug angeordnet.

Mit Eingabe vom 12. Dezember 2011 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Entscheid beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte unter anderem die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Asylgewährung.

Das Bundesverwaltungsgericht heisst die Beschwerde gut.


Aus den Erwägungen:

5. Vorliegend ist zu prüfen, ob das BFM zu Recht dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt hat, indem es von der Unglaubhaftigkeit der geschilderten Übergriffe und einer legitimen Strafverfolgung ausging.

5.1 Die Flucht vor einer rechtsstaatlich legitimen Strafverfolgung im Heimatland bildet grundsätzlich keinen Grund für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und für die Asylgewährung. Ausnahmsweise kann aber die Durchführung eines Strafverfahrens wegen eines gemeinrechtlichen Delikts eine Verfolgung im asylrechtlichen Sinne darstellen. Dies trifft unter anderem dann zu, wenn einer Person eine gemeinrechtliche Tat untergeschoben wird, um sie wegen ihrer äusseren oder inneren Merkmale, namentlich ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Anschauungen, zu verfolgen, oder wenn die Situation eines Täters, der ein gemeinrechtliches Delikt tatsächlich begangen hat, aus einem solchen Motiv in bedeutender Weise erschwert wird. Eine solche Erschwerung der Lage (sog. Politmalus) ist insbesondere dann anzunehmen, wenn deswegen eine unverhältnismässig hohe Strafe ausgefällt wird (sog. Malus im absoluten Sinne), wenn das Strafverfahren rechtsstaatlichen Ansprüchen klarerweise nicht zu genügen vermag oder wenn der asylsuchenden Person in Form der Strafe oder im Rahmen der Strafverbüssung eine Verletzung fundamentaler
Menschenrechte, insbesondere Folter, droht (vgl. BVGE 2011/10 E. 4.3 S. 127f. m.w.H.).

5.2 Vorab ist auf die Frage der Glaubhaftigkeit der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Foltervorwürfe gegen die türkischen Behörden einzugehen.

5.2.1 Das BFM führt diesbezüglich aus, die Foltervorwürfe des Beschwerdeführers seien bereits deshalb unglaubhaft, weil sich die Verhältnisse in der Türkei wesentlich verbessert hätten und Folter mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr vorkomme. Dass der Beschwerdeführer keine Folter erlebt habe, werde ausserdem dadurch bestätigt, dass er eine solche Behandlung nach seiner Freilassung nicht angezeigt oder publik gemacht habe, und schliesslich sei er nicht in der Lage gewesen, einen Arztbericht einzureichen, der jeweils vor und nach dem Polizeigewahrsam erstellt werde.

