EMARK - JICRA - GICRA 2001 / 13

2001 / 13 - 101

Auszug aus dem Urteil vom 28. Mai 2001 i.S. S.O. und Familie, Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo)

Art. 3 AsylG, Art. 14a Abs. 4 ANAG: Innerstaatliche Fluchtalternative für Roma und Ashkali aus dem Kosovo.

1. Roma und Ashkali verfügen in der Bundesrepublik Jugoslawien (ausserhalb Kosovos) über eine innerstaatliche Fluchtalternative, welche die Asylgewährung ausschliesst.

2. Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs (Bestätigung der Rechtsprechung, vgl. EMARK 2001 Nr. 1)
Art. 3 LAsi, art. 14a al. 4 LSEE : possibilité de refuge interne pour les Roms et les Ashkalis en provenance du Kosovo.

1. Roms et Ashkalis disposant d'une possibilité de refuge interne sur le territoire de la République fédérale de Yougoslavie, hors du Kosovo, il est exclu de leur reconnaître la qualité de réfugié et de leur octroyer l'asile.

2. Inexigibilité de l'exécution du renvoi (confirmation de jurisprudence ; v. JICRA 2001 n° 1).
Art. 3 LAsi, art. 14a cpv. 4 LDDS: alternativa di rifugio interna per Rom e Ashkali del Cossovo.

1. Rom e Ashkali dispongo, al di fuori del Cossovo, di un'alternativa di rifugio interna nel resto della Repubblica federale di Jugoslavia che esclude che sia loro riconosciuta la qualità di rifugiato e concesso l'asilo in Svizzera.

2. Inesigibilità dell'esecuzione dell'allontanamento (conferma della giurisprudenza; v. GICRA 2001 n. 1).

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Zusammenfassung des Sachverhalts:
Die der Ethnie der Roma angehörenden Beschwerdeführer verliessen den Kosovo, nachdem ihr Dorf im äussersten Norden Kosovos im Mai 1999 von maskierten Bewaffneten angegriffen worden sei, welche nach ihnen gesucht hätten. Bei diesem Überfall sei mindestens ein Haus angezündet worden. Bis zu ihrer Ausreise hätten die Beschwerdeführer im Wald gelebt. Ausser diesen Kriegsereignissen machten die Beschwerdeführer noch geltend, dass serbische Mitschüler versucht hätten, ihre Tochter zu vergewaltigen. Dies sei von anwesenden Frauen verhindert worden.
Das BFF stellte mit Verfügung vom 5. Juli 2000, die Beschwerdeführer erfüllten die Flüchtlingseigenschaft nicht, und lehnte die Asylgesuche ab. Gleichzeitig verfügte es die Wegweisung der Beschwerdeführer aus der Schweiz.
Mit Eingabe vom 10. August 2000 beantragten die Beschwerdeführer die Aufhebung der angefochtenen Verfügung. Es sei die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführer festzustellen und es sei ihnen Asyl zu gewähren; eventualiter sei die Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs festzustellen und die vorläufige Aufnahme der Beschwerdeführer anzuordnen.
Das BFF hielt in der Vernehmlassung vom 29. September 2000 an seiner Verfügung fest und beantragt die Abweisung der Beschwerde. In der Replik vom 13. Oktober 2000 halten die Beschwerdeführer ihrerseits an ihren Anträgen fest.
Die ARK heisst die Beschwerde teilweise gut und weist das BFF an, die Beschwerdeführer wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig aufzunehmen.
Aus den Erwägungen:

4. a) Das BFF hat in der angefochtenen Verfügung festgestellt, dass die Gesuchsbegründung den Anforderungen von Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG nicht genüge. Die Beschwerdeführer würden Handlungen seitens der Serben geltend machen, welche im direkten Zusammenhang mit den damaligen kriegerischen Ereignissen im Kosovo stünden. Diese - insbesondere auch die Nichtteilnahme des militärdienstuntauglichen Beschwerdeführers am Krieg - führten nicht zu im Sinne von Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG relevanten Verfolgungshandlungen seitens des jugoslawischen Staates. Zudem stehe es den Beschwerdeführern frei, sich den geltend gemachten Behelligungen durch innerstaatliche Wohnsitzverlegung zu entziehen.

