Urteilskopf

2009/5

Auszug aus dem Urteil der Abteilung I i. S. X. S.A. gegen Eidgenössische Steuerverwaltung
A-1436/2006 vom 18. August 2008


Regeste Deutsch

Mehrwertsteuer. Rückerstattung von unter Vorbehalt bezahlten Steuern. Allgemeiner Rechtsgrundsatz.

1. Gemäss einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch im Abgaberecht zu beachten ist, können Zuwendungen, die aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund erfolgt sind, zurückgefordert werden, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht. Nicht geschuldete Steuern sind demnach grundsätzlich zurückzuerstatten (E. 2.1).
2. Anforderungen an die Rückerstattung von nicht geschuldeten Mehrwertsteuern (E. 2.2.1). Wiedergabe der diesbezüglichen bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts (E. 2.2.2).
3. Der vorliegend zu beurteilende Fall stellt entgegen der Ansicht der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) einen Anwendungsfall ausschliesslich unter Vorbehalt bezahlter Steuern dar (E. 3.1.2).
4. In Auslegung der anwendbaren höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die ESTV nicht befugt, die Rückerstattung der (infolge Praxisänderung) zu Unrecht entrichteten Steuer von der vorgängigen Korrektur der (fehlerhaften) Rechnungen abhängig zu machen, geschweige denn vom Nachweis der Zustellung von Rechnungskorrekturen an die Leistungsempfänger. Denn die Beschwerdeführerin hatte die Steuer unbestrittenermassen unter Vorbehalt deklariert und bezahlt, und infolgedessen die entsprechenden Kundenrechnungen « praxiskonform » und somit pflichtgemäss mittels den ordentlichen Steuersätzen aus- und zugestellt (E. 3.1.1, E. 3.2.1).
5. Die ESTV hat der Beschwerdeführerin den von ihr geltend gemachten Betrag (grundsätzlich) bedingungslos zuzüglich Vergütungszins zurückzuerstatten (E. 3.4).


Regeste en français

Taxe sur la valeur ajoutée. Remboursement d'impôts payés sous réserve. Principe général du droit.

1. En vertu d'un principe général du droit applicable aussi en droit fiscal, il est possible, sauf disposition légale contraire, de réclamer le remboursement d'une prestation effectuée dont la cause ne s'est pas réalisée ou est devenue caduque. Un impôt versé sans être dû doit donc en principe être remboursé (consid. 2.1).
2. Conditions du remboursement de taxes sur la valeur ajoutée non dues (consid. 2.2.1). Résumé de la jurisprudence du Tribunal fédéral (TF) (consid. 2.2.2).
3. Contrairement à ce qu'affirme l'Administration fédérale des contributions (AFC), le présent cas est celui d'un impôt acquitté exclusivement sous réserve (consid. 3.1.2).
4. L'interprétation de la jurisprudence applicable du TF ne permet pas à l'AFC de soumettre le remboursement d'un impôt qui, en raison d'un changement de sa pratique, a été versé à tort, à la condition que la recourante prouve avoir préalablement corrigé ses factures (non conformes) ou même qu'elle prouve avoir transmis les corrections aux prestataires. En effet, il est incontesté que la recourante a déclaré et versé cet impôt sous réserve et a par conséquent présenté à ses clients des factures « conformes à la pratique » appliquant dûment les taux d'imposition prescrits (consid. 3.1.1, consid. 3.2.1).
5. L'AFC est tenue de rembourser à la recourante, en principe sans condition, le montant que celle-ci réclame et de lui payer des intérêts (consid. 3.4).


Regesto in italiano

Imposta sul valore aggiunto. Restituzione di imposte pagate con riserva. Principio giuridico generale.

1. Secondo un principio giuridico generale, da osservare anche nell'ambito del diritto tributario, le prestazioni la cui causa non si realizza o che in seguito viene a cadere, possono essere rivendicate, sempre che la legge non disponga altrimenti. Le imposte non dovute devono dunque, di principio, essere restituite (consid. 2.1).
2. Condizioni per la restituzione di imposte sul valore aggiunto non dovute (consid. 2.2.1). Riassunto della giurisprudenza del Tribunale federale (TF) (consid. 2.2.2).
3. Contrariamente al parere dell'Amministrazione federale delle contribuzioni (AFC), la fattispecie in esame costituisce un caso d'applicazione di un'imposta pagata esclusivamente con riserva (consid. 3.1.2).
4. Secondo l'interpretazione della giurisprudenza del TF, l'AFC non è autorizzata a far dipendere la restituzione dell'imposta pagata a torto (in seguito ad un cambiamento di prassi) né dalla precedente correzione delle fatture (errate) né, tanto meno, dalla prova dell'inoltro di detta correzione al destinatario della prestazione. Infatti la ricorrente aveva incontestabilmente dichiarato e pagato l'imposta con riserva, e perciò aveva rilasciato e inoltrato le relative fatture dei clienti in modo « conforme alla prassi » indicando cioè, secondo i suoi obblighi, l'aliquota ordinaria dell'imposta (consid. 3.1.1, consid. 3.2.1).
5. L'AFC deve restituire alla ricorrente, (in principio) senza condizioni, l'importo fatto valere da quest'ultima, unitamente agli interessi compensativi (consid. 3.4).


Sachverhalt

Die X. S.A., Kantinenbetriebe (vormals: Kollektivgesellschaft « X. Erben »), ist gestützt auf Art. 17
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 17 Gruppenbildung - (Art. 13 MWSTG)
1    Der Kreis der Mitglieder der Mehrwertsteuergruppe kann, innerhalb der zur Teilnahme an der Gruppenbesteuerung Berechtigten, frei bestimmt werden.
2    Die Bildung mehrerer Teilgruppen ist zulässig.
der Verordnung über die Mehrwertsteuer vom 22. Juni 1994 (MWSTV, AS 1994 1464) seit dem 1. Januar 1995 bzw. als Aktiengesellschaft seit dem 1. Januar 1997 im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) eingetragen. Sie bezweckt gemäss kantonalem Handelsregisterauszug namentlich die Führung von Kantinenbetrieben in der Schweiz und allen damit zusammenhängenden Dienstleistungen. Konkret gewährt sie dem auf Bauplätzen arbeitenden Personal Unterkunft und Verpflegung. Im Zusammenhang mit diesem von der X. S.A. verfolgten Zweck war die ESTV zunächst davon ausgegangen, dass die Gesamtheit der von ersteren erbrachten Leistungen dem Normalsatz unterliege. Demgegenüber stellte sich die X. S.A. bzw. deren Stellvertreter auf den Standpunkt, dass auf die Beherbergungsleistungen (Übernachtung und Frühstück) der gastgewerbliche Sondersatz anwendbar sei.
Diesbezüglich verlangte die X. S.A. am 13. Februar 1997 und später nochmals mit Eingabe vom 23. Juli 1998 einen anfechtbaren Entscheid für den Fall, dass die ESTV der vorgenannten steuerlichen Beurteilung nicht zustimmen würde. Daraufhin erkannte die ESTV in einem (Feststellungs-)Entscheid, dass die X. S.A. ihre Beherbergungsleistungen (vorbehaltlich Wohnsitz oder Wochenaufenthalt der beherbergten Personen, welche sie als massgebliche Kriterien für die Unterscheidung zwischen Beherbergung und Vermietung erklärte) infolge der zwischenzeitlichen Änderungen ab 1. Oktober 1996 betreffend die Anwendbarkeit des Sondersatzes für Beherbergungsleistungen grundsätzlich auch zu 3 % (bzw. 3,5 % ab 1.1.1999) zu versteuern habe. Komme nun - wegen vorhandenem Wohnsitz oder Wochenaufenthalt - eine Vermietung in Frage, so setze die entsprechende Ausnahme von der Steuer (Art. 14 Ziff. 17
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 14 Unternehmerische Leistungen eines Gemeinwesens - (Art. 12 Abs. 4 MWSTG)
1  Dienstleistungen im Bereich von Radio und Fernsehen, Telekommunikationsdienstleistungen sowie elektronische Dienstleistungen;
10  Tätigkeiten gewerblicher Werbebüros;
11  Tätigkeiten von Reisebüros;
12  Leistungen von betrieblichen Kantinen, Personalrestaurants, Verkaufsstellen und ähnlichen Einrichtungen;
13  Tätigkeiten von Amtsnotaren und Amtsnotarinnen;
14  Tätigkeiten von Vermessungsbüros;
15  Tätigkeiten im Entsorgungsbereich;
16  Tätigkeiten, die durch vorgezogene Entsorgungsgebühren gestützt auf Artikel 32abis des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 198317 (USG) finanziert werden;
17  Tätigkeiten im Rahmen der Erstellung von Verkehrsanlagen;
18  Rauchgaskontrollen;
19  Werbeleistungen.
2  Lieferung von Wasser, Gas, Elektrizität, thermischer Energie, Ethanol, Vergällungsmitteln und ähnlichen Gegenständen;
3  Beförderung von Gegenständen und Personen;
4  Dienstleistungen in Häfen und auf Flughäfen;
5  Lieferung von zum Verkauf bestimmten neuen Fertigwaren;
6  ...
7  Veranstaltung von Messen und Ausstellungen mit gewerblichem Charakter;
8  Betrieb von Sportanlagen wie Badeanstalten und Kunsteisbahnen;
9  Lagerhaltung;
MWSTV) voraus, dass ein Massivbau zum Gebrauch überlassen werde. Treffe dies nicht zu, sei die Überlassung zum Normalsatz zu versteuern.
Gegen diesen Entscheid liess die X. S.A. am 4. August 1999 Einsprache erheben und in der Hauptsache die rückwirkende Besteuerung ihrer Beherbergungsleistungen zum Sondersatz von 3 % (seit dem 1.10.1996) bzw. von 3,5 % (seit dem 1.1.1999) sowie die Rückerstattung der seit den vorgenannten Perioden zu viel bezahlten Mehrwertsteuerbeträgen beantragen.
Mit dem Mehrwertsteuergesetz vom 2. September 1999 (MWSTG, SR 641.20) traten gemäss ESTV per 1. Januar 2001 ebenfalls eine Reihe von Praxisänderungen in Kraft. Dabei wurden unter anderem auch die Beherbergungsleistungen von Baustellenpersonal neu beurteilt. Demnach galten Unterkunft und Frühstück, welche ein Unternehmer an einen Bauunternehmer oder direkt an dessen Personal erbringt, neu generell als dem Sondersatz unterliegende Beherbergungsleistung.
An diversen Tagen im Oktober 2002 führte die ESTV bei der X. S.A. eine Kontrolle durch. Diese ergab verschiedene Gutschriften und Ergänzungsabrechnungen (EA). Gegen die EA liess die X. S.A. in der Folge am 19. November 2002 Einsprachen erheben. Gleichzeitig bezifferte sie aufgrund der nun zahlenmässig bekannten Nachforderungen die Höhe der von ihr geltend gemachten Rückforderung auf gesamthaft Fr. 361'776.-.
Mit Einspracheentscheid vom 24. Februar 2005 wies die ESTV die Einsprache der X. S.A. ab (Ziff. 1 des Dispositivs). Da die Rückforderung der X. S.A. unterdessen betragsmässig feststand, erliess sie ihren Entscheid in Form eines Leistungsentscheids. Dabei ging die ESTV in rückwirkender Anwendung der neuesten Praxis davon aus, dass die Leistungen der X. S.A. zum Sondersatz steuerbar seien und stellte überdies fest, dass die Beschwerdeführerin die in Bezug auf diese Leistungen erstellten Mehrwertsteuerabrechnungen und daraus vorgenommenen Steuerzahlungen unter Vorbehalt erstellt und geleistet hatte. Hingegen erachtete sie die Voraussetzungen für eine Steuerrückerstattung als nicht gegeben, weil die X. S.A. zum Zeitpunkt der Einsprache keine korrigierten Rechnungen an ihre Leistungsempfänger zugestellt hatte.
Gegen diesen Einspracheentscheid bzw. die Erläuterungen dazu liess die X. S.A. (Beschwerdeführerin) am 11. April 2005 Beschwerde bei der Eidgenössischen Steuerrekurskommission (SRK) erheben mit folgenden Rechtsbegehren:

« 1. Ziffer 1 des Einspracheentscheides der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 24. Februar 2005 sei aufzuheben, und die Beschwerdegegnerin habe der Beschwerdeführerin den Mehrwertsteuerbetrag von Fr. 379'478.- [recte: 361'776.-] zuzüglich Vergütungszins zurückzuerstatten. (...). »

Zur Begründung verwies die Beschwerdeführerin zunächst auf einzelne, im Zusammenhang mit der Rückerstattung von Steuern ergangene Urteile des Bundesgerichts (BGer) sowie der SRK und machte im Wesentlichen geltend, dass bei der Rückerstattung von unter Vorbehalt geleisteten Mehrwertsteuerbeträgen die Rechnungskorrektur nur dann Voraussetzung der Rückzahlung sei, wenn das pflichtwidrige Verhalten des Steuerpflichtigen zu den unkorrekten Rechnungen geführt habe. In Fällen, in denen sich der Steuerpflichtige aber praxiskonform verhalten, die Praxis aber kritisiert und daher seine Steuerzahlungen nur unter Vorbehalt vorgenommen hatte, könne die Rechnungskorrektur nur eine « Folgepflicht » der Rückerstattung darstellen.
In ihrer Vernehmlassung vom 23. Mai 2005 beantragte die ESTV die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung verwies sie in erster Linie auf ihren Einspracheentscheid vom 24. Februar 2005. Ebenfalls in Auslegung der in Sachen Rückerstattung von Mehrwertsteuern höchstrichterlich gefällten Entscheide kam die ESTV zum Ergebnis, dass derjenige Steuerpflichtige, welcher eine sich nachträglich als nicht geschuldet erweisende Steuer zurückfordert, verpflichtet sei, (vorgängig) einen Korrekturbeleg auszustellen. Dabei gehe es nicht einfach um die Erfüllung einer Ordnungsvorschrift; vielmehr solle damit dem Prinzip der Steuerneutralität und dem Institut des Vorsteuerabzugs zum Durchbruch verholfen werden. Unbestritten sei, dass die Durchsetzung des Mehrwertsteuerrechts sich nicht auf die Zahlungsflüsse beziehen dürfe. Hingegen habe die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die nachträgliche Rückerstattung diejenigen formellen Vorkehren zu treffen, aufgrund welcher der Leistungserbringer seinerseits rechtlich verbindlich zu allfälligen Vorsteuerkorrekturen verpflichtet werde. Diese komme daher nicht darum herum, die mit dem Rückerstattungsbegehren verbundenen Korrekturbelege mehrwertsteuerkonform auszufertigen und den
Leistungsempfängern zuzustellen.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zur Festsetzung des zurückzuerstattenden Betrags im Sinne der Erwägungen an die ESTV zurück.
Das BGer tritt mit Urteil vom 6. März 2009 auf die von der Beschwerdeführerin gegen des Urteil des BVGer erhobene Beschwerde nicht ein.


Aus den Erwägungen:

2.

2.1 Gemäss einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch im Abgaberecht zu beachten ist, können Zuwendungen, die aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund erfolgt sind, zurückgefordert werden, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht. Der Staat darf eine Steuer nur in Anspruch nehmen, soweit diese im Gesetz vorgesehen ist. Nicht geschuldete Steuern sind demnach grundsätzlich zurückzuerstatten (Urteil des BGer 2A.321/2002 vom 2. Juni 2003 E. 2.2 mit Hinweisen, Urteil des BGer 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003 E. 3.2 mit weiteren Hinweisen, veröffentlicht in Steuer Revue 53/2003 S. 797 ff. und Revue de droit administratif et de droit fiscal 2004 II S. 100 ff.; vgl. Urteil des BVGer A-1433/2006 vom 18. Februar 2008 E. 3.1).

