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Auszug aus dem Urteil der Abteilung V
i.S. A. gegen Staatssekretariat für Migration
E 6513/2014 vom 3. Dezember 2015

Nichteintreten auf ein Asylgesuch (Dublin-Verfahren). Direkte Anwendbarkeit von Art. 9 und Art. 10 Dublin-III-Verordnung. Reduziertes Beweismass bei der Feststellung der Zuständigkeit nach der Dublin-III-Verordnung. Grundsatzurteil.

Art. 9, Art. 10 und Art. 22 Dublin-III-Verordnung.

1. Art. 9 und Art. 10 Dublin-III-Verordnung sind direkt anwendbar (E. 5).

2. Für die Bestimmung des für ein Asylgesuch zuständigen Mitgliedstaates legt die Dublin-III-Verordnung ein reduziertes Beweismass fest (E. 7 7.3).

Non-entrée en matière sur une demande d'asile (procédure Dublin). Application directe des art. 9 et 10 du règlement Dublin III. Degré de preuve réduit pour déterminer l'Etat responsable selon le règlement Dublin III. Arrêt de principe.

Art. 9, art. 10 et art. 22 règlement Dublin III.

1. Les art. 9 et 10 du règlement Dublin III sont directement applicables (consid. 5).

2. Le règlement Dublin III prévoit un degré de preuve réduit pour déterminer l'Etat responsable de l'examen d'une demande d'asile (consid. 7 7.3).

Non entrata nel merito di una domanda d'asilo (procedura Dublino). Applicabilità diretta degli art. 9 e 10 del regolamento Dublino III. Grado di prova ridotto per l'accertamento della competenza secondo il regolamento Dublino III. Sentenza di principio.

Art. 9, art. 10 e art. 22 regolamento Dublino III.

1. Gli art. 9 e 10 del regolamento Dublino III sono norme direttamente applicabili (consid. 5).

2. Per la determinazione dello Stato competente a trattare una domanda d'asilo, il regolamento Dublino III prevede un grado di prova ridotto (consid. 7 7.3).


Mit Verfügung vom 3. November 2014 trat das Bundesamt für Migration (BFM; heute: Staatssekretariat für Migration [SEM]) auf das Asylgesuch von A. nicht ein und wies sie aus der Schweiz nach Polen weg. A. erhob beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte, die Verfügung sei aufzuheben und auf ihr Asylgesuch sei einzutreten.

Das Bundesverwaltungsgericht heisst die Beschwerde gut, hebt die angefochtene Verfügung auf und weist das SEM an, sich für das Asylverfahren von A. (nachfolgend: Beschwerdeführerin) zuständig zu erklären.


Aus den Erwägungen:

3.

3.1 Auf Asylgesuche wird in der Regel nicht eingetreten, wenn Asylsuchende in einen Drittstaat ausreisen können, der für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist (Art. 31a Abs. 1 Bst. b
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 31a Entscheide des SEM - 1 Das SEM tritt in der Regel auf Asylgesuche nicht ein, wenn Asylsuchende:
1    Das SEM tritt in der Regel auf Asylgesuche nicht ein, wenn Asylsuchende:
a  in einen sicheren Drittstaat nach Artikel 6a Absatz 2 Buchstabe b zurückkehren können, in welchem sie sich vorher aufgehalten haben;
b  in einen Drittstaat ausreisen können, welcher für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist;
c  in einen Drittstaat zurückkehren können, in welchem sie sich vorher aufgehalten haben;
d  in einen Drittstaat weiterreisen können, für welchen sie ein Visum besitzen und in welchem sie um Schutz nachsuchen können;
e  in einen Drittstaat weiterreisen können, in dem Personen, zu denen sie enge Beziehungen haben, oder nahe Angehörige leben;
f  nach Artikel 31b in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat weggewiesen werden können.
2    Absatz 1 Buchstaben c-e findet keine Anwendung, wenn Hinweise bestehen, dass im Einzelfall im Drittstaat kein effektiver Schutz vor Rückschiebung nach Artikel 5 Absatz 1 besteht.
3    Das SEM tritt auf ein Gesuch nicht ein, welches die Voraussetzungen von Artikel 18 nicht erfüllt. Dies gilt namentlich, wenn das Asylgesuch ausschliesslich aus wirtschaftlichen oder medizinischen Gründen eingereicht wird.
4    In den übrigen Fällen lehnt das SEM das Asylgesuch ab, wenn die Flüchtlingseigenschaft weder bewiesen noch glaubhaft gemacht worden ist oder ein Asylausschlussgrund nach den Artikeln 53 und 54 vorliegt.96
AsylG, SR 142.31). Zur Bestimmung des staatsvertraglich zuständigen Staates prüft das SEM gemäss dem Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags (SR 0.142.392.68) die Zuständigkeitskriterien gemäss der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. L 180/31 vom 29.6.2013 (nachfolgend: Dublin-III-VO). Führt diese Prüfung zur Feststellung, dass ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylgesuchs zuständig ist, tritt das SEM, nachdem der
betreffende Mitgliedstaat einer Überstellung oder Rücküberstellung zugestimmt hat, auf das Asylgesuch nicht ein.