5.2.2 Unbestritten ist, dass die Türkei seit 2001 eine Reihe von Reformen durchgeführt hat, die dem Ziel dienen sollen, die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die Europäische Union (EU) zu erfüllen. Insgesamt stellen die eingeleiteten umfassenden Rechtsreformen in rechtsstaatlicher Hinsicht einen Fortschritt dar, und Folter in den Gefängnissen konnte markant reduziert werden. Auch aktuelle Berichte zur allgemeinen Situation in der Türkei zeigen jedoch, dass die Lage der Menschenrechte trotz Verbesserungen in der Praxis weiterhin problematisch ist. Namentlich echte oder mutmassliche Mitglieder von staatsgefährdend eingestuften Organisationen - wie vorliegend interessierend der PKK (Partiya Karkerên Kurdistan, Arbeiterpartei Kurdistans) - sind gefährdet, von den Sicherheitskräften verfolgt und in deren Gewahrsam misshandelt oder gefoltert zu werden (vgl. BVGE 2011/10 E. 4.3 S. 127f. m.w.H.; Human Rights Watch [HRW], World Report 2012: Turkey, Januar 2012; Europäische Kommission, Fortschrittsbericht 2012 betreffend die Türkei, 10. Oktober 2012, S. 19f., nachfolgend: Fortschrittsbericht 2012; UN Committee against Torture [CAT], Consideration of reports submitted by States parties under
article 19 of the Convention, Concluding observations of the Committee against Torture, Turkey, 20. Januar 2011). Angesichts dessen kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer während des Polizeigewahrsams im (...) 2008 Folter ausgesetzt war. Namentlich im Südosten des Landes, wo sich der Beschwerdeführer damals aufhielt, kam es im Jahre 2008 zu einer Zuspitzung der Lage; der staatliche Kampf gegen die PKK machte zunehmend Schlagzeilen. Der Militäreinsatz der Türkei gegen kurdische Kämpfer im Nordirak und verschiedene Angriffe durch die PKK auf türkische Soldaten mit zahlreichen Todesopfern schürten die Animositäten zwischen den Konfliktparteien erneut an. Gemäss Bericht von Amnesty International habe das türkische Justizministerium im August 2008 erklärt, in den Jahren 2006 und 2007 hätten 4 719 Bürger wegen Misshandlungen und Folter durch Sicherheitsbeamte Klage eingereicht. Diese Zahl dürfte aber gemäss dem Berichterstatter nicht alle Fälle umfassen, zumal bekannt sei, dass viele Opfer von Folter und Misshandlungen aus Angst vor weiteren Misshandlungen oder anderen Repressionen oder aufgrund der Erfahrung, dass eine Anzeige meist keinen Erfolg habe, keine Anzeige erstatten (vgl. dazu auch CAT,
a.a.O., S. 3). Im Jahre 2009 registrierte der IHD ( nsan Haklari Derne i, zu Deutsch Menschenrechtsverein) Diyarbakir für das Jahr 2009 im Südosten der Türkei 305 Fälle von Folter in Polizeihaft, 358 Fälle ausserhalb offizieller Haftorte und 397 Fälle von Folterungen und Misshandlungen in Gefängnissen (vgl. Amnesty International: Länderbericht Türkei, 27. Februar 2011). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat denn auch für den fraglichen Zeitraum in verschiedenen Urteilen festgestellt, dass in türkischen Gefängnissen schwere Folter angewendet worden sei und die türkischen Behörden entsprechenden Anzeigen nicht nachgegangen seien (statt vieler: Urteile des EGMR vom 24. Juli 2007 und vom 31. Januar 2008 zitiert im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D 5366/2006 vom 7. November 2008 E. 4.3 S. 13f.). Vor diesem Hintergrund vermag keines der Argumente des BFM zu überzeugen, vielmehr kam Folter gerade im Südosten der Türkei offensichtlich immer noch vor, Verfahrensvorschriften wie das Ausstellen eines Arztzeugnisses vor und nach dem polizeilichen Gewahrsam oder die Möglichkeit, einen Anwalt beizuziehen, wurden offensichtlich nicht immer eingehalten, und schliesslich erscheint auch eine Anzeige wegen erlittener
Übergriffe angesichts der damaligen Situation gerade im Südosten des Landes kaum erfolgreich. Dass der Beschwerdeführer eine solche also nach der Haftentlassung nicht eingereicht hat, spricht damit nicht gegen erlittene Folter.

5.2.3 Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch festzuhalten, dass dem entsprechenden Thema in den Befragungen keinerlei Gewicht beigemessen wurde; es wurden keine Fragen gestellt und auch keine eingehenden Ausführungen gemacht. Anlässlich der kurzen Befragung bei der schweizerischen Botschaft wurden die Foltermethoden vom Beschwerdeführer lediglich zusammengefasst dargelegt, und im Rahmen der Anhörung im Inlandverfahren wurde keine Gelegenheit geboten, zu den erhobenen Foltervorwürfen nähere Angaben zu machen. Die gestellten Fragen bezogen sich allein auf das gegen den Beschwerdeführer angestrebte Strafverfahren, die von ihm ausgeführten politischen Aktivitäten und die Ereignisse nach der Befragung bei der schweizerischen Botschaft. Es stellt sich damit als unmöglich heraus, allenfalls aufgrund von bestehenden oder fehlenden Realkennzeichen oder Details die Glaubhaftigkeit der entsprechenden Vorbringen zu überprüfen. Der Sachverhalt ist diesbezüglich nicht genügend erstellt. Angesichts der nachfolgenden Erwägungen drängt sich allerdings eine Kassation aus diesem Grund nicht auf; die Frage, ob der Beschwerdeführer in Polizeigewahrsam im (...) 2008 auch gefoltert worden ist, kann vielmehr
offengelassen werden.