2.2

2.2.1 Eine gesetzliche Regelung für die Rückerstattung von bezahlten, nach Gesetz aber nicht geschuldeten Steuern fehlt in der Mehrwertsteuergesetzgebung. Nach Rechtsprechung und Lehre werden an die Rückerstattung von nicht geschuldeten Mehrwertsteuern - basierend auf der seinerzeitigen Rechtsprechung zu den Warenumsatzsteuern - folgende Anforderungen gestellt:

a) Es muss sich um eine Nichtschuld handeln,

b) die Steuer darf nicht aufgrund eines rechtskräftigen Steuerentscheides bezahlt worden sein und es darf

c) keine Verjährung vorliegen (Urteil des BGer 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003 E. 3.4.2 mit Hinweisen; Dorian Zardin/Cedric Samuel Ruepp/Simeon L. Probst, Rückforderung zu Unrecht bezahlter MWST - Eine Analyse der neuesten bundesgerichtlichen Rechtsprechung, in: Der Schweizer Treuhänder 2004 S. 120 f.).

Was die Frage der Nichtschuld betrifft, so wird in Rechtsprechung und Lehre (im Wesentlichen) zwischen der vorbehaltlosen Bezahlung und der Bezahlung unter Vorbehalt unterschieden (vgl. Urteil des BVGer A-1433/2006 vom 18. Februar 2008 E. 3.2.1).

2.2.2 Das BGer hatte im Zusammenhang mit der Rückerstattung von Mehrwertsteuern bisher soweit ersichtlich folgende vier Konstellationen von Steuerabwicklungen zu beurteilen:

a) vorbehaltlos bezahlte Steuern (Urteil des BGer 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003 E. 3 und Urteil des BGer 2A.321/2002 vom 2. Juni 2003)

b) bezahlte Steuern, obwohl von Anfang an keine Steuerpflicht bestanden hat (Urteil des BGer 2A.121/2004 vom 16. März 2005)

c) unter Vorbehalt deklarierte aber nicht entrichtete Steuern (Urteil des BGer 2A.461/2002 vom 2. Juni 2003) und schliesslich den Fall

d) unter Vorbehalt deklarierter und bezahlter Steuern (Urteil des BGer 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003 E. 5).

In der Doktrin ist anerkannt, dass die vorbehaltlose Bezahlung der Steuer gemäss Konstellation a) hievor einer Rückerstattung grundsätzlich entgegensteht. Der Betroffene akzeptiere - so das BGer - die Steuerpflicht mit der vorbehaltlosen Bezahlung, woran er gebunden sei. Wegen dieser Bindungswirkung könne der Steuerpflichtige bei dieser Steuerart (d. h. bei einer Selbstveranlagungssteuer) nur in besonderen Fällen die Rückerstattung verlangen (vgl. etwa die Praxis in Rz. 779b der Wegleitung 1997 für Mehrwertsteuerpflichtige der ESTV [nachfolgend: Wegleitung 1997] zur « Berichtigung der in Rechnung gestellten MWST »). Gleiches gelte in Bezug auf die Rückerstattung von Steuern, « wenn [wie in der Konstellation b) wiedergegeben] von Anfang an keine Steuerpflicht bestanden hat » (Urteil des BGer 2A.121/2004 vom 16. März 2005 E. 5.3). Mithin bildet eine Rechnungskorrektur, « welche einen neuen Zahlungsfluss oder eine Verrechnung bewirkt » (Wegleitung 1997, Rz. 779b), namentlich für die Konstellationen a) und b) unabdingbare Voraussetzung für eine allfällige Rückerstattung von zu Unrecht bezahlten Steuern. Demgegenüber ist eine Rückerstattung aufgrund einer Abrechnung unter Vorbehalt grundsätzlich möglich. Speziell für den Fall einer
Änderung der Verwaltungspraxis kann der Steuerpflichtige die rückwirkende Anwendung der neuen (für ihn milderen) Praxis nur dann in Anspruch nehmen, wenn er die alte Praxis rechtswirksam angefochten oder durch einen Vorbehalt klar zum Ausdruck gebracht hatte, dass er die Schuld nicht anerkennt (Entscheid der SRK 2001-154 vom 24. Mai 2002 E. 2b).

3. Im vorliegenden Verfahren geht es einzig um die Frage der Rückerstattung der Mehrwertsteuer, die von der Beschwerdeführerin für die Steuerperioden 1. Quartal 1997 bis 2. Quartal 2002 unbestrittenermassen unter Vorbehalt deklariert und bezahlt worden ist.
Während von beiden Seiten anerkannt ist, dass bei Bezahlung der Steuer unter Vorbehalt ein Rückerstattungsanspruch grundsätzlich gegeben ist, besteht insoweit Uneinigkeit, als die Vorinstanz davon ausgeht, dass die Rückerstattung der Steuer nur dann erfolgen kann, wenn die Beschwerdeführerin ihren Leistungsempfängern entsprechende Korrekturbelege aus- und zustellt.

