S. 613 / Nr. 100 Erfindungsschutz (d)

BGE 57 II 631

100. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. Dezember 1931 i. S.
Meyer gegen P. Ringier & Cie.


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Regeste:
Patentverletzungsklage. Die Einreichung eines Rechtsgutachtens ist auch nach
Ablauf der Berufungsfrist statthaft, wenn es dem Berufungsgegner noch
rechtzeitig vor der Verhandlung zugestellt werden kann. Es ist aber nur zu
berücksichtigen, soweit es von dem für das Bundesgericht verbindlichen
Tatbestand ausgeht und sich mit den Parteianträgen deckt.
Verfahrenspatent für die Erfindung eines Verfahrens zur Herstellung von
Diapositiven für die Erzeugung von Tiefdruckformen. Unterscheidung zwischen
Verfahrens- und Kombinationspatent.

A. - Die Klägerin, P. Ringier & Co. in Zofingen, meldete am 23. März 1928 für
die Erfindung eines Verfahrens zur Herstellung von Diapositiven für die
Erzeugung von Tiefdruckformen ein Patent an, das am 15. März 1929 unter Nr.
131.838 durch das eidgenössische Amt für geistiges Eigentum eingetragen
wurde....
Der Hauptanspruch des schweizerischen Patentes Nr. 131.838 lautet:
«Verfahren zur Herstellung von Diapositiven für die Erzeugung von
Tiefdruckformen, dadurch gekennzeichnet, dass man von Bildvorlagen
nichttransparente Negativbilder herstellt und letztere in der gewünschten
Anordnung für die Druckform montiert und von diesem montierten Negativ auf
photographischem Wege ein Diapositiv herstellt.»
Die beiden Unteransprüche des Patentes lauten:

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«1. Verfahren nach Patentanspruch, für Tiefdruckformen mit Bildern und
Schriftzeichen, dadurch gekennzeichnet, dass man negative Schriftzeichen
zusammen mit den nichttransparenten Negativbildern in der gewünschten
Anordnung für die Druckform montiert.
2. Verfahren nach Patentanspruch und Unteranspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
dass man bei der Herstellung des Diapositives eine Rasterplatte beim
Photographieren vorschaltet, um ein gerastertes Diapositiv zu erhalten.»
Der technische und wirtschaftliche Vorteil der klägerischen Erfindung
gegenüber dem schon bekannt gewesenen Verfahren zur Herstellung von
Druckerzeugnissen, die Tiefdruckbilder und Schrift auf derselben Seite
vereinigen, besteht darin, dass die Vereinigung der Bilder mit der Schrift in
einem frühern Stadium vorgenommen werden kann, in der sogenannten
Negativmontage, und dass alles Weitere, insbesondere die Uebertragung auf den
Zylinder, nicht wie bei dem frühern Verfahren durch einen doppelten
Arbeitsgang, ein getrenntes Uebertragen von Bild und Schrift, sondern in einem
einzigen Arbeitsgang durchgeführt werden kann. Das wird eben dadurch
ermöglicht, dass die Schrift weiss auf schwarzes Papier in der gewünschten
Anordnung gedruckt wird und dass Negativbilder auf einem undurchsichtigen
(nichttransparenten) Stoff in die dafür freigelassenen Stellen eingeklebt
werden, sodass ein Negativ der ganzen Seite entsteht. Davon wird
photographisch ein Diapositiv hergestellt und auf Pigmentpapier kopiert, das
Pigmentpapier auf den Zylinder geklatscht, abgezogen, entwickelt und sodann
Bilder und Schrift gleichzeitig auf das Kupfer geätzt und darauf die
Pigmentschicht entfernt.
B. - Die Klägerin macht geltend, der Beklagte, G. Meyer, Werk- und
Akzidenzdruckerei und Verlag in Zürich 8, habe ihr patentiertes Verfahren
wiederholt in widerrechtlicher Weise ganz oder teilweise nachgeahmt...
Laut Weisung vom 21. Januar 1930 hat sie folgende Klage gegen ihn erhoben:

