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Verordnung
über Sozialhilfe und Darlehen an Schweizer Staatsangehörige im Ausland (VSDA) vom 4. November 2009 (Stand am 1. Januar 2010) Der Schweizerische Bundesrat, gestützt auf Artikel 25 des Bundesgesetzes vom 21. März 19731 über Sozialhilfe und
Darlehen an Schweizer Staatsangehörige im Ausland (BSDA) verordnet: 1. Kapitel:
Sozialhilfeleistungen an Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer 1. Abschnitt: Geltungsbereich
Art. 1
Auslandschweizerinnen und
Auslandschweizer
Als Auslandschweizerinnen oder Auslandschweizer gelten Schweizer Bürgerinnen und Bürger, die sich: a. mit der Absicht dauernden Verbleibens ausserhalb der Schweiz niedergelassen haben;
b. seit mehr als drei Monaten ununterbrochen im Ausland aufhalten, wobei die ganze Dauer der Landesabwesenheit und nicht nur der Aufenthalt in einem bestimmten Land berücksichtigt wird.
Art. 2
Doppelbürgerinnen und Doppelbürger 1
Stellt eine Doppelbürgerin oder ein Doppelbürger ein Gesuch um Sozialhilfeleistungen, so entscheidet das Bundesamt für Justiz (BJ) zuerst über das vorherrschende Bürgerrecht. Dabei beachtet es:
a. die Umstände, welche zum Erwerb des ausländischen Bürgerrechtes geführt haben;
b. den Aufenthaltsstaat während der Kindheit und der Ausbildungszeit; c. die Dauer des Aufenthalts im jetzigen Aufenthaltsstaat; und d. die Beziehung zur Schweiz.
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In Notfällen nach Artikel 25 gilt das Schweizer Bürgerrecht als vorherrschend.
AS 2009 5861 1 SR
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Fürsorge
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2. Abschnitt: Vorbeugende Massnahmen
Art. 3
1 Als vorbeugende Massnahmen im Sinne von Artikel 4 BSDA gelten insbesondere: a. Aufklärung über besondere gesundheitliche oder andere Gefahren; b. Massnahmen zum Schutz von Familie und Kind; c. Hilfe zur Ausbildung Jugendlicher in einem geeigneten Beruf; d. Anregung gesetzlicher Erziehungs-, Betreuungs- oder Schutzmassnahmen in Verbindung mit der zuständigen Behörde; e. Abgabe von Kleidern, Lebensmitteln oder Medikamenten; f.
Mithilfe bei der Stellensuche; g. Hilfe bei der Platzierung und Eingliederung körperlich oder geistig Behinderter.
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Das BJ ergreift nach Rücksprache mit der zuständigen schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung (schweizerische Vertretung) generelle oder auf den Einzelfall bezogene Massnahmen.
3. Abschnitt: Sozialhilfeleistungen im Ausland
Art. 4
Grundsatz 1 Die Sozialhilfeleistungen (Leistungen) im Ausland werden wiederkehrend oder einmalig ausgerichtet.
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Wiederkehrende Leistungen werden für höchstens ein Jahr zugesichert; die Zusicherung kann erneuert werden.
Art. 5
Anspruch auf wiederkehrende Leistungen 1
Anspruch auf wiederkehrende Leistungen hat eine Person, wenn: a. ihre anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen; b. ihr liquidierbares Vermögen vorbehältlich des massgebenden Freibetrags (Art. 8 Abs. 3) verwertet worden ist; c. ihr Verbleib im Aufenthaltsstaat aufgrund der gesamten Umstände gerechtfertigt ist, namentlich wenn sie: 1. sich schon seit mehreren Jahren im Aufenthaltsstaat aufhält, 2. mit grosser Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit im Aufenthaltsstaat
wirtschaftlich selbstständig wird, 3. nachweist, dass ihr wegen enger familiärer Bande oder anderer Beziehungen die Heimkehr nicht zugemutet werden kann.
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Das Verhältnis zwischen den Sozialhilfekosten im Ausland und den Sozialhilfekosten in der Schweiz ist unerheblich.
Art. 6
Anerkannte Ausgaben
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Als Ausgaben werden anerkannt: a. eine Pauschale für die Haushaltskosten (Haushaltsgeld); b. weitere regelmässige Ausgaben wie Wohnkosten, Beiträge an Versicherungen und Mobilitätsauslagen, soweit sie notwendig, angemessen und belegt sind.
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Schulden und Schuldzinsen werden nicht als Auslagen anerkannt, ausser besondere Umstände rechtfertigen deren ganze oder teilweise Übernahme.
