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Auszug aus dem Abschreibungsentscheid der Abteilung IV
i.S. A. gegen Bundesamt für Migration
D-3620/2011 vom 7. März 2012

Asylverfahren. Asylgesuch aus dem Ausland. Auswirkungen bei Einreise des Beschwerdeführers in die Schweiz. Grundsatzurteil.

Art. 20
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 20
AsylG.

1. Das Asylverfahren aus dem Ausland ist ein Asylverfahren sui generis.

2. Eine Beschwerde wird gegenstandslos mit der Einreise des Beschwerdeführers in die Schweiz. Die Bestimmungen des Asylverfahrens im Inland werden angewendet.

Procédure d'asile. Demande présentée à l'étranger. Conséquences lors de l'entrée en Suisse du recourant. Arrêt de principe.

Art. 20 LAsi.

1. La procédure relative à une demande d'asile présentée à l'étranger est sui generis.

2. Recours rendu sans objet par l'entrée en Suisse du demandeur et application des dispositions relatives à la procédure d'asile en Suisse.

Procedura d'asilo. Domanda presentata all'estero. Effetti giuridici dell'entrata in Svizzera del ricorrente. Sentenza di principio.

Art. 20 LAsi.

1. La procedura relativa a una domanda d'asilo presentata all'estero è sui generis.

2. Ricorso divenuto privo d'oggetto in seguito all'entrata in Svizzera ed applicazione delle disposizioni relative alla procedura d'asilo in Svizzera.


Der Beschwerdeführer - ein Staatsangehöriger der Türkei - ersuchte am 27. Januar 2011 bei einer schweizerischen Vertretung im Ausland um Bewilligung der Einreise in die Schweiz und Gewährung von Asyl. Zur Begründung machte er geltend, er sei in seiner Heimat als politischer Aktivist in mehrere Gerichtsverfahren verwickelt und ihm drohe eine jahrelange Inhaftierung aus politischen Gründen.

Mit Verfügung des Bundesamtes für Migration (BFM) vom 13. Mai 2011 wurde dem Beschwerdeführer die Einreise in die Schweiz verweigert und sein Asylgesuch abgelehnt. Gegen diesen Entscheid wurde über die schweizerische Vertretung im Ausland fristgerecht Beschwerde erhoben.

Noch vor Abschluss des Beschwerdeverfahrens reiste der Beschwerdeführer in die Schweiz ein, wo er in einem der Empfangs- und Verfahrenszentren des BFM ein (neues) Asylgesuch einreichte. Kurz darauf liess er beim Bundesverwaltungsgericht um Akteneinsicht und Fristansetzung für eine Beschwerdeergänzung ersuchen.

Das Bundesverwaltungsgericht schreibt die Beschwerde als gegenstandslos geworden ab.


Aus den Erwägungen:

2.1 In seiner Vernehmlassung hält das BFM fest, das vorliegende Beschwerdeverfahren sei vom Bundesverwaltungsgericht als gegenstandslos geworden abzuschreiben, da der bisherige Verfahrensgegenstand nicht nur betreffend die Frage der Verweigerung der Einreisebewilligung, sondern vollumfänglich - also auch im Asylpunkt - dahingefallen sei. Es begründet dies damit, dass der Prüfungsgegenstand im Aus- und Inlandverfahren nicht übereinstimmten, die formellen Voraussetzungen differieren würden und eine Ablehnung eines Einreise- und Asylverfahrens aus dem Ausland keine präjudizielle Wirkung entfalte, vielmehr würden nun im Inlandverfahren sämtliche Asylgründe erneut und sorgfältig geprüft.

2.2 Eine Beschwerde wird gegenstandslos, wenn das Rechtsschutzinteresse der beschwerdeführenden Partei dahingefallen ist, das heisst, wenn die Partei kein Interesse mehr an einer materiellen Beurteilung des Rechtsstreits hat (vgl. André Moser/Michael Beusch/Lorenz Kneubühler, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Basel 2008, Rz. 3.206). Dies ist in der Praxis der Fall, wenn das Objekt oder das Subjekt untergegangen ist; wenn also a) die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sache physisch untergeht beziehungsweise wenn die ergangene behördliche Anordnung - zum Beispiel durch Zeitablauf (vgl. BGE 131 II 674 E. 2) - zu existieren aufhört und die angefochtene Verfügung deshalb keine Rechtswirkung mehr entfalten kann oder, wenn b) das Gesuch zurückgezogen wird oder, wenn c) ihm durch Wiedererwägung entsprochen wird. Bei Verfahren um Rechte, die untrennbar mit einer Person verbunden sind, wird ein Verfahren sodann wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses gegenstandslos, wenn d) die betreffende Person verstirbt oder e) ihr Aufenthalt dem Gericht nicht mehr bekannt ist (vgl. Moser/ Beusch/Kneubühler, a.a.O., Rz. 3.209 f.).

