300 ' Markenschutz. N° 47.

sogar einige Fähigkeit zur Bewertung möglicher Beziehungen des damaligen
Gesundheitszustandes zum Zustand zur Zeit der Antragstellung. Wenn
indessen diese Fähigkeit auch nicht von jedem Versicherungsnehmer
erwartet werden darf, so hat doch jeder Gelegenheit, sich im Zweifel
beim untersuchenden Anstaltsarzt durch rückhaltlose Offenheit Aufklärung
zu verschaffen. Auch ist die Frage nach genügender Bestimmtheit der
Fragestellung nach dem gegebenen Einzelfall zu beurteilen, wobei die
geistigen Fähigkeiten und die Bildung des Befragten zu berücksichtigen
sind. Im vorliegenden Falle war der Antragsteller am 24. und 25. Juli
und am 3. August 1921 beim Arzte, während er am 15. September, also
einige Wochen später nach seinen kürzlich stattgehabten ärztlichen
Beratungen gefragt wurde. Dass diese Besuche als kürzlich vor der
Befragung erfolgt betrachtet werden mussten, darüber konnte auch ein
weniger einsichtiger und gebildeter Antrag-steller. als A. (der Leiter
eines grossen industriellen Unternehmens war) nicht im Zweifel sein. Es
erscheint daher auch die vierte Frage nach den gegebenen Umständen klar
und bestimmt genug...

vm. MARKENSCHUTZ

___ ,_

PROTECT ION DES MARQUES DE FABRIQUE

47. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. Juli 1926
i. S. Chemische Fabrik Bonner ne. gegen J. G. Farbenindustrîe
Aktiengeselîschafa.

M a r k e n r e c h t : Art. 6 der revidierten Pariser
Verbandsübereinkunft vom 2. Juni 1911 : Ungültigerklärung einer
Marke AS für Tcerfarbstoffe, weil Beschaffenheitsbezeichnung in der
Farbenindustrie.

A. Die chemische Fabrik Griesheim Elektron, Frankfurt am Main,
Rechtsvorgängerin der Klä- Markenschuèzsi N° 47. ' 301

gerin, F arbenindustrie A. G., Ludwigshafen, liess am 27. März
1914 unter Nr. 199,356 eine Marke AS für T eerfarhstoffe und
Zwischenprodukte für die Teerfarbstoffabrikation in die Zeichenrolle
des deutschen Reichspatentamtes und am 19. Mai 1924 unter Nr. 36,393
im internationalen Markenregister eintragen. Ausserdem hat sie für die
nämlichen Waren am 8. Juni 1922 beim eidg. Amt für geistiges Eigentum
in Bern unter Nr. 51,80? eine kombinierte Wort Bildmarke hinterlegt,
deren Wortbestandteil die Bezeichnung Naphtol AS bildet.

Die Klägerin bringt, Wie während vielen Jahren ihre Rechtsvergängerin,
das chemische Produkt 2.3-0xynaphtoesäureanilid unter der Bezeichnung
Naphtol AS in den Handel. Andere dieser Farbstoffgruppe angehörende
Produkte kennzeichnet sie durch Beifügung weiterer Buchstaben, so
inbesondere 2.3-0xynaphtoesäuremetanitroanilid als Naphtol AS BS .

Die Beklagte, Chemische Fabrik Hohner A. G., Pratteln, vertreibt die
gleichen Produkte unter der Bezeichnung R. Naphtcl AS und R. Naphtol
AS BS .

B. Die Klägerin erblickte hierin eine Verletzung ihrer Markenrechte
und reichte im Juni 1925 beim Obergericht des Kantons Basel-Landschaft,
als einziger kantonaler Instanz, Klage ein mit den Begehren :

a) Es sei der Beklagten zu untersagen, Teerfarb stoffe und
Zwischenprodukte für die Teerfarhstoff fabrikation mit der Bezeichnung AS,
AS-BS, R Naphtol AS oder R. Naphtol AS-BS oder ähnlicher Bezeichnung
in den Handel zu bringen, unter Vorbehalt der Schaden ersatzansprüche
der Klägerin.