Art. 7 Anrechenbare Einnahmen
Als Einnahmen werden alle Einnahmen angerechnet, welche die gesuchstellende Person erhält oder rechtzeitig erhalten könnte.
Art. 8
Bemessung des Haushaltgeldes und des Vermögensfreibetrags 1
Das BJ legt das Haushaltsgeld auf Vorschlag der schweizerischen Vertretung und in Anlehnung an die in der Schweiz verwendeten Ansätze periodisch für jedes Land und bei Bedarf für jede Region fest.
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Das Haushaltsgeld wird nach der Grösse des Haushalts abgestuft.
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Der Vermögensfreibetrag besteht aus einem vom BJ festgelegten Mehrfachen des massgebenden Haushaltgeldes.
Art. 9
Höhe der wiederkehrenden Leistungen 1
Die wiederkehrenden Leistungen entsprechen dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen. Das BJ legt diesen Betrag anhand eines Budgets fest.
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Die Leistungen für Personen in Heimen, Spitälern und ähnlichen Einrichtungen umfassen die für den Aufenthalt in einer öffentlichen Einrichtung gesetzlich oder vertraglich vereinbarte Tagestaxe samt Nebenauslagen sowie ein Taschengeld.
Art. 10
Anspruch auf eine einmalige Leistung 1
Anspruch auf eine einmalige Leistung hat eine Person, wenn ihre anrechenbaren Einnahmen nach Abzug der anerkannten Ausgaben nicht ausreichen, um eine einmalige für den Lebensunterhalt notwendige Auslage zu bezahlen, und kein den Freibetrag übersteigendes liquidierbares Vermögen vorhanden ist.
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Eine einmalige Leistung kann zusätzlich zu wiederkehrenden Leistungen gewährt werden.
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4. Abschnitt: Sozialhilfeleistungen bei der Heimkehr
Art. 11
Anspruch 1 Anspruch auf Leistungen bei der Heimkehr haben Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, die ihre Heimkehr nicht selbst finanzieren können.
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Als Heimkehr gilt die Einreise in die Schweiz mit der Absicht des dauernden Verbleibens.
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Die Leistungen werden bei der Heimkehr unabhängig davon gewährt, ob zuvor Leistungen im Ausland beansprucht wurden.
Art. 12
Umfang der Leistungen Die Leistungen umfassen: a. die Kosten für die zweckmässigste und günstigste Reisemöglichkeit in die Schweiz;
b. die notwendigen Leistungen im Ausland bis zum Zeitpunkt der Abreise; c. die notwendigen Leistungen bei der Ankunft in der Schweiz.
5. Abschnitt: Ordentliches Verfahren
Art. 13
Gesuch 1 Gesuche um Leistungen im Ausland oder bei der Heimkehr sind der zuständigen schweizerischen Vertretung zu stellen.
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Die gesuchstellende Person kann sich vertreten lassen.
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Dem Gesuch ist ein Budget beizulegen, in dem in lokaler Währung die anerkannten Ausgaben den anrechenbaren Einnahmen gegenübergestellt sind.
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Dem Gesuch um eine einmalige Leistung ist ein Kostenvoranschlag beizulegen.
Art. 14
Einleitung des Verfahrens von Amtes wegen Erhält die schweizerische Vertretung Kenntnis von einer Notlage einer Auslandschweizerin oder eines Auslandschweizers, so kann sie das Verfahren von Amtes wegen einleiten.
Art. 15
Pflichten der gesuchstellenden Person 1
Die gesuchstellende Person hat: a. die vom BJ bereitgestellten Unterlagen auszufüllen und zu unterzeichnen; b. wahrheitsgetreu und vollständig Auskunft über die eigenen Verhältnisse und jene der Mitglieder des Haushalts zu erteilen; c. ihre Angaben soweit möglich zu belegen;
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d. Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge sowie Ansprüche gegenüber Dritten geltend zu machen;
e. wesentliche Änderungen in den Verhältnissen sofort der schweizerischen Vertretung zu melden.
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Bei Bedarf unterstützen die Organe der Sozialhilfe die gesuchstellende Person bei der Geltendmachung von Unterhalts- und Unterstützungsbeiträgen und Ansprüchen gegenüber Dritten.
Art. 16
Mitwirkung der schweizerischen Vertretung 1
Die schweizerische Vertretung macht die gesuchstellende Person auf ihre Rechte und Pflichten aufmerksam.
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Sie berät und betreut die gesuchstellende Person, soweit es nötig und möglich ist.