3.2 Gemäss Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kap. III (Art. 7 15 Dublin-III-VO) als zuständiger Staat bestimmt wird. Jedes dieser Kriterien wird nur angewendet, wenn das vorangehende Kriterium im spezifischen Fall nicht anwendbar ist (Prinzip der Hierarchie der Zuständigkeitskriterien; vgl. Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO).

3.3 Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet, einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Massgabe der Art. 21, 22 und 29 Dublin-III-VO aufzunehmen (Art. 18 Abs. 1 Bst. a Dublin-III-VO).

4.

4.1 Die Beschwerdeführerin verfügte über ein von der polnischen Botschaft in Bagdad am 23. August 2013 ausgestelltes, vom 25. August bis 25. September 2014 gültiges Schengen-Visum, was von ihr nicht bestritten wird.

Das BFM ersuchte die polnischen Behörden am 27. Oktober 2014 um Aufnahme der Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 21 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO. Die polnischen Behörden stimmten dem Gesuch um Übernahme am 29. Oktober 2014 zu.

Damit ist die Zuständigkeit Polens grundsätzlich gegeben.

4.2 Die Beschwerdeführerin macht jedoch sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch in der Beschwerde geltend, ihr Ehemann sei in der Schweiz als Flüchtling anerkannt, habe hier Asyl erhalten und sei im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung. Deshalb habe sich das BFM zu Unrecht gegenüber Polen auf Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO (Besitz eines Visums, das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist) berufen. Stattdessen hätte sich das BFM aufgrund von Art. 9 Dublin-III-VO (Familienangehörige, die Begünstigte internationalen Schutzes sind) für ihr Asylgesuch zuständig erklären müssen.

5. Vorab ist zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin vor Bundesverwaltungsgericht eine Verletzung von Art. 9 Dublin-III-VO geltend machen kann, ob diese völkerrechtliche Bestimmung mithin direkt anwendbar ist.

5.1 Eine Person kann die Verletzung einer völkerrechtlichen Bestimmung gerichtlich geltend machen, wenn der völkerrechtliche Vertrag als Ganzes oder zumindest die betroffene Bestimmung direkt anwendbar (self-executing) ist. Direkt anwendbar ist eine einzelne völkerrechtliche Bestimmung (oder ein völkerrechtlicher Vertrag), wenn sie inhaltlich hinreichend bestimmt und klar ist, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides zu sein. Die Norm muss mithin justiziabel sein, Rechte und Pflichten des Einzelnen zum Inhalt haben und sich an die rechtsanwendenden Behörden richten (BGE 124 III 90 E. 3a).

5.2 Das Bundesverwaltungsgericht hat in BVGE 2010/27 E. 6.3 festgestellt, dass die Dublin-II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist) nicht als Ganzes direkt anwendbar ist, sondern dass für jede Verordnungsbestimmung einzeln zu prüfen ist, ob diese direkt anwendbar ist oder nicht. Mit der Dublin-III-VO haben sich weder die Natur der Vorgänger-Verordnung (vgl. Ziff. 9 Präambel Dublin-III-VO), noch die Grundsätze für deren Anwendbarkeit in der Schweiz verändert; auch die Dublin-III-VO wurde durch einen Staatsvertrag für die Schweiz verbindlich (vgl. Notenaustausch vom 14. August 2013 zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Dublin-III-VO von der Schweiz vorläufig angewendet seit dem 1. Januar 2014 [SR 0.142.392.680.01]). Die in BVGE 2010/27 bezüglich der Dublin-II-VO gemachten Aussagen können deshalb grundsätzlich auf die Dublin-III-VO übertragen werden, womit auch gesagt ist, dass die Dublin-III-VO nicht als Ganzes direkt anwendbar
ist.

5.3 Zu prüfen ist, ob der unter der Marginalie « Familienangehörige, die Begünstigte internationalen Schutzes sind » stehende Art. 9 Dublin-III-VO im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichts direkt anwendbar ist.