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1. Ist dem Beklagten das Verfahren zur Herstellung von Negativen und
Diapositiven für die Erzeugung von Tiefdruckformen und der Vertrieb der auf
diesem Weg hergestellten Schrift- und Bildwerke, soweit dadurch die Klägerin
in ihren Rechten als Inhaberin des schweizerischen Patentes Nr. 131.838 vom
23. März 1928 verletzt wird, gerichtlich zu untersagen?
2. Ist die Beklagte zum Ersatz des infolge der Patentverletzung der Klägerin
zugefügten Vermögensschadens im vorläufigen Betrage von 10000 Fr. zu
verurteilen?
3. Ist die Klägerin berechtigt, zu erklären, das Urteil im Dispositiv im
Schweizerischen Handelsamtsblatt und drei anderen von ihr zu wählenden Tages-
bezw. Wochenblättern auf Kosten des Beklagten zu veröffentlichen?
C. - Der Beklagte hat Abweisung der Klage beantragt und Widerklage auf
Nichtigerklärung des Patentes der Klägerin mangels Neuheit und Patentfähigkeit
der Erfindung erhoben.
Am 4. August 1930 hat der Beklagte die Widerklage zurückgezogen und nur seinen
Standpunkt aufrecht erhalten, dass er in der Hauptsache nach der alten Methode
und nach einem eigenen Verfahren gearbeitet habe, wonach die Schrift positif
auf Zellophanpapier gedruckt werde und Bilddiapositive, die von einem
durchsichtigen oder undurchsichtigen Negativ gemacht worden seien, in die für
sie bestimmten Felder geklebt werden und hierauf das Ganze auf Pigmentpapier
kopiert werde.
Die Klägerin hat jedoch auch in diesem Verfahren eine Patentverletzung
erblickt, da jede Verwendung undurchsichtiger Bildnegative eine solche bedeute
und da das Verfahren Meyers ausserdem auch in den von ihrem Verfahren
abweichenden Teilen eine Nachahmung sei.
Während des Prozesses hat der Beklagte in Eingaben vom 4. August 1930, 10.
Oktober und 25. Oktober 1930 eine Reihe von Nachahmungen des patentierten
Verfahrens der Klägerin zugegeben, woraus die Vorinstanz geschlossen hat, dass
die Patentverletzung anerkannt sei

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und dass das erste Rechtsbegehren deshalb ohne Weiteres begründet sei, soweit
es die Nachahmung des Verfahrens der Klägerin in seiner Gesamtheit betreffe.
D. - Durch Urteil vom 16. Juni 1931 hat das Handelsgericht des Kantons Zürich
erkannt:
1. Dem Beklagten wird verboten, für die Erzeugung von Tiefdruckformen von
Bildvorlagen nichttransparente Negativbilder herzustellen, letztere
gegebenenfalls zusammen mit negativen Schriftzeichen in der gewünschten
Anordnung für die Druckform zu montieren und von diesem montierten Negativ auf
photographischem Weg ein Diapositiv herzustellen.
2. Der Beklagte hat der Klägerin 10000 Fr. zu bezahlen.
3. Die Klägerin ist berechtigt, das Dispositiv des Urteils je einmal auf
Kosten des Beklagten im Schweizerischen Handelsamtsblatt, in der
schweizerischen Buchdruckerzeitung, den Mitteilungen des VSLB und im
Klim'schen Anzeiger in angemessener Form zu veröffentlichen.
E. - Gegen dieses Urteil hat der Beklagte rechtzeitig und in der
vorgeschriebenen Form die Berufung an das Bundesgericht erklärt und den Antrag
auf vollständige Abweisung der Klage gestellt.
F. - Nach Ablauf der Berufungsfrist hat der Vertreter des Beklagten sein
Mandat niedergelegt, und der neue Anwalt hat mit Eingabe vom 29. September
1931 um Zusendung der Akten zur Einsichtnahme ersucht er benötige sie zur
eigenen Orientierung und ausserdem als Grundlage für die Einholung eines
Gutachtens von Prof. Rüst von der Eidgenössischen technischen Hochschule
G. - Mit Eingabe vom 24. November 1931 hat der Beklagte, zwei Wochen vor der
mündlichen Verhandlung, ein Gutachten von Prof. Rüst von der Eidgenössischen
technischen Hochschule eingereicht und erklärt, seine Anträge folgendermassen
zu reduzieren:
1. Das Verbot in Dispositiv 1 sei so zu fassen: Dem Beklagten wird verboten,
für die Erzeugung von

