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Auszug aus dem Urteil der Abteilung II
i. S. A. AG und F. AG gegen Eidgenössische Alkoholverwaltung
B-1470/2010 vom 29. September 2010

Öffentliches Beschaffungswesen. Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Auswirkungen der staatlichen Nachfrage auf den Anbieterwettbewerb. Hinreichender Restwettbewerb bei restriktiver Festsetzung der Eignungskriterien.

Art. 1 Abs. 1 Bst. b
SR 172.056.1 Bundesgesetz vom 21. Juni 2019 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB)
BöB Art. 1 Gegenstand - Dieses Gesetz findet auf die Vergabe öffentlicher Aufträge durch unterstellte Auftraggeberinnen innerhalb und ausserhalb des Staatsvertragsbereichs Anwendung.
und c und Art. 9
SR 172.056.1 Bundesgesetz vom 21. Juni 2019 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB)
BöB Art. 9 Übertragung öffentlicher Aufgaben und Verleihung von Konzessionen - Die Übertragung einer öffentlichen Aufgabe oder die Verleihung einer Konzession gilt als öffentlicher Auftrag, wenn der Anbieterin dadurch ausschliessliche oder besondere Rechte zukommen, die sie im öffentlichen Interesse wahrnimmt, und ihr dafür direkt oder indirekt ein Entgelt oder eine Abgeltung zukommt. Spezialgesetzliche Bestimmungen gehen vor.
BöB. Art. 21
SR 172.056.11 Verordnung vom 12. Februar 2020 über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB)
VöB Art. 21 Sprache der Ausschreibungsunterlagen - (Art. 47 Abs. 3 und 48 Abs. 5 BöB)
1    Für Lieferungen und Dienstleistungen sind die Ausschreibungsunterlagen grundsätzlich in den beiden Amtssprachen des Bundes zu verfassen, in denen die Ausschreibung veröffentlicht wurde.
2    Die Auftraggeberin kann die Ausschreibungsunterlagen nur in einer Amtssprache des Bundes veröffentlichen, wenn aufgrund der Reaktionen auf eine Vorankündigung oder aufgrund anderer Indizien zu erwarten ist, dass kein Bedarf an einer Veröffentlichung der Ausschreibungsunterlagen in zwei Amtssprachen besteht.
3    Die Ausschreibungsunterlagen können überdies nur in einer Amtssprache des Bundes oder in den Fällen nach Artikel 20 in einer anderen Sprache verfasst werden, wenn:
a  eine Übersetzung erheblichen Mehraufwand verursachen würde; ein erheblicher Mehraufwand ist in jedem Fall gegeben, wenn die Übersetzungskosten 5 Prozent des Auftragswerts oder 50 000 Franken übersteigen würden; oder
b  die Leistung nicht in verschiedenen Sprachregionen der Schweiz und nicht mit Auswirkungen auf verschiedene Sprachregionen der Schweiz zu erbringen ist.
4    Für Bauleistungen und damit zusammenhängende Lieferungen und Dienstleistungen sind die Ausschreibungsunterlagen mindestens in der Amtssprache am Standort der Baute in der Schweiz zu verfassen.
VöB.

1. Es besteht kein Rechtsanspruch darauf, dass die Vergabestelle Eignungskriterien so definiert, dass KMU grundsätzlich in der Lage sind, diese zu erfüllen. Die Regelung betreffend die Zulassung von Bietergemeinschaften ist nicht als KMU-Förderungsartikel zu verstehen (E. 6.2).

2. Bei Festsetzung der Submissionsbedingungen und Eignungskriterien sind die Auswirkungen auf den Anbieterwettbewerb zu berücksichtigen, sodass ein hinreichender Restwettbewerb verbleibt. Das Ziel des wirtschaftlichen Mitteleinsatzes ist mit der Wettbewerbszielsetzung des Vergaberechts in Einklang zu bringen (E. 6.3).

Marchés publics. Soutien aux petites et moyennes entreprises (PME). Effets de la demande publique sur la concurrence entre soumissionnaires. Concurrence résiduelle suffisante en présence de critères de qualification restrictifs.

Art. 1 al. 1 let. b et c et art. 9 LMP. Art. 21 OMP.

1. Il n'existe pas de droit à ce que l'adjudicateur définisse les critères de qualification de manière à ce que les PME puissent satisfaire à ces critères. La réglementation relative aux communautés de soumissionnaires ne doit pas être comprise comme une disposition de soutien aux PME (consid. 6.2).

2. La détermination des conditions pour soumissionner et des critères de qualification doit tenir compte des effets sur la concurrence entre soumissionnaires, de sorte qu'il demeure encore une concurrence résiduelle suffisante. Dans les marchés publics, l'objectif de l'utilisation économique des fonds publics doit rester compatible avec celui du renforcement de la concurrence (consid. 6.3).

Commesse pubbliche. Sostegno alle piccole e medie imprese (PMI). Effetti del bando da parte delle collettività pubbliche sulla concorrenza tra offerenti. Concorrenza residua sufficiente anche quando i criteri di idoneità sono restrittivi.

Art. 1 cpv. 1 lett. b e c e art. 9 LAPub. Art. 21 OAPub.

1. Non esiste alcun diritto per le PMI che l'aggiudicatore definisca i criteri di idoneità in modo da permettere loro di soddisfare questi criteri. La regolamentazione relativa ai consorzi di offerenti non deve essere compresa come una disposizione di sostegno per le PMI (conisd. 6.2).

2. La determinazione delle condizioni per presentare l'offerta e dei criteri di idoneità deve prendere in considerazione gli effetti che essi hanno sulla concorrenza tra gli offerenti, in modo che sia ancora garantita una concorrenza residua sufficiente. Nelle commesse pubbliche, l'obiettivo dell'utilizzo economico dei fondi pubblici deve restare compatibile con quello del rinforzo della concorrenza (consid. 6.3).


Mit Publikation im SIMAP-Forum (Informationssystem für das öffentliche Auftragswesen) schrieb die Eidgenössische Alkoholverwaltung (EAV) am 17. Februar 2010 einen Dienstleistungsauftrag betreffend « Privatisierung Alcosuisse » öffentlich aus. Diese Privatisierung erfolgt im Rahmen der Totalrevision des Alkoholgesetzes. Es soll auf das Bundesmonopol zur Einfuhr von Ethanol verzichtet und der Ethanolmarkt der Schweiz liberalisiert werden. Die Alcosuisse ist bisher innerhalb der EAV als Profitcenter mit dem Ethanolimport und -vertrieb betraut. Gegenstand der Beschaffung sind die Dienstleistungen, die zur Beratung und Unterstützung der EAV bei der Vorbereitung und Durchführung der Überführung des Eigentums an der Alcosuisse notwendig sind.

Gegen die Ausschreibung erhoben eine im Bereich der Transaktionsdienstleistungen tätige Unternehmung sowie eine Anwaltskanzlei mit gemeinsamer Eingabe Beschwerde. Sie bringen im Wesentlichen vor, die Eignungskriterien und Submissionsbedingungen seien so formuliert, dass es kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) verunmöglicht werde, am Vergabeverfahren teilzunehmen. Der Anbietermarkt werde auf unzulässige Weise eingeschränkt.

Mit Zwischenverfügung vom 24. März 2010 ordnete der Instruktionsrichter unter anderem vorsorglich an, dass das Erfordernis der « Leistung aus einer Hand » beziehungsweise der Ausschluss von Bietergemeinschaften und Subunternehmungen gemäss Ausschreibung für die Beschwerdeführerinnen einstweilen nicht gelte. Unter diesen Prämissen reichte die im Bereich der Transaktionsdienstleistungen tätige Unternehmung eine Offerte ein, wobei die teilweise Leistungserbringung durch zwei Subunternehmer vorgesehen war. Die hierauf erlassene Ausschlussverfügung wegen Nichterfüllung anderer Eignungskriterien (fehlende einschlägige Referenzen und fehlendes Qualitätssicherungssystem) ist Gegenstand eines separaten Verfahrens.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) weist die Beschwerde ab, soweit sie nicht durch den Abschluss des Vertrages gegenstandslos geworden ist.