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Sie ergänzt oder berichtigt die Gesuchsunterlagen nach Anhörung der gesuchstellenden Person und stellt dem BJ Antrag über Art und Höhe der Leistungen.
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Hat sie in einem Notfall bereits eine Leistung ausbezahlt, so legt sie im Antrag an das BJ die Gründe dar.
Art. 17
Entscheid 1 Das BJ entscheidet aufgrund der Unterlagen der schweizerischen Vertretung; es kann den Sachverhalt bei Bedarf weiter abklären.
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Eine einmalige Leistung wird mit einer Kostengutsprache zugesichert.
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Über eine einmalige Leistung kann das BJ in dringenden Fällen und in Härtefällen ohne Kostenvoranschlag der gesuchstellenden Person anhand vorgelegter Belege entscheiden.
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Die schweizerische Vertretung eröffnet den Entscheid der gesuchstellenden Person.
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Lehnt das BJ das Gesuch ab, weil der Verbleib im Aufenthaltsstaat nicht gerechtfertigt ist (Art. 5 Abs. 1 Bst. c), so ist die gesuchstellende Person auf die Möglichkeit einer Leistung bei der Heimkehr hinzuweisen.
Art. 18
Auflagen und Bedingungen 1
Leistungen im Ausland und bei der Heimkehr können mit Auflagen und Bedingungen verbunden werden.
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Ist Grundeigentum oder ein anderer Vermögenswert vorhanden, dessen Veräusserung vorläufig nicht möglich oder nicht tunlich ist, so kann die Leistung einer Sicherheit verlangt werden.
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Art. 19
Auszahlung 1 Eine einmalige Leistung wird entsprechend der Kostengutsprache ausbezahlt.
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Wiederkehrende Leistungen werden in lokaler Währung monatlich auf ein Konto überwiesen oder bar ausbezahlt.
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Besteht keine Gewähr, dass die berechtigte Person die Leistung zweckmässig verwendet, so kann diese einer Drittperson ausgerichtet werden.
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Erscheint es zweckmässig, so können Gutscheine zum Bezug bestimmter Waren abgegeben oder Zahlungen direkt an Dritte geleistet werden.
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Verwaltungskosten wie Posttaxen oder Telefonspesen dürfen nicht mit der Leistung verrechnet werden.
Art. 20
Vorschüsse und Leistungsbeginn 1
Ist eine ausreichende Unterstützung von dritter Seite oder vom Aufenthaltsstaat nicht rechtzeitig erhältlich, so können gegen Rückzahlungsverpflichtung oder Abtretung von Ansprüchen Vorschüsse auf wiederkehrende Leistungen gewährt werden.
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Wiederkehrende Leistungen werden frühestens ab Gesuchseinreichung gewährt.
Art. 21
Kürzung und Ausschluss von Leistungen 1
Die Leistungen können in den Fällen nach Artikel 7 BSDA gekürzt, abgelehnt oder entzogen werden.
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Ein Kürzungs- oder Ausschlussgrund liegt insbesondere vor, wenn sich die gesuchstellende Person weigert, eine zumutbare Arbeit anzunehmen oder sich um eine solche zu bemühen.
3
Kürzung und Ausschluss von Leistungen betreffen nur den Anteil des fehlbaren Mitglieds des Haushalts.
Art. 22
Rückerstattung Für Rückerstattungen durch unterstützte Personen im Ausland gilt der offizielle Tageskurs.
Art. 23
Abrechnung Die schweizerische Vertretung rechnet mit dem BJ über alle Leistungen ab.
Art. 24
Mitwirkung von Organisationen 1
Zieht die schweizerische Vertretung einen schweizerischen Hilfsverein zur Mitarbeit bei, so unterrichtet sie das BJ über die getroffenen Abmachungen.
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Die Organe des schweizerischen Hilfsvereins unterstehen der Schweigepflicht, soweit sie Aufgaben der Sozialhilfe übernehmen. Die Schweigepflicht gilt nicht gegenüber den zuständigen Behörden des Bundes.
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6. Abschnitt: Verfahren in Notfällen
Art. 25
1 Ist ein Auslandschweizer oder eine Auslandschweizerin auf sofortige Sozialhilfe angewiesen, so gewährt die schweizerische Vertretung die notwendige Leistung.
2
Ist sofortige Sozialhilfe während eines vorübergehenden Aufenthaltes in der Schweiz nötig, so wird sie vom Aufenthaltskanton nach kantonalem Recht gewährt.