5.3.1 Art. 9 Dublin-III-VO sieht vor, dass für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz eines Antragstellers, der einen Familienangehörigen hat, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in einem Dublin-Staat aufenthaltsberechtigt ist, dieser Staat zuständig ist, sofern die betroffenen Personen den entsprechenden Wunsch schriftlich kundtun, und unabhängig davon, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat.

5.3.2 Art. 9 Dublin-III-VO erscheint vorab hinreichend klar und bestimmt, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides zu sein, sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch hinsichtlich der Begünstigten und den ihnen zustehenden Rechten.

Voraussetzung für die Anwendung des Zuständigkeitskriteriums nach Art. 9 Dublin-III-VO ist, dass die asylsuchende Person in einem Dublin-Staat einen Familienangehörigen hat, der als Begünstigter internationalen Schutzes über eine Aufenthaltsberechtigung verfügt. Der Begriff der Familienangehörigen wird in Art. 2 Bst. g Dublin-III-VO umfassend konkretisiert, wobei Art. 9 Dublin-III-VO wiederum präzisiert, dass in Abweichung zur Definition von Art. 2 Bst. g Dublin-III-VO die Familie nicht bereits im Heimatland bestanden haben muss. « Begünstigte internationalen Schutzes » sind in Art. 2 Bst. f Dublin-III-VO mit Verweis auf Art. 2 Bst. a der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung), ABl. L 337/9 vom 20.12.2011, nachfolgend: QL als Drittstaatsangehörige oder Staatenlose definiert, die die Flüchtlingseigenschaft oder einen subsidiären Schutzstatus besitzen. Bezüglich der Aufenthaltsberechtigung ist auf
Art. 24 QL zu verweisen, wonach jede Person mit internationalem Schutz im Minimum grundsätzlich Anrecht auf einen Aufenthaltstitel hat, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar ist. Die betroffenen Personen, das heisst der aufenthaltsberechtigte Familienangehörige und die schutzsuchende Person, müssen zudem ihren Wunsch schriftlich kundtun. Begünstigte Person kann jeder Antragsteller sein, das heisst, jeder Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht entschieden worden ist (Art. 2 Bst. c Dublin-III-VO). Schliesslich ergibt sich aus Art. 9 Dublin-III-VO als Rechtsfolge die Zuständigkeit desjenigen Dublin-Staates für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz (vgl. Art.2 Bst. d Dublin-III-VO) der schutzsuchenden Person, in dem sich der Angehörige dieser Person aufhält.

5.3.3 Weiter ist zu prüfen, ob Art. 9 Dublin-III-VO Rechte und Pflichten des Einzelnen zum Inhalt hat oder ob die Bestimmung ausschliesslich das Verhältnis zwischen den Schweizer Behörden und den Behörden der anderen Dublin-Staaten betrifft. Dazu sind das Ziel, der Kontext und die Eigenarten der Verordnung und der Bestimmung zu berücksichtigen (BVGE 2010/27 E. 6.4.6).

Das Dublin-System dient in erster Linie dem Zweck, innert möglichst kurzer Zeit den (einzigen) Dublin-Staat zu bestimmen, der für die Prüfung des Asylgesuchs (respektive, in der Formulierung der Dublin-III-VO, des Gesuchs um internationalen Schutzes) einer Person zuständig ist. Damit sollen einerseits die Asylbehörden der Dublin-Staaten von der mehrfachen Prüfung von Asylanträgen der gleichen Person entlastet werden und andererseits soll sichergestellt werden, dass der Antrag jeder asylsuchenden Person (im Dublin-Raum) einmal materiell geprüft wird (Ziff. 5 Präambel Dublin-III-VO). In diesem zweiten Ziel zeigt sich bereits, dass das Dublin-System nicht nur einen verwaltungstechnischen Zweck hat, sondern sich gleichzeitig in fundamentaler Weise auf die individuellen (Schutz-)Ansprüche der Asylsuchenden bezieht. Zu diesen beiden komplementären Aspekten kommt hinzu, dass die Umsetzung des Dublin-Systems in Übereinstimmung mit den menschenrechtlich garantierten Ansprüchen zu erfolgen hat. Dieser Aspekt der Schutz der menschenrechtlichen Garantien wurde mit der Neufassung der Dublin-Verordnung als Dublin-III-VO noch verstärkt (vgl. Martina Caroni et al., Migrationsrecht, 3. Aufl. 2014, S. 374). So bezeichnete der Rat der EU « die
Gewährleistung höherer Schutzstandards für die Antragsteller » als eines der wichtigsten Ziele des Vorschlags für eine Neufassung der Dublin-Verordnung (Standpunkt [EU] Nr. 5/2013 des Rates in erster Lesung, vom Rat am 6. Juni 2013 angenommen, ABl. CE 177/1 vom 22.6 2013 S. 43).