Im vorliegenden Fall können die Gründe b)-e) für eine allfällige Gegenstandslosigkeit der Beschwerde zum Vornherein ausgeschlossen werden. Das BFM stellt sich denn auch in seiner Vernehmlassung auf den Standpunkt, mit dem Asylgesuch in der Schweiz sei das Interesse des Beschwerdeführers an einer Überprüfung des angefochtenen Entscheides dahingefallen, weil das Asylgesuch neu geprüft werde und dabei der Prüfungsgegenstand im ordentlichen Asylverfahren im Vergleich zum Auslandverfahren ein anderer sei. Mit anderen Worten, die behördliche Anordnung beziehungsweise der angefochtene Entscheid im Auslandverfahren könne keine Rechtswirkung mehr entfalten und habe zu existieren aufgehört. Dies soll im Folgenden geprüft werden.

2.3 Im Rahmen des Auslandverfahrens prüfen die Asylbehörden, ob einem Gesuchsteller aufgrund von Art. 20
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 20
des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG, SR 142.31) die Einreise in die Schweiz zu bewilligen ist. Dabei wird praxisgemäss Folgendes berücksichtigt: Eine gesuchstellende Person, die sich noch im Heimatstaat befindet, kann zwar im Sinne von Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG verfolgt und damit schutzbedürftig sein. Um jedoch die Flüchtlingseigenschaft erfüllen zu können, muss sie gemäss den Bestimmungen des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FK, SR 0.142.30) ihren Heimatstaat verlassen haben. Vor diesem Hintergrund kann das BFM gestützt auf Art. 20 Abs. 2
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 20
AsylG einer Person die Einreise in die Schweiz zwecks weiterer Abklärungen des Sachverhalts bewilligen, wenn ihr nicht zugemutet werden kann, im Wohnsitz- oder Aufenthaltsstaat zu bleiben oder in einen anderen Staat auszureisen. Ein weiterer Verbleib im Heimatstaat ist namentlich dann nicht zumutbar, wenn die asylsuchende Person schutzbedürftig im Sinne des AsylG ist. Schutzbedürftig sind Personen, die ernsthaften Nachteilen im Sinne von Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG ausgesetzt sind. Wird im Rahmen der Prüfung des Asylgesuches aus
dem Ausland festgestellt, dass die Schutzbedürftigkeit im Sinne des schweizerischen Asylrechts nicht gegeben ist, dass keine anderen Gründe für die Einreisebewilligung sprechen und die Aktenlage eine abschliessende Beurteilung des Gesuchs erlaubt, wird gleichzeitig mit der Verweigerung der Einreisebewilligung das Asylgesuch abgelehnt. Die fehlende Schutzbedürftigkeit kann sich ergeben, wenn die Vorbringen nicht glaubhaft erscheinen (vgl. Art. 7
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 7 Nachweis der Flüchtlingseigenschaft - 1 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
1    Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
2    Glaubhaft gemacht ist die Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält.
3    Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden.
AsylG), wenn die geltend gemachten Nachteile nicht asylrechtlich relevant sind (vgl. Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG) oder, wenn der gesuchstellenden Person zuzumuten ist, sich in einem anderen Staat um Aufnahme zu bemühen (vgl. Art. 52 Abs. 2
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 52 - 1 ...153
1    ...153
2    ...154
AsylG).

2.4 Mit dem BFM ist darin einig zu gehen, dass der angefochtene Entscheid im vorliegenden Fall insoweit keine Wirkung mehr hat, als darin die Einreise in die Schweiz gemäss Art. 20
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 20
AsylG nicht bewilligt wird (...). Mit der erfolgten Einreise des Beschwerdeführers kann der angefochtenen Verfügung insofern keinerlei Rechtswirkung mehr zukommen, sie hat zu existieren aufgehört.

2.5 Das BFM hat aber im angefochtenen Entscheid darüber hinaus das Asylgesuch abgelehnt (...), mit der Begründung, bei der Verurteilung des Beschwerdeführers durch die türkischen Gerichte wegen PKK-Mitgliedschaft und Sprengstoffbesitzes handle es sich um legitime Strafverfolgung. Der Beschwerdeführer sei deshalb nicht schutzbedürftig im Sinne des Art. 3
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG. Damit gibt es im In- und Auslandverfahren Übereinstimmungen bezüglich Prüfungsgegenstand, jedenfalls dann, wenn wie vorliegend die asylrechtliche Relevanz der geltend gemachten Nachteile abschliessend beurteilt wird, zumal sich die Frage der Legitimität beziehungsweise des Verfolgungscharakters der strafrechtlichen Verurteilung durch die türkischen Gerichte im Rahmen des nunmehr anzuhebenden ordentlichen Asylverfahrens erneut stellen dürfte.