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Diese Feststellungen der Vorinstanz erscheinen im Ergebnis zutreffend. Ergänzend ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer bei keiner Anhörung ausführten, dass sie sich beim Schuldirektor wegen der angeblichen versuchten Vergewaltigung der Tochter sowie der ebenfalls geltend gemachten Belästigung der Kinder durch serbischstämmige Mitschüler beschwert hätten, wie dies in der Beschwerde ausgeführt wird. Die Beschwerdeführer haben diesbezüglich die Behörden nicht um Schutz ersucht, weshalb diesen grundsätzlich auch keine Unterlassungen vorgeworfen werden können.
Angesichts der vollständig veränderten Situation sowohl im Kosovo als auch in der Bundesrepublik Jugoslawien kann jedoch ohnehin offengelassen werden, ob die Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Ausreise Verfolgungshandlungen im Sinne von Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG ausgesetzt waren.
b) Durch die Intervention der NATO im Frühsommer 1999 und die Vertreibung der serbischen Truppen hat sich die Situation im Kosovo grundlegend verändert. Einerseits fielen Verfolgungshandlungen seitens jugoslawischer staatlicher Organe oder serbischer Gruppierungen und Einzelpersonen weg, andererseits begannen die albanischstämmigen Kosovaren unmittelbar nach dem Abzug der serbischen Sicherheitskräfte und Privatmilizen, Druck auf die Minderheiten auszuüben.
aa) Vor Beginn der Luftangriffe der NATO gegen die Bundesrepublik Jugoslawien wohnten im Kosovo ungefähr 150'000 Personen, welche den Ethnien Roma (roma- oder serbo-kroatischsprachig) und Ashkali (albanischsprachig) zuzurechnen waren. Nach dem Rückzug der serbischen Sicherheitskräfte aus dem Kosovo setzte die Flucht dieser Bevölkerungsgruppe ein, mit der Folge, dass im Herbst 1999 nur noch zwischen 10'000 und 30'000 Roma und Ashkali in der Provinz lebten (vgl. Reports on Human Rights Findings of the OSCE Mission in Kosovo, As Seen, As Told, Part II, June to October 1999; W. Kälin, Die flüchtlingsrechtliche Situation asylsuchender Roma und Ashkalis in der Schweiz, Bern, 27. November 1999).
Seitens der albanischstämmigen Bevölkerungsmehrheit wurden die Roma und selbst die albanischsprachigen Ashkali der Kollaboration mit den serbischen Behörden beschuldigt. Ab dem Juni 1999 wurden sie zunehmend Ziel von Übergriffen, welche meistens von Mitgliedern der siegreichen UCK durchgeführt wurden, jedoch von der albanischstämmigen Bevölkerung geduldet oder unterstützt wurden. Die Roma und Ashkali wurden aus ihren Häusern vertrieben, welche offenbar zu zwei Dritteln zerstört wurden. Diese Ereignisse und die feindliche Haltung der albanischstämmigen Bevölkerung führten bei den Roma und Ashkali im Kosovo zu einer Atmosphäre allgemeiner Angst. Die meisten