Die grosse Bedeutung, welche die Dublin-III-VO im Vergleich zu den beiden Vorgänger-Verordnungen der Familieneinheit beimisst, zeigt sich in mehreren Ziffern ihrer Präambel. So hält Ziff. 14 ihrer Präambel fest, dass die Achtung des Familienlebens eine vorrangige Erwägung der Dublin-Staaten bei der Anwendung der Dublin-III-VO sein soll. Die Anwendung soll « im Einklang » mit der EMRK und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364/1 vom 18.12.2000, nachfolgend: EU-Grundrechtecharta) erfolgen (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, Wien 2014, S. 61). In Ziff. 19 der Präambel steht, dass mit der Dublin-III-VO das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Überstellungsentscheide festgeschrieben wird und dieser auch die Prüfung der Anwendung der Verordnung umfasst. Gemäss Ziff. 39 der Präambel zielt die Verordnung darauf ab, dass die uneingeschränkte Wahrung (unter anderem) der Achtung des Familienlebens (Art. 7 EU-Grundrechtecharta) gewährleistet werden muss, weshalb die Verordnung in diesem Sinne anzuwenden ist. Diese Bestimmungen der Präambel der Dublin-III-VO zeigen die verstärkte Bedeutung der Grundrechte, insbesondere der Achtung des Familienlebens im Vergleich zur Dublin-II-VO, wo es in Ziff. 6 der
Präambel noch geheissen hatte, die « Einheit der Familie sollte gewahrt werden, soweit dies mit den sonstigen Zielen [der Dublin-II-Ver-ordnung] vereinbar ist » (Hervorhebung und Einschub durch das Gericht).

Die Dublin-III-VO ist im Lichte der EMRK und für die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied etwas systemfremd der EU-Grundrechtecharta auszulegen, was im Besonderen für diejenigen allgemeinen Zuständigkeitskriterien in Kap. III der Verordnung gilt, die einen grundrechtsrelevanten Inhalt haben, zu welchen Bestimmungen Art. 9 zählt. Dieser Umstand spricht für die direkte Anwendbarkeit der sich auf die Familieneinheit beziehenden Bestimmungen, da es eine grundlegende Errungenschaft der EMRK ist, dass menschenrechtliche Garantien durch die betroffenen Personen direkt gerichtlich geltend gemacht werden können. Dabei weisen die Formulierungen in der Präambel der Dublin-III-VO darauf hin, dass ihre eigenen diesbezüglichen Ansprüche gerichtlich durchgesetzt werden können, und nicht bloss die Rechte aus der EMRK und der EU-Grundrechtecharta vorbehalten werden sollen. Dies zeigt nicht nur die zitierte Ziff. 39 der Präambel, sondern auch die Tatsache, dass die Neufassung der Dublin-Verordnung spezifisch die Stärkung des Rechtsschutzes der betroffenen Personen zum Ziel hatte.

Damit ist festzustellen, dass Art. 9 Dublin-III-VO (auch) Rechte und Pflichten einzelner Personen zum Inhalt hat und nicht nur das Verhältnis zwischen den Schweizer Behörden und den Behörden der anderen Dublin-Staaten beschlägt.

5.3.4 Klar erscheint im Weiteren, dass sich Art. 9 Dublin-III-VO an die rechtsanwendenden Behörden und nicht an den Gesetzgeber richtet. So sieht Art. 35 Dublin-III-VO vor, dass jeder Dublin-Staat die für die Durchführung der Verordnung zuständigen Behörden mitteilt; in der Schweiz ist diese zuständige Behörde das SEM.

5.3.5 Eine Betrachtung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) steht zudem der Feststellung der direkten Anwendbarkeit von Art. 9 Dublin-III-VO nicht entgegen. Der EuGH hat sich bis anhin nicht ausdrücklich zur Frage geäussert, ob sich Asylsuchende direkt auf gewisse Zuständigkeitskriterien der Dublin-III-Verordnung berufen können. In seinem Urteil Abdullahi (Urteil des EuGH vom 10. Dezember 2013 C-394/12 Kommission/Österreich) hat der EuGH zwar festgestellt, dass in einem Fall, in dem ein Dublin-Staat der Aufnahme einer asylsuchenden Person als « Dublin-Staat der ersten Einreise in den Dublin-Raum » zugestimmt hat, die asylsuchende Person der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass sie systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für asylsuchende Personen in diesem Staat geltend macht (Urteil Abdullahi Rz. 62). Diese Aussage muss jedoch nicht so interpretiert werden, dass der EuGH ad futurum keine anderen Beschwerdegründe als systemische Mängel im Empfängerstaat zulassen wird.

