S. 274 / Nr. 44 Obligationenrecht (d)

BGE 72 II 274

44. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. März 1946 i.S. S.,
E-S. und L. gegen X. A.-G.


Seite: 274
Regeste:
Aktienrecht; Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen.
Ob Aktien einer Holdinggesellschaft, die nicht von ihr selbst, sondern von
einer Tochtergesellschaft erworben worden sind, unter das Vertretungsverbot
des Art. 669 Abs. 5
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 669
OR fallen beurteilt sich nach dem Grad des zwischen beiden
Unternehmen bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses. Wird die
Tochtergesellschaft derart von der Muttergesellschaft beherrscht, dass ihr
dieser gegenüber keine selbständige Willensbildung zukommt, so erscheinen die
von der Tochtergesellschaft gehaltenen Aktien virtuell wie solche der
Muttergesellschaft. Entsprechend sind sie in deren Generalversammlung vom
Stimmrecht ausgeschlossen. Daran vermag eine an sich rechtsgültige
fiduziarische Eigentumsübertragung an den Aktien nichts zu ändern, wenn dieser
Vorgang nur äusserlich formale Wirkungen zeitigt oder eine künstliche
Mehrheitsbildung herbeiführt.
Société anonyme; droit d'attaquer les décisions de l'assemblée générale
Les actions d'une société holding qui ont été acquises non par elle-même, mais
par une société contrôlée, peuvent elles être représentées à l'assemblée
générale (art. 659 al. 6 CO)? Cela dépend du degré de dépendance entre les
deux entreprises. Si la société contrôlée est dominée par la holding au point
de n'avoir pas de volonté propre à son égard, les actions qu'elle détient sont
virtuellement en main de la société de contrôle. Elles doivent être exclues du
droit de vote à l'assemblée générale de cette dernière. Bien que valable, un
transfert fiduciaire de la propriété des actions est inopérant à cet égard,
s'il n'a que des effets formels ou s'il crée une majorité artificielle.
Società anonima; diