S. 292 / Nr. 45 Obligationenrecht (d)

BGE 72 II 292

45. Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Mai 1946 i.S. Witschi gegen A.-G.
Elektrische Bahn Steffisburg-Thun-Interlaken.

Regeste:
Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlusses betr. Abnahme der
Jahresrechnung wegen Verletzung des Dividendenanspruches.
1. Grundsätzliches zum Anfechtungsrecht des Aktionärs, Art. 706
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 706 - 1 Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
1    Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
2    Anfechtbar sind insbesondere Beschlüsse, die:
1  unter Verletzung von Gesetz oder Statuten Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
2  in unsachlicher Weise Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
3  eine durch den Gesellschaftszweck nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung oder Benachteiligung der Aktionäre bewirken;
4  die Gewinnstrebigkeit der Gesellschaft ohne Zustimmung sämtlicher Aktionäre aufheben.561
5    Das Urteil, das einen Beschluss der Generalversammlung aufhebt, wirkt für und gegen alle Aktionäre.
in Verbindung
mit Art. 698 Ziff. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 698 - 1 Oberstes Organ der Aktiengesellschaft ist die Generalversammlung der Aktionäre.
1    Oberstes Organ der Aktiengesellschaft ist die Generalversammlung der Aktionäre.
2    Ihr stehen folgende unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Festsetzung und Änderung der Statuten;
2  die Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrates und der Revisionsstelle;
3  die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;
4  die Genehmigung der Jahresrechnung sowie die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinnes, insbesondere die Festsetzung der Dividende und der Tantieme;
5  die Festsetzung der Zwischendividende und die Genehmigung des dafür erforderlichen Zwischenabschlusses;
6  die Beschlussfassung über die Rückzahlung der gesetzlichen Kapitalreserve;
7  die Entlastung der Mitglieder des Verwaltungsrats;
8  die Dekotierung der Beteiligungspapiere der Gesellschaft;
9  die Beschlussfassung über die Gegenstände, die der Generalversammlung durch das Gesetz oder die Statuten vorbehalten sind.532
3    Bei Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, stehen ihr folgende weitere unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Wahl des Präsidenten des Verwaltungsrats;
2  die Wahl der Mitglieder des Vergütungsausschusses;
3  die Wahl des unabhängigen Stimmrechtsvertreters;
4  die Abstimmung über die Vergütungen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats.533
und 662
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 662
ff. OR (Erw. I).
2. Das gesetz- und statutenmässige Dividendenbezugsrecht des (Prioritäts-)
Aktionärs im Verhältnis zu den in Art. 674 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
und 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR umschriebenen
Kompetenzen der Generalversammlung (Erw. II, 1, 2, 4). Vorrang angemessener
Abschreibungen in Form von Einlagen in einen «Erneuerungsfonds», Art. 674 Abs.
1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
und 665
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR (Erw. II, 3).
Décision de l'assemblée générale approuvant les comptes annuels attaquée pour
violation du droit au dividende.
1. Droit d'attaquer les décisions de l'assemblée générale; art. 706 combiné
avec les art. 698 ch. 3 et 662 ss CO (consid. I).
2. Rapport entre les attributions que l'art. 674 al. 2 et 3 CO confère à
l'assemblée générale et le droit de l'actionnaire à un

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dividende en vertu de la loi et des statuts (consid. II 1, 2 et 4). Priorité
d'amortissements raisonnables sous forme de versements dans un «fonds de
renouvellement»; art. 674 al. 1 et 655 CO (consid. II, 3).
Diritto di contestare, perchè lesiva della pretesa al dividendo, la
deliberazione dell'assemblea generale che approva i conti annuali.
1. Diritto d'impugnare le deliberazioni dell'assemblea generale; art. 706
combinato con gli art. 698, cifra 3, e 662 seg. CO (consid. I).
2. Relazione tra le attribuzioni conferite all'assemblea generale dall'art.
674 cp. 2 e 3 CO e il diritto dell'azionista ad un dividendo in virtù della
logge e degli statuti (consid. II 1, 2 e 4). Priorità d'ammortamenti
ragionevoli sotto forma di versamenti ad un «fondo di rinnovo»; art. 674 cp. 1
e 655 CO (consid. II, 3).

A. ­ Die Aktiengesellschaft Elektrische Bahn Steffisburg-Thun-Interlaken (STI)
hatte bei Anlass einer im Jahre 1938 durchgeführten Sanierung 80% ihres
Obligationenkapitals in Prioritätsaktien I. Ranges zu nominell je Fr. 100.­
umgewandelt. Während der Kriegsjahre erzielte das Unternehmen gute
Betriebsergebnisse. Für das Jahr 1943 ergab sich ein Überschuss von Fr.
193600.61 aus dem Bahnbetrieb und von Fr. 4716.34 aus dem Autobusbetrieb. Auf
Antrag des Verwaltungsrates beschloss die Generalversammlung der STI am 24.
Juni 1944 die Aufnahme von Fr. 401296.­ in die Bilanz als Fehlbetrag im
Erneuerungsfonds und die Einsetzung von Fr. 48252.­ in die Gewinn- und
Verlustrechnung als Tilgung an diesen Erneuerungsfonds; ferner eine
ausserordentliche Zuwendung von Fr. 86212.10 an die Personalfürsorgekasse;
schliesslich einen ausserordentlichen Beitrag von Fr. 13113.­an die
Pensionsversicherung.
B. ­ Notar Witschi in Sigriswil ist Inhaber von 1517 Prioritätsaktien I.
Ranges der STI. Er nahm an der Generalversammlung vom 24. Juni 1944 nicht
teil. Am 16. August 1944 erhob er beim Appellationshof des Kantons Bern Klage
gegen die STI mit nachstehenden Rechtsbegehren:
«1. Der Beschluss der Generalversammlung der beklagten Aktiengesellschaft vom
24. Juni 1944 betr. Genehmigung der