5.3 Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz erachtet das Bundesverwaltungsgericht die übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich erlittener Übergriffe und Behelligungen vor und nach der Haft als glaubhaft.

5.3.1 So vermochte der Beschwerdeführer die erlittenen Übergriffe und Behelligungen widerspruchsfrei, substanziiert und überzeugend darzulegen. Die einzelnen Ereignisse weisen Details, Interaktionsschilderungen und inhaltliche Besonderheiten auf. Bemerkenswert ist dabei, dass die einzelnen Befragungen über ein Jahr auseinanderliegen (Botschaftsbefragung im März 2009, summarische Befragung an der Empfangsstelle im Juli 2010 und Anhörung im September 2010). Dennoch stimmen die Aussagen im Wesentlichen überein. Die Erzählungen erfolgten sodann nicht chronologisch, sondern im Zusammenhang mit verschiedenen Themen, ohne dass sich dabei Fehler oder Unstimmigkeiten ergeben hätten. Die dargelegten Behelligungen sind denn auch vielschichtig und betreffen zahlreiche einzelne Ereignisse, sodass es kaum möglich erscheint, diese übereinstimmend wiederzugeben, hätte der Beschwerdeführer nicht Entsprechendes erlebt. Übertreibungen lassen sich ebenfalls keine erkennen, vielmehr relativiert der Beschwerdeführer die Situation zum Teil auch und führt zum Beispiel aus, dass seine Familie seit seiner Flucht nicht mehr behelligt werde.

5.3.2 Zu Unrecht führt denn das BFM auch aus, der Beschwerdeführer habe es unterlassen, die Zeitungsberichte, die einen Übergriff durch Zivilpersonen auf ihn dokumentieren würden, einzureichen. Solche Beweismittel finden sich vielmehr bei den Akten der Vorinstanz; zwei Artikel aus verschiedenen Medien, die sich auf das gleiche Ereignis beziehen. Die Medienberichte bestätigen die entsprechenden Ausführungen des Beschwerdeführers. In den Artikeln wird der Name des Beschwerdeführers wie auch seine Parteimitgliedschaft ausdrücklich erwähnt, was einen vermuteten politischen Hintergrund der Tat impliziert.

5.3.3 Schliesslich ist auch gerichtsnotorisch, dass in der Türkei Personen, die politisch aktiv sind und gegen die ein Strafverfahren aus politischen Gründen angehoben worden ist, einem gewissen Druck von Seiten der Sicherheitsbehörden ausgesetzt sein können. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Behelligungen und Aufforderungen zur Spitzeltätigkeit lassen sich daher ohne Weiteres in die allgemeinen Verhältnisse vor Ort einordnen und scheinen auch von daher nachvollziehbar. Dass das Versprechen der Polizisten, die Anklage gegen den Beschwerdeführer würde aufgehoben, falls er kollaboriere, von diesen unter Umständen nicht hätte eingehalten werden können, vermag offensichtlich nicht zu beweisen, dass ein solches Angebot nicht dennoch gemacht worden ist. Das BFM vermag auch mit diesem Argument nicht zu überzeugen.

5.3.4 Das Bundesverwaltungsgericht erachtet es diesen Erwägungen gemäss als glaubhaft, dass der Beschwerdeführer über Jahre hinweg mehrfach von den Sicherheitsbehörden bedroht, geschlagen, unter Druck gesetzt und zu Spitzeltätigkeit aufgefordert worden ist. Ob diese Übergriffe als genügend intensiv zu qualifizieren wären und landesweit drohten, kann an dieser Stelle offenbleiben. Jedenfalls lassen sie aber erste Zweifel daran aufkommen, dass der Beschwerdeführer rechtsstaatlich legitim behandelt worden sei und ein faires Verfahren erwarten könne.