Zu beachten ist nämlich einerseits, dass der EuGH die im Verfahren Abdullahi zu beantwortende Frage so formulierte, dass zu untersuchen sei, ob asylsuchende Personen das Recht hätten, im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellungsentscheidung die Überprüfung der Bestimmung des zuständigen Dublin-Staates zu verlangen und sich dabei auf eine fehlerhafte Anwendung der in Kap. III genannten Kriterien zu berufen (Urteil Abdullahi Rz. 42). Die Ausführungen des EuGH betrafen damit die Frage, ob die fehlerhafte Anwendung der allgemeinen Dublin-Kriterien grundsätzlich gerügt werden könne. Diese Frage verneinte der EuGH, was mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in BVGE 2010/27 übereinstimmt. Die Erwägungen im besagten Urteil zeigen andererseits, dass die nach einem kategorischen Ausschluss anderer Beschwerdegründe tönende Aussage des EuGH insofern zu relativieren ist, als das Gericht sich im Urteil ausschliesslich mit Konstellationen befasst, in denen gegen die Überstellung der asylsuchenden Person Mängel im Grundrechtsschutz des ersuchten Staates geltend gemacht werden. So verweist der EuGH in seinen Erwägungen ausdrücklich auf das Vertrauensprinzip, demgemäss die Dublin-Staaten darauf vertrauen dürfen, dass alle
Dublin-Staaten die Grundrechte einhalten (Urteil Abdullahi Rz. 52f.), und stützt sich daher massgeblich auf dieses Prinzip (Urteil Abdullahi Rz. 60; vgl. auch Verweis des EuGH auf seine Urteile vom 21. Dezember 2011 C 411/10 und C 493/10 Kommission/Vereinigtes Königreich, nachfolgend: Urteil N.S. und EuGH vom 14. November 2013 C 4/11 Kommission/Deutschland). Das Vertrauensprinzip kommt jedoch in Konstellationen wie der hier in Frage stehenden, in der die Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie durch den ersuchenden Staat zur Disposition steht, gar nicht erst ins Spiel, weshalb diese Frage von der im Urteil Abdullahi entschiedenen zu unterscheiden ist.

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich das Urteil Abdullahi noch auf die Dublin-II-VO bezog und den darin geregelten Grundsatz der Familieneinheit. Wie bereits ausgeführt ist diese Maxime mit der Neufassung in Form der Dublin-III-VO gestärkt worden. Erwähnenswert ist auch, dass die Dublin-Staaten, die sich im Verfahren Abdullahi geäussert hatten (darunter die Schweiz), vorbrachten, die Verletzung konkreter Rechte wie der Schutz der Einheit der Familie könne im Rahmen eines Rechtsbehelfs geprüft werden (Urteil Abdullahi Rz. 46). Die gleiche Meinung vertrat der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 11. Juli 2013 (Urteil Abdullahi Schlussanträge Rz. 46f.; vgl. auch Progin-Theuerkauf/ Hruschka, Die Rechtsprechung des EuGH zum Europäischen Asylrecht, zur migrationsrechtlichen Rechtsstellung Drittstaatsangehöriger und zu ausgewählten Aspekten des Schengen-Rechts, in: Jahrbuch für Migrationsrecht 2013/2014, 2014, S. 369).

Es ist deshalb festzustellen, dass das Urteil Abdullahi des EuGH nicht dagegen spricht, einzelne allgemeine Zuständigkeitskriterien des Kap. III als direkt anwendbar zu qualifizieren.

5.4 Eine von den Zuständigkeitskriterien der Dublin-III-VO betroffene Person hat nach diesen Erwägungen zumindest insoweit Anspruch darauf, dass der Kriterienkatalog in Kap. III der Dublin-III-VO richtig angewendet wird, als das allgemeine Zuständigkeitskriterium, auf das sie sich beruft, nicht nur der verwaltungstechnischen Bestimmung des zuständigen Dublin-Staates dient, sondern auch dem Schutz der menschenrechtlich verbürgten Ansprüche der betroffenen Person. Dies ist, wie dargelegt, bei Art. 9 Dublin-III-VO der Fall und gilt im Übrigen aufgrund der gleichen Formulierung der Rechtsfolge mutatis mutandis auch für deren Art. 10.

6. (...)

7. Es stellt sich die Frage, welches Beweismass an den Nachweis der Beziehung zu einem Familienangehörigen im Sinne von Art. 9 Dublin-III-VO anzusetzen ist.