Aus den Erwägungen:

6. Die Beschwerdeführerinnen beanstanden, die Ausschreibung sei so formuliert, dass nur grössere Unternehmungen, nicht aber KMU als Anbieterinnen in Frage kommen. Die einzelnen Eignungskriterien seien je für sich und in ihrer Kombination so restriktiv, dass sie von KMU gar nicht erfüllt werden könnten. Die Beschwerdeführerinnen rügen insofern nicht bloss die Rechtswidrigkeit einzelner Eignungskriterien in dem Sinne, dass diese mangels Auftrags- beziehungsweise Leistungsbezug in sich vergaberechtswidrig seien, sondern sie sehen den Markt durch die vorgegebenen Eignungskriterien als in rechtswidriger Weise eingeschränkt an.

6.1 Eignungskriterien dienen dazu, den Anbietermarkt auf jene Unternehmungen einzugrenzen, welche in der Lage sind, den Auftrag in der gewünschten Qualität zu erbringen. Es liegt damit in der Natur der Sache, dass durch restriktiv formulierte Eignungskriterien der Anbietermarkt enger wird. Insbesondere führt das Betonen der Bedeutung von Referenzprojekten dazu, dass sich neue Anbieter, die auf den Markt drängen, nicht beteiligen können (vgl. dazu den Zwischenentscheid des BVGer B-504/2009 vom 3. März 2009 E. 5.3). Sofern die Eignungskriterien einen genügenden Leistungs- beziehungsweise Auftragsbezug aufweisen, ist die sich durch restriktive Eignungskriterien ergebende Einschränkung des Anbietermarktes, soweit sie nicht im Widerspruch zur Natur des zu vergebenden Auftrags steht, aber jedenfalls so lange unbedenklich, als noch ein hinreichender (Rest-)Wettbewerb verbleibt (vgl. in Bezug auf technische Spezifikationen den Zwischenentscheid des BVGer B 822/2010 vom 10. März 2010 E. 5.2). Dabei kommt der Vergabestelle ein grosses Ermessen zu, in welches die Rechtsmittelinstanz nicht eingreifen darf.