3.1 Der hier konkret zu beurteilende Fall entspricht entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht demjenigen Sachverhalt, welcher dem höchstrichterlichen Urteil des BGer 2A.461/2002 vom 2. Juni 2003, d. h. der Konstellation c) (« unter Vorbehalt deklarierte aber nicht entrichtete Steuern »), zugrunde lag, sondern vielmehr dem Sachverhalt gemäss Konstellation d) hievor (« unter Vorbehalt deklarierte und bezahlte Steuern »; vgl. E. 2.2.2).

3.1.1 Denn wie im vorliegenden Fall hatten sich die SRK und das BGer damals mit einem Fall auseinander zu setzen, in welchem der Anspruch auf Rückerstattung zu Unrecht bezahlter Mehrwertsteuern grundsätzlich unbestritten war (Entscheid der SRK 2001-154 vom 24. Mai 2002 E. 4; Urteil des BGer 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003 E. 5; es ging um einen Fall mit Änderung der Verwaltungspraxis, wo die Steuer vom Steuerpflichtigen aber unter Vorbehalt bezahlt worden war und deshalb - in Bestätigung des Entscheids der SRK vom 24. Mai 2002 - ein Rückerstattungsanspruch bestand). Die ESTV hatte in jenem Fall - wie vorliegend - argumentiert, dass die Rückerstattung nur dann erfolgen könne, wenn der Leistungserbringer seine Faktura gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigt und diesem die zu viel fakturierte Mehrwertsteuer seinerseits zurückvergütet. Zwar pflichtete das BGer der ESTV hinsichtlich der Korrekturen bei den Leistungsempfängern bei, dass der Leistungserbringer die mit der Steuer fakturierten Rechnungen gestützt auf die nachträgliche Rückerstattung der Mehrwertsteuer zu korrigieren habe. Hingegen stellte es entgegen der Argumentation der ESTV fest, dass es nicht zulässig sei, die Rückzahlung der Steuer an den Leistungserbringer mit
der Auflage der Weiterleitung an den Leistungsempfänger zu verbinden. In diesem Zusammenhang erachtete es die SRK in ihrem Vorentscheid als genügend, « wenn der Beschwerdeführer der ESTV die Leistungsempfänger bzw. die Empfänger der Fakturen gemäss Art. 28 Abs. 1
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 28 Grenzüberschreitende Entsendung von Mitarbeitenden im Konzern - (Art. 18 MWSTG)
a  ein ausländischer Arbeitgeber einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin in einem zum gleichen Konzern gehörenden Einsatzbetrieb im Inland einsetzt oder ein inländischer Arbeitgeber einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin in einem zum gleichen Konzern gehörenden ausländischen Einsatzbetrieb einsetzt;
b  der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die Arbeitsleistung dem Einsatzbetrieb erbringt, jedoch den Arbeitsvertrag mit dem entsendenden Unternehmen beibehält; und
c  die Löhne, Sozialabgaben und dazugehörenden Spesen vom entsendenden Arbeitgeber ohne Zuschläge dem Einsatzbetrieb belastet werden.
MWSTV, die zu den fraglichen Vorsteuerabzügen berechtigten, bekannt gibt. Eine solche Bekanntgabe zur Voraussetzung einer Steuerrückerstattung an den Beschwerdeführer zu machen, wäre nicht unzulässig, denn es dürfte für die ESTV ansonsten nicht immer leicht möglich sein, die Leistungsempfänger zu eruieren, welche die fraglichen Vorsteuerabzüge realisierten » (Entscheid der SRK 2001-154 vom 24. Mai 2002 E. 4b in fine). Mithin befürwortete die SRK damals für die vorliegend gleichermassen zu beurteilende Konstellation lediglich die Bekanntgabe der Leistungsempfänger zur (allfälligen) Voraussetzung für eine Steuerrückerstattung zu machen. Dies gleichsam als mildeste (mögliche) Obliegenheit eines Steuerpflichtigen im Vergleich zur (vorgängigen) Verpflichtung zum Erstellen von Rechnungskorrekturen oder gar zur Weiterleitung erstatteter Steuerbeträge an Leistungsempfänger. In Bestätigung dieses vorinstanzlichen Entscheids der SRK erwog das BGer weiter: « Weshalb die von der
Vorinstanz getroffene Lösung die Eidgenössische Steuerverwaltung vor gravierende Probleme stellen könnte, ist nicht ersichtlich. Nach erfolgter Rückerstattung hat der Leistungserbringer die ursprüngliche Rechnung nachträglich zu korrigieren, was beim Leistungsempfänger u.U. eine Vorsteuerkorrektur zu Folge hat ». Sollte der Steuerpflichtige die erforderliche Rechnungskorrektur (was die ESTV aufgrund des ihr mit Art. 50
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 50 Zeitungen und Zeitschriften ohne Reklamecharakter - (Art. 25 Abs. 2 Bst. a Ziff. 9 MWSTG)
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MWSTV eingeräumten Kontrollrechts feststellen, und worauf sie ihn allenfalls hinweisen könne) nicht vornehmen, stünden der Verwaltung allenfalls die in Art. 60 ff
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 60
. MWSTV genannten Sanktionsmöglichkeiten offen (Urteil des BGer 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003 E. 5.4.2). Zusammengefasst schützte das BGer somit im Ergebnis den Entscheid der SRK, wonach für eine Konstellation, in welcher - wie vorliegend - die Steuer ausdrücklich unter Vorbehalt deklariert und bezahlt wurde, der grundsätzliche Rückforderungsanspruch des Leistungserbringers nicht unter die Bedingung gestellt werden darf, dass er zuerst die Rechnung gegenüber seinen Leistungsempfängern korrigiert. Insofern erwies sich denn auch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der ESTV als unbegründet (Urteil des BGer 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003 E. 5.4 und 6,
bestätigt durch das Urteil des BGer 2A.642/2004 vom 14. Juli 2005, veröffentlicht in Archiv für Schweizerisches Abgaberecht 75 S. 501 E. 5.3).
Das BGer hat im Übrigen in Auslegung von Art. 28 Abs. 6
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 28 Grenzüberschreitende Entsendung von Mitarbeitenden im Konzern - (Art. 18 MWSTG)
a  ein ausländischer Arbeitgeber einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin in einem zum gleichen Konzern gehörenden Einsatzbetrieb im Inland einsetzt oder ein inländischer Arbeitgeber einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin in einem zum gleichen Konzern gehörenden ausländischen Einsatzbetrieb einsetzt;
b  der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die Arbeitsleistung dem Einsatzbetrieb erbringt, jedoch den Arbeitsvertrag mit dem entsendenden Unternehmen beibehält; und
c  die Löhne, Sozialabgaben und dazugehörenden Spesen vom entsendenden Arbeitgeber ohne Zuschläge dem Einsatzbetrieb belastet werden.
MWSTV und unter Berücksichtigung der Lehre erkannt, dass die Steuerüberwälzung ausdrücklich der Privatautonomie übertragen und somit hoheitlichem Handeln entzogen ist. In diesem Zusammenhang sei nicht nachzuweisen, dass der neue Zahlungsfluss bzw. die Verrechnung tatsächlich stattgefunden hat. Es sei daher weder notwendig noch angezeigt, dass die Verwaltung die Rückzahlung der Steuer mit der Auflage verbindet, den erstatteten Betrag an den Leistungsempfänger weiterzuleiten (Urteil des BGer 2A.121/2004 vom 16. März 2005 E. 5.4, 3. Abs. mit Verweis auf das Urteil des BGer 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003 E. 5.4.1 und 5.4.2). Mit der nachträglichen Korrektur der Rechnung, die nun ohne Mehrwertsteuer zu fakturieren sei, entstehe beim Leistungsempfänger die Pflicht, die eventuell geltend gemachten Vorsteuerabzüge zu korrigieren. Der Grundsatz der Steuerneutralität der Mehrwertsteuer verlange lediglich eine Berichtigung der Rechnung und der damit verbundenen Vorsteuerabzüge, nicht aber eine Weiterleitung des zurückerstatteten Mehrwertsteuerbetrages (Urteil des BGer 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003 E. 5.3.3).