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von ihnen flüchteten im Herbst 1999 nach Serbien, Montenegro und Mazedonien, wo sie verschiedenen Formen von Diskriminierungen ausgesetzt waren. Diese erreichten und erreichen allerdings nicht einmal bezüglich der Ashkali, welche als Albanischsprachige derartigen Schikanen zweifellos verstärkt ausgesetzt sind, die Intensität, welche für eine Bejahung des die Flüchtlingseigenschaft begründenden unerträglichen psychischen Druckes (vgl. Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG) vorausgesetzt wird. Dazu würde es konkret stattgefundener staatlicher Eingriffe bedürfen, die in einer objektiven Betrachtung als derart intensiv erscheinen, dass der psychische Druck unerträglich geworden ist und ein Verbleiben im Heimatland aus Gründen der Sicherheit nicht mehr erwartet werden kann (vgl. EMARK 1996 Nr. 1, S. 9_ff.; Nr. 28, S. 272 f.; Nr. 29, S. 282 f.); eine derartige eigentliche Verfolgungssituation liegt weder in Montenegro noch in Serbien vor.
bb) Die wenigen im Kosovo verbliebenen Roma und Ashkali sammelten sich unter dem Schutz der KFOR in Enklaven, in welchen sie vollständig von ausländischer Hilfe abhängig waren und noch immer sind. Ausserhalb dieser Zonen kann die KFOR ihren dauernden Schutz nicht gewährleisten. Ihre Bewegungsfreiheit ist somit eingeschränkt oder sogar inexistent. Während des Sommers im Jahre 2000 verringerte sich das allgemeine Gewaltniveau etwas aufgrund der verbesserten polizeilichen Infrastruktur der UNMIK (vgl. EMARK 2001 Nr. 1, S. 1_ff. mit den dort zitierten Quellen) und wohl auch wegen der geringeren Anzahl im Kosovo verbliebener Angehöriger gefährdeter Minderheiten.
Letztlich hat sich die Situation der Roma und Ashkali im Kosovo auch durch den Aufbau der UNMIK-Verwaltung und den Schutz durch die KFOR nicht nachhaltig verbessert. Allein die ethnische Zugehörigkeit zu dieser Gruppe kann auch heute noch Übergriffe auslösen. Die betroffenen Personen haben nach wie vor geringe Bewegungsfreiheit und kaum Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und Erwerbstätigkeiten. Die Sicherheit der Roma und Ashkali ist vollständig von der Präsenz der KFOR abhängig, was zur Folge hat, dass sie sich immer weniger in Gebieten aufhalten und exponieren, in denen die KFOR schwach vertreten ist. Der zahlenmässige Rückgang der Ausreisen ab Ende 1999 lässt deshalb nicht etwa auf eine verbesserte Sicherheitslage schliessen, sondern ist lediglich darauf zurückzuführen, dass die meisten Angehörigen dieser Ethnien den Kosovo bereits verlassen haben. Wohl kann davon ausgegangen werden, dass die KFOR, deren Schutzwillen nicht zu bezweifeln ist, in bestimmten, eng beschränkten Gebieten effektiven Schutz vor Übergriffen auf die ethnischen Minderheiten gewähren kann. Allerdings bestehen nach den Erkenntnissen der schweizerischen Asylbehörden bezüglich der Intensität der Übergriffe auf Roma und Ashkali und demzufolge auch der
Schutzfähigkeit der KFOR nicht unerhebliche regionale Unterschiede. Das heisst, dass ein Teil der Roma und Ashkali bereits im Kosovo eine unter dem Sicherheitsaspekt valable interne

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Fluchtalternative in einigen der von der KFOR geschützten Gebiete vorfindet. Ob dies auch für die aus Lesak (Nordkosovo) stammenden Beschwerdeführer zutrifft, braucht allerdings nicht näher abgeklärt zu werden.
Vielmehr können vorliegend die Frage nach der (Quasi-)Staatlichkeit der UCK beziehungsweise deren Nachfolgeorganisation TMK, diejenige nach einer allfälligen Kollektivverfolgung der Gruppe der Roma und Ashkali im Sinne der Rechtsprechung (EMARK 1995 Nr. 1, S. 10 f.) sowie jene, ob und in welchem Ausmass die UNMIK/KFOR innerhalb des Kosovos schutzfähig sind, allesamt offen gelassen werden, weil, wie im Folgenden dargelegt wird, vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative in anderen Teilen der Bundesrepublik Jugoslawien auszugehen ist.
c) Da der Kosovo gemäss UNO Resolution Nr. 1244 § 8 unter jugoslawischer Souveränität bleibt, wäre selbst bei Bejahung von (individueller oder kollektiver) Verfolgung ohnehin zusätzlich zu prüfen, ob die Verfolgungssituation auf dem gesamten Staatsgebiet der Bundesrepublik Jugoslawien virulent ist. Als potentielle Verfolger sind vorliegend die UCK sowie deren Nachfolgeorganisation TMK zu bezeichnen. Diese Organisationen sind nur innerhalb des Gebiets der Provinz Kosovo tätig. Die Beschwerdeführer könnten sich deren Nachstellungen durch die Wahl eines Wohnsitzes in einer anderen Region ihres Heimatstaats entziehen, wo sie wirksam vor allfälliger Verfolgung im Sinne von Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG und vor Vertreibung in die Herkunftsprovinz geschützt wären. Das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative führt jedoch praxisgemäss zur Nichtanerkennung als Flüchtling und zur Verweigerung des Asyls; die Frage der Zumutbarkeit des Verbleibs am sicheren Zufluchtsort wird unter dem Aspekt der Zumutbarkeit zu prüfen sein (vgl. EMARK 1996 Nr. 1, S. 1_ff. und nachfolgend Erw. 5.d).
d) Aufgrund der vorstehenden Erwägungen erübrigt es sich, auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde einzugehen, weil sie am Ergebnis nichts ändern können. Zusammenfassend folgt, dass die Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllen. Die Vorinstanz hat die Asylgesuche der Beschwerdeführer demnach zu Recht abgelehnt.