?) RS sei gerichtlich die Einziehung und Zerstörung der die Rechte
der Klägerin verletzenden Marken tragenden Schriftstücke, Prospekte,
Reklamen, Pak kungen etc. zu verfügen.

c) Es sei das Urteil im Falle der Verurteilung der Beklagten im
schWeizerischen Handelsamtsblatt und nach Wahl der Klägerin in zwei
andern schweizerischen

302 Markenschutz N° 47.

Tagesblättern auf Kosten der Beklagten zu veröffent lichen.

Zur Begründung machte sie geltend, die von der Beklagten benutzten
Bezeichnungen seien bewusste Nachahmungen ihres Warenzeichens. Die
Voranstellung des Buchstabens R sei nicht geeignet, die beiden Zeichen
genügend voneinander zu unterscheiden. Zudem verwende die Beklagte die
Marke der Klägerin teilweise auch ohne jeden Zusatz.

Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage und stellte widerklageweise
das Begehren : '

b.) Die zu Gunsten der Klägerin im internationalen Markenregister unter
Nr. 36,395 für Teerfarben und Zwischenprodukte für die Fabrikation von
Teerfarben eingetragene Marke AS sei für die Schweiz als unwirksam
zu erklären.

Begründend führte sie aus : Das klägerische Zeichen AS sei eine
Buchstabenmarke, die, weil nicht durch eine charakteristische Form
ausgezeichnet, nach schweiz. MSchG nicht schutzfähig sei. Ausserdem
seien Einzelbuchstaben und Buchstabenkombinationen seit Jahrzehnten
in der Teerfarbenindustrie allgemein gebräuchlich zur Bezeichnung
gewisser Qualitäten, Stärken, Nuancen etc. der Farbstoffe, sodass sie
als Beschaffenheitsbezeichnungen nicht von einem einzelnen Fabrikanten
ausschliesslich in Anspruch genommen werden könnten.

C. Mit Urteil vom 18. Dezember 1925 hat das Obergericht des Kantons
Basel-Landschaft erkannt :

1. Es wird der Beklagten untersagt, die der Klägerin geschützte Marke
AS im Sinne vorstehender Erwägungen zu gebrauchen.

2. Es wird die Einziehung und Zerstörung der die Rechte der Klägerin
verletzenden Marken tragenden Schriftstücke, Prospekte, Reklamen,
Packungen usw. durch den Bezirksstatthalter von Liestal verfügt.

3. Das Urteil ist auf Kosten der Beklagten im schweizerischen
Handelsamtsblatt zu veröffentlichen.Markensciiutz. N° i'îsi 303
fi. Das von der Beklagten widerklagsweisc erhobene Rechtsbegehren wird
abgewiesen. .)

Das Obergericht ging davon aus, dass eine Buchstabenmarke, wie sie hier
vorliege, dann zu schützen sei, wenn sie im' Verkehr die Anerkennung
als Individualzeichen für von einem bestimmten Produzenten stammende
Waren erlangthabe. Diese Voraussetzung treffe für die Naphtolprcdukte
der Klägerin zu, und es müsse daher der Marke AS der richterliche
Schutz gewährt werden, aber nur insoweit die Sachbezeichnung i'aphtol
miiverwendet werden könne, d. h. nur in Bezug auf Naphtolprodukte. s s

D. Hiegegcn richtet sich die Berufung der Beklagten mit den Begehren um
Abweisung der Klage und GutliciSSung der Widerklagc, eventuell RüCkweisüng
der Sache an die Vorinstanz zur Beweisergänzung.

Die Klägerin hat sich der Berufung angeschlossen und Gutheissung
der. Klage im vollen Umfange beantragt.

Das Bundesgerichi zieht in Erwägung :

1. Die von der Klägerin am 8. Juni 1922 unter Nr. 51807 heim eidg. Amt für
geistiges Eigentum hinterlegte kombinierte Wort Bildmarke kommt 'für die
Frage, ob eine dezeptive Markennachahmung vorliege, nicht in Betracht,
nachdem die Vorinstanz die Berufung der Klägerin auf dieses Zeichen aus
prozessualen Gründen zurückgewiesen hat. Massgebend ist vielmehr einzig
die, gestützt auf den Eintrag in der deutschen Zeichenrolle, am 19. Mai
1924 unter Nr. 36,393 für Tecrfarbstoffe und Zwischenprodukte für die
Tecrfarbstoffabrikation im internationalen Markenregister hinterlegte
Marke AS . Voraussetzung einer Verletzung der Markenrechte der Klägerin
durch die Beklagte ist dabei die Rechtsbeständigkeit dieses Zeichens in
der Schweiz.

Gemäss Art. 6 Abs. 1 der revidierten Pariser Verbandsübereinkunft vom
20. März 1883 ,f 2. Juni 1911 der

AS 52 ll 192si 21

304 _ ,Markenschutz. N° 47.

Deutschland und die Schweiz beigetreten sind muss diese im Ursprungslande
Deutschland regelrecht ein-

getragene Marke teile quelle in der Schweiz zum Schutze -

zugelassen werden, es wäre denn, dass einer der in Abs. 2 sub Ziffer
1 3 ebenda angeführten Ausschliessuno'sgründe zuträfe. Die Frage,
ob Buchstabenmarken in der Schweiz grundsätzlich schutzfähig seien,
scheidet damit ohne weiteres aus, indem jener Marke auf Grund der
Registrierung in Deutschland der Schutz in der Schweiz auch dann nicht
verweigert werden dürfte, wenn die Zeichen, aus denen sie besteht, ihrer
Form nach den Bestimmungen des schweiz. MSchG nicht entsprechen sollten
(vgl. BGE 36 II 448; 39 II 354). Ist dergestalt diese die Form der Marke
betreffende Frage nach dem hiefür massgebenden Rechte des Ursprungslandes
endgültig zu Gunsten der Klägerin entschieden, so bleibt dagegen frei
zu prüfen, ob dieses Buchstabenzeichen den allgemeinen Erfordernissen
einer Marke Genüge leiste, insbesondere, eh keiner der in Art.?) Abs. 2
der Übereinkunft festgestellten materiellrechtlichen Gründe zutreffe,
aus denen einer im' Ursprungslande eingetragenen Marke ins _ den andern
Verbandsländern der Schutz versagt werden kann. In Betracht kommt hiebei
lediglich Ziff. 2, wonach als ungültig erklärt werden können: Marken,
welche jeder Unterscheidungskraft entbehren oder ausschliesslich aus
Zeichen oder Angaben zusammengesetzt sind die im Verkehr zur Bezeichnung
der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes,
des Ursprungsortes der

Ware oder der Zeit ihrer Erzeugung dienen können,.

oder die in der gewöhnlichen Sprache, oder in den redlichen und ständigen
Verkehrsgepflogenheiten des Landes, wo der Schutz beansprucht wird,
gebräuchlich geworden sinds Die Beklagte behauptet die Schutzunfahigkeit
des klägerischen Buchstabenzeichens AS unter Berufung darauf, dass es
in der Farbenindustrie Beschaffenheitsbezeichnung sei. Dieser Standpunkt
erscheint. begründet.Markenschutz. N° 47. 305

In dem von der Vorinstanz erhobenen Gutachten stellt der Experte
Bodmer fest, dass es in der chemischen si Industrie allgemein
gebräuchlich ist, die einzelnen Farbstoffgruppcn dadurch voneinander
zu unterscheiden, dass den für sie bestehenden Varennamen einzelne
Buchstaben oder Buchstabenkombinationen beigefügt werden, die auf
eine besondere Nuance der Ware hinweisen. Dabei betont er, dass diese
von den einzelnen Produzenten freilich in verschiedener Bedeutung als
Unterscheidungsmerkmale verwendeten Buchstaben, ohne die man in der
betreffenden Branche nicht auskommen könnte, namentlich auch für die
beteiligten Abnehmerkreise als Beschaffenheitsbezeichnung und nicht als
Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem besondern Geschäftsbetriebe
zu dienen bestimmt sind und im Verkehr so aufgefasst werden. in gleichem
Sinne hat auch der sachverständige Zeuge Bender ausgeführt, dass
es auf dem Farhstoffgebjet in der ganzen Welt seitens der einzelnen
produzierenden Firmen üblich sei, die einzelnen Farbstoffe neben
ihren wissenschaftlichen oder warenzeichenrechtlichen Bezeichnungen
zur Unterscheidung durch Buchstaben kenntlich zu machen, welche den
Verkauf der Farbstoffe erleichtern sollen. Insbesondere hat er eine
ganze Reihe von Farbstoffen namhaft gemacht-, die von den Farbwerken
vom. Meister Lucius & Brüning in Höchst am Main durch Beifügung von
AS näher gekennzeichnet werden, auch hier nach rein willkürlichen
Gesichtspunkten. Endlich lauten auch die Auskünfte der Chemischen
Fabrik vormals Sandoz und der Firma Durand & Huguenin A. G. in Basel
übereinstimmend dahin, dass Buchstaben übungsgernäss als engere
Qualitätsbezeichnung dem Warennamen des F arbstoffes beigefügt werden.