3.1.2 Immerhin stimmt die ESTV der Beschwerdeführerin insofern zu, als das BGer « in Ziff. 5.4.2 des Entscheids 2A.320/326/2006 denjenigen Fall vor Augen [(...) gehabt habe], da ein Korrekturbeleg erst nach der Rückerstattung ausgerichtet wird » (...). Als unglücklich erweist sich jedoch ihre Einteilung der vom BGer in Sachen Rückerstattung von Mehrwertsteuern allesamt am 2. Juni 2003 gefällten Entscheide in « a) ausschliesslich vorbehaltlos bezahlte Steuern (Urteil des BGer 2A.321/2002 vom 2. Juni 2003); b) sowohl vorbehaltlos wie auch unter Vorbehalt bezahlten Steuern (Urteil des BGer 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003); c) ausschliesslich unter Vorbehalt bezahlter Steuern (Urteil des BGer 2A.461/2002 vom 2. Juni 2003) »; dies namentlich aus zwei Gründen: Zum einen verkennt die ESTV, dass im Urteil des BGer 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003 die beiden, am 26. Juni 2002 (separat) eingeleiteten Verfahren 2A.320/2002 (durch die damalige Steuerpflichtige betreffend vorbehaltlos bezahlten Steuern) und 2A.326/2002 (durch die ESTV betreffend mit Vorbehalt bezahlten Steuern) vereinigt wurden (vgl. Urteil des BGer 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003 Bst. C/a und C/b). In Anwendung der von der ESTV gemachten Einteilung stellt das (damals von
der ESTV eingeleitete und antragsgemäss vereinigte) Verfahren 2A.326/2002 - wie dies gleichermassen für den vorliegenden Fall zutrifft (vgl. E. 3.1) - somit klar einen Anwendungsfall von « ausschliesslich unter Vorbehalt bezahlter Steuern » dar. Zum anderen unterscheidet sich das Urteil des BGer 2A.461/2002 vom 2. Juni 2003 insofern vom (wie gesagt vereinigten) Urteil des BGer 2A.326/2002 vom 2. Juni 2003, als in ersterem der damalige Steuerpflichtige die Entrichtung der Steuer gegenüber der ESTV verweigert hatte. Entsprechend äussert sich das BGer, indem es in seinem Urteil 2A.461/2002 vom 2. Juni 2003 zum Sachverhalt erwägt: « Les honoraires résultant de ces prestations, auxquels s'ajoutait la TVA y relative, ont été facturés, encaissés puis déclarés sur les décomptes adressés à l'autorité fiscale pour la période allant du 1er semestre 1999 au 1er semestre 2000. Cependant, l'intimé a refusé d'acquitter auprès de l'administration fiscale la TVA ainsi perçue, en soutenant que cette contribution n'était pas due puisque les opérations d'administrateur n'étaient pas imposables » (Urteil des BGer 2A.461/2002 vom 2. Juni 2003 E. 3.1) und sodann auf sein am selben Tag gefälltes Urteil 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003 verweist, « dont le
consid. 5 traite d'un problème identique au présent litige, à la différence près que, dans cette première affaire, l'impôt avait été acquitté sous réserve » (Urteil des BGer 2A.461/2002 vom 2. Juni 2003 E. 3.2 in fine). Damit steht fest, dass der dem Urteil des BGer 2A.461/2002 vom 2. Juni 2003 zugrunde liegende Sachverhalt dem vorliegenden nur bedingt entspricht. Denn im hier zu beurteilenden Fall wurden die Steuern (wenn auch nur unter Vorbehalt) « praxiskonform » (siehe dazu E. 3.3) und somit pflichtgemäss entrichtet, was für den besagten Fall im Urteil des BGer 2A.461/2002 vom 2. Juni 2003 - wie erwähnt - eben gerade nicht zutraf. Auch deshalb ist für die vorliegende Beurteilung einzig das bundesgerichtliche Urteil 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003 E. 5 sowie die entsprechenden, vom BGer bestätigten Erwägungen im zugrunde liegenden Entscheid der SRK vom 24. Mai 2002 heranzuziehen (vgl. E. 3.1).