5.4 Aufgrund der Akten ist insbesondere erstellt, dass der Beschwerdeführer derzeit - wegen seines Engagements zugunsten der kurdischen Sache - in ein Strafverfahren verwickelt ist. Auch die Vorinstanz ist von diesem Sachverhalt ausgegangen. Sie führt diesbezüglich jedoch aus, bei der entsprechenden Strafverfolgung handle es sich um legitimes staatliches Handeln, da dem Beschwerdeführer Mitgliedschaft in der PKK, Propaganda zugunsten der PKK, Beschädigung von öffentlichem Eigentum, Drohung und Verstoss gegen das Waffengesetz vorgeworfen würden. Ausserdem habe der Beschwerdeführer ein rechtsstaatlich faires Verfahren zu erwarten.

5.4.1 Die Vorinstanz impliziert in ihren Ausführungen, der Beschwerdeführer habe sich Handlungen zu Schulden kommen lassen, für die er zu Recht vom türkischen Staat zur Rechenschaft gezogen wird beziehungsweise es im Falle der Unschuld zu einem Freispruch kommen dürfte. Dabei geht das BFM offensichtlich von einem funktionierenden Rechtsstaat aus, in dem die Gesetzgebung, die Polizei- wie auch die Justizorgane alle Bürger gleich behandeln, unabhängig von ihrer Ethnie und ihrer politischen Gesinnung. Dieser Sichtweise ist im Folgenden näher auf den Grund zu gehen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich aufgrund des jahrelangen Konflikts zwischen Kurden und ethnischen Türken ein grosser Teil der kurdischen Bevölkerung am politischen Diskurs beteiligt, politische Aktivitäten ausübt oder sich für die Rechte der Kurden einsetzt. Dies geschieht schwergewichtig durch Mitgliedschaft bei legalen Parteien, durch Medienpräsenz oder durch die Beteiligung in kulturellen Vereinen. Eine Minderheit kurdischer Aktivisten hat sich aber auch dem gewaltsamen Kampf verschrieben und setzt dafür illegale und terroristische Mittel ein. Ohne weitere Ausführungen kann festgehalten werden, dass es legitim erscheint, die
letztgenannte Gruppe strafrechtlich zu belangen. Illegitim erscheint es jedoch, jegliche prokurdische Aktivitäten zu unterdrücken oder Personen zu kriminalisieren, die sich auf legalem Weg für die Rechte der Kurden einsetzen. Inwiefern in der Türkei generell die Gefahr solcher illegitimen Strafverfolgung besteht und ob dies, wie von ihm geltend gemacht, auf den Fall des Beschwerdeführers zutrifft, ist nachfolgend zu prüfen.

5.4.2 Hervorzuheben ist, dass in vielen Bereichen eine positive Entwicklung bezüglich des Konflikts zwischen Kurden und ethnischen Türken festzustellen ist. So wurden, wie bereits erwähnt, im Jahre 2001 zahlreiche Verfahrensvorschriften eingeführt, die dazu dienen sollen, menschenrechtswidrige Behandlung durch staatliche Sicherheitsbehörden zu verhindern. Die entsprechenden Bestimmungen konnten noch nicht flächendeckend Wirkung entfalten, und auch gewisse Rückschritte sind zu verzeichnen. Weiter setzte der türkische Regierungschef Erdogan im Sommer 2009 mit einer neuen Politik der sogenannten kurdischen Initiative beziehungsweise demokratischen Öffnung zur wirtschaftlichen und kulturellen Förderung der kurdischen Bevölkerung ein deutliches Signal hin zur Lösung des Konflikts. Im kulturellen und wirtschaftlichen Bereich kam es denn auch zu Verbesserungen. So wurde das Verbot des Gebrauchs des Kurdischen schrittweise aufgehoben oder regionale Förderungsprojekte wurden unterstützt. Demgegenüber dauert die repressive Politik des türkischen Staates gegen kurdische Autonomiebestrebungen weiter an und wurde sogar verstärkt: Am 11. Dezember 2009 wurde die einzige kurdische Partei im türkischen Parlament,
die DTP, vom Verfassungsgericht verboten. Dazu kamen bereits vorher Verhaftungswellen gegen Politiker und Funktionäre der DTP und ihrer Ersatzpartei, der bereits 2008 gegründeten BDP (Bari ve Demokrasi Partisi, Partei des Friedens und der Demokratie). Von 2009 bis April 2011 sollen im Rahmen der sogenannten KCK-Operation tausende kurdische Aktivisten, insbesondere Parteifunktionäre, Journalisten, Autoren, Gewerkschafter und Menschenrechtsaktivisten, verhaftet worden sein (vgl. The Economist, Turkey and its Kurds: South by south-east, 14. April 2011; NZZ vom 29. Juli 2010, Die « kurdische Initiative » - ein Scherbenhaufen). Unter dem Namen Koma Ciwaken Kürdistan (Vereinigung der Gemeinschaften Kurdistans, KCK) wurden alle kurdischen Vereinigungen zusammengefasst. Dabei handelt es sich offenbar um eine politische Struktur, mit der die PKK versucht, ihre Macht auf legaler politischer und gesellschaftlicher Ebene zu etablieren. Mit dem Argument von staatlicher Seite, auch die PKK sei Teil der KCK, wurde diese Organisation als terroristisch qualifiziert. Am 18. Oktober 2010 kam es in diesem Zusammenhang zu einem grossen Massenprozess gegen 151 kurdische Funktionäre und etablierte Politiker in Diyarbakir (vgl. Österreichisches
Bundesasylamt, Minderheiten in der Türkei: Die Kurden, Juli 2011). In diesem Zusammenhang wurden seit 2008 ausserdem ungefähr 2 700 Minderjährige wegen terroristischer Aktivitäten beziehungsweise Teilnahme an Demonstrationen zu Haftstrafen verurteilt (Amnesty International, a.a.O.). Grundlage für die Haft und Verurteilungen sind das türkische Strafgesetzbuch oder das Anti-Terror-Gesetz (ATG). Diese Gesetze erscheinen insofern problematisch, als sie aufgrund sehr vager Bestimmungen dazu führen, dass legale politische Aktivitäten wie die freie Meinungsäusserung oder das Demonstrieren als terroristisch eingestuft und als solche verfolgt werden können (vgl. NZZ vom 12. Januar 2012, Verhaften auch ohne Beweise; HRW, a.a.O.; Fortschrittsbericht 2012, a.a.O., S. 21f., welche ebenfalls auf die unverhältnismässigen Beschränkungen der Meinungsäusserungsfreiheit durch die Anti-Terror-Gesetzgebung hinweisen). So wird in Art. 7 ATG oder in Art. 220/6 des türkischen Strafgesetzbuches kein Unterschied gemacht zwischen der Unterstützung von politischen Zielen, die auch von terroristischen Organisationen geteilt werden, und der Unterstützung von terroristischen Organisationen und deren Gewalttaten an sich (vgl. dazu The Observatory for the
Protection of Human Rights Defenders [obs], Turkey, Human Rights Defenders, Guilty Until Proven Innocent, International Fact-Finding Mission Report, May 2012, S. 10 und 20). Wenn also anlässlich einer legalen Demonstration politische Forderungen gestellt werden, die mit Forderungen der PKK übereinstimmen, kann dies zu einer Verurteilung aufgrund des ATG oder des Strafgesetzes führen. Besonders häufig werden in diesem Sinne Menschen bestraft, die von dem inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan in der höflichen Form « sayin » (sehr geehrter Herr) sprechen, oder eben Teilnehmer von Demonstrationen, in denen mehr Rechte für Kurden oder faire Verfahren für PKK-Mitglieder gefordert werden. Betroffen sind auch Journalisten, die Verlautbarungen von PKK-Kadern veröffentlichen oder von Veranstaltungen berichten, die als PKK-nahe gewertet werden. Dabei droht eine Haftstrafe von einem bis fünf Jahren. Bei einer Teilnahme an einer illegalen Demonstration, an der auch Slogans gerufen werden, die als Unterstützung der PKK qualifiziert werden können, droht durch Summierung der Einzeldelikte eine Gesamtstrafe von über 20 Jahren (Amnesty International, a.a.O.; HRW, a.a.O., S. 22f.). Von Menschenrechtsaktivisten wie auch von internationalen
Beobachtern wird weiter auch kritisiert, dass solche Prozesse in der Regel von Spezialgerichten geführt werden, den Gerichten für schwere Straftaten, was zu unangemessen hohen Strafen führe. So hat eine Verurteilung aufgrund des ATG eine automatische Erhöhung um 50 % zur Folge (vgl. obs, a.a.O., S. 21; Amnesty International, a.a.O.). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es zahlreiche Hinweise darauf gibt, dass weder die türkische Gesetzgebung noch die Polizei- oder Justizbehörden in allen Fällen rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen vermögen. Es gibt zahlreiche Beispiele, die vermuten lassen, dass politische Aktivisten, Journalisten, Menschenrechtsaktivisten oder Anwälte zu Unrecht strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt wurden, weil sie sich auf legale Weise für die Rechte der Kurden eingesetzt hatten und dieser Einsatz juristisch als ideologische Unterstützung der PKK qualifiziert wurde. Meinungsäusserungen zugunsten kurdischer Rechte können als Propaganda für die PKK interpretiert werden. Die Gesetzgebung differenziert nur ungenügend zwischen einem PKK-Mitglied und einem politischen Aktivisten, der sich für eine friedliche Lösung des Konflikts zwischen Türken und Kurden einsetzt.

