LANDESRECHT - DROIT NATIONAL -
DIRITTO NAZIONALE

1 Staat - Volk - Behörden
Etat - Peuple - Autorités
Stato - Popolo - Autorità

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Auszug aus dem Urteil der Abteilung IV
i.S. X. gegen Bundesamt für Migration
D 5705/2010 vom 17. September 2013

Zulässigkeit des Wegweisungsvollzugs nach Mogadischu (Somalia). Lageanalyse.

Art. 83 Abs. 3
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 83 Anordnung der vorläufigen Aufnahme - 1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
1    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
2    Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann.
3    Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen.
4    Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
5    Der Bundesrat bezeichnet Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten, in welche eine Rückkehr zumutbar ist.243 Kommen weggewiesene Ausländerinnen und Ausländer aus einem dieser Staaten oder aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA, so ist ein Vollzug der Wegweisung in der Regel zumutbar.244
5bis    Der Bundesrat überprüft den Beschluss nach Absatz 5 periodisch.245
6    Die vorläufige Aufnahme kann von kantonalen Behörden beantragt werden.
7    Die vorläufige Aufnahme nach den Absätzen 2 und 4 wird nicht verfügt, wenn die weggewiesene Person:246
a  zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im In- oder Ausland verurteilt wurde oder wenn gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59-61 oder 64 StGB248 angeordnet wurde;
b  erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet; oder
c  die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.
8    Flüchtlinge, bei denen Asylausschlussgründe nach Artikel 53 und 54 AsylG250 vorliegen, werden vorläufig aufgenommen.
9    Die vorläufige Aufnahme wird nicht verfügt oder erlischt, wenn eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG251 oder eine Ausweisung nach Artikel 68 des vorliegenden Gesetzes rechtskräftig geworden ist.252
10    Die kantonalen Behörden können mit vorläufig aufgenommenen Personen Integrationsvereinbarungen abschliessen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a besteht.253
AuG. Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK.

Trotz einer andauernden Gewaltsituation in Somalia kann in Bezug auf Mogadischu nicht von einem « real risk » für jede in der Stadt wohnhafte Person im Sinne von Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK ausgegangen werden. Der Vollzug der Wegweisung ist nicht generell unzulässig.

Licéité de l'exécution du renvoi à Mogadiscio (Somalie). Analyse de la situation.

Art. 83 al. 3 LEtr. Art. 3 CEDH.

Malgré une situation de violence durable en Somalie, un « real risk » au sens de l'art. 3 CEDH ne peut pas être présumé pour chaque personne résidant à Mogadiscio. L'exécution du renvoi n'est pas généralement illicite.

Liceità dell'esecuzione dell'allontanamento verso Mogadiscio (Somalia). Analisi della situazione.

Art. 83 cpv. 3 LStr. Art. 3 CEDU.

Malgrado una situazione di violenza persistente in Somalia, non si può presumere l'esistenza di un « real risk » ai sensi dell'art. 3 CEDU per ogni persona che abita a Mogadiscio. L'esecuzione dell'allontanamento non è generalmente illecita.


Der aus Mogadischu stammende Beschwerdeführer ersuchte am 8. Januar 2003 in der Schweiz um Asyl nach. Zur Begründung seines Asylgesuchs machte er im Wesentlichen geltend, er sei wegen des herrschenden Bürgerkriegs geflohen.

Mit Verfügung vom 23. Juni 2003 stellte das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF, heute: Bundesamt für Migration [BFM]) fest, dass der Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle, lehnte sein Asylgesuch ab und ordnete seine Wegweisung aus der Schweiz an. Gleichzeitig wurde der Vollzug der Wegweisung unter Berücksichtigung der in Somalia herrschenden Umstände als unzumutbar erachtet und er in der Schweiz vorläufig aufgenommen.

Im Mai 2009 wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt, woraufhin das BFM mit Verfügung vom 9. Juli 2010 die angeordnete vorläufige Aufnahme in Anwendung von Art. 84 Abs. 3
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 84 Beendigung der vorläufigen Aufnahme - 1 Das SEM überprüft periodisch, ob die Voraussetzungen für die vorläufige Aufnahme noch gegeben sind.
1    Das SEM überprüft periodisch, ob die Voraussetzungen für die vorläufige Aufnahme noch gegeben sind.
2    Das SEM hebt die vorläufige Aufnahme auf und ordnet den Vollzug der Wegweisung an, wenn die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind.254
3    Auf Antrag der kantonalen Behörden, von fedpol oder des NDB kann das SEM die vorläufige Aufnahme wegen Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit des Vollzuges (Art. 83 Abs. 2 und 4) aufheben und den Vollzug der Wegweisung anordnen, wenn Gründe nach Artikel 83 Absatz 7 gegeben sind.255
4    Die vorläufige Aufnahme erlischt mit der definitiven Ausreise, bei einem nicht bewilligten Auslandaufenthalt von mehr als zwei Monaten oder bei Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung.256
5    Gesuche um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von vorläufig aufgenommenen Ausländerinnen und Ausländern, die sich seit mehr als fünf Jahren in der Schweiz aufhalten, werden unter Berücksichtigung der Integration, der familiären Verhältnisse und der Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat vertieft geprüft.
des Ausländergesetzes vom 16. Dezember 2005 (AuG, SR 142.20) aufhob. Der Vollzug der Wegweisung wurde zudem als zulässig erachtet.

Gegen diese Verfügung erhob der Beschwerdeführer am 11. August 2010 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Dieses weist die Beschwerde ab, da sich der Beschwerdeführer in Anwendung von Art. 83 Abs. 7 Bst. a
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 83 Anordnung der vorläufigen Aufnahme - 1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
1    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
2    Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann.
3    Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen.
4    Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
5    Der Bundesrat bezeichnet Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten, in welche eine Rückkehr zumutbar ist.243 Kommen weggewiesene Ausländerinnen und Ausländer aus einem dieser Staaten oder aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA, so ist ein Vollzug der Wegweisung in der Regel zumutbar.244
5bis    Der Bundesrat überprüft den Beschluss nach Absatz 5 periodisch.245
6    Die vorläufige Aufnahme kann von kantonalen Behörden beantragt werden.
7    Die vorläufige Aufnahme nach den Absätzen 2 und 4 wird nicht verfügt, wenn die weggewiesene Person:246
a  zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im In- oder Ausland verurteilt wurde oder wenn gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59-61 oder 64 StGB248 angeordnet wurde;
b  erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet; oder
c  die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.
8    Flüchtlinge, bei denen Asylausschlussgründe nach Artikel 53 und 54 AsylG250 vorliegen, werden vorläufig aufgenommen.
9    Die vorläufige Aufnahme wird nicht verfügt oder erlischt, wenn eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG251 oder eine Ausweisung nach Artikel 68 des vorliegenden Gesetzes rechtskräftig geworden ist.252
10    Die kantonalen Behörden können mit vorläufig aufgenommenen Personen Integrationsvereinbarungen abschliessen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a besteht.253
AuG nicht auf Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs im Sinne von Art. 83 Abs. 4
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 83 Anordnung der vorläufigen Aufnahme - 1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
1    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
2    Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann.
3    Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen.
4    Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
5    Der Bundesrat bezeichnet Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten, in welche eine Rückkehr zumutbar ist.243 Kommen weggewiesene Ausländerinnen und Ausländer aus einem dieser Staaten oder aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA, so ist ein Vollzug der Wegweisung in der Regel zumutbar.244
5bis    Der Bundesrat überprüft den Beschluss nach Absatz 5 periodisch.245
6    Die vorläufige Aufnahme kann von kantonalen Behörden beantragt werden.
7    Die vorläufige Aufnahme nach den Absätzen 2 und 4 wird nicht verfügt, wenn die weggewiesene Person:246
a  zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im In- oder Ausland verurteilt wurde oder wenn gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59-61 oder 64 StGB248 angeordnet wurde;
b  erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet; oder
c  die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.
8    Flüchtlinge, bei denen Asylausschlussgründe nach Artikel 53 und 54 AsylG250 vorliegen, werden vorläufig aufgenommen.
9    Die vorläufige Aufnahme wird nicht verfügt oder erlischt, wenn eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG251 oder eine Ausweisung nach Artikel 68 des vorliegenden Gesetzes rechtskräftig geworden ist.252
10    Die kantonalen Behörden können mit vorläufig aufgenommenen Personen Integrationsvereinbarungen abschliessen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a besteht.253
AuG berufen kann und der Vollzug der Wegweisung zu Recht als zulässig eingeschätzt worden ist.


Aus den Erwägungen:

8.

8.1 Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, aufgrund der im Heimatstaat seit Jahren herrschenden Bürgerkriegssituation sei ein Vollzug der Wegweisung in den Heimatstaat und namentlich nach Mogadischu, wo er geboren sei und bis zu seiner Ausreise gelebt habe, unzulässig im Sinne von Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK, SR 0.101).

8.2 Nach Art. 25 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 25 Schutz vor Ausweisung, Auslieferung und Ausschaffung - 1 Schweizerinnen und Schweizer dürfen nicht aus der Schweiz ausgewiesen werden; sie dürfen nur mit ihrem Einverständnis an eine ausländische Behörde ausgeliefert werden.
1    Schweizerinnen und Schweizer dürfen nicht aus der Schweiz ausgewiesen werden; sie dürfen nur mit ihrem Einverständnis an eine ausländische Behörde ausgeliefert werden.
2    Flüchtlinge dürfen nicht in einen Staat ausgeschafft oder ausgeliefert werden, in dem sie verfolgt werden.
3    Niemand darf in einen Staat ausgeschafft werden, in dem ihm Folter oder eine andere Art grausamer und unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung droht.
der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101), Art. 3 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (FoK, SR 0.105) und der Praxis zu Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden, diese Bestimmungen gelten absolut. Im Hinblick auf die allgemeine Situation im Heimatstaat hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wiederholt festgestellt, dass die blosse Möglichkeit einer Misshandlung angesichts einer unsicheren Situation im Zielstaat oder der dort allgemein vorherrschenden Gewalt normalerweise nicht genügt, um eine Verletzung von Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK zu begründen. Vielmehr ist eine konkrete Gefahr im Sinne eines « real risk » nachzuweisen oder glaubhaft zu machen (vgl. EGMR [Grosse Kammer], Saadi gegen Italien, Urteil vom 28. Februar 2008, Beschwerde Nr. 37201/06, §§ 124 127, mit weiteren Hinweisen). Andererseits hat der EGMR die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass eine Gewaltsituation im Zielstaat eine derartige Intensität annehmen kann, dass allein
aufgrund dieser bereits generell auf eine Verletzung von Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK geschlossen werden kann. Er hat in diesem Zusammenhang jedoch festgehalten, dass sich ein derartiger Ansatz nur in « extremen Fällen » allgemein vorherrschender Gewalt gebiete.

8.3 Mit der Frage der Zulässigkeit des Wegweisungsvollzugs nach Zentral- und Südsomalia hat sich das Bundesverwaltungsgericht in den vergangenen Jahren aufgrund der geltenden Wegweisungspraxis dorthin nicht näher befasst, da der Vollzug der Wegweisung aufgrund der andauernden Gewaltsituation, der chaotischen Lage und der prekären humanitären Situation in Somalia in diese Gebiete als generell unzumutbar erachtet wird (vgl. Entscheidungen und Mitteilungen der Schweizerischen Asylrekurskommission [EMARK] 1996 Nr. 18, EMARK 2006 Nr. 2). Da die Wegweisungsvollzugshindernisse alternativer Natur sind und somalische Staatsangehörige aus den genannten Gebieten wegen der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs vorläufig in der Schweiz aufgenommen werden, stellte sich die Frage der Zulässigkeit bisher nicht.

8.4

8.4.1 Der EGMR befasste sich in Sachen Sufi und Elmi gegen das Vereinigte Königreich, Urteil vom 28. Juni 2011, Beschwerden Nr. 8319/07 und 11449/07 (nachfolgend: EGMR) mit der sich hier stellenden Frage und kam zum Schluss, dass die Situation allgemeiner und verbreiteter Gewalt in Mogadischu als dermassen extrem einzustufen sei, dass für jede in der Stadt wohnhafte Person eine ernsthafte Gefahr unmenschlicher Behandlung im Sinne von Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK grundsätzlich als gegeben zu erachten sei. Zwar schloss der Gerichtshof nicht vollständig aus, dass in Einzelfällen eine Person aufgrund vorhandener Vernetzung mit mächtigen Akteuren in Mogadischu Schutz finden könne, jedoch hielt er diese Möglichkeit gerade für Personen, die sich einige Zeit ausserhalb Somalias aufhielten, für unwahrscheinlich (vgl. E. 8.5.3).