3.2

3.2.1 Anerkannt wird von der ESTV, « dass die Durchsetzung des Mehrwertsteuerrechts sich nicht auf die Zahlungsflüsse beziehen darf » (...). Damit anerkennt sie, dass die Steuerüberwälzung ausdrücklich der Privatautonomie übertragen und somit hoheitlichem Handeln entzogen ist (vgl. E. 3.1.1, 2. Abs.). Allerdings ist die ESTV - wie vorstehend erläutert - auch nicht befugt, die Rückerstattung der (infolge Praxisänderung) zu Unrecht entrichteten Steuer von der vorgängigen Korrektur dieser Rechnungen abhängig zu machen, geschweige denn vom Nachweis der Zustellung von Rechnungskorrekturen an die Leistungsempfänger (vgl. E. 3.1.1 in fine). Denn die Beschwerdeführerin hatte die Steuer unbestrittenermassen unter Vorbehalt deklariert und bezahlt, und infolgedessen die entsprechenden Kundenrechnungen « praxiskonform » und somit pflichtgemäss mittels den ordentlichen Steuersätzen aus- und zugestellt. Demnach hatte mit Bestimmtheit nicht ihr Verhalten, sondern infolge Praxisänderung höchstens dasjenige der ESTV zur unsachgemässen Handhabung und zu den unkorrekten Rechnungen geführt. Nun aber die Rückerstattung der zu Unrecht entrichteten Steuern dennoch von entsprechenden Korrekturen abhängig machen zu wollen, erweist sich als nicht
sachgerecht und lässt sich - und dies im offensichtlichen Unterschied zum Urteil des BGer 2A.121/2004 vom 16. März 2005 - auch nicht mit der Ausgestaltung der Mehrwertsteuer als Selbstveranlagungssteuer rechtfertigen (vgl. Urteil des BGer 2A.121/2004 vom 16. März 2005 E. 5.5 in fine).

3.2.2 Im Rahmen des Selbstveranlagungsprinzips obliegt es der Beschwerdeführerin, nach erfolgter Rückerstattung, und nicht - wie die ESTV meint - « im Hinblick » auf eine solche, die ursprünglichen Rechnungen nachträglich zu korrigieren, was bei den Leistungsempfängern unter Umständen eine Vorsteuerkorrektur zur Folge hat. Diese Korrektur habe dabei - so das BGer in Bezugnahme auf die Praxis der ESTV gemäss Rz. 779a der Wegleitung 1997 - durch eine formell richtige Nachbelastung bzw. Gutschrift zu erfolgen, die geeignet sei, einen neuen Zahlungsfluss oder eine Verrechnung zu bewirken, und in welcher auf den ursprünglichen Beleg hinzuweisen sei (vgl. E. 2.2.2; Urteil des BGer 2A.320/326/2002 vom 2. Juni 2003 E. 5.4.1).

3.3 In ihrer Vernehmlassung macht die Vorinstanz schliesslich geltend, es wäre letztlich auch noch fraglich, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich praxiskonform abgerechnet und damit in jedem Fall je nach Vorliegen von Wohnsitz oder Wochenaufenthalt die Leistung unterschiedlich versteuert, oder ob diese nicht einfach der Einfachheit halber alle Leistungen mit dem ordentlichen Steuersatz abgerechnet habe.
Diesbezüglich gilt es zu beachten, dass die Beschwerdeführerin jene Praxis der ESTV ab 1. Oktober 1996 gemäss deren Feststellungsentscheid vom 17. Juni 1999 (...) namentlich in ihrer Einsprache vom 4. August 1999 ausdrücklich bestritt und infolgedessen auch nicht zwingend anwenden musste. Eine Abrechnung aufgrund der damaligen Praxis hätte sich ohnehin lediglich zu ihren Gunsten auswirken können, indem sie den Sondersatz für Beherbergungsleistungen hätte anwenden können, sofern die beherbergten Personen nach der damaligen Praxis der ESTV keinen Wohnsitz oder Wochenaufenthalt am Leistungsort hatten. Wenn die Beschwerdeführerin jedoch diese Unterscheidung nicht vornahm, musste sie ihre Umsätze aus erbrachten Beherbergungsleistungen gemäss der damaligen Praxis (e contrario) zum Normalsatz abrechnen. Dies hat sie denn (wenn auch nur unter Vorbehalt) unbestrittenermassen getan und dies unabhängig davon, ob die beherbergten Personen am Leistungsort ansässig waren oder nicht, womit die Steuer praxiskonform und somit als pflichtgemäss entrichtet zu gelten hat.