5.4.3 Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen bleibt zu prüfen, ob auch im Falle des Beschwerdeführers, wie er dies vorbringt, die Gefahr besteht, er unterliege aufgrund seiner politischen Einstellung und seiner Tätigkeiten für die DTP einem asylrechtlich relevanten Politmalus. Dabei sind die tatsächlichen Handlungen zu berücksichtigen, die ihm von den türkischen Behörden vorgeworfenen Delikte und die zu erwartende Strafe. Diesbezüglich erscheint ein alleiniges Abstellen auf Wertungen der türkischen Strafverfolgungsbehörden - wie dies das BFM in seiner angefochtenen Verfügung tut - angesichts der bisherigen Ausführungen nicht statthaft. Der Beschwerdeführer seinerseits hat im vorliegenden Verfahren die von den türkischen Behörden erhobenen Vorwürfe bezüglich Bedrohung von Geschäftsleuten und Mitgliedschaft bei der PKK stets bestritten. Seine politische Tätigkeit habe sich auf rechtsstaatlich legitime Aktivitäten beschränkt, wie die Teilnahme an Demonstrationen und das Rufen von Parolen. Weder den Ausführungen des Beschwerdeführers noch den türkischen Gerichtsakten sind objektivierbare Hinweise zu entnehmen, die auf illegitime Tätigkeiten des Beschwerdeführers hindeuten oder die eine
Mitgliedschaft bei der PKK vermuten liessen. Die Haltung des Beschwerdeführers, sich nicht von den Zielen (wohl aber von den Mitteln) der PKK zu distanzieren, entspricht gerade den Grundsätzen der DTP (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D 5299/2011 vom 14. November 2011 S. 8f.), weshalb aus dem Aussageverhalten des Beschwerdeführers offensichtlich keine Mitgliedschaft bei der PKK oder gar Teilnahme an terroristischen Aktivitäten abgeleitet werden kann. Diese lässt sich auch nicht allein daraus ableiten, dass er Abdullah Öcalan als « Apo» bezeichnet hat. Insgesamt ergibt sich aus den Akten nichts, was darauf hindeuten würde, der Beschwerdeführer sei nicht wie von ihm angegeben allein insofern politisch aktiv gewesen, als er sich in verschiedenen Funktionen für Jugendorganisationen der DTP engagiert und an Demonstrationen teilgenommen hat. Selbst wenn sich Ladenbesitzer aufgrund der anlässlich einer Demonstration verteilten Flugblätter eingeschüchtert fühlten, vermöchte dies offensichtlich noch keine mehrmonatige Untersuchungshaft oder gar eine mehrjährige Haftstrafe zu rechtfertigen. Der Anwalt erwarte eine Haftstrafe von bis zu zwölf Jahren. Die gesamten Umstände sprechen daher deutlich dafür, dass das Verfahren
gegen den Beschwerdeführer politisch motiviert und dieser einem Politmalus ausgesetzt war (vgl. dazu auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D 6592/2011 vom 21. Januar 2013 E. 7). Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass aufgrund des politischen Profils des Beschwerdeführers sowie des gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens ein politisches Datenblatt erstellt worden sein dürfte. In der Regel ist bereits aufgrund dieser Fichierung von einer berechtigten Furcht vor künftiger asylrechtlich relevanter staatlicher Verfolgung auszugehen (vgl. BVGE 2010/9).