Das Bundesamt geht jedoch in seiner Vernehmlassung zu Recht davon aus, dass zwischen dem bisherigen Auslandverfahren (gemäss Art. 20
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 20
AsylG) und dem nach erfolgter Einreise in die Schweiz durchzuführenden ordentlichen (Inland-)Asylverfahren massgebliche Unterschiede bestehen. In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht denn auch explizit festgehalten, dass das BFM ein erstinstanzlich hängiges Auslandverfahren als gegenstandslos geworden abzuschreiben hat, wenn eine asylsuchende Person noch vor Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens in die Schweiz einreist und ein (neues) Asylgesuch einreicht (vgl. dazu BVGE 2011/26). Insbesondere unterscheiden sich die beiden Verfahren in formeller Hinsicht, wird doch im Auslandverfahren der Sachverhalt anders erstellt. So wird der Asylsuchende im Auslandverfahren nur einmal angehört und selbst auf diese Anhörung kann verzichtet werden, wenn es die Umstände rechtfertigen beziehungsweise sich dies aufdrängt (vgl. BVGE 2007/30). In solchen Fällen stützt sich der Asylentscheid allein auf die schriftlichen Eingaben und Beweismittel. Darüber hinaus verfügen die Asylbehörden im Rahmen des Auslandverfahrens über einen weiten Ermessensspielraum, stellt sich doch im Rahmen des Auslandverfahrens
selbst bei bestehender Schutzbedürftigkeit ausserdem die Frage, ob es aufgrund der gesamten Umstände geboten erscheint, dass es die Schweiz ist, die den notwendigen Schutz gewährt. Es handelt sich damit beim Auslandverfahren unabhängig möglicher Überschneidungen des Prüfungsgegenstandes um ein Verfahren sui generis und die Dispositivziffer 2 der angefochtenen Verfügung darf nur so verstanden werden, dass « das Asylgesuch aus dem Ausland » abgewiesen wird. Das BFM ist gehalten, seine Verfügungen in Zukunft in diesem Sinne anzupassen. Mit der Einreise in die Schweiz und der Anhebung eines Inlandverfahrens vermag diese Disposition allein auf das Gesuch aus dem Ausland bezogen keine Rechtswirkung mehr zu entfalten und wird damit gegenstandslos.

An dieser Beurteilung vermag auch nichts zu ändern, dass das BFM seine Ausführungen in der Vernehmlassung zu Unrecht damit begründet, dass die Beschwerde im Auslandverfahren gegenstandslos werde, weil eine erneute, sorgfältige Überprüfung des Asylgesuchs im Inland gewährleistet sei. Eine entsprechende umfassende Überprüfung kann nicht garantiert werden, zumal im angehenden (Inland-)Verfahren ein Nichteintretensentscheid nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, insbesondere im Falle der Zuständigkeit eines anderen Staates gemäss der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Amtsblatt der Europäischen Union L 50/1 vom 25.2.2003; Dublin-II-VO) (vgl. dazu Urteil des Bundesverwaltungsgerichts D-4548/2011 vom 24. August 2011). Mit der unbewilligten Einreise in die Schweiz unterstellt sich der Asylsuchende jedoch den Bestimmungen zum Asylverfahren im Inland und hat die entsprechenden Konsequenzen zu tragen.

Demzufolge ist das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers bezüglich der Ablehnung des Asylgesuches aus dem Ausland weggefallen. Die Beschwerde kann also auch bezüglich die Dispositivziffer 2 als gegenstandslos geworden abgeschrieben werden.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2012/3
Datum : 07. März 2012
Publiziert : 08. November 2012
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2012/3
Sachgebiet : Abteilung IV (Asylrecht)
Gegenstand : Asylgesuch aus dem Ausland und Einreisebewilligung


Gesetzesregister
AsylG: 3 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
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SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 7 Nachweis der Flüchtlingseigenschaft - 1 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
1    Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen.
2    Glaubhaft gemacht ist die Flüchtlingseigenschaft, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält.
3    Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden.
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SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 20
52
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 52 - 1 ...153
1    ...153
2    ...154
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131-II-670
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einreise • asylverfahren • bundesverwaltungsgericht • asylrecht • heimatstaat • einreisebewilligung • frage • gesuchsteller • bundesamt für migration • asylgesetz • mitgliedstaat • verurteilung • weiler • entscheid • eu • abkommen über die rechtsstellung der flüchtlinge • gesuch an eine behörde • begründung des entscheids • beendigung • schweizer bürgerrecht
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2011/26 • 2007/30
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D-3620/2011 • D-4548/2011
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343/2003