Seite: 294
Jahresrechnung für das Betriebsjahr 1943 sei als ungültig zu erklären und
gerichtlich aufzuheben, insoweit er betrifft:
a) die Aufnahme eines Betrages von Fr. 401296.­ in die Bilanz als Fehlbetrag
im Erneuerungsfonds;
b) die Einsetzung eines Betrages von Fr. 48252.­ in die Gewinn- und
Verlustrechnung als Tilgung an diesen angeblichen Fehlbetrag des
Erneuerungsfonds;
c) die Verwendung eines Betrages von Fr. 86212.10 als ausserordentliche
Zuwendung an die Personalfürsorgekassen;
d) die Genehmigung einer weiteren Zuwendung von Fr. 13113.­ als
ausserordentlicher Beitrag an die Pensionsversicherung.
2. Die Beklagte sei zu verurteilen, gemäss Art. 9 und 34 ihrer Statuten pro
1943 eine Dividende von 5 % an die drei Aktienkategorien in der Reihenfolge
ihres Ranges auszurichten; ein allfälliger Überschuss sei im Sinne von Art. 34
Ziff. 2 der Statuten zur Ausrichtung einer Superdividende zu verwenden.»
Der Appellationshof nahm eine Partei- und Zeugenbefragung vor. Ausserdem holte
er einen Bericht des Amtes für Verkehr im Eidg. Post- und Eisenbahndepartement
ein und ordnete eine Expertise durch den Direktor der
Solothurn-Zollikofen-Bern-Bahn (R. Amstutz) an. In der Schlussverhandlung vom
14. Dezember 1945 liess der Kläger das Rechtsbegehren unter Ziff. 1 lit. d
fallen. Im übrigen wurde seine Klage durch Urteil vom gleichen Tage
abgewiesen.
C. ­ Witschi erklärte die Berufung an das Bundesgericht. Er beantragt die
Gutheissung der Klage in dem vor der kantonalen Instanz aufrechterhaltenen
Umfange. Die Beklagte schliesst auf Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
I. ­ Zu den Klagebegehren Ziff. 1 lit. a und b führt die Vorinstanz aus,
massgebend für die Ermittlung des Betriebsergebnisses und des Reingewinns,
damit auch für die Festsetzung der Dividende, sei die Gewinn- und
Verlustrechnung. Sie allein, nicht aber die Bilanz berühre daher die
finanziellen Rechte des Aktionärs. Folglich müsse der Anspruch aus lit. a ohne
weiteres abgewiesen

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werden, während bei Beurteilung desjenigen aus lit. b «die rein technische
Frage nach der Zweckmässigkeit der Aufnahme eines fiktiven Postens in die
Bilanz zu prüfen» sei. Damit wird dem Aktionär die Befugnis zur Anfechtung der
Bilanzgenehmigung abgesprochen.
Diese Auffassung ist nicht haltbar. In die Kompetenz der Generalversammlung
fällt u.a. die Abnahme der Bilanz (Art. 698 Ziff. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 698 - 1 Oberstes Organ der Aktiengesellschaft ist die Generalversammlung der Aktionäre.
1    Oberstes Organ der Aktiengesellschaft ist die Generalversammlung der Aktionäre.
2    Ihr stehen folgende unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Festsetzung und Änderung der Statuten;
2  die Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrates und der Revisionsstelle;
3  die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;
4  die Genehmigung der Jahresrechnung sowie die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinnes, insbesondere die Festsetzung der Dividende und der Tantieme;
5  die Festsetzung der Zwischendividende und die Genehmigung des dafür erforderlichen Zwischenabschlusses;
6  die Beschlussfassung über die Rückzahlung der gesetzlichen Kapitalreserve;
7  die Entlastung der Mitglieder des Verwaltungsrats;
8  die Dekotierung der Beteiligungspapiere der Gesellschaft;
9  die Beschlussfassung über die Gegenstände, die der Generalversammlung durch das Gesetz oder die Statuten vorbehalten sind.532
3    Bei Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, stehen ihr folgende weitere unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Wahl des Präsidenten des Verwaltungsrats;
2  die Wahl der Mitglieder des Vergütungsausschusses;
3  die Wahl des unabhängigen Stimmrechtsvertreters;
4  die Abstimmung über die Vergütungen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats.533
OR). Sie ist ausdrücklich
zu genehmigen oder zu verwerfen. Hierin liegt ein Aufsichtsrecht, aber auch
eine Aufsichtspflicht des obersten Gesellschaftsorgans. Die Generalversammlung
hat Stellung zu nehmen zur Frage, ob die statutarischen und gesetzlichen (Art.
662 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 662
OR) Bilanzierungsvorschriften eingehalten und die Prinzipien einer
gesunden Finanzpolitik beachtet wurden. Dergestalt sollen der Vermögensstand,
der innere finanzielle Aufbau sowie die wirtschaftliche Lebens- und
Tragfähigkeit der Gesellschaft alljährlich erwahrt werden. Findet der einzelne
Aktionär, dass ein bezüglicher Versammlungsbeschluss gegen Statuten oder
Gesetz verstosse, so steht ihm die Anfechtungsklage zu (Art. 706
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 706 - 1 Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
1    Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
2    Anfechtbar sind insbesondere Beschlüsse, die:
1  unter Verletzung von Gesetz oder Statuten Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
2  in unsachlicher Weise Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
3  eine durch den Gesellschaftszweck nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung oder Benachteiligung der Aktionäre bewirken;
4  die Gewinnstrebigkeit der Gesellschaft ohne Zustimmung sämtlicher Aktionäre aufheben.561
5    Das Urteil, das einen Beschluss der Generalversammlung aufhebt, wirkt für und gegen alle Aktionäre.
OR),
gleichgültig, ob die Bilanz seine rein finanziellen Rechte tangiert oder nicht
(WIELAND, Handelsrecht II S. 133; STAUB, zu § 260 DHGB Anm. 2).
Ebenso unrichtig ist die Annahme der Vorinstanz, die Dividende hänge
unmittelbar nur vom Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung ab. Nach Art. 662
Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 662
OR ist der Reingewinn auf Grund der Jahresbilanz zu errechnen. Der
Reingewinn ist der Überschuss der Aktiven über die Passiven, bezogen auf Ende
des Geschäftsjahres. Und die Bilanz «enthält die Ausscheidung der verteilbaren
Reinvermögensvermehrung aus dem Rohgewinn» (WIELAND, a.a.O. S. 216). Erst wenn
die Werte von Aktiven und Passiven bestimmt und die Abschreibungen vorgenommen
sind, lässt sich erkennen, ob überhaupt und in welcher Höhe ein Reingewinn
vorhanden ist. Allerdings beeinflussen die Gewinn- und Verlustrechnung und
deren Abschluss ihrerseits die Bilanz. Diese bildet indessen