Welche Bedeutung hier dem klägerischen Zeichen AS zukommt, das stets nur
in Verbindung mit der Sachhezeichnung Naphtol zur Verwendung gelangt,
geht aus den Akten nicht hervor und'ist auch unerheblich. Dafür,

Jst-is Markensehutz. N° 47.

dass es eine solche technische Funktion erfüllt, spricht die Tatsache,
dass die einzelnen dieser Farbstoffgruppe angehörenden Naphtelarten durch
Beifügung weiterer Buchstaben gekennzeichnet werden, so zum Beispiel
als Naphtol AS-BS. Wie dem aber sei, auch wenn ihm jede Beziehung zur
Ware selbst fehlen sollte, so ist es gerade wegen dieses allgemeinen
Gebrauches solcher Buchstahenzeichen als Beschaffenheitsangaben in der
Teerfarbenindustrie der markenreehtiichen Aneignung entzogen. Dabei
verschlägt es nichts, dass die Verwendung der Buchstaben nicht nach
einheitlichen, Wissenschaftlich-chemischen Gesichtspunkten, sondern
willkürlich nach dem Belieben _der einzelnen Fabrikanten erfolgt: es
genügt, dass diese Zeichen zur Charakterisierung der Farbstoffprodukte
in irgend einer Weise allgemein üblich sind.

Selbst wenn daher die Marke AS nachgewiesenermassen in den beteiligten
Verkehrskreisen die Anerkennung als Sonderzeichen für Produkte der
Klägerin erlangt hätte, so müsste ihr der Schutz in der Schweiz versagt
werden: denn als Beschaffenheitshezeichnung und damit Gemeingut der
fraglichen Branche ist dieses Zeichen schlechthin markenunfähig. Die
Klägerin behauptet indessen selber nicht, dass es für sich allein geeignet
sei, als subjektive Ursprungsbezeichnung für ihre Waren zu dienen,
sondern macht bloss geltend, dass ihm in Verbindung mit den W'arennamen
für Teerfarbstoffe, insbesondere als Naphtol AS ' distinktive Kraft
zukommeAllein für die Frage der Schutzfähigkei t kann es einzig so
berücksichtigt werden, wie es eingetragen ist, nämlich als AS.

Daraus folgt die Abweisung der Klage und Guiheissung des auf
Ungültigerkiärung der klägerischen Marke AS für die Schweiz gerichteten
Widerklagebegehrens b.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die'Anschlussbernfnng wird abgewiesen, dagegen die

Markenschutz Nr. 47 Jus

Hanptberufung teilweise gutgeheissen und in Aufhebung des Urteils des
Obergerichts des Kantons Basel Landschaft Vdm 18. Dezember 1925 die
Klage abgewiesen, und das Widerklagebegehren [) geschützt.

IX. Schuldbetreibungs und KON KURSRECHT

POURSU ITE ET F AILLITE

Vgl. III. Teil Nr. 24, 25 und 34-37. Voir IIIe partie n° 24, 25 et 34
à 37.

OFDAG Offset-, Formularund Fotodruck AG 3000 Bern
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 52 II 300
Datum : 06. Juli 1926
Publiziert : 31. Dezember 1926
Quelle : Bundesgericht
Status : 52 II 300
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : 300 ' Markenschutz. N° 47. sogar einige Fähigkeit zur Bewertung möglicher Beziehungen


BGE Register
36-II-432 • 39-II-352
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • buchstabe • frage • zwischenprodukt • fabrik • basel-landschaft • markenregister • deutschland • vorinstanz • schweizerisches handelsamtsblatt • weiler • pariser verbandsübereinkunft • bildmarke • zweifel • unternehmung • ware • eintragung • stelle • sachbezeichnung • nichtigkeit
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