7.1 Die Vorinstanz äussert in der angefochtenen Verfügung Zweifel an der geltend gemachten Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin und S.T. und bezeichnete die Vorbringen der Ersteren als « unglaubwürdig » (recte: unglaubhaft); den Registerauszug unterzieht sie keiner Würdigung. Die geltend gemachte Beziehung sei weder zweifelsfrei belegt noch glaubhaft gemacht. In der Vernehmlassung äussert das SEM zudem die Vermutung einer Manipulation und spricht « den vorliegenden irakischen Dokumenten [...] nur einen geringen Beweiswert » zu. Wiederum kommt das SEM zum Schluss, die Beschwerdeführerin habe die Beziehung zu S.T. weder zweifelsfrei belegen noch glaubhaft darlegen können.

7.2 Damit verkennt die Vorinstanz das im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung nach der Dublin-III-VO anzuwendende Beweismass.

Die Dublin-III-VO hat insbesondere zum Ziel, eine rasche Bestimmung des für ein Asylverfahren zuständigen Dublin-Staates zu ermöglichen, um den effektiven Zugang zum Asylverfahren zu gewährleisten (Ziff. 5 Präambel Dublin-III-VO). Die Zuständigkeit für die Durchführung eines Asylverfahrens ist mit einem möglichst geringen Beweisaufwand zu bestimmen, damit das Dublin-System seinen Zweck nicht verfehlt (Filzwieser/Sprung, a.a.O., S. 197f.). Auf die Notwendigkeit einer raschen Bestimmung des für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständigen Dublin-Staates hat auch der EuGH mehrfach hingewiesen (z.B. im Urteil N.S. Rz. 79 und 98).

7.3 Um dieses Ziel zu erreichen, definiert die Dublin-III-VO nicht nur Zuständigkeits-Kriterien, sondern äussert sich auch dazu, welche Beweismittel und Indizien die Dublin-Staaten zum Beleg ihrer Zuständigkeit beziehungsweise Unzuständigkeit zu gelten lassen haben. Die Beweiswürdigungsbestimmungen von Art. 22 Abs. 2ff. Dublin-III-VO legen fest, dass im Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Dublin-Staates Beweismittel und Indizien verwendet werden (Abs. 2), definieren den Begriff der Beweismittel und der Indizien und stellen fest, dass eine Durchführungsverordnung die sachdienlichen Beweismittel und Indizien festlegen soll (Abs. 3). Gemäss der Formulierung im selben Abs. 3 (Bst. a/i) fallen unter den Begriff der Beweismittel « förmliche Beweismittel, die insoweit über die Zuständigkeit [...] entscheiden, als sie nicht durch Gegenbeweise widerlegt werden ». Diesen Beweismitteln kommt damit für die Bestimmung der Zuständigkeit eine verstärkte Beweiskraft zu. Schliesslich bestimmt Abs. 4, dass das Beweiserfordernis nicht über das für die ordnungsgemässe Anwendung dieser Verordnung erforderliche Mass hinausgehen soll, und legt damit soweit für das Funktionieren des Dublin-
Systems notwendig ein reduziertes Beweismass fest. Anhang II Verzeichnis A Ziff. I.2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Dublin-II-VO (ABl. L 222/3 vom 5.9.2003; i.V.m. der Durchführungsverordnung [EU] Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung [EG] Nr. 1560/2003 [ABl. L 39/1 vom 8.2.2014]; vgl. Notenaustausch vom 17. März 2014 zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Durchführungsverordnung [EU] Nr. 118/2014 zur Änderung der Verordnung [EG] Nr. 1560/2003 mit den Dublin-Durchführungsbestimmungen [SR 0.142.392.680.02], für die Schweiz in Kraft getreten am 17. März 2014), nennt als Beweismittel bezüglich der Zuständigkeit nach Art. 9 Dublin-III-VO unter anderem Registerauszüge.

Ein Registerauszug, der das Familienverhältnis zwischen der asylsuchenden Person und der in einem Dublin-Staat im Sinne von Art. 9 Dublin-III-VO aufenthaltsberechtigten Person belegt, ist mithin von den Dublin-Staaten grundsätzlich als Beweis für dieses Familienverhältnis zu akzeptieren. Dies gilt nicht nur im Rahmen eines Aufnahmegesuchs, sondern aus Gründen der Reziprozität auch, wenn die betroffene Person sich bereits im zuständigen Dublin-Staat befindet und dieser über seine eigene Zuständigkeit zu befinden hat.

7.4 7.7 (...)

7.8 Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass es der Vorinstanz nicht gelingt, den Gegenbeweis zu erbringen. Es ist damit zum Zwecke der Feststellung der Zuständigkeit für das Asylverfahren der Beschwerdeführerin gemäss Dublin-III-VO davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin und S.T. verheiratet sind.