6.2 Einen Rechtsanspruch auf KMU-Förderung in dem Sinne, dass die Eignungskriterien so zu formulieren sind, dass KMU grundsätzlich in der Lage sind, diese zu erfüllen, gibt es nach dem geltenden Vergaberecht des Bundes nicht. Wie das BVGer bereits im Zwischenentscheid im vorliegenden Verfahren vom 24. März 2010 (E. 4.5) festgehalten hat, kann die Vergabestelle wohl in gewissem Umfang KMU-Förderung betreiben, sie wird aber dazu vergaberechtlich nicht verpflichtet (so im Ergebnis auch Peter Galli/André Moser/Elisabeth Lang/Evelyne Clerc, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts. Eine Systematische Darstellung des Bundes, der Kantone und der Europäischen Union., 2. Aufl., 1. Bd. Landesrecht, Zürich/Basel/Genf 2007, Rz. 363, wo aber als Postulat festgehalten wird, es sei eine KMU-freundlichere Vergabepolitik der Vergabestellen angezeigt). Im Übrigen ist mit Zwischenentscheid im vorliegenden Verfahren vom 24. März 2010 (E. 4.3) bereits mit Bezug auf Art. 21
SR 172.056.11 Verordnung vom 12. Februar 2020 über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB)
VöB Art. 21 Sprache der Ausschreibungsunterlagen - (Art. 47 Abs. 3 und 48 Abs. 5 BöB)
1    Für Lieferungen und Dienstleistungen sind die Ausschreibungsunterlagen grundsätzlich in den beiden Amtssprachen des Bundes zu verfassen, in denen die Ausschreibung veröffentlicht wurde.
2    Die Auftraggeberin kann die Ausschreibungsunterlagen nur in einer Amtssprache des Bundes veröffentlichen, wenn aufgrund der Reaktionen auf eine Vorankündigung oder aufgrund anderer Indizien zu erwarten ist, dass kein Bedarf an einer Veröffentlichung der Ausschreibungsunterlagen in zwei Amtssprachen besteht.
3    Die Ausschreibungsunterlagen können überdies nur in einer Amtssprache des Bundes oder in den Fällen nach Artikel 20 in einer anderen Sprache verfasst werden, wenn:
a  eine Übersetzung erheblichen Mehraufwand verursachen würde; ein erheblicher Mehraufwand ist in jedem Fall gegeben, wenn die Übersetzungskosten 5 Prozent des Auftragswerts oder 50 000 Franken übersteigen würden; oder
b  die Leistung nicht in verschiedenen Sprachregionen der Schweiz und nicht mit Auswirkungen auf verschiedene Sprachregionen der Schweiz zu erbringen ist.
4    Für Bauleistungen und damit zusammenhängende Lieferungen und Dienstleistungen sind die Ausschreibungsunterlagen mindestens in der Amtssprache am Standort der Baute in der Schweiz zu verfassen.
der Verordnung vom 11. Dezember 1995 über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB, SR 172.056.11) betreffend die Zulassung von Bietergemeinschaften entsprechend ausgeführt worden, dass diese Bestimmung nicht als strukturpolitischer
KMU-Förderungsartikel verstanden werden kann. Eine Verpflichtung, wie sie die Beschwerdeführerinnen behaupten, würde ausserdem wohl eine formell-gesetzliche Grundlage voraussetzen (vgl. dazu mutatis mutandis den Zwischenentscheid des BVGer B 822/2010 vom 10. März 2010 E. 4.3). Soweit zur Förderung von KMU von der Vergabestelle marktunübliches Verhalten verlangt würde, müsste wohl zugleich von einem sogenannten vergabefremden Gesichtspunkt gesprochen werden. Auf den Vorwurf der Vergabestelle, die Beschwerdeführerinnen nutzten das Beschwerderecht in nicht zulässiger Weise für gewerbepolitische Anliegen, ist in diesem Zusammenhang nicht weiter einzugehen.

6.3 Der Sache nach geht es nach dem Gesagten darum, unter Berücksichtigung des Ermessensspielraums der Vergabestelle die Wettbewerbszielsetzung gemäss Art. 1 Abs. 1 Bst. b
SR 172.056.1 Bundesgesetz vom 21. Juni 2019 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB)
BöB Art. 1 Gegenstand - Dieses Gesetz findet auf die Vergabe öffentlicher Aufträge durch unterstellte Auftraggeberinnen innerhalb und ausserhalb des Staatsvertragsbereichs Anwendung.
des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB, SR 172.056.1) und die Zielsetzung des wirtschaftlichen Mitteleinsatzes im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Bst. c
SR 172.056.1 Bundesgesetz vom 21. Juni 2019 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB)
BöB Art. 1 Gegenstand - Dieses Gesetz findet auf die Vergabe öffentlicher Aufträge durch unterstellte Auftraggeberinnen innerhalb und ausserhalb des Staatsvertragsbereichs Anwendung.
BöB in Einklang zu bringen. Der Vergabestelle kann aber nicht gefolgt werden, wenn sie festhält, sie sei für einen optimalen Einsatz der öffentlichen Mittel lediglich verpflichtet, ihre Bedürfnisse genau abzuklären und - so die Vergabestelle wörtlich - « unabhängig von den anbieterseitigen Marktverhältnissen » festzulegen. Vielmehr ist es entscheidend, dass die Vergabestelle im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens auch die Auswirkungen ihrer Nachfrage auf den Anbieterwettbewerb mitberücksichtigt. Die Auftraggeberin darf in der Regel Auftragsvolumen und Anforderungen an die Anbieter nicht so definieren, dass dies dazu führt, dass nur zwei Anbieter die in Frage stehende Leistung erbringen können (Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich [VGr ZH] VB.98.00362 vom 19. Mai 1999, Minderheitsmeinung; der Minderheit zustimmend
Galli/Moser/Lang/Clerc, a. a.O., Rz. 363; vgl. zum Ganzen auch das Urteil des VGr ZH VB.2005.00155 vom 19. Oktober 2005, insbes. E. 5). Sonst kann - soweit nicht objektivierbare Besonderheiten der Nachfragebedürfnisse oder des betroffenen Marktes die entsprechende Einschränkung rechtfertigen - von einem hinreichenden Restwettbewerb nicht mehr gesprochen werden.