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Tiefdruckformen von Bildvorlagen nichttransparente Negativbilder zu dem Zweck
herzustellen, um letztere ... ein Diapositiv herzustellen. Die Herstellung und
Verwendung nichttransparenter Negativbilder zu anderen Zwecken als zur
Negativmontage steht dem Beklagten frei.
2. Das zweite Rechtsbegehren werde bis zum Betrage von 5700 Fr. anerkannt.
3. Das Begehren um Veröffentlichung des Urteils sei abzuweisen.
H. - ...
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - Dem Antrag der Klägerin, das Gutachten Rüst sei als unzulässiges neues
Beweismittel und wegen verspäteter Einreichung wegzuweisen, kann keine Folge
gegeben werden. Wenn es auch die besondern Fragen des vorliegenden Prozesses
behandelt, enthält es doch zugleich allgemeine technische Erörterungen und
daneben patentrechtliche Ausführungen und es ist deshalb im Allgemeinen als
Rechtsgutachten und nicht als neues Beweismittel anzusprechen (vgl. WEISS,
Berufung S. 165). In Patentprozessen ist in Anbetracht der engen Verquickung
von technischen mit Rechtsfragen bei Anwendung des Art. 80 OG auf Gutachten,
die von den Parteien im Berufungsverfahren eingereicht worden sind, nicht mit
der sonst gebotenen Strenge vorzugehen, wie das Bundesgericht schon i. S.
Stickerei Feldmühle gegen Schawalder und Konsorten vom 7. Juni 1913 (BGE 39 II
S. 344
) erkannt hat. Ist das Gutachten an sich aber als Rechtsgutachten, das
nicht zur Beweisführung, sondern wie Literatur zur Erleichterung der
Rechtserörterung dient, anzusprechen, so war der Beklagte auch nicht gehalten,
es schon innerhalb der Berufungsfrist einzureichen, sondern es genügte zur
Wahrung der Rechte der Klägerin, dass es ihr noch frühzeitig vor der
Verhandlung, am 26. November 1931, zur Kenntnisnahme zugestellt werden konnte
(BGE 30 II S. 542, 33 II S. 70, 39 II S. 344).

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Dagegen muss ein Rechtsgutachten, wenn es seinen Zweck vor Bundesgericht
erfüllen soll, selbstverständlich von dem durch das kantonale Gericht
festgestellten Tatbestand ausgehen, vorausgesetzt, dass dieser nicht durch
formgerechte Rüge als aktenwidrig angefochten werden konnte, mit anderen
Worten, ein Rechtsgutachten, das Tatfragen, wenn auch mit einer Begründung,
anders entscheidet, als das kantonale Gericht, hat dem angefochtenen Urteil
gegenüber keine Beweiskraft und ist in diesem Umfang schlechthin nicht zu
hören, sonst würde der Art. 81 OG, der die Verbindlichkeit der kantonalen
Feststellungen über die tatsächlichen Verhältnisse vorschreibt, auf dem Umwege
über Rechtsgutachten umgangen werden können. Ebenso ist das Gutachten nicht zu
berücksichtigen, soweit es im Widerspruch mit dem Rückzug der Widerklage auf
die Frage der ganzen oder teilweisen Nichtigkeit des klägerischen Patentes
zurückkommt, denn neue Tatsachen und Begehren dürfen gemäss OG Art. 80 vor
Bundesgericht nicht mehr vorgebracht werden.
2.- ...
3. - ...
4. - Was nun die behaupteten Teilverletzungen des Beklagten betrifft, gründen
sich die tatsächlichen Feststellungen des Handelsgerichtes auf Augenscheine,
welche dieses mit seinen fachkundigen Richtern und unter Beisein der Parteien
in den Werkstätten beider Parteien durchgeführt hat, wobei alle in diesem
Prozess erwähnten Verfahren durch das Gericht selbst auch angewandt wurden. Es
mag deshalb zum Voraus festgehalten werden, dass das Gutachten Rüst bei aller
Anerkennung der wissenschaftlichen Qualitäten seines Verfassers, soweit es auf
die Streitfragen eingeht, weniger Garantien bietet, es wurde nicht von einem
Gericht unter den prozessrechtlichen Kautelen veranstaltet und kontrolliert,
sondern einseitig von einer Partei, und dem Experten stand nur ein
beschränktes Demonstrationsmaterial zur Verfügung,