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die Grundlage für die Gewinnermittlung und Dividendenfestsetzung. Deshalb kann
der Aktionär grundsätzlich auch zur Wahrnehmung seiner finanziellen Rechte
einen Beschluss auf Genehmigung der Bilanz beanstanden. Im vorliegenden Fall
ist übrigens das Klagebegehren Ziff. 1 lit. b nur durch die Gestaltung der
Bilanz bedingt, sodass sich die Anfechtung in erster Linie gegen diese richten
muss. Mithin ist das Begehren Ziff. 1 lit. a selbständig zu behandeln.
II. ­ Zur Begründung des Rechtsbegehrens Ziff. 1 macht der Kläger geltend,
sein Anspruch auf einen verhältnismässigen Anteil am Reingewinn gehe den von
der Generalversammlung beschlossenen Finanzmassnahmen vor.
Der gesetz- und statutenmässige Dividendenanspruch des Aktionärs wird zwar als
ein wohlerworbenes Recht angesehen (BGE 47 II 436, 41 II 618). Indessen
besteht dieses Recht nicht unbedingt. Es setzt einen Reingewinn voraus, der
nach Gesetz und Statuten zur Verteilung gelangen kann. Hierüber befindet die
Generalversammlung. Und nur soweit sie bei der Beschlussfassung Gesetz und
Statuten missachtet oder bei Handhabung der Bilanzierungsgrundsätze
willkürlich vorgeht, ist das Recht auf Dividende verletzt. Allein unter diesen
Gesichtspunkten also ist der angefochtene Generalversammlungsbeschluss
grundsätzlich und dem Masse nach zu überprüfen.
1. ­ Von den gesetzlichen Vorschriften sollen nach Meinung des Klägers die
Art. 660 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 660 - 1 Jeder Aktionär hat Anspruch auf einen verhältnismässigen Anteil am Bilanzgewinn, soweit dieser nach dem Gesetz oder den Statuten zur Verteilung unter die Aktionäre bestimmt ist.
1    Jeder Aktionär hat Anspruch auf einen verhältnismässigen Anteil am Bilanzgewinn, soweit dieser nach dem Gesetz oder den Statuten zur Verteilung unter die Aktionäre bestimmt ist.
2    Bei Auflösung der Gesellschaft hat der Aktionär, soweit die Statuten über die Verwendung des Vermögens der aufgelösten Gesellschaft nichts anderes bestimmen, das Recht auf einen verhältnismässigen Anteil am Ergebnis der Liquidation.
3    Vorbehalten bleiben die in den Statuten für einzelne Kategorien von Aktien festgesetzten Vorrechte.
und 674
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR verletzt worden sein. Die Beklagte rechtfertigt die
Abnahme der Jahresrechnung mit dem Hinweis auf die Abs. 2 und 3 des Art. 674
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.

OR. Sie geht davon aus, dass es sich bei den in die Bilanz und in die Gewinn-
und Verlustrechnung eingesetzten Beträgen um Reserveanlagen, bei der Zuwendung
an die Personalfürsorgekassen um die Unterstützung einer Wohlfahrtseinrichtung
für Arbeiter und Angestellte handle. Dem hält der Kläger entgegen, nach Art.
674 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR dürfe eine ausserordentliche

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Reserveanlage nur «bei Festsetzung der Dividende» beschlossen werden. Vorerst
müsse also aus dem Reingewinn den Aktionären «etwas in Form einer Dividende»
zukommen. Gleiches gelte, gemäss dem einleitenden Wort «ebenso» in Abs. 3 des
Art. 674
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR, auch für die Unterstützung von Wohlfahrtseinrichtungen.
Die These des Klägers läuft darauf hinaus, dass in den Fällen des Art. 674
Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
und 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR die Generalversammlung stets und vorab eine Dividende zu
beschliessen hat. Eine gesetzliche Vorschrift, dass und wann eine Dividende
ausgeschüttet werden muss, wäre aber ganz ungewöhnlich. Denn sie würde sich
gegen die Autonomie der Generalversammlung richten und käme einer Einmischung
in die internen Angelegenheiten der Gesellschaft gleich. Eine derartige
Absicht hätte der Gesetzgeber zweifellos in eine klare und positive Weisung
gefasst. Sie nur mittelbar aus dem Gesetzestext abzuleiten geht umso weniger
an, als die Anordnung keinen massgebenden Inhalt hätte. Mindestens müsste für
die obligatorische Dividende eine untere Grenze festgelegt sein. Darüber ist
nichts gesagt. Also wäre es denkbar, dass die Versammlung die Dividende auf
1/2 % oder weniger bestimmt, um die vom Kläger als notwendig erachtete
Bedingung zu schaffen. Dass es darum bei der fraglichen Vorschrift nicht gehen
kann, ist offenkundig.
Nach Wortlaut und Sinn ist die Formel «bei Festsetzung der Dividende» nichts
anderes als eine Zeitbestimmung. Sie besagt einfach, wann, d.h. unter welchem
Traktandum die Generalversammlung über ausserordentliche Reserveanlagen zu
bestimmen hat; nämlich, präziser ausgedrückt, bei der Beschlussfassung
darüber, ob und welche Dividende ausgerichtet werden soll. Diese Auslegung
allein entspricht der ratio legis. Nach Art. 674 Abs. 2 können
ausserordentliche Reserven angelegt werden aus Rücksicht auf das dauernde
Gedeihen des Unternehmens oder auf die Verteilung einer möglichst
gleichmässigen Dividende. Besonders der erstgenannte