6.4 Die Beschwerdeführerinnen bringen vor, insbesondere der Ausschluss von Bietergemeinschaften und Subunternehmungen führe in Kombination mit den anderen Eignungskriterien dazu, dass der Wettbewerb in unzulässiger Weise auf wenige Unternehmungen eingeschränkt werde. Da den Beschwerdeführerinnen durch den vorsorglich gewährten Rechtsschutz die Teilnahme am Beschaffungsverfahren in der Form als Bietergemeinschaft beziehungsweise General- und Subunternehmung ermöglicht wurde (vgl. E. ..., wonach damit das aktuelle und praktische Rechtsschutzinteresse an der Beurteilung der Frage nach der Zulässigkeit des Ausschlusses von Bietergemeinschaften und Subunternehmungen weggefallen ist), sind diese Einschränkungen indessen auch bei der Prüfung des Restwettbewerbes nicht weiter zu berücksichtigen. Vielmehr ist die Wettbewerbssituation entsprechend der sich für die Beschwerdeführerinnen nach Ergehen des Zwischenentscheides vom 24. März 2010 (und damit bei Angebotseinreichung am 9. April 2010) präsentierenden Rechtslage zu beurteilen.

6.5 Soweit die Beschwerdeführerinnen geltend machen, nur grössere Unternehmungen führten ein standardisiertes Qualitätsmanagementsystem (QMS), weshalb die entsprechende Vorgabe im Rahmen der Eignungskriterien kleinere und mittlere Unternehmungen faktisch von der Vergabe ausschliesse, erweist sich dieses Vorbringen als nicht stichhaltig. Die Anforderungen an die Standardisierung eines QMS ergeben sich vielmehr gerade (u.a.) aus der Grösse einer Unternehmung (vgl. die Dokumentation International Standard, ISO 9001, Quality management systems - Requirements, Fourth edition 2008, S. V), wobei es grundsätzlich keine Mindestgrösse für die Implementierung eines standardisierten QMS gibt. In der Schweiz führt inzwischen eine nicht unerhebliche Anzahl von KMU ein QMS nach ISO-Standard, wobei dazu nicht nur Sachgüter produzierende Betriebe, sondern insbesondere Dienstleistungsbetriebe gehören. So weisen namentlich auch etliche Anwaltskanzleien gegenüber potenziellen Kunden darauf hin, dass sie über ein QMS nach ISO-Standard 9001 verfügen. Es findet sich sogar einschlägige Spezialliteratur (Leo Staub/Christian Beutter, Die ISO-9000-Zertifizierung von Anwaltskanzleien und das Anwaltsgeheimnis,
in: Aktuelle Juristische Praxis 1998/12, S. 1403ff.). Darauf braucht indessen nicht weiter eingegangen zu werden. Indem sich die Vergabestelle nicht auf den ISO-Standard festlegte, sondern alternativ einen ähnlichen Standard zuliess, wurde der Anbietermarkt für die strittige Beschaffung jedenfalls nicht derart eingeschränkt, dass von einem ungenügenden Restwettbewerb gesprochen werden könnte.