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praktisch durchgeführt hat er die verschiedenen Verfahren bei Aufstellung
seines Berichtes nicht.
Die Feststellungen der Vorinstanz gehen nun dahin, dass der Beklagte je nach
den praktischen Bedürfnissen, namentlich je nach dem Umstand, ob die Bilder
ineinandergreifen müssen, zwei verschiedene .Methoden oder Verfahren anwende.
Beim einen Verfahren werden undurchsichtige Bildnegative in der gewünschten
Anordnung auf eine schwarze Unterlage geklebt, davon wird ein Diapositiv
hergestellt, und dann der auf Zellophan gedruckte Text an den dafür bestimmten
Stellen eingeklebt, sodann wird das Ganze auf Pigmentpapier kopiert. Nach der
andern Methode wird der Text auf ein Zellophanblatt von der Grösse der
Druckseite gedruckt, dann werden die auf photographischem Wege von
durchsichtigen oder undurchsichtigen Bildnegativen gewonnenen Bilddiapositive
auf die dafür freigelassenen Stellen geklebt und schliesslich wird wiederum
das Ganze auf Pigmentpapier kopiert. Diese Feststellungen sind auf Grund eines
unter Anwesenheit des Experten Cattaneo in Rapperswil in der beklagtischen
Werkstatt durchgeführten Augenscheines gemacht worden und für das
Bundesgericht gemäss OG Art. 81 verbindlich.
Auf Grund dieser Feststellungen ist nun die Rechtsfrage zu beantworten, ob
durch diese Verfahren des Beklagten, soweit in beiden undurchsichtige Negative
verwendet werden, gegen das Patent der Klägerin verstossen werde. Dabei muss
auf das Wesen der klägerischen Erfindung näher eingetreten werden, ohne dass
es aber nach dem Rückzug der Widerklage zulässig wäre, Neuheit und
Erfindungscharakter wieder in Zweifel zu ziehen.
Das Patent der Klägerin ist nach Wortlaut und Sinn des Patentanspruches und
der Unteransprüche ein Verfahrens-, nicht ein Sachpatent (Erzeugnispatent), d.
h. geschützt ist nicht eine erfundene Sache, auch nicht etwa ein erfundenes
Arbeitsmittel, sondern ein Verfahren, d. h. eine Art der menschlichen
Tätigkeit, durch die auf ein Substrat eingewirkt und ein Ergebnis
hervorgebracht

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wird (PIETZCKER, Patentgesetz, Anmerkung 64 zu § l). Trotzdem die Klägerin
gelegentlich von einer Kombination gesprochen hat und dieser Ausdruck auch im
angefochtenen Urteil vorkommt, wäre es nun aber falsch, ein kombiniertes
Verfahrenspatent im streng begrifflichen Sinne anzunehmen, d. h. ein
gemeinschaftliches Zusammenwirken mehrerer Arbeitsmittel oder Verfahren zu
einem einheitlichen Zweck (BGE 57 II S. 228), der wieder ein Verfahren wäre,
denn es fehlt im Patentanspruch jede Angabe darüber, welches die
zusammenwirkenden Faktoren und der gemeinsame Zweck seien und worin das
Zusammenwirken, das bei einem Kombinationspatent das Wesen der Erfindung
ausmacht, bestehen soll. Um die unzulässige Uebernahme der für die
Kombinationserfindung aufgestellten Rechtssätze (BGE 34 II S. 762, 37 II S.
298, 38 II S. 282, 42 II S. 112, 49 II S. 139, 57 II S. 228) zu vermeiden,
soll daher im Folgenden vom Begriff der Kombination ganz abgesehen werden,
wenn auch zuzugeben ist, dass es sich beim Patent der Klägerin um ein
sogenanntes komplexes Verfahrenspatent, nicht um ein einfaches handelt. Das
Verfahren der Klägerin besteht nämlich nicht aus einer einzigen, sondern aus
mehreren Stufen, und es muss deshalb durch Auslegung festgestellt werden, in
welcher der Stufen der erfinderische Punkt liegt (PIETZCKER a.a.O. S. 73).
Geschützt ist aber auch bei einem solchen komplexen Verfahrenspatent das eine
Verfahren und nicht eine Kombination, d. h. ein Zusammenwirken. Stufenfolge
eines Verfahrens und gemeinschaftliches Zusammenwirken bei einer Kombination
sind nicht dasselbe, denn das Charakteristische jedes Verfahrens besteht in
der zeitlichen Aufeinanderfolge der Merkmale der Erfindung (SELIGSOHN,
Patentgesetz, 3. Auflage S. 35), und doch ist nicht jedes Verfahrenspatent
auch Kombinationspatent. Damit ist auch dargetan, dass das Privatgutachten
Rüst von unrichtigen rechtlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn in Anlehnung an
missverständliche Aeusserungen der Klägerin im Prozess

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ausgeführt wird, es handle sich um ein ausgesprochenes Kombinationspatent, bei
dem das Zusammenwirken zu einem bestimmten Zweck geschützt sei; dass dies
nicht richtig sein kann, ergibt sich aus dem Gutachten selbst, indem Prof.
Rüst auf der gleichen Seite bemerkt, wichtig sei die zeitliche Reihenfolge der
Arbeitsstufen und geschützt seien nicht die einzelnen Elemente oder
Arbeitsstufen der Kombination (sofern sie nicht selbst neu seien); in dieser
Ausführung liegt die unzulässige und oben blossgelegte Verwechslung zwischen
der Stufenfolge eines Verfahrenspatentes und dem (hier gar nicht zum Schutz
beanspruchten) Zusammenwirken von Faktoren einer eigentlichen
Kombinationserfindung. Es braucht gegenüber dem Gutachten Rüst nicht näher
begründet zu werden, dass dem von der Klägerin selbst in ungenauer Weise
gebrauchten Ausdruck Kombination keine Bedeutung für den Ausgang des Prozesses
zukommt, denn entscheidend für die Kennzeichnung des klägerischen Patentes
sind die Patentansprüche.
Der Beklagte kann nun nicht einwenden, Papiernegative seien längst bekannt
gewesen und für andere Zwecke, z. B. auch in der Phototechnik, schon verwendet
worden. Mit dem Patent der Klägerin hat es nämlich gar nichts zu tun, dass
undurchsichtige Negative als solche schon bekannt gewesen und für andere
Zwecke als die Herstellung von Diapositiven für Tiefdruckformen auch schon
verwendet worden seien. Diese Einwendung wäre nur von Belang gewesen, wenn die
Klägerin neben ihrem Verfahrenspatent auch den Erfindungsschutz für die
nichttransparenten Negative als Sachen oder Arbeitsmittel beansprucht hätte;
es ist nämlich allgemein anerkannt, dass sowohl das Arbeitsverfahren, als das
Arbeitsmittel patentiert werden kann, wenn beide neu sind (PIETZICKER a.a.O.
S. 75); allein hier ist von einem zweiten Patent neben dem Verfahrenspatent
gar keine Rede.
Die Erfindung im Verfahren der Klägerin ist von der Vorinstanz mit Recht darin
erblickt worden, dass die