Seite: 298
Grund mag es angezeigt erscheinen lassen, für ein Jahr oder für länger
überhaupt keine Dividende auszuschütten. Die Versammlung hat daher primär
nicht über die Höhe der Dividende, sondern grundsätzlich darüber zu befinden,
ob aus dem Reingewinn eine Dividende ausgerichtet werden will oder nicht.
Entscheidet sie sich für letzteres, so liegt auch darin ein Beschluss über die
Festsetzung der Dividende, lediglich mit negativem Ergebnis. Und ein solcher
Beschluss besteht von Gesetzes wegen zu Recht, so lange er den Rahmen der
vorbehaltenen Zwecke nicht überschreitet und auf vernünftigen wirtschaftlichen
Erwägungen beruht. Denn das Recht des Aktionärs auf Dividendenzuteilung ist
den im Interesse des Unternehmens aufgestellten Kompetenzen der
Generalversammlung untergeordnet. So war schon Art. 631 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 631 - 1 Im Errichtungsakt muss die Urkundsperson die Belege über die Gründung einzeln nennen und bestätigen, dass sie ihr und den Gründern vorgelegen haben.
1    Im Errichtungsakt muss die Urkundsperson die Belege über die Gründung einzeln nennen und bestätigen, dass sie ihr und den Gründern vorgelegen haben.
2    Dem Errichtungsakt sind folgende Unterlagen beizulegen:
1  die Statuten;
2  der Gründungsbericht;
3  die Prüfungsbestätigung;
4  die Bestätigung über die Hinterlegung von Einlagen in Geld;
5  die Sacheinlageverträge;
6  ...
des a. OR zu
verstehen (vgl. BGE 29 II 465). Die Gesetzesrevision hat daran nichts
geändert. Art. 674 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
des geltenden OR weist gegenüber der entsprechenden
früheren Bestimmung einen verbesserten Wortlaut und eine Erweiterung in den
Befugnissen der Generalversammlung, jedoch keine prinzipielle Neuerung auf.
Und die nämliche Bedeutung wie in Abs. 2 hat der Passus «bei Festsetzung der
Dividende» auch mit Bezug auf Abs. 3 des Art. 674
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR. Für die abweichende
Rechtsauffassung des Klägers findet sich weder im Gesetzestext noch in den
Gesetzesmaterialien ein Anhalt.
2. ­ Art. 34 der Statuten der Beklagten sieht für den «nach Abzug aller
Unkosten, Deckung der Obligationenzinse, Dotierung des Erneuerungsfonds,
allfälliger Amortisationen und Speisung des Reservefonds» verbleibenden
Reinertrag folgende Verwendung vor:
«1. Ausrichtung einer Dividende bis zu 5 % an die drei Aktienkategorien in der
Reihenfolge ihres Ranges.
2. Der Überschuss steht zur Verfügung der Generalversammlung zur Ausrichtung
einer Superdividende, sowie zur Bildung von ausserordentlichen Reservefonds.»

Seite: 299
Was unter «Erneuerungsfonds» und «Reservefonds» zu verstehen ist, und wie
diese Fonds zu äufnen sind, wird in Art. 33 erläutert.
Die Frage, ob die Generalversammlungsbeschlüsse gegen diese Bestimmungen
verstossen, ruft einer grundsätzlichen Erörterung darüber, in welchem
Verhältnis die Statuten zu Art. 674 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
und 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR stehen. Dieser Abklärung
bedarf es immerhin nur insoweit, als die einzelnen Vorkehren überhaupt
ausserordentliche Reserveanlagen oder Verwendungen darstellen, und damit unter
Art. 34 Ziff. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 34 - 1 Eine durch Rechtsgeschäft erteilte Ermächtigung kann vom Vollmachtgeber jederzeit beschränkt oder widerrufen werden, unbeschadet der Rechte, die sich aus einem unter den Beteiligten bestehenden anderen Rechtsverhältnis, wie Einzelarbeitsvertrag, Gesellschaftsvertrag, Auftrag, ergeben können.6
1    Eine durch Rechtsgeschäft erteilte Ermächtigung kann vom Vollmachtgeber jederzeit beschränkt oder widerrufen werden, unbeschadet der Rechte, die sich aus einem unter den Beteiligten bestehenden anderen Rechtsverhältnis, wie Einzelarbeitsvertrag, Gesellschaftsvertrag, Auftrag, ergeben können.6
2    Ein vom Vollmachtgeber zum voraus erklärter Verzicht auf dieses Recht ist ungültig.
3    Hat der Vertretene die Vollmacht ausdrücklich oder tatsächlich kundgegeben, so kann er deren gänzlichen oder teilweisen Widerruf gutgläubigen Dritten nur dann entgegensetzen, wenn er ihnen auch diesen Widerruf mitgeteilt hat.
der Statuten bezw. Art. 674 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
und 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR fallen.
3. ­ Als Reserven können nur eigentliche Reinvermögensvermehrungen gelten,
welche durch Aufsparungen aus dem Reingewinn oder durch Einlagen, die nicht
auf das Grundkapital entfallen, entstehen. Derartige Rückstellungen erscheinen
buchtechnisch unter den verschiedensten Bezeichnungen (Verlustreservefonds,
Baureserve, Dividendeausgleichsfonds usw.). Stets handelt es sich um die
Bereitstellung von Mitteln im Hinblick auf künftige Bedürfnisse. Keine Reserve
dagegen ist der Erneuerungsfonds, sofern er mit Rücksicht auf die Abnützung
und daherige Entwertung der Einrichtungen angelegt wird. In solchem Falle
bildet er vielmehr ein Korrekturkonto zu Aktivposten und ist mit deren
Amortisationskonto identisch. Erst wenn die Dotierung des Erneuerungsfonds
über das erforderliche Mass hinausgeht, ergeben sich stille Reserven, während
die ordentlichen Einlagen Abschreibungen darstellen und als solche zu
behandeln sind (vgl. BACHMANN, Kommentar zum a. OR S. 193 und 195; STAUB, zu §
262 DHGB Anm. 27; BGE 28 II 486 ff.). Vorliegend sind die Überweisungen in den
Reservefonds tatsächlich reine Amortisationen. Sie treten im Rechnungswesen
der Beklagten an die Stelle der Abschreibungen. Das ergibt sich einwandfrei
aus dem Urteil der Vorinstanz und aus den ihm zugrundeliegenden Akten.
a) ­ Gemäss Art. 33 der Statuten ist der Erneuerungsfonds vorgesehen «für die
einer wesentlichen Abnutzung