7. Abschnitt: Zusammenarbeit mit den Kantonen
Art. 26
Information Ermöglicht das BJ einer Auslandschweizerin oder einem Auslandschweizer auf Kosten des Bundes die Heimkehr, so informiert es die zuständigen kantonalen Behörden.
Art. 27
Rückvergütung durch den Bund 1
Der Bund vergütet dem Aufenthaltskanton die Kosten für die Sozialhilfe nach Artikel 3 BSDA ab dem Tage der Einreise in die Schweiz.
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Der Bund vergütet dem Aufenthaltskanton die Kosten für die Leistungen im Notfall in der Schweiz nach Artikel 25 Absatz 2, sofern die Kosten von der unterstützten Person oder Dritten nicht zurückerstattet werden.
3
Verwaltungskosten werden nicht vergütet.
2. Kapitel:
Darlehen an vorübergehend im Ausland weilende Schweizer Staatsangehörige in Not
Art. 28
Gesuch 1 Gesuche um ein Darlehen (Vorschuss) nach Artikel 22b BSDA sind bei der zuständigen schweizerischen Vertretung einzureichen.
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Im Gesuch sind, soweit vorhanden, Kostengaranten anzugeben.
Art. 29
Ablehnung des Gesuchs 1
Das Gesuch wird abgelehnt, wenn die gesuchstellende Person ihre Notlage aus eigenen Kräften und mit eigenen Mitteln, mit Beiträgen von privater oder öffentlicher Seite, mit Versicherungsleistungen oder mit Hilfeleistungen des Aufenthaltsstates rechtzeitig beheben kann.
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Das Gesuch kann abgelehnt werden, wenn die gesuchstellende Person: a. einen früher gewährten Vorschuss nicht zurückbezahlt hat; b. schweizerische öffentliche Interessen in schwerwiegender Weise geschädigt hat.
Art. 30
Bemessung 1 Vorschüsse werden nur gewährt, soweit sie für den im Gesuch genannten Zweck unbedingt erforderlich sind.
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Die Überbrückungshilfe wird auf den bis zur nächstmöglichen Heimreise unbedingt notwendigen Betrag beschränkt.
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Zu den Spital- und Arztkosten gehören auch die Kosten für erforderliche Medikamente.
Art. 31
Zuständigkeit 1 Über die Gewährung von Vorschüssen entscheidet die schweizerische Vertretung, sofern der Vorschuss inklusive Gebühren und Spesen pro Person umgerechnet folgende Beträge nicht übersteigt: a. 600 Franken für die Heimreise oder als Überbrückungshilfe; b. 2200 Franken für Spital-, Arzt- und Medikamentenkosten.
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Übersteigen die Vorschüsse die Beträge nach Absatz 1, so entscheidet das BJ.
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Das BJ entscheidet in jedem Fall, wenn die gesuchstellende Person: a. einen früher gewährten Vorschuss nicht zurückbezahlt hat; oder b. im automatisierten Fahndungssystem RIPOL zur Verhaftung ausgeschrieben ist.
Art. 32
Auszahlung 1 Vorschüsse werden in der örtlichen Währung ausbezahlt.
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Die gesuchstellende Person hat sich bei der Auszahlung durch Unterschrift zu verpflichten, innert 60 Tagen den Gegenwert zum offiziellen Tageskurs in Schweizer Franken zurückzuzahlen.
Art. 33
Rückzahlung 1 Das BJ ist für das Inkasso der Rückzahlung von Vorschüssen verantwortlich. Es kann die Rückzahlung in Form monatlicher Ratenzahlungen bewilligen.
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Sind die Inkassobemühungen des BJ gescheitert, so beauftragt es die Zentrale Inkassostelle des Bundes.
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3. Kapitel: Klagerecht des BJ
Art. 34
Das BJ ist klageberechtigte Behörde im Sinne der Artikel 289 Absatz 2 und 329 Absatz 3 des Zivilgesetzbuches2.
4. Kapitel: Schlussbestimmungen
Art. 35
Aufhebung bisherigen
Rechts
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Die Verordnung vom 26. November 19733 über Fürsorgeleistungen an Auslandschweizer wird aufgehoben.
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Die Verordnung vom 3. Juli 20024 über die finanzielle Hilfe an vorübergehend im Ausland weilende Schweizer Staatsangehörige wird aufgehoben.
Art. 36
Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2010 in Kraft.
2 SR
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3 [AS
1973 1983, 2007 4477 Ziff. IV 57] 4 [AS
2002 2537, 2006 4705 Ziff. II 16, 2007 3631, 2008 4943 Ziff. I 9]
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