5. (...)
d) Aus humanitären Gründen, nicht in Erfüllung völkerrechtlicher Pflichten der Schweiz, wird auf den Vollzug der Wegweisung auch verzichtet, wenn die Rückkehr in den Heimatstaat für den Betroffenen eine konkrete Gefährdung darstellt. Eine solche kann angesichts der im Heimatland herrschenden allgemeinen politischen Lage, die sich durch Krieg, Bürgerkrieg oder durch eine

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Situation allgemeiner Gewalt kennzeichnet, oder aufgrund anderer Gefahrenmomente, wie beispielsweise einer notwendigen medizinischen Behandlung, angenommen werden (vgl. Botschaft zum Bundesbeschluss über das Asylverfahren vom 22. Juni 1990, BBl 1990 II 668).
Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde, wo der Heimatort in Südserbien lokalisiert wird, stammen die Beschwerdeführer aus dem Kosovo. Die Ortschaft Lesak liegt im weitgehend von Serben bewohnten Bezirk Leposavic im Norden Kosovos. Unbestrittenerweise sind sie Angehörige der Ethnie Roma.
Wie oben in Erw. 4b ausführlich aufgezeigt wird, ist ein Vollzug der Wegweisung in den Kosovo für Roma und Ashkali mit einer erheblichen Gefährdung verbunden; er ist deshalb nicht zumutbar. Mit Blick auf die bekannten Schwierigkeiten einer Integration in die sozioökonomischen Gegebenheiten in Serbien und Montenegro und aufgrund der gegenwärtigen Umstände muss eine zumutbare innerstaatliche Zufluchtsmöglichkeit (im Sinne von EMARK 1993 Nr. 37, S. 271) - gemäss UNO Resolution Nr. 1244 § 8 verbleibt Kosovo unter jugoslawischer Souveränität - verneint werden (vgl. dazu ausführlich EMARK 2001 Nr. 1, S. 1_ff.).
e) Insgesamt ist festzuhalten, dass das BFF den Vollzug der Wegweisung zu Unrecht als zumutbar erachtet hat. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde bezüglich der Anordnung des Wegweisungsvollzugs aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, die Beschwerdeführer vorläufig aufzunehmen.

© 06.12.02


Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2001-13-101-106
Datum : 28. Mai 2001
Publiziert : 28. Mai 2001
Quelle : Vorgängerbehörden des BVGer bis 2006
Status : Publiziert als 2001-13-101-106
Sachgebiet : Bundesrepublik Jugoslawien
Gegenstand : Art. 3 AsylG, Art. 14a Abs. 4 ANAG: Innerstaatliche Fluchtalternative für Roma und Ashkali aus dem Kosovo.
Einordnung : Bestätigung der Rechtsprechung


Gesetzesregister
ANAG: 14a
AsylG: 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
kosovo • ethnie • druck • vorinstanz • ausreise • minderheit • heimatstaat • frage • ausserhalb • weiler • innerhalb • vergewaltigung • nato • entscheid • region • serbien und montenegro • aufhebung • staatsgebiet • zahl • jahreszeit
... Alle anzeigen
EMARK
1993/37 S.271 • 1995/1 S.10 • 1996/1 S.1 • 1996/1 S.9 • 2001/1 • 2001/1 S.1
BBl
1990/II/668