Seite: 300
unterworfenen Anlagen und Einrichtungen, als Oberbau, elektrische
Einrichtungen, Rollmaterial, Mobiliar und Gerätschaften». Die Bestimmung
entspricht im wesentlichen der Weisung in Art. 11 des Bundesgesetzes vom 27.
März 1896 über das Rechnungswesen der Eisenbahnen. Der in die Bilanz der
Beklagten aufgenommene Fehlbetrag im Erneuerungsfonds (Ziff. 1 lit. a des
Rechtsbegehrens) betrifft der Sache nach den Unterbau in den Strassen, den
Hochbau, die eisernen Brücken und die Einrichtungen im Freien. Diese Anlagen
sind von Art. 33 der Statuten nicht ausdrücklich erfasst, und nach dem
erwähnten Bundesgesetz war es nicht klar, ob sie der obligatorischen
Abschreibung unterworfen sind. Deshalb stellte das Eidg. Post- und
Eisenbahndepartement in einem «Reglement über den Erneuerungsfonds der
schweizerischen Privatbahnen» vom 29. April 1940 den Unternehmungen anheim,
jene Einrichtungen in die Abschreibungsordnung einzubeziehen. Über die
betriebswirtschaftliche Notwendigkeit solcher Amortisationen konnte indessen
kein Zweifel bestehen. Sie wurde denn auch den Bahnverwaltungen durch das
Eidg. Amt für Verkehr nachdrücklich empfohlen und ihre Durchführung ist
unerlässliche Bedingung für jegliche Hilfeleistung des Bundes.
Die Beklagte hat sich nun auf Empfehlung des Eidg. Amtes für Verkehr erstmals
für das Jahr 1942 entschlossen, die nach dem Eisenbahnrecht fakultativen
Abschreibungen vorzunehmen. In der Jahresrechnung 1943 wurde dann der
Sollbestand im Erneuerungsfonds hergestellt, was buchtechnisch eben durch die
Aufnahme des Fehlbetrages von Fr. 401296.­ in die Bilanz geschah. Es handelt
sich also nicht um die Bildung eines ausserordentlichen Reservefonds gemäss
Art. 34 Ziff. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 34 - 1 Eine durch Rechtsgeschäft erteilte Ermächtigung kann vom Vollmachtgeber jederzeit beschränkt oder widerrufen werden, unbeschadet der Rechte, die sich aus einem unter den Beteiligten bestehenden anderen Rechtsverhältnis, wie Einzelarbeitsvertrag, Gesellschaftsvertrag, Auftrag, ergeben können.6
1    Eine durch Rechtsgeschäft erteilte Ermächtigung kann vom Vollmachtgeber jederzeit beschränkt oder widerrufen werden, unbeschadet der Rechte, die sich aus einem unter den Beteiligten bestehenden anderen Rechtsverhältnis, wie Einzelarbeitsvertrag, Gesellschaftsvertrag, Auftrag, ergeben können.6
2    Ein vom Vollmachtgeber zum voraus erklärter Verzicht auf dieses Recht ist ungültig.
3    Hat der Vertretene die Vollmacht ausdrücklich oder tatsächlich kundgegeben, so kann er deren gänzlichen oder teilweisen Widerruf gutgläubigen Dritten nur dann entgegensetzen, wenn er ihnen auch diesen Widerruf mitgeteilt hat.
der Statuten oder Art. 674 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR, sondern um eine
finanztechnische Massnahme zum Zwecke der Amortisation eines Teiles der
Anlagen. Nach Ansicht der von der Vorinstanz befragten Fachleute war die
Rücklage grundsätzlich und im Quantitativ unerlässlich. Sie fand denn auch die
Zustimmung des

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Eidg. Amtes für Verkehr. Überdies drängte sie sich in zeitlicher Hinsicht
deswegen auf, weil sie nach dem Gesagten die Voraussetzung für die Genehmigung
eines von der Beklagten bereits gestellten Subventionsgesuches an den Bund
bildete.
Rechtlich muss somit die Bilanzabnahme unter den Gesichtspunkten der Art. 665
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.