8. Entsprechend ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen von Art. 9 Dublin-III-VO erfüllt sind.

8.1 Wie dargelegt ist S.T. als Ehegatte der Beschwerdeführerin anzusehen. Art. 2 Bst. g Dublin-III-VO stellt für Ehegatten keine weiteren Voraussetzungen auf, wohingegen für nicht verheiratete Partner eine dauerhafte Beziehung und ausländerrechtlich eine vergleichbare Behandlung durch den betreffenden Mitgliedstaat verlangt werden (vgl. Shazia Choudhry, in: The EU Charter of Fundamental Rights, Oxford 2014, Article 7 Right to Respect for Private and Family Life [Family Life Aspects], Rz. 07.32B ff.). Während Art. 2 Bst. g Dublin-III-VO für Familienangehörige voraussetzt, dass die Familie bereits im Herkunftsland bestanden haben muss, verzichtet Art. 9 Dublin-III-VO bei der Regelung für Familienangehörige, die Begünstigte internationalen Schutzes sind, explizit auf diese Voraussetzung.

8.2 Die Schweiz hat die Flüchtlingseigenschaft von S.T. anerkannt (Verfügung des BFM vom 20. Juni 2012), womit dieser ein Begünstigter internationalen Schutzes im Sinne von Art. 2 Bst. f Dublin-III-VO ist. Zudem verfügt S.T. in der Schweiz (im Kanton Bern) aufgrund seines Asylstatus über eine Aufenthaltsbewilligung im Sinne von Art. 30
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 30 - 1 Von den Zulassungsvoraussetzungen (Art. 18-29) kann abgewichen werden, um:
1    Von den Zulassungsvoraussetzungen (Art. 18-29) kann abgewichen werden, um:
a  die Erwerbstätigkeit der im Rahmen des Familiennachzugs zugelassenen Ausländerinnen und Ausländer zu regeln, sofern kein Anspruch auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit besteht (Art. 46);
b  schwerwiegenden persönlichen Härtefällen oder wichtigen öffentlichen Interessen Rechnung zu tragen;
c  den Aufenthalt von Pflegekindern zu regeln;
d  Personen vor Ausbeutung zu schützen, die im Zusammenhang mit ihrer Erwerbstätigkeit besonders gefährdet sind;
e  den Aufenthalt von Opfern und Zeuginnen und Zeugen von Menschenhandel sowie von Personen zu regeln, welche im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms des In- oder Auslands oder eines internationalen Strafgerichtshofes mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten;
f  Aufenthalte im Rahmen von Hilfs- und Entwicklungsprojekten über die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit zu ermöglichen;
g  den internationalen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Austausch sowie die berufliche Aus- und Weiterbildung zu erleichtern;
h  den betrieblichen Transfer von Angehörigen des höheren Kaders und unentbehrlichen Spezialistinnen und Spezialisten in international tätigen Unternehmen zu vereinfachen;
i  ...
j  Au-Pair-Angestellten, die von einer anerkannten Organisation vermittelt werden, einen Weiterbildungsaufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen;
k  die Wiederzulassung von Ausländerinnen und Ausländern, die im Besitz einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung waren, zu erleichtern;
l  die Erwerbstätigkeit sowie die Teilnahme an Beschäftigungsprogrammen von Asylsuchenden (Art. 43 des Asylgesetzes vom 26. Juni 199841, AsylG), vorläufig Aufgenommenen (Art. 85) und Schutzbedürftigen (Art. 75 AsylG) zu regeln.
2    Der Bundesrat legt die Rahmenbedingungen fest und regelt das Verfahren.
AuG (SR 142.20).

8.3 Die Beschwerdeführerin und S.T. haben zudem im Beschwerdeverfahren beide schriftlich ihren Wunsch festgehalten, dass sich die Schweiz für das Asylverfahren der Beschwerdeführerin zuständig erklären möge.