8.4.2 Urteile des EGMR sind für die Unterzeichnerstaaten der EMRK grundsätzlich rechtlich verbindlich, das heisst, sie sind von den Staaten zu respektieren und umzusetzen. Eine andere Beurteilung kann sich jedoch dann gebieten, wenn seit dem Urteilszeitpunkt eine veränderte Sachlage vorliegt. Im Folgenden ist daher zu prüfen, ob in Bezug auf die Stadt Mogadischu zum heutigen Zeitpunkt eine Veränderung der Sicherheitslage zu verzeichnen ist, aufgrund welcher die Frage der Zulässigkeit des Wegweisungsvollzugs zu einer anderen Beurteilung führt.

8.5

8.5.1 In diesem Zusammenhang ist im Folgenden auf die Gewaltsituation und deren Entwicklung in Zentral- und Südsomalia einzugehen. Der Überblick stützt sich dabei auf folgende Quellen:

- Konrad Adenauer Stiftung (KAS), Die somalischen Shabaab- Milizen und ihre jihadistischen Netzwerke im Westen, 11. August 2011, < http://www.kas.de/wf/doc/kas_23599-544-1-30.pdf? 1108121 33901 >;

- Amnesty International (AI), Clans, Warlords und Rebellen, Dezember 2011, < http://www.amnesty.de/journal/2011/dezember/ clans-warlords-und-rebellen? >;

- AI, In the line of fire: Somalia's children under attack [AFR 52/001/2011], 20. Juli 2011, < http://www.amnesty.org//en/library/ asset/AFR52/001/2011/en/2b90b425-0742-4c83-87f0-e8fd0b6baa51/afr520012011en.pdf >;

- Center for Strategic and International Studies (CSIS), Al Shabaab, 15. Juli 2011, < http://csis.org/files/publication/110715_Wise_ AlShabaab_AQAM%20Futures%20Case%20Study_WEB.pdf >;

- Human Rights Watch (HRW), Harsh War, Harsh Peace, 19. April 2010, abrufbar über ecoi.net, < http://www.ecoi.net/file_upload/ 1226_1271754222_somalia 0410webwcover.pdf >;

- International Crisis Group, Somalia, to move beyond the failed state, 23. Dezember 2008, < http://www.crisisgroup.org/en/regions/ africa/horn-of-africa/somalia/147-somalia-to-move-beyond-the-failed-state.aspx >

(alle Quellen letztmals besucht am 29. Mai 2013).

8.5.2 Die kriegerischen Auseinandersetzungen in Somalia setzten nach dem Sturz der somalischen Regierung im Jahr 1991 ein, welche seit 1969 unter der Präsidentschaft von Mohamed Siad Barre gestanden hatte. Nachdem die am Umsturz beteiligten Clanmilizen in der Folge keine Einigung auf eine gemeinsame Regierung erzielen konnten, glitt das Land zunehmend in einen Bürgerkrieg ab und zerfiel in umkämpfte Machtbereiche von Clans, Kriegsherren und deren Milizen. Bestrebungen in den Neunzigerjahren, durch die UN-Mission « United Nations Operation in Somalia » (UNOSOM) und UNO-Friedenstruppen, wieder eine stabile Ordnung im Land zu etablieren, scheiterten; 1995 zogen sich die Missionen aus Somalia zurück. Zwar wurde im Jahr 2000 - als Ergebnis von langwierigen und im Vorfeld vielfach gescheiterten Friedensverhandlungen - eine nationale Übergangsregierung für Somalia gebildet; diese konnte sich jedoch gegen die verschiedenen Warlords und Clans nicht durchsetzen.

Im Jahr 2006 erlangte die « Union islamischer Gerichte » (Islamic Courts Union, ICU) die Kontrolle über weite Teile Süd- und Zentralsomalias sowie über die Landeshauptstadt Mogadischu. Bei der ICU handelt es sich um einen im Jahr 2000 von islamisch orientierten Geschäftsleuten, Milizen-Chefs, Geistlichen und Rechtsgelehrten gegründeten Verbund unabhängiger islamischer Gerichte, welche seit dem Umsturz im Jahr 1991 die Funktion des Justizsystems in Somalia wahrgenommen hatten. Die als relativ gemässigt geltende Union vermochte die allgemeine Gewalt im somalischen Bürgerkrieg für eine gewisse Zeit einzudämmen, sie stand der Übergangsregierung jedoch gegnerisch gegenüber und bedrängte sie militärisch. Die Übergangsregierung versuchte daraufhin, mit der Unterstützung Äthiopiens Ende des Jahres 2006 die Kontrolle im Land zu übernehmen, stiess jedoch auf erbitterten Widerstand seitens der Milizen der ICU und anderer Milizen, welche, wie im Übrigen weite Teile der Bevölkerung, die äthiopische Militärpräsenz ablehnten. Den äthiopischen Truppen gelang schliesslich die Entmachtung der ICU, welche schwere Verluste einstecken musste. Teile der verbliebenen ICU formierten sich daraufhin in Mogadischu neu in der radikalisierten « Al Harakat Al
Mujahidin Al-Shabaab » (kurz: Al-Shabaab) und anderen bewaffneten Gruppierungen. Die Al-Shabaab strebt die Errichtung eines islamischen Staates mit der Umsetzung einer strengen Auslegung der Scharia an. Im Jahr 2008 suchte die Al-Shabaab die Nähe zur Terrororganisation Al-Qaida. Dabei soll sie sich zunehmend der Kontrolle der übrigen gemässigten ICU entzogen und zu einer eigenständigen, radikalen Gruppierung entwickelt haben. Die in den von der Al-Shabaab kontrollierten Gebieten lebende Bevölkerung ist einer strengen sozialen Kontrolle im Hinblick auf islamische Verhaltensweisen unterworfen. Kinder und junge Männer werden zwangsrekrutiert, Mädchen werden für Eheschliessungen mit Kämpfern rekrutiert und zu Frühehen gezwungen. Berichtet wird von drakonischen und willkürlichen Strafmassnahmen gegen die Zivilbevölkerung, sofern sich diese nicht dem islamisch radikalen Verhaltenskodex der Al-Shabaab unterwirft. Ebenso von willkürlichen Bestrafungen und Tötungen betroffen sind vermeintliche Unterstützer der Übergangsregierung. Die Al-Shabaab finanzierte sich bisher hauptsächlich über die Besteuerung von Gütern im wichtigen Hafen von Kismaayo, aber auch durch die Erpressung von Privatpersonen und örtlichen Geschäftstreibenden. In den von
ihr kontrollierten Gebieten besteuert die Gruppe zudem die Bewegung von Gütern.

Seit dem Jahr 2008 konnte sich die Al-Shabaab in Mogadischu und weiteren Teilen Süd- und Zentralsomalias wieder etablieren; sie umfasste einer Schätzung zufolge zu diesem Zeitpunkt einige hundert Zellen mit insgesamt bis zu 7 000 vorwiegend jungen Kämpfern und beanspruchte innerhalb des somalischen Widerstandes gegen Äthiopien und die Übergangsregierung die Führung. Um dem fortschreitenden Bürgerkrieg Einhalt zu gebieten und die Übergangsregierung dabei zu unterstützen, das Land zu stabilisieren, wurden seit März 2007 seitens der Afrikanischen Union - und autorisiert durch die Resolution 1725 des UN-Sicherheitsrats vom 6. Dezember 2006 - Schutztruppen der Friedensmission der Afrikanischen Union (African Union Mission in Somalia, AMISOM) nach Somalia entsandt. Auftrag der zunächst aus ugandischen und burundischen Streitkräften bestehenden Truppe war in erster Linie die Bereitstellung militärischen Schutzes für die Übergangsregierung und ihre Institutionen sowie die Betätigung in der humanitären Unterstützung für die Bevölkerung. Im Jahr 2009 zogen sich die äthiopischen Truppen aus Somalia zurück. Die Übergangsregierung (nunmehr unter der Präsidentschaft von Sharif Sheikh Ahmed) wurde jedoch weiterhin von den extremistischen
Milizen, allen voran der Al-Shabaab, bekämpft. Bis Ende 2010 übernahm die Al-Shabaab in weiten Teilen Süd- und Zentralsomalias und Mogadischus die Kontrolle; die Übergangsregierung wurde unter dem Schutz der AMISOM-Mission auf wenige Teile Mogadischus zurückgedrängt. Nachdem die Streitkräfte der AMISOM sich ihrem Mandat gemäss vorerst nicht am aktiven Kampf gegen Milizen und Rebellengruppen beteiligten, wurde mit zunehmenden Angriffen auf die Friedenstruppe und der Eskalation der Gewalt zwischen den Milizen und der Übergangsregierung das Mandat durch den UN-Sicherheitsrat entsprechend angepasst und die Truppen im Dezember 2010 von 8 000 auf 12 000 Soldaten verstärkt. Die folgenden Auseinandersetzungen zwischen den Truppen der somalischen Übergangsregierung an der Seite der AMISOM und den Al-Shabaab, welche vor allem in und um die Stadt Mogadischu strategisch geführt wurden, bildeten den vorläufigen Höhepunkt des Bürgerkrieges.

8.5.3 In diesen Zeitraum fällt auch das bereits erwähnte Urteil des EGMR vom 28. Juni 2011. Seiner Beurteilung im Hinblick auf die Frage, ob allein aufgrund der in Somalia, namentlich in Mogadischu, herrschenden Situation für jede in der Stadt wohnhafte Person eine ernsthafte Gefahr unmenschlicher Behandlung im Sinne von Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK zu bejahen sei, legte der EGMR drei Prüfungskriterien zugrunde, nämlich, ob die Konfliktparteien Methoden und Taktiken anwenden würden, die die Gefahr ziviler Opfer erhöhen oder direkt auf Zivilisten gerichtet seien, ob diese Taktiken und Methoden weit verbreitet seien und die Kampfhandlungen lokal oder verbreitet stattfinden würden sowie schliesslich die Zahl der getöteten, verwundeten und vertriebenen Zivilpersonen. Explizit führte der EGMR aus, dass die genannten Kriterien weder abschliessend noch sakrosankt seien, jedoch im vorliegenden Fall einen geeigneten Beurteilungsmassstab darstellen würden (vgl. EGMR, a.a.O., § 241).

Bei der Beurteilung der zum Zeitpunkt des Entscheids herrschenden Sicherheitslage stützte sich der EGMR auf vornehmlich im Jahr 2010 publizierte Berichte (vgl. EGMR, a.a.O., §§ 80 189). Gestützt auf diese stellte der EGMR im Hinblick auf die Lage in Mogadischu fest, dass alle beteiligten Konfliktparteien den Kampf in Mogadischu ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung führen würden. So seien militärische Angriffe mittels Granaten in die vermeintlich feindlichen Gebiete an der Tagesordnung, ohne Rücksicht darauf, ob beziehungsweise dass diese in dichtbevölkerte Gebiete Mogadischus erfolgen. Die verwendeten Granaten seien vielfach nicht mit Ortungs- beziehungsweise Lenkungssystemen ausgerüstet, weshalb die zivile Bevölkerung in hohem Masse betroffen sei. Die Sicherheitslage habe sich im Jahr 2010 nochmals verschlechtert. Zwar würden die Aussagen über die genaue Anzahl der zivilen Opfer und vertriebenen Personen in den einzelnen Berichten variieren. Doch würden die Berichte ungeachtet der genauen Zahlen allesamt aufzeigen, dass die andauernden Kämpfe in Mogadischu auch im Jahr 2010 zu tausenden zivilen Opfern und zur Vertreibung hunderttausender Zivilisten geführt hätten. Berichtet werde beispielsweise, dass in Mogadischu im Zeitraum
vom 20. März 2010 bis 11. Juli 2010 schätzungsweise 1 600 verletzte Zivilpersonen in den zwei Hauptspitälern behandelt worden seien; die Zahl der aus Mogadischu Vertriebenen belaufe sich für das erste Quartal des Jahres 2010 auf schätzungsweise 179 000 Personen, im zweiten Quartal habe die Zahl der vertriebenen Zivilpersonen bei schätzungsweise 75 000 gelegen. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2010 seien gemäss Statistik des Elman Peace Centre of Somalia 918 Zivilisten getötet und weitere 2 555 Personen verletzt worden. United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) habe seinerseits berichtet, dass in Mogadischu im Jahr 2010 wöchentlich 20 50 zivile Todesopfer zu beklagen gewesen seien und in den Monaten März und April 2010 über 900 Zivilisten den Konflikten in Mogadischu zum Opfer gefallen seien. Der Bericht von AI vom 18. Oktober 2010 verzeichne während der letzten August- und ersten Septemberwoche 2010 die Tötung von 230 Zivilpersonen und weitere 400 Verletzte, 42 400 Personen seien seit 23. August 2010 in und um Mogadischu vertrieben worden (vgl. EGMR, a.a.O., §§ 235 245).

Der EGMR führte weiter aus, auch wenn einigen Berichten zu entnehmen sei, dass die Taktik der Al-Shabaab im Kampf zwischenzeitlich ausgereifter sei, könne daraus nicht auf ein geringeres Risiko der Zivilbevölkerung geschlossen werden. Im Gegenteil sei einigen Quellen zu entnehmen, dass die neuen Taktiken, welche durch im Ausland rekrutierte Kämpfer der Al-Shabaab entwickelt worden seien, auch willkürliche Attacken auf Zivilpersonen beinhalten würden und mit grösserer Brutalität vorgegangen werde. Die Situation in Mogadischu werde als unvorhersehbar beschrieben, vor allem im Hinblick auf die Kampfzonen, welche sich zum Teil täglich verschieben würden. Stadtteile, welche als sicher gegolten hätten, seien von einem Moment zum anderen Kampfgebiet geworden; dies habe die dort lebende Bevölkerung zur Flucht gezwungen. Aufgrund dieser andauernden unterschiedslosen militärischen Angriffe aller Konfliktparteien, der grossen Zahl ziviler Opfer und intern Vertriebener sowie der Natur des Konflikts liege in Mogadischu eine Situation von extremer allgemeiner Gewalt vor (vgl. EGMR, a.a.O., §§ 246 250 ff.).

8.5.4 Wie bereits festgestellt, bezieht sich die vom EGMR berücksichtigte Situation in Mogadischu auf die Lageeinschätzung aus dem Jahr 2010. Bereits wenige Monate nach dem Entscheid des EGMR im Juni 2011 war eine Veränderung der Situation im Hinblick auf die kriegerischen Auseinandersetzungen in Zentral- und Südsomalia, insbesondere aber im Gebiet der Stadt Mogadischu, auszumachen. Die Einschätzung der aktuellen Lage stützt sich dabei vornehmlich auf folgende Quellen:

- US Department of State (USDOS), Country Report on Human Rights Practices 2012 - Somalia vom 19. April 2013, verfügbar auf ecoi.net, < http://www.ecoi.net/local_link/245108/368554_de. html >;

- UN Security Council (UNSC), Report of the Secretary-General on Somalia [S/2013/69] vom 31. Januar 2013, verfügbar auf ecoi.net, < http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1360766729_n1321515somalia.pdf >;

- humanitarian news and analysis (IRIN) vom 7. November 2012, Somalia: A snapshot of humanitarian challenges, < http://www. irinnews.org/Report/96729/SOMALIA-A-snapshot-of-humanitarian-challenges >;

- IRIN vom 17. Juli 2012, Somalia: Return to Mogadischu, < http://www.irinnews.org/Report/95886/SOMALIA/One-million-return-to-Mogadischu >;

- IRIN vom 7. September 2011, Mogadischu after Al-Shabaab, < http://www.irinnews.org/Report/93677/Analysis-Mogadischu-after-Al-Shabaab >;

- Danish Immigration Service and Landinfo Norway, Update on security and human rights issues in South-Central Somalia, including in Mogadishu, Januar 2013, < http://www.nyidanmark. dk/NR/rdonlyres/90821397-6911-4CEF-A8D0-6B8647021EF2/ Security_human_rights_issues_South_Central_Somalia_including_ Mogadishu.pdf >;

- Danish Immigration Service, Joint report from the Danish Immigration Service's and the Norwegian Landinfo's fact finding mission to Nairobi, Kenya and Mogadishu, Somalia, Mai 2013 < https://www.nyidanmark.dk > NR > rdonlyres > 6F1A29C6-2F84-40D2-BDE4-42F69897EEC3 > 0 > security_and_ protection_in_ somalia_may_2013.pdf;

- Neue Zürcher Zeitung [NZZ] vom 22. September 2012, Somalia oder die Chance eines Neubeginns, < http://www.nzz.ch/aktuell/ international/somalia-oder-die-chance-eines-neubeginns-1.17635195.html >;

- Frankfurter Allgemeine Zeitung [FAZ] vom 10. September 2012, Kopfüber ins Haifischbecken, < http://www.faz.net/aktuell/politik/ ausland/somalia-kopfueber-ins-haifischbecken-11885375.html >;

- FAZ vom 1. August 2012, Einigung auf neue Verfassung für Somalia, < http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/mogadischu-einigung-auf-neue-verfassung-fuer-somalia-1184 0029.html >

(alle Quellen letztmals besucht am 3. Juni 2013).

Ab Februar 2011 intensivierten die Truppen der Übergangsregierung und AMISOM-Truppen den Kampf gegen die Al-Shabaab-Milizen und starteten im August 2011 in Mogadischu eine Grossoffensive. Die Al-Shabaab-Milizen, welche zu diesem Zeitpunkt zwei Drittel der Stadt und die wichtigsten strategischen Punkte unter ihrer Kontrolle hielten, mussten sich aus Mogadischu gänzlich zurückziehen und gerieten auch in anderen Teilen des Landes unter Druck. Der Konflikt nahm ab Oktober 2011 nochmals eine entscheidende Wende, nachdem der Nachbarstaat Kenia gegenüber der somalischen Übergangsregierung seine militärische Unterstützung im Kampf gegen die Al-Shabaab zusagte. Kenia hatte sich bis dato stets aus dem Konflikt herausgehalten. Seit dem 16. Oktober 2011 beteiligten sich kenianische Armeetruppen am Kampf gegen die Al-Shabaab, und im Juli 2012 wurden Truppen der kenianischen Armee offiziell in die AMISOM-Truppen integriert, welche inzwischen mit der Beteiligung der weiteren Staaten Nigeria, Sierra Leone, Uganda und Burundi eine Stärke von bis zu 17 000 Soldaten aufweisen. Seit Ende letzten Jahres verloren die Al-Shabaab-Milizen die Herrschaft über wichtige strategische Städte und Strassen, allen voran die Gewalt über die für sie strategisch
wichtige Hafenstadt Kismaayo.

Nach der Vertreibung der Al-Shabaab aus Mogadischu im August 2011 stand die Stadt zunächst unter der Kontrolle der Übergangsregierung. Die seit 1991 bestehende Periode verschiedenster Übergangsregierungen endete am 20. August 2012 mit der Wahl eines international anerkannten Regierungsparlaments, in welchem die verschiedenen Clans vertreten sind. Die Regierungsbildung ging einher mit der Wahl von Hassan Sheikh Mohamud zum neuen Präsidenten Somalias am 10. September 2012 und der Verabschiedung einer nationalen Verfassung. Der neue Regierungspräsident, der in den vergangenen Jahren neben seiner Tätigkeit als Professor an der Simad-Universität vor allem als Berater für die Übergangsregierung und für internationale Organisationen tätig war, gilt als liberal. Er gehört zu den Gründern der im Jahr 2011 gebildeten unabhängigen Peace and Development Party (PDP). Die Autorität der Regierung reicht zwar über Mogadischu und einige weitere Städte noch kaum hinaus. Nach Jahren der Übergangsregierungen und parlamente werden die aktuellen Entwicklungen jedoch im Land selbst und in der internationalen Wahrnehmung als grosse Chance für eine positive politische und wirtschaftliche Entwicklung Somalias gewertet. Die internationale Gemeinschaft
stellt denn der Regierung unter Präsident Hassan Sheikh Mohamud auch internationale Hilfe bei der Konsolidierung des Landes bereit.

8.5.5 Von einer gefestigten und stabilen Sicherheitslage in Süd- und Zentralsomalia kann zum heutigen Zeitpunkt noch keine Rede sein. Nach wie vor kontrollieren die Al-Shabaab weite Teile Süd- und Zentralsomalias, auch wenn sie als wirtschaftlich und finanziell geschwächt gelten. In den umkämpften Gebieten ist die Lage unübersichtlich und sehr instabil. Die Al-Shabaab haben nach dem erzwungenen Rückzug aus von ihnen besetzten Gebieten zudem ihre Strategie geändert und setzen vermehrt auf gezielte Anschläge und Attentate, welche meist durch Selbstmordattentäter ausgeführt werden. Beispielhaft für dieses Vorgehen stehen die Berichte über die strategisch wichtigen Städte Baidoa und Kismaayo, aus welchen sich die Al-Shabaab zurückziehen musste, in welchen es aber seit August 2012 wöchentlich zu Anschlägen gekommen ist. In den Gebieten Afgooye und Merka wurden sogar täglich Anschläge verübt. Anschläge und Aktivitäten der Al-Shabaab-Milizen sind sodann auch seit Ende Jahr vermehrt in Shabelle Dhexe, Beledweyne, Puntland und Galmudug zu verzeichnen.

Mogadischu selbst steht seit dem erzwungenen Rückzug der Al-Shabaab im August 2011 unter der Kontrolle der somalischen Regierungstruppen und der Truppen der AMISOM. Die Sicherheitslage in der Stadt hat sich denn auch gesamthaft gesehen dahingehend deutlich verbessert, als flächendeckende Kampfhandlungen mit den Al-Shabaab-Milizen nicht mehr stattfinden. Gleichwohl sieht sich Mogadischu mit verschiedenen Problemen konfrontiert. Den Regierungstruppen und ihren Allianzen wird vorgeworfen, ebenfalls verbrecherische Handlungen wie beispielsweise Vergewaltigungen und Tötungen zu begehen, welche in der Regel nicht verfolgt werden. Konflikte zwischen Clans um vorhandene Ressourcen oder Rachehandlungen untereinander tragen ebenfalls zu einer weiterhin bestehenden Unsicherheit der Situation für die Zivilbevölkerung bei. Zudem haben sich die Angriffe der Al-Shabaab in jüngster Zeit auch in Mogadischu trotz militärischem Grossaufgebot wieder intensiviert. Zu verzeichnen sind vor allem gezielte Anschläge oder Selbstmordattentate, ausgeführt von Männern und Frauen gleichermassen, welche sich gegen Regierungsinstitutionen, Personen mit Verbindungen zur Übergangsregierung, Mitarbeitende humanitärer Organisationen, Angestellte von
Nichtregierungsorganisationen (Non-governmental organizations, NGO's), ausländische Truppen, Friedensaktivisten, Anführer von Gemeinschaften sowie Clan-Älteste und ihre Familienmitglieder (wegen ihrer Rolle bei der Friedensstiftung) richten. Zu folgenden schweren Anschlägen in Mogadischu hat sich die Al-Shabaab im vergangenen Jahr bekannt:

- Bei einem Selbstmordanschlag am 4. April 2012 im wieder eröffneten Nationaltheater starben sieben Personen, unter den Opfern waren der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, Aden Yabarow Wiish, und der Chef des somalischen Fussballverbandes, Said Mohamed Nur (< http://www.bbc.co.uk/news/ world-africa-17609047 >);

- Am 12. September 2012, nur zwei Tage nach seiner Wahl zum neuen Präsidenten, entging Hassan Sheikh Mohamud knapp einem Attentat, als vor einem Hotel in Mogadischu, in welchem das Staatsoberhaupt eine Pressekonferenz gab, zwei Bomben explodierten. Dem Anschlag fielen drei Soldaten zum Opfer (< http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-19568315 >);

- Bei einem Selbstmordattentat am 20. September 2012 auf ein überwiegend von Journalisten besuchtes Restaurant wurden mindestens 14 Menschen getötet, etwa 20 weitere Personen wurden verletzt (< http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-19667084 >);

- Am 29. Januar 2013 wurden bei einem Selbstmordattentat vor dem Regierungssitz und dem Präsidentenpalast zwei Sicherheitsbeamte getötet und mehrere Personen verletzt. Der Anschlag galt dem besonders bewachten und umzäunten Gelände mit dem Amtssitz des somalischen Ministerpräsidenten und der Residenz des Staatsoberhaupts (< http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-21241751 >);

- Bei der Explosion einer Autobombe am 18. März 2013 kamen in Mogadischu mindestens zehn Personen ums Leben. Der Sprengsatz war ebenfalls in der Nähe des Präsidentenpalastes detoniert (< http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-21829370 >);

- Bei der Stürmung eines Gerichtsgebäudes, welches sich in unmittelbarer Nähe des Präsidentenpalastes befindet, töteten Milizen der Al-Shabaab am 14. April 2013 insgesamt 29 Zivilisten, mindestens 58 Personen wurden verletzt. Kurz nach diesem Angriff wurden bei der Explosion einer Autobombe fünf Menschen getötet. Der Angriff war der schwerste seit der Vertreibung der Al-Shabaab aus Mogadischu im August 2011 (< http://www.bbc.co.uk/news/ world-africa-22143503 >; < http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-22142298 >; < http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-04/ attentat-mogadischu-shebab-miliz >);

- Am 26. April 2013 wurde der Stellvertreter des Chefstaatsanwalts Ahmed Sheikh Nor Maalin von drei maskierten Männern erschossen, vermutet wird auch hier, dass die Al-Shabaab-Miliz für die Tat verantwortlich ist (< http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-2230 6625 >);

- Am 5. Mai 2013 wurden sodann bei einem Autobombenanschlag auf einen somalischen Regierungskonvoi mit Regierungsvertretern Katars acht Passanten getötet, die Mitglieder der katarischen Delegation blieben in den gepanzerten Wagen unverletzt (< http://www.reuters.com/article/2013/05/05/us-somalia-blast-idUSBRE94401R20130505 >)

(alle Quellen letztmals besucht am 27. Mai 2013).

Aber auch diese jüngsten Entwicklungen widerspiegeln in keinem Masse die Situation der Sicherheitslage, wie sie sich zum Zeitpunkt der Lageeinschätzung durch den EGMR im Jahr 2010 präsentierte. Eine statistische Erfassung der Opferzahlen für die Stadt Mogadischu ergibt sich aus den zur Verfügung stehenden Quellen nur bis zum Juni 2012. Den wöchentlichen Reporten für die Monate Januar Juni 2012 ist zu entnehmen, dass die Todesopferzahlen in der Stadt Mogadischu in diesem Zeitraum signifikant zurückgegangen sind. So sind beispielsweise im Monat Mai 2012 insgesamt 209 Todesopfer in Süd- und Zentralsomalia zu beklagen, wovon lediglich eine geringe Anzahl der Todesopfer auf die Region Banaadir und Mogadischu fällt

(vgl. Somalia Weekly Security Roundup, < http://www.somaliareport.com/index.php/subcategory/91/Weekly_Security_Roundup/062012 >, Juni 2012).

Eine über Juni 2012 hinausgehende statistische Erfassung der Todesopfer findet sich in den zur Verfügung stehenden Quellen nicht. Jedoch erscheint in diesem Zusammenhang auch der Bericht der World Health Organization aufschlussreich, wonach in den ersten drei Monaten des Jahres 2013 im Vergleich zum Vorjahr nochmals ein starker Rückgang der zu behandelnden Waffen-Verletzungen in den Spitälern um 33 % zu verzeichnen war; die Zahl der Verletzten lag trotz dieser festgestellten Verbesserung aber noch bei 1 500 verletzten Personen während dieser drei Monate

(vgl. UN OCHA, Somalia Humanitarian Bulletin April 2013, vom 10. Mai 2013, < http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/ resources/OCHA%20Somalia%20Humanitarian%20Bulletin%20April%202013.pdf >, besucht am 5. Juni 2013).

Die allgemein verbesserte Sicherheitssituation in Mogadischu führte dazu, dass im vergangenen Jahr tausende ehemals geflohene und intern vertriebene Somalier wieder nach Mogadischu zurückkehrten, wobei es unter dem Begriff « Rückkehrer » drei verschiedene Kategorien zu unterscheiden gilt: so die intern Vertriebenen (internally displaced persons, IDP's), die Rückkehrer aus der Diaspora in Europa und Nordamerika sowie Rückkehrer aus den Nachbarländern Somalias, vor allem aus dem Nachbarland Kenia. Gemäss UNHCR verzeichnete das Flüchtlingshochkommissariat zwischen August 2011 und Juli 2012 fast 63 000 registrierte Rückkehrende in Mogadischu, wobei es sich bei diesen erfassten Rückkehrern grösstenteils um IDP's handelt

(vgl. IRIN, Somalia: Return to Mogadishu, 17. Juli 2012, a.a.O.).

Berichtet wird sodann über Rückkehrer aus der Diaspora, wobei im Vordergrund dieser Rückkehrer zum heutigen Zeitpunkt die Abklärung der Lage vor Ort und von Geschäftsmöglichkeiten steht und ein dauerhaftes Niederlassen in Mogadischu von den Rückkehrenden meist noch nicht beabsichtigt wird

(vgl. Danish Immigration Service and Landinfo Norway, Security and protection in Mogadishu and South-Central Somalia, Mai 2013, < https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/6F1A29C6-2F84-40D2-BDE4-42F69897EEC3/0/security_and_protection_in_ somalia_may_2013.pdf >, besucht am 5. Juni 2013 >;

Mitchell Sutika Sipus [Engaging Cities], The Story of a New Mogadishu, 4. März 2013, < http://engagingcities.com/article/story-new-mogadishu >, besucht am 4. Juni 2013).

Auch aus den Nachbarländern Somalias ist die Rückkehr von Flüchtlingen nach Mogadischu zu verzeichnen. Beispielhaft dafür steht die Erklärung des UN-Gesandten für Somalia im Januar 2013, wonach aus Kenia täglich fünf Flugzeuge mit über 100 Passagieren landen würden

(vgl. United Nations Radio, Return of Somali refugees « a positive indicator »: UN envoy, 7. Januar 2013, < http://www.unmultimedia.org/radio/english/2013/01/return-of-somali-refugees-a-positive-indicator-un-envoy >, besucht am 4. Juni 2013).

Die weitere und konsolidierte Verbesserung der Sicherheitslage ist sodann ein erklärtes Ziel der Regierung und der internationalen Gemeinschaft. Die Regierungstruppen und AMISOM setzen ihren Kampf gegen die Al-Shabaab kontinuierlich fort. In Mogadischu haben Truppen der somalischen Regierung und der AMISOM damit begonnen, mit einer gezielten Suche von Haus zu Haus etwaige noch verbliebene Kämpfer der Al-Shabaab aufzuspüren und zu verhaften, dies insbesondere auch nach dem schweren Anschlag am 14. April 2013. Die Truppen versuchen zudem, die Kontrolle über die von den Al-Shabaab-Milizen noch besetzten Gebiete zu übernehmen. Ein « National Security and Stabilization Plan (NSSP) » vom August 2012 sieht den Auf- und Ausbau der somalischen Armeetruppen sowie des Polizei- und Justizsystems mit internationaler Unterstützung vor. Innerhalb der kommenden drei Jahre soll die Armee auf eine Stärke von 28 000 Soldaten ausgebaut werden; die Polizeikräfte sollen auf 12 000 Polizisten verdoppelt werden

(vgl. IRIN, Analysis: Somali security sector reform, 13. Mai 2013, < http://www.irinnews.org/Report/98028/Analysis-Somali-security-sector-reform >, besucht am 29. Mai 2013).

Am 6. März 2013 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 2093 (2013), welche die Fortführung des Mandats der AMISOM-Truppen für ein weiteres Jahr vorsieht und das gegen Somalia verhängte Waffenembargo von 1992 teilweise aufhebt

(vgl. < http://www.un.org/News/Press/docs/2013/sc10931.doc. htm >, besucht am 4. Juni 2013).

8.5.6 Unter Berücksichtigung dieser aufgezeigten neuen Lage kann in Bezug auf Mogadischu zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr von einer Situation « extremer allgemeiner und verbreiteter Gewalt » gesprochen werden, die als dermassen intensiv einzustufen ist, dass für jede in der Stadt wohnhafte Person eine ernsthafte Gefahr unmenschlicher Behandlung im Sinne von Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK grundsätzlich als gegeben zu erachten ist. Der Vollzug der Wegweisung nach Mogadischu erweist sich unter diesem Aspekt daher nicht mehr als generell unzulässig.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2013/27
Datum : 17. September 2013
Publiziert : 26. November 2013
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2013/27
Sachgebiet : Abteilung IV (Asylrecht)
Gegenstand : Aufhebung vorläufige Aufnahme (Asyl)


Gesetzesregister
AuG: 83 
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 83 Anordnung der vorläufigen Aufnahme - 1 Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
1    Ist der Vollzug der Wegweisung nicht möglich, nicht zulässig oder nicht zumutbar, so verfügt das SEM die vorläufige Aufnahme.242
2    Der Vollzug ist nicht möglich, wenn die Ausländerin oder der Ausländer weder in den Heimat- oder in den Herkunftsstaat noch in einen Drittstaat ausreisen oder dorthin gebracht werden kann.
3    Der Vollzug ist nicht zulässig, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Schweiz einer Weiterreise der Ausländerin oder des Ausländers in den Heimat-, Herkunfts- oder in einen Drittstaat entgegenstehen.
4    Der Vollzug kann für Ausländerinnen oder Ausländer unzumutbar sein, wenn sie in Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
5    Der Bundesrat bezeichnet Heimat- oder Herkunftsstaaten oder Gebiete dieser Staaten, in welche eine Rückkehr zumutbar ist.243 Kommen weggewiesene Ausländerinnen und Ausländer aus einem dieser Staaten oder aus einem Mitgliedstaat der EU oder der EFTA, so ist ein Vollzug der Wegweisung in der Regel zumutbar.244
5bis    Der Bundesrat überprüft den Beschluss nach Absatz 5 periodisch.245
6    Die vorläufige Aufnahme kann von kantonalen Behörden beantragt werden.
7    Die vorläufige Aufnahme nach den Absätzen 2 und 4 wird nicht verfügt, wenn die weggewiesene Person:246
a  zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe im In- oder Ausland verurteilt wurde oder wenn gegen sie eine strafrechtliche Massnahme im Sinne der Artikel 59-61 oder 64 StGB248 angeordnet wurde;
b  erheblich oder wiederholt gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet oder die innere oder die äussere Sicherheit gefährdet; oder
c  die Unmöglichkeit des Vollzugs der Wegweisung durch ihr eigenes Verhalten verursacht hat.
8    Flüchtlinge, bei denen Asylausschlussgründe nach Artikel 53 und 54 AsylG250 vorliegen, werden vorläufig aufgenommen.
9    Die vorläufige Aufnahme wird nicht verfügt oder erlischt, wenn eine Landesverweisung nach Artikel 66a oder 66abis StGB oder Artikel 49a oder 49abis MStG251 oder eine Ausweisung nach Artikel 68 des vorliegenden Gesetzes rechtskräftig geworden ist.252
10    Die kantonalen Behörden können mit vorläufig aufgenommenen Personen Integrationsvereinbarungen abschliessen, wenn ein besonderer Integrationsbedarf nach den Kriterien gemäss Artikel 58a besteht.253
84
SR 142.20 Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG) - Ausländer- und Integrationsgesetz
AIG Art. 84 Beendigung der vorläufigen Aufnahme - 1 Das SEM überprüft periodisch, ob die Voraussetzungen für die vorläufige Aufnahme noch gegeben sind.
1    Das SEM überprüft periodisch, ob die Voraussetzungen für die vorläufige Aufnahme noch gegeben sind.
2    Das SEM hebt die vorläufige Aufnahme auf und ordnet den Vollzug der Wegweisung an, wenn die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind.254
3    Auf Antrag der kantonalen Behörden, von fedpol oder des NDB kann das SEM die vorläufige Aufnahme wegen Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit des Vollzuges (Art. 83 Abs. 2 und 4) aufheben und den Vollzug der Wegweisung anordnen, wenn Gründe nach Artikel 83 Absatz 7 gegeben sind.255
4    Die vorläufige Aufnahme erlischt mit der definitiven Ausreise, bei einem nicht bewilligten Auslandaufenthalt von mehr als zwei Monaten oder bei Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung.256
5    Gesuche um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von vorläufig aufgenommenen Ausländerinnen und Ausländern, die sich seit mehr als fünf Jahren in der Schweiz aufhalten, werden unter Berücksichtigung der Integration, der familiären Verhältnisse und der Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat vertieft geprüft.
BV: 25
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 25 Schutz vor Ausweisung, Auslieferung und Ausschaffung - 1 Schweizerinnen und Schweizer dürfen nicht aus der Schweiz ausgewiesen werden; sie dürfen nur mit ihrem Einverständnis an eine ausländische Behörde ausgeliefert werden.
1    Schweizerinnen und Schweizer dürfen nicht aus der Schweiz ausgewiesen werden; sie dürfen nur mit ihrem Einverständnis an eine ausländische Behörde ausgeliefert werden.
2    Flüchtlinge dürfen nicht in einen Staat ausgeschafft oder ausgeliefert werden, in dem sie verfolgt werden.
3    Niemand darf in einen Staat ausgeschafft werden, in dem ihm Folter oder eine andere Art grausamer und unmenschlicher Behandlung oder Bestrafung droht.
EMRK: 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
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