und 674 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR gewürdigt werden. Denn das OR gelangt, wie das Eidg. Amt für
Verkehr in seiner Vernehmlassung an die Vorinstanz zutreffend bemerkt, neben
dem Eisenbahnrechnungsgesetz und dem Reglement subsidiär zur Anwendung. Die
genannten Bestimmungen sind zwingend. Sie wurden aufgestellt nicht nur im
Interesse der Aktiengesellschaft selbst, sondern auch im Interesse und zum
Schutze der Gesamtheit der Aktionäre und Gläubiger. Aus dem Vorstehenden
erhellt, dass die Herstellung des Sollbestandes im Erneuerungsfonds als «den
Umständen angemessene» Abschreibung (Art. 665 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR) gewertet werden muss.
Die Generalversammlung hat also den nicht zu umgehenden Gesetzesvorschriften
nachgelebt und damit ist ihr Beschluss rechtsgültig, auch wenn dessen
Gegenstand in den Statuten nicht eigens vorgesehen ist.
b) ­ Die Einsetzung eines Tilgungsbetrages in die Gewinn- und Verlustrechnung
(Rechtsbegehren Ziff. 1 lit. b) ist nur die notwendige Folge der besprochenen
Bilanzierungsmassnahme. Buchtechnisch wäre die Sachlage allerdings klarer zum
Ausdruck gekommen, wenn die Beklagte den gegebenen Fehlbetrag von Fr. 401296.­
auf einmal über die Gewinn- und Verlustrechnung pro 1943 abgeschrieben hätte.
Dann wäre ein Passivsaldo entstanden, der im Laufe der nächsten Jahre
sukzessive hätte abgetragen werden müssen. Nachdem aber die Beklagte in der
Bilanz unter den Aktiven mit dem Titel Erneuerungsfonds ein besonderes Konto
«Zu tilgende Verwendungen» einführte, ist sie gezwungen, dieses Konto in
gleicher Weise wie einen Passivsaldo zu liquidieren. Das hat aus den
Betriebsergebnissen zu geschehen, und zwar nach

Seite: 302
Meinung der Sachverständigen so bald wie möglich, solange der Geschäftsgang
noch befriedigend bleibt. Eine Dividendenzahlung kann selbstverständlich nicht
in Betracht kommen, bevor dieser ein Non-valeur darstellende Posten aus den
Aktiven der Bilanz verschwunden ist. Für das Jahr 1943 wurden Fr. 48252.­
abgeschrieben. Das entspricht einer Tilgungsquote von ca. 1/8, die nach dem
Gesagten durchaus angebracht erscheint. Der Beschluss ist somit weder
grundsätzlich noch dem Masse nach zu beanstanden.
4. ­ Die ausserordentliche Zuwendung an die Personalfürsorgekassen
(Rechtsbegehren Ziff. 1 lit. c) kann in keinem Sinn als «Reserveanlage»
gelten, auch nicht als «ausserordentlicher Reservefonds» gemäss Art. 34 Ziff.
2 der Statuten. Denn Reserven, ob ordentlicher oder ausserordentlicher Natur,
bleiben Aktiven des Unternehmens und dienen seiner finanziellen Stärkung.
Beiträge an Wohlfahrtseinrichtungen dagegen scheiden aus dem
Gesellschaftsvermögen aus und werden eigenen Zwecken zugeführt (Art. 673 Abs.
2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 673 - 1 Die Generalversammlung kann in den Statuten oder durch Beschluss die Bildung freiwilliger Gewinnreserven vorsehen.
1    Die Generalversammlung kann in den Statuten oder durch Beschluss die Bildung freiwilliger Gewinnreserven vorsehen.
2    Freiwillige Gewinnreserven dürfen nur gebildet werden, wenn das dauernde Gedeihen des Unternehmens unter Berücksichtigung der Interessen aller Aktionäre dies rechtfertigt.
3    Die Generalversammlung beschliesst über die Verwendung freiwilliger Gewinnreserven; vorbehalten bleiben die Vorschriften über die Verrechnung mit Verlusten.
OR). Auch der Versuch der Beklagten, die Vergabungen bei den «Unkosten»
unterzubringen, ist unbehelflich. Der Begriff Unkosten lässt sich weder
kaufmännisch noch bilanztechnisch so ausdehnen, dass davon Überweisungen an
fremde Vermögen erfasst würden, welche durch die Generalversammlung erst nach
Ablauf des Geschäftsjahres noch eigens beschlossen werden müssen. Zum Wesen
der Unkosten gehört gerade, dass sie während des Geschäftsjahres im
Zusammenhang mit dem Betrieb des Unternehmens entstehen. In den Statuten
findet der Zuwendungsbeschluss somit keinen Rückhalt. Er kann allein auf Art.
674 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR gestützt werden. Daher ist hier zu untersuchen, ob diese
gesetzliche Vorschrift neben oder eventuell trotz der Statuten Geltung hat;
namentlich, ob nicht Art. 34 der Statuten der Vergabung insofern
entgegensteht, als sie erst erlaubt ist, nachdem eine Dividende von mindestens
5% ausgeschüttet wurde.
Die durch das revidierte Aktienrecht an die

Seite: 303
Generalversammlung verliehene Befugnis, Beiträge zugunsten von
Wohlfahrtseinrichtungen für das Personal zu entrichten, ist ein Ausschnitt aus
der eidgenössischen Sozialgesetzgebung mit der Besonderheit, dass der Staat
auf Eingriffe verzichtet und es dem einzelnen Unternehmen überlässt, die
zweckdienlichen Anordnungen zu treffen. Diesem Vertrauen in den sozialen Sinn
der Aktiengesellschaft muss entsprechen, dass sie nicht durch ihre Satzung die
erhaltene Kompetenz wegbedingen darf. Art. 674 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR enthält also
unnachgiebiges Recht und würde auch dann gelten, wenn die Statuten seine
Anwendung ausschliessen sollten. Indessen geht letzteres aus den Satzungen der
Beklagten keineswegs hervor. Wohl stellt Art. 34 Weisungen über die Ermittlung
und Verwendung des Reinertrages auf, ohne die Dotierung von
Wohlfahrtsinstitutionen zu erwähnen. In Art. 19 aber ist unter den Geschäften
der Generalversammlung auch die Beschlussfassung über die ihr durch
gesetzliche Bestimmungen vorbehaltenen Gegenstände aufgeführt. Da die Statuten
aus dem Jahre 1938 stammen und somit unter der Herrschaft des revidierten
Aktienrechts abgefasst sind, darf mangels einer ausdrücklich dahingehenden
Vorschrift nicht als ihr Sinn angenommen werden, man habe die Sozialleistungen
einem Anspruch der Aktionäre aller Kategorien auf eine Dividende von
mindestens 5 % hintanstellen wollen.
Art. 674 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
OR knüpft den Zuwendungsbeschluss an keine besonderen
Voraussetzungen. Er schreibt lediglich vor, dass Beiträge an
Wohlfahrtseinrichtungen dem erzielten Reingewinn zu entnehmen sind. Ob und in
welchem Umfange von dieser Befugnis Gebrauch gemacht werden soll, entscheidet
die Generalversammlung grundsätzlich nach freiem Ermessen, wobei sie sich
immerhin an vernünftige Überlegungen zu halten hat und den Rahmen des
gesetzlich umschriebenen Zweckes nicht willkürlich überschreiten darf.
Für den vorliegenden Fall kann das jedoch nur bedingt