8.4 Somit ist die Schweiz nach Art. 9 Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens der Beschwerdeführerin zuständig. Die Vorinstanz ist damit zu Unrecht auf ihr Asylgesuch nicht eingetreten, weshalb die angefochtene Verfügung aufzuheben ist. Das SEM ist anzuweisen, sich für die Behandlung ihres Asylgesuchs für zuständig zu erklären und die polnischen Behörden entsprechend zu informieren.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2015/41
Datum : 03. Dezember 2015
Publiziert : 19. September 2016
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2015/41
Sachgebiet : Abteilung V (Asylrecht)
Gegenstand : Nichteintreten auf Asylgesuch und Wegweisung (Dublin-Verfahren)


Gesetzesregister
AsylG: 31a
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 31a Entscheide des SEM - 1 Das SEM tritt in der Regel auf Asylgesuche nicht ein, wenn Asylsuchende:
1    Das SEM tritt in der Regel auf Asylgesuche nicht ein, wenn Asylsuchende:
a  in einen sicheren Drittstaat nach Artikel 6a Absatz 2 Buchstabe b zurückkehren können, in welchem sie sich vorher aufgehalten haben;
b  in einen Drittstaat ausreisen können, welcher für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens staatsvertraglich zuständig ist;
c  in einen Drittstaat zurückkehren können, in welchem sie sich vorher aufgehalten haben;
d  in einen Drittstaat weiterreisen können, für welchen sie ein Visum besitzen und in welchem sie um Schutz nachsuchen können;
e  in einen Drittstaat weiterreisen können, in dem Personen, zu denen sie enge Beziehungen haben, oder nahe Angehörige leben;
f  nach Artikel 31b in ihren Heimat- oder Herkunftsstaat weggewiesen werden können.
2    Absatz 1 Buchstaben c-e findet keine Anwendung, wenn Hinweise bestehen, dass im Einzelfall im Drittstaat kein effektiver Schutz vor Rückschiebung nach Artikel 5 Absatz 1 besteht.
3    Das SEM tritt auf ein Gesuch nicht ein, welches die Voraussetzungen von Artikel 18 nicht erfüllt. Dies gilt namentlich, wenn das Asylgesuch ausschliesslich aus wirtschaftlichen oder medizinischen Gründen eingereicht wird.
4    In den übrigen Fällen lehnt das SEM das Asylgesuch ab, wenn die Flüchtlingseigenschaft weder bewiesen noch glaubhaft gemacht worden ist oder ein Asylausschlussgrund nach den Artikeln 53 und 54 vorliegt.96
AuG: 30
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 30 - 1 Von den Zulassungsvoraussetzungen (Art. 18-29) kann abgewichen werden, um:
1    Von den Zulassungsvoraussetzungen (Art. 18-29) kann abgewichen werden, um:
a  die Erwerbstätigkeit der im Rahmen des Familiennachzugs zugelassenen Ausländerinnen und Ausländer zu regeln, sofern kein Anspruch auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit besteht (Art. 46);
b  schwerwiegenden persönlichen Härtefällen oder wichtigen öffentlichen Interessen Rechnung zu tragen;
c  den Aufenthalt von Pflegekindern zu regeln;
d  Personen vor Ausbeutung zu schützen, die im Zusammenhang mit ihrer Erwerbstätigkeit besonders gefährdet sind;
e  den Aufenthalt von Opfern und Zeuginnen und Zeugen von Menschenhandel sowie von Personen zu regeln, welche im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms des In- oder Auslands oder eines internationalen Strafgerichtshofes mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten;
f  Aufenthalte im Rahmen von Hilfs- und Entwicklungsprojekten über die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit zu ermöglichen;
g  den internationalen wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Austausch sowie die berufliche Aus- und Weiterbildung zu erleichtern;
h  den betrieblichen Transfer von Angehörigen des höheren Kaders und unentbehrlichen Spezialistinnen und Spezialisten in international tätigen Unternehmen zu vereinfachen;
i  ...
j  Au-Pair-Angestellten, die von einer anerkannten Organisation vermittelt werden, einen Weiterbildungsaufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen;
k  die Wiederzulassung von Ausländerinnen und Ausländern, die im Besitz einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung waren, zu erleichtern;
l  die Erwerbstätigkeit sowie die Teilnahme an Beschäftigungsprogrammen von Asylsuchenden (Art. 43 des Asylgesetzes vom 26. Juni 199841, AsylG), vorläufig Aufgenommenen (Art. 85) und Schutzbedürftigen (Art. 75 AsylG) zu regeln.
2    Der Bundesrat legt die Rahmenbedingungen fest und regelt das Verfahren.
BGE Register
124-III-90
Weitere Urteile ab 2000
C_4/11 • C_411/10 • C_493/10 • L_180/31
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
mitgliedstaat • asylverfahren • frage • beweismittel • betroffene person • familie • staatsvertrag • beweismass • bundesverwaltungsgericht • polnisch • vorinstanz • ehegatte • dublin-verordnung • norm • achtung des familienlebens • polen • verhältnis zwischen • eu • rechtsanwendung • europäisches parlament
... Alle anzeigen
BVGE
2010/27
BVGer
E-6513/2014
EU Richtlinie
2011/95
EU Verordnung
1560/2003 • 604/2013