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Klägerin auf die Verwendung des an sich bekannten Arbeitsmittels des
undurchsichtigen Negativs im Tiefdruckverfahren kam und es so in dieses
Verfahren einzugliedern wusste, dass ein wesentlicher technischer und
wirtschaftlicher Fortschritt erzielt wurde. Dass dieses Verfahren infolge der
für es neuen Verwendung des an sich bekannten Arbeitsmittels selbst neu und
eine Erfindung war, kann nach dem oben über den Rückzug der Widerklage
Gesagten nicht mehr bestritten werden. Den technisch-wirtschaftlichen
Fortschritt hat das Handelsgericht übrigens mit Fug darin festgestellt, dass
das Verfahren der Klägerin viel weniger Arbeitshandlungen als das alte
Verfahren erfordert und darum rascher und wohlfeiler ist, ferner darin, dass
es ein sauberes und vollkommeneres Erzeugnis gewährleistet, indem bei
gleichzeitiger Montierung von Schrift und Bild ein genaueres Zusammenpassen
möglich ist. Endlich ist dem Handelsgericht auch beizupflichten, wenn es
ausgeführt hat, die Erfindung der Klägerin, darin bestehend, dass an den
Beginn des Arbeitsvorganges das nichttransparente Bildnegativ gestellt werde,
habe sich hinterher zwar als einfach erwiesen, doch mache das der Erfindung
keinen Eintrag, indem die Tiefdrucktechnik 15 Jahre gebraucht habe, um auf
diesen Gedanken zu stossen.
Aus dem Gesagten ergibt sich ohne Weiteres, dass jede Verwendung von nicht
transparenten Negativen von Bildvorlagen im Verfahren zur Herstellung von
Diapositiven für Tiefdruckformen eine Teilverletzung des klägerischen Patentes
darstellt, und dass dem Beklagten, da er bei seinen beiden Methoden solche
Teilverletzungen wiederholt begangen hat, das durch das erste Klagebegehren
nachgesuchte Verbot aufzuerlegen ist. An der Formulierung des Verbotes im
Dispositiv des angefochtenen Urteils ist nichts auszusetzen, da sie mit dem
gekennzeichneten Wesen der klägerischen Erfindung und mit den Patentansprüchen
durchaus im Einklang steht.
5. - ....

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Die Behauptung, das undurchsichtige Negativ sei bei der Erfindung der Klägerin
das Mittel zum Kombinationszweck der Negativmontage und nur in dieser
Verwendung geschützt, ist geradezu willkürlich. Abgesehen davon, dass
überhaupt keine Kombinationserfindung im technischen Sinn vorliegt, geht es
selbstverständlich nicht an, bei einem Verfahrenspatent, in dessen
Patentanspruch die zeitlich aufeinanderfolgenden Arbeitsstufen genannt und mit
dem Bindewort «und» verbunden sind, das Arbeitsmittel herauszugreifen, dessen
Verwendung im Verfahren den Kern der Erfindung darstellt, um dann aus der
folgenden Stufe «den Zweck» zu machen, für den es verwendet werde. Von einem
Zweck kann bei einem Verfahrenspatent überhaupt nur beim Endzweck gesprochen
werden, und das ist hier eben die Herstellung von Diapositiven für
Tiefdruckformen; die Negativmontage hat keinerlei selbständige
Zweckbestimmung, sondern ist einzig und allein die folgende Arbeitsstufe. Es
wäre auch gar nicht einzusehen, wieso die Klägerin auf den Gedanken gekommen
wäre, ein Verfahren zur Erzielung einer undurchsichtigen Negativmontage
patentieren zu lassen, d. h. bei der Kennzeichnung ihres Patentanspruches eine
Stufe des Arbeitsvorganges zum Endzweck zu machen, den eigentlichen
Nutzeffekt, der eben in der Verwendung der nichttransparenten Negative im
ganzen Verfahren überhaupt liegt, auszuschliessen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 57 II 631
Datum : 01. Januar 1931
Publiziert : 08. Dezember 1931
Quelle : Bundesgericht
Status : 57 II 631
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Patentverletzungsklage. Die Einreichung eines Rechtsgutachtens ist auch nach Ablauf der...


Gesetzesregister
OG: 80  81
BGE Register
30-II-530 • 34-II-758 • 39-II-340 • 57-II-222 • 57-II-631
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • erfinder • bundesgericht • patentanspruch • rechtsgutachten • widerklage • handelsgericht • stelle • rechtsbegehren • vorinstanz • schweizerisches handelsamtsblatt • neues beweismittel • augenschein • einwendung • frage • entscheid • ware • veröffentlichung • richtigkeit • nichtigkeit
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