Seite: 304
gelten. Es ist zu beachten, dass anlässlich der Sanierung der Beklagten im
Jahre 1938 die Inhaber von 80 % des Obligationenkapitals mit Prioritätsaktien
I. Ranges abgefunden wurden. Diese Aktien geniessen gemäss Art. 9 und 34 Ziff.
1 der Statuten ein Dividendenvorzugsrecht, über das die Generalversammlung
nicht ohne weiteres hinweggehen darf. Dem muss bei Überprüfung eines
Beschlusses, der unter Wegfall jeglicher Dividende Vergabungen aus dem
Reingewinn festsetzt, Rechnung getragen werden. Die Verfügungsfreiheit der
Generalversammlung unterliegt einer Einschränkung insofern, als die
entgegenstehenden Interessen ernstlich abzuwägen sind, und den Bedürfnissen
von Wohlfahrtseinrichtungen nur aus einleuchtenden Gründen der Vorzug vor dem
Dividendenanspruch der Prioritätsaktionäre zu geben ist (vgl. BGE 53 II 260
ff).
Indessen hält der angefochtene Beschluss auch der strengeren Betrachtungsweise
stand. Der Betrag von Fr. 86212.10 ging nicht an eine einzelne
Wohlfahrtsinstitution, sondern war nach dem gerichtlichen Gutachten aufgeteilt
wie folgt:
Fr. 13113.-- wurden verwendet für den Einkauf des 11. Versicherungsmonats
bei der Pensionskasse
Fr. 51574.­- sind für eine weitere Verbesserung der Pensionsversicherung
bestimmt, ob durch Einkauf des 12. Monats oder auf andere
Weise ist noch nicht entschieden;
Fr. 21525.10 wurden den Sparversicherten zugesprochen, um sie nicht
schlechter zu stellen als die Pensionsversicherten.
Bei Beurteilung dieser Verwendung ist gemäss den verbindlichen Feststellungen
der Vorinstanz zu berücksichtigen, dass die Löhne des Personals der Beklagten
bescheiden sind. Sie liegen im allgemeinen unter den Löhnen der SBB und der
räumlich nächst in Betracht kommenden bernischen Bahnen. Der Ausbau der
Personalversicherung

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soll daher in erster Linie einen Ausgleich für das verhältnismässig tiefe
Gehaltsniveau schaffen. Er dient aber auch dem Unternehmen. Denn so wird es
möglich, Pensionierungen zur richtigen Zeit vorzunehmen und den Personalkörper
ohne stossende Härten zu verjüngen. Die Beklagte zieht daraus in der Regel
finanzielle Vorteile, indem sie die älteren, höher besoldeten Angestellten
durch jüngere und geringer entlöhnte ersetzen kann. Der Experte bezeichnet die
Dotierung der Versicherungskassen als angemessen und für die Beklagte tragbar.
Dass der so erreichte Fürsorgegrad noch keineswegs übersetzt ist, wird von der
Vorinstanz an einem Zahlenbeispiel überzeugend dargetan. Die
Generalversammlung hat also nur einer dringlichen sozialen Pflicht gegenüber
dem Personal in anständiger und vorsorgender Weise genügt. Es handelt sich
nicht um eine Liberalität oder um einen blossen Wohltätigkeitsakt, sondern der
Beschluss rechtfertigt sich als eine gutüberlegte Massnahme im
wohlverstandenen Interesse sowohl der Beklagten wie des auf ihre Fürsorge
angewiesenen Personals. Vor der Wahrung solcher Interessen muss der
Dividendenanspruch auch des bevorzugten Prioritätsaktionärs zurücktreten.
Offensichtlich hat sich eine grosse Zahl von Prioritätsaktionären dieser
Einsicht nicht verschlossen. Denn anders wäre der Beschluss nicht
zustandegekommen, da die Prioritätsaktien I. Ranges mit total Fr. 1710600.­
den weitüberwiegenden Teil des gesamten Aktienkapitals der Beklagten von Fr.
2080600.­ ausmachen.
III. ­ Da der Kläger mit seinen Anfechtungsgründen nicht durchdringt, bestehen
die Beschlüsse der Generalversammlung zu Recht. Alsdann verbleibt für das
Geschäftsjahr 1943 kein Reingewinn, der in Form einer Dividende zur Verteilung
gelangen könnte. Damit erweist sich auch Ziff. 2 des Klagebegehrens ohne
weiteres als unbegründet.

Seite: 307
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes des Kantons
Bern vom 14. Dezember 1945 wird bestätigt.
Vgl. auch Nr. 39, 40, 47.­Voir aussi nos 39, 40, 47
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 II 292
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 20. Mai 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 II 292
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Anfechtung eines Generalversammlungsbeschlusses betr. Abnahme der Jahresrechnung wegen Verletzung...