6.6 Wenn die Beschwerdeführerinnen des Weiteren vorbringen, die vorgegebenen Personalressourcen würden es KMU verunmöglichen, ein Angebot einzureichen, da diese nicht während längerer Zeit für ein Projekt 16 Personen bereitstellen könnten, kann diesem Argument zwar eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden. In der Tat mag es für kleinere Unternehmungen, welche Dienstleistungen im Bereich von Geschäftsübernahmen und -umstrukturierungen anbieten, tatsächlich problematisch sein, während längerer Zeit einen nicht unwesentlichen Teil des Personals für ein bestimmtes Projekt bereitzuhalten. Dass in casu die vorgegebenen Personalressourcen den Anbietermarkt praktisch auf « einige wenige Marktplayer » (...) eingeschränkt haben, ist aber nicht zu sehen, zumal in der Schweiz eine Vielzahl von Beratungsunternehmen und Anwaltskanzleien im Mergers & Acquisitions-Bereich tätig sind, die über die entsprechenden personellen Kapazitäten verfügen. Dass kleinere Unternehmungen durch Mandate wie das vorliegend strittige ihre Ressourcen stärker binden als grössere Unternehmungen, liegt im Übrigen in der Natur der Sache.

6.7 Auch die geforderten drei Referenzprojekte, welche hinsichtlich « Dauer, Bedeutung und Ressourcenbedarf » mit den ausgeschriebenen Leistungen vergleichbar sein müssen, führen nicht zu einer unzulässigen Einschränkung des Restwettbewerbs: Die Vorgabe verhindert zwar den Markteintritt für Beratungsunternehmungen, die bislang weder für öffentlich-rechtliche Kunden noch für Non-Profit-Organisationen tätig waren. In Anbetracht der vielen Umstrukturierungsprojekte der öffentlichen Hand in den letzten Jahren auf Stufe Bund, Kantone und Gemeinden ist aber ohne weiteres davon auszugehen, dass hinreichend viele Unternehmungen entsprechende Referenzprojekte darzulegen vermögen. Dabei ist namentlich darauf hinzuweisen, dass sowohl die Beschwerdeführerin 1 als auch die Beschwerdeführerin 2 im Rahmen der Angebotseinreichung vom 9. April 2010 Referenzprojekte vorweisen konnten, welche von der Vergabestelle nicht beanstandet wurden.

6.8 Die Kombination der von den Beschwerdeführerinnen beanstandeten Eignungskriterien 1.3 (Personalressourcen), 1.4 (Kundenstruktur bzw. Referenzprojekte) und 2.5 (Qualitätsmanagementsystem) führt im Vergleich zur isolierten Betrachtung der Auswirkungen dieser Kriterien zwar, worauf die Beschwerdeführerinnen zutreffend hinweisen, tendenziell zu einer weiteren Verkleinerung der Anzahl möglicher Anbieter. So müssen namentlich die Referenzprojekte in Bezug auf den (Personal )Ressourceneinsatz vergleichbar mit dem ausgeschriebenen Privatisierungsprojekt sein, womit sich dieses Eignungskriterium in Bezug auf die Auswirkungen auf den Wettbewerb weitgehend mit den geforderten Personalressourcen gemäss Eignungskriterium 1.3 überschneidet. Dem entspricht, dass die Beschwerdeführerinnen eine seitens der Vergabestelle mit Duplik vom 14. Juni 2010 eingereichte Aufzählung von elf namentlich genannten weiteren möglichen Anbietern mit Eingabe vom 21. Juni 2010 weitgehend bestreiten, zum Teil nach Konsultation der betreffenden Unternehmen. Indessen gehen die Beschwerdeführerinnen selbst davon aus, dass neben den vier grossen Wirtschaftsprüfungsunternehmungen KPMG, Ernst & Young, PriceWaterhouse
Coopers und Deloitte Touche Tohmatsu lediglich (aber immerhin) « einige wenige Unternehmungen » für den Auftrag in Frage kommen. Andererseits anerkennt auch die Vergabestelle, dass der schweizerische Markt für integrierte Transaktionsberatung und -unterstützung « nicht unüberschaubar gross » ist (...). Es gebe aber immerhin « mindestens sieben Anbieter », welche die Eignungskriterien der angefochtenen Ausschreibung erfüllen. Aus den Akten ergibt sich jedenfalls, ohne dass auf die genaue Zahl möglicher Anbieter weiter einzugehen wäre, dass eine Anbieterin im vorliegend zu beurteilenden Vergabeverfahren für geeignet befunden worden ist, welche nicht zu den vier genannten grossen Wirtschaftsprüfungsunternehmen gehört. Damit ist der massgebende Restwettbewerb - dies gilt im Übrigen wohl auch unter Berücksichtigung des Ausschlusses von Bietergemeinschaften und Subunternehmern - angesichts der Natur der in Frage stehenden Dienstleistungen mit Blick auf den diesbezüglichen vergaberechtlichen Mindeststandard nicht zu beanstanden. Demnach ist die Beschwerde, soweit sie nicht gegenstandslos geworden ist, vollumfänglich abzuweisen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2010/58
Datum : 29. September 2010
Publiziert : 21. Oktober 2011
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2010/58
Sachgebiet : Abteilung II (Wirtschaft, Wettbewerb, Bildung)
Gegenstand : Öffentliches Beschaffungswesen