3.4 Nach dem Gesagten ist die Beschwerde im Ergebnis somit gutzuheissen und Ziffer 1 des vorinstanzlichen Entscheids aufzuheben. Die ESTV hat der Beschwerdeführerin den von ihr geltend gemachten Betrag in der Höhe von Fr. 361'776.- (grundsätzlich) bedingungslos zuzüglich Vergütungszins zurückzuerstatten. In Anlehnung an den Entscheid der SRK vom 24. Mai 2002 sei der Vollständigkeit halber jedoch nochmals darauf hingewiesen, dass es der ESTV unbenommen bleibt, (zumindest) die Bekanntgabe der Leistungsempfänger zur Voraussetzung der Steuerrückerstattung an die Beschwerdeführerin zu machen (vgl. E. 3.1.1).
In Bezug auf den von der Beschwerdeführerin geforderten Betrag bemerkt die ESTV, dieser sei von ihr bisher nicht näher geprüft worden, da sie die Voraussetzungen an die Rückerstattung grundsätzlich als nicht gegeben erachtet habe. Weil die Überprüfung deselben vorliegend nicht Aufgabe des BVGer sein kann, ist die Sache zur Festsetzung des zurückzuerstattenden Betrags (im Sinne der Erwägungen) an die ESTV ins Einspracheverfahren zurückzuweisen.
(...)
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2009/5
Datum : 18. August 2008
Publiziert : 01. Januar 2008
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : 2009/5
Sachgebiet : Abteilung I (Infrastruktur, Umwelt, Abgaben, Personal)
Gegenstand : Mehrwertsteuer (1. Quartal 1997 bis 2. Quartal 200...


Gesetzesregister
MWSTV: 14 
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 14 Unternehmerische Leistungen eines Gemeinwesens - (Art. 12 Abs. 4 MWSTG)
1  Dienstleistungen im Bereich von Radio und Fernsehen, Telekommunikationsdienstleistungen sowie elektronische Dienstleistungen;
10  Tätigkeiten gewerblicher Werbebüros;
11  Tätigkeiten von Reisebüros;
12  Leistungen von betrieblichen Kantinen, Personalrestaurants, Verkaufsstellen und ähnlichen Einrichtungen;
13  Tätigkeiten von Amtsnotaren und Amtsnotarinnen;
14  Tätigkeiten von Vermessungsbüros;
15  Tätigkeiten im Entsorgungsbereich;
16  Tätigkeiten, die durch vorgezogene Entsorgungsgebühren gestützt auf Artikel 32abis des Umweltschutzgesetzes vom 7. Oktober 198317 (USG) finanziert werden;
17  Tätigkeiten im Rahmen der Erstellung von Verkehrsanlagen;
18  Rauchgaskontrollen;
19  Werbeleistungen.
2  Lieferung von Wasser, Gas, Elektrizität, thermischer Energie, Ethanol, Vergällungsmitteln und ähnlichen Gegenständen;
3  Beförderung von Gegenständen und Personen;
4  Dienstleistungen in Häfen und auf Flughäfen;
5  Lieferung von zum Verkauf bestimmten neuen Fertigwaren;
6  ...
7  Veranstaltung von Messen und Ausstellungen mit gewerblichem Charakter;
8  Betrieb von Sportanlagen wie Badeanstalten und Kunsteisbahnen;
9  Lagerhaltung;
17 
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 17 Gruppenbildung - (Art. 13 MWSTG)
1    Der Kreis der Mitglieder der Mehrwertsteuergruppe kann, innerhalb der zur Teilnahme an der Gruppenbesteuerung Berechtigten, frei bestimmt werden.
2    Die Bildung mehrerer Teilgruppen ist zulässig.
28 
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 28 Grenzüberschreitende Entsendung von Mitarbeitenden im Konzern - (Art. 18 MWSTG)
a  ein ausländischer Arbeitgeber einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin in einem zum gleichen Konzern gehörenden Einsatzbetrieb im Inland einsetzt oder ein inländischer Arbeitgeber einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin in einem zum gleichen Konzern gehörenden ausländischen Einsatzbetrieb einsetzt;
b  der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die Arbeitsleistung dem Einsatzbetrieb erbringt, jedoch den Arbeitsvertrag mit dem entsendenden Unternehmen beibehält; und
c  die Löhne, Sozialabgaben und dazugehörenden Spesen vom entsendenden Arbeitgeber ohne Zuschläge dem Einsatzbetrieb belastet werden.
50 
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
MWSTV Art. 50 Zeitungen und Zeitschriften ohne Reklamecharakter - (Art. 25 Abs. 2 Bst. a Ziff. 9 MWSTG)
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60
SR 641.201 Mehrwertsteuerverordnung vom 27. November 2009 (MWSTV)
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