5.5 Insgesamt kann diesen Erwägungen gemäss nicht von legitimer Strafverfolgung durch die türkischen Behörden gesprochen werden. Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem gegen ihn laufenden Verfahren während mehrerer Monate festgehalten und allenfalls gefoltert wurde. Zudem droht ihm eine Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe, welche entgegen den Ausführungen des BFM eben gerade nicht als rechtsstaatlich legitim bezeichnet werden kann. Aufgrund der vorliegenden Akten ist vielmehr davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer von den türkischen Sicherheitskräften für seine politische Haltung und für rechtsstaatlich legitime politische Aktivitäten verfolgt worden ist und weitere Verfolgungshandlungen nicht auszuschliessen sind. Aufgrund dieser Überlegungen ist die Furcht des Beschwerdeführers vor weiteren Verfolgungsmassnahmen durch die türkischen Sicherheitskräfte, mithin auch angesichts der bereits erlebten Vorkommnisse aufgrund der heutigen Aktenlage, objektiv nachvollziehbar und somit als begründet im Sinne von Art. 3 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) zu erachten. Da die befürchteten Nachteile von den türkischen
Sicherheitskräften ausgehen, welche auf dem Territorium der Türkei die Staatsmacht repräsentieren, ist im vorliegenden Fall auch nicht vom Bestehen einer sicheren innerstaatlichen Schutzalternative auszugehen.

6. Aufgrund der Aktenlage besteht weiter kein Grund zur Annahme einer Asylunwürdigkeit des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 53
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 53 Asylunwürdigkeit - Flüchtlingen wird kein Asyl gewährt, wenn:
a  sie wegen verwerflicher Handlungen des Asyls unwürdig sind;
b  sie die innere oder die äussere Sicherheit der Schweiz verletzt haben oder gefährden; oder
c  gegen sie eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB156 oder Artikel 49a oder 49abis MStG157 ausgesprochen wurde.
AsylG, zumal keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er verwerfliche Handlungen im Sinne dieser Bestimmung begangen habe oder die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz gefährde. Der Beschwerdeführer ist selbst von den türkischen Gerichten bisher offenbar nicht mit Gewalttaten oder gar terroristischen Aktivitäten in Verbindung gebracht worden. Die Anklage bezieht sich auf Propagandatätigkeit und Mitgliedschaft bei der PKK sowie auf Drohung, was der Beschwerdeführer aber bestreitet und in der Anhörung auch glaubhaft und detailliert widerlegt hat (...). Er habe lediglich an Demonstrationen teilgenommen und politische Parolen gerufen. Aus den Akten lässt sich damit vorliegend nicht ableiten, der Beschwerdeführer sei PKK-Mitglied und als solches in gewalttätige Aktionen verwickelt gewesen oder er hätte die PKK aktiv unterstützt. Aufgrund der von ihm eingestandenen Aktivitäten (Unterstützung der DTP, Teilnahme an Demonstrationen und Skandieren von Slogans) kann jedenfalls nicht von einer Gewaltbereitschaft im Sinne der
Asylunwürdigkeit ausgegangen werden, zumal auch die Überprüfung des Beschwerdeführers durch den Nachrichtendienst des Bundes keine konkreten nachteiligen Erkenntnisse gebracht hat.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2013/25
Datum : 18. April 2013
Publiziert : 15. Oktober 2013
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2013/25
Sachgebiet : Abteilung IV (Asylrecht)
Gegenstand : Asyl und Wegweisung


Gesetzesregister
AsylG: 3 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
53
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 53 Asylunwürdigkeit - Flüchtlingen wird kein Asyl gewährt, wenn:
a  sie wegen verwerflicher Handlungen des Asyls unwürdig sind;
b  sie die innere oder die äussere Sicherheit der Schweiz verletzt haben oder gefährden; oder
c  gegen sie eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB156 oder Artikel 49a oder 49abis MStG157 ausgesprochen wurde.
Stichwortregister
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2011/10 • 2010/9
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D-5299/2011 • D-5366/2006 • D-6592/2011 • D-6684/2011