Gesetzesregister
BoeB: 1 
SR 172.056.1 Bundesgesetz vom 21. Juni 2019 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB)
BöB Art. 1 Gegenstand - Dieses Gesetz findet auf die Vergabe öffentlicher Aufträge durch unterstellte Auftraggeberinnen innerhalb und ausserhalb des Staatsvertragsbereichs Anwendung.
9
SR 172.056.1 Bundesgesetz vom 21. Juni 2019 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB)
BöB Art. 9 Übertragung öffentlicher Aufgaben und Verleihung von Konzessionen - Die Übertragung einer öffentlichen Aufgabe oder die Verleihung einer Konzession gilt als öffentlicher Auftrag, wenn der Anbieterin dadurch ausschliessliche oder besondere Rechte zukommen, die sie im öffentlichen Interesse wahrnimmt, und ihr dafür direkt oder indirekt ein Entgelt oder eine Abgeltung zukommt. Spezialgesetzliche Bestimmungen gehen vor.
VoeB: 21
SR 172.056.11 Verordnung vom 12. Februar 2020 über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB)
VöB Art. 21 Sprache der Ausschreibungsunterlagen - (Art. 47 Abs. 3 und 48 Abs. 5 BöB)
1    Für Lieferungen und Dienstleistungen sind die Ausschreibungsunterlagen grundsätzlich in den beiden Amtssprachen des Bundes zu verfassen, in denen die Ausschreibung veröffentlicht wurde.
2    Die Auftraggeberin kann die Ausschreibungsunterlagen nur in einer Amtssprache des Bundes veröffentlichen, wenn aufgrund der Reaktionen auf eine Vorankündigung oder aufgrund anderer Indizien zu erwarten ist, dass kein Bedarf an einer Veröffentlichung der Ausschreibungsunterlagen in zwei Amtssprachen besteht.
3    Die Ausschreibungsunterlagen können überdies nur in einer Amtssprache des Bundes oder in den Fällen nach Artikel 20 in einer anderen Sprache verfasst werden, wenn:
a  eine Übersetzung erheblichen Mehraufwand verursachen würde; ein erheblicher Mehraufwand ist in jedem Fall gegeben, wenn die Übersetzungskosten 5 Prozent des Auftragswerts oder 50 000 Franken übersteigen würden; oder
b  die Leistung nicht in verschiedenen Sprachregionen der Schweiz und nicht mit Auswirkungen auf verschiedene Sprachregionen der Schweiz zu erbringen ist.
4    Für Bauleistungen und damit zusammenhängende Lieferungen und Dienstleistungen sind die Ausschreibungsunterlagen mindestens in der Amtssprache am Standort der Baute in der Schweiz zu verfassen.
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
zwischenentscheid • subunternehmer • frage • kleine und mittlere unternehmen • ermessen • dauer • vergabeverfahren • privatisierung • entscheid • voraussetzung • bundesverwaltungsgericht • zahl • leistungsbezug • erfüllung der obligation • zuschlag • antrag zu vertragsabschluss • einsprache • bundesgesetz über das öffentliche beschaffungswesen • verordnung über das öffentliche beschaffungswesen • duplik
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BVGer
B-1470/2010 • B-504/2009 • B-822/2010