Gesetzesregister
OR: 34 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 34 - 1 Eine durch Rechtsgeschäft erteilte Ermächtigung kann vom Vollmachtgeber jederzeit beschränkt oder widerrufen werden, unbeschadet der Rechte, die sich aus einem unter den Beteiligten bestehenden anderen Rechtsverhältnis, wie Einzelarbeitsvertrag, Gesellschaftsvertrag, Auftrag, ergeben können.6
1    Eine durch Rechtsgeschäft erteilte Ermächtigung kann vom Vollmachtgeber jederzeit beschränkt oder widerrufen werden, unbeschadet der Rechte, die sich aus einem unter den Beteiligten bestehenden anderen Rechtsverhältnis, wie Einzelarbeitsvertrag, Gesellschaftsvertrag, Auftrag, ergeben können.6
2    Ein vom Vollmachtgeber zum voraus erklärter Verzicht auf dieses Recht ist ungültig.
3    Hat der Vertretene die Vollmacht ausdrücklich oder tatsächlich kundgegeben, so kann er deren gänzlichen oder teilweisen Widerruf gutgläubigen Dritten nur dann entgegensetzen, wenn er ihnen auch diesen Widerruf mitgeteilt hat.
631 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 631 - 1 Im Errichtungsakt muss die Urkundsperson die Belege über die Gründung einzeln nennen und bestätigen, dass sie ihr und den Gründern vorgelegen haben.
1    Im Errichtungsakt muss die Urkundsperson die Belege über die Gründung einzeln nennen und bestätigen, dass sie ihr und den Gründern vorgelegen haben.
2    Dem Errichtungsakt sind folgende Unterlagen beizulegen:
1  die Statuten;
2  der Gründungsbericht;
3  die Prüfungsbestätigung;
4  die Bestätigung über die Hinterlegung von Einlagen in Geld;
5  die Sacheinlageverträge;
6  ...
660 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 660 - 1 Jeder Aktionär hat Anspruch auf einen verhältnismässigen Anteil am Bilanzgewinn, soweit dieser nach dem Gesetz oder den Statuten zur Verteilung unter die Aktionäre bestimmt ist.
1    Jeder Aktionär hat Anspruch auf einen verhältnismässigen Anteil am Bilanzgewinn, soweit dieser nach dem Gesetz oder den Statuten zur Verteilung unter die Aktionäre bestimmt ist.
2    Bei Auflösung der Gesellschaft hat der Aktionär, soweit die Statuten über die Verwendung des Vermögens der aufgelösten Gesellschaft nichts anderes bestimmen, das Recht auf einen verhältnismässigen Anteil am Ergebnis der Liquidation.
3    Vorbehalten bleiben die in den Statuten für einzelne Kategorien von Aktien festgesetzten Vorrechte.
662 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 662
665  673 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 673 - 1 Die Generalversammlung kann in den Statuten oder durch Beschluss die Bildung freiwilliger Gewinnreserven vorsehen.
1    Die Generalversammlung kann in den Statuten oder durch Beschluss die Bildung freiwilliger Gewinnreserven vorsehen.
2    Freiwillige Gewinnreserven dürfen nur gebildet werden, wenn das dauernde Gedeihen des Unternehmens unter Berücksichtigung der Interessen aller Aktionäre dies rechtfertigt.
3    Die Generalversammlung beschliesst über die Verwendung freiwilliger Gewinnreserven; vorbehalten bleiben die Vorschriften über die Verrechnung mit Verlusten.
674 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 674 - 1 Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1    Verluste müssen in folgender Reihenfolge verrechnet werden mit:
1  dem Gewinnvortrag;
2  den freiwilligen Gewinnreserven;
3  der gesetzlichen Gewinnreserve;
4  der gesetzlichen Kapitalreserve.
2    Anstelle der Verrechnung mit der gesetzlichen Gewinnreserve oder der gesetzlichen Kapitalreserve dürfen verbleibende Verluste auch teilweise oder ganz auf die neue Jahresrechnung vorgetragen werden.
698 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 698 - 1 Oberstes Organ der Aktiengesellschaft ist die Generalversammlung der Aktionäre.
1    Oberstes Organ der Aktiengesellschaft ist die Generalversammlung der Aktionäre.
2    Ihr stehen folgende unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Festsetzung und Änderung der Statuten;
2  die Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrates und der Revisionsstelle;
3  die Genehmigung des Lageberichts und der Konzernrechnung;
4  die Genehmigung der Jahresrechnung sowie die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinnes, insbesondere die Festsetzung der Dividende und der Tantieme;
5  die Festsetzung der Zwischendividende und die Genehmigung des dafür erforderlichen Zwischenabschlusses;
6  die Beschlussfassung über die Rückzahlung der gesetzlichen Kapitalreserve;
7  die Entlastung der Mitglieder des Verwaltungsrats;
8  die Dekotierung der Beteiligungspapiere der Gesellschaft;
9  die Beschlussfassung über die Gegenstände, die der Generalversammlung durch das Gesetz oder die Statuten vorbehalten sind.532
3    Bei Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert sind, stehen ihr folgende weitere unübertragbare Befugnisse zu:
1  die Wahl des Präsidenten des Verwaltungsrats;
2  die Wahl der Mitglieder des Vergütungsausschusses;
3  die Wahl des unabhängigen Stimmrechtsvertreters;
4  die Abstimmung über die Vergütungen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats.533
706
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 706 - 1 Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
1    Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
2    Anfechtbar sind insbesondere Beschlüsse, die:
1  unter Verletzung von Gesetz oder Statuten Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
2  in unsachlicher Weise Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
3  eine durch den Gesellschaftszweck nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung oder Benachteiligung der Aktionäre bewirken;
4  die Gewinnstrebigkeit der Gesellschaft ohne Zustimmung sämtlicher Aktionäre aufheben.561
5    Das Urteil, das einen Beschluss der Generalversammlung aufhebt, wirkt für und gegen alle Aktionäre.
BGE Register
28-II-474 • 29-II-452 • 41-II-610 • 47-II-432 • 53-II-250 • 72-II-292
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • erneuerungsfonds • rechtsbegehren • vorinstanz • rang • reservefonds • aktiengesellschaft • weisung • unkosten • mass • frage • bundesgericht • stelle • bilanz • entscheid • berechnung • bewilligung oder genehmigung • staub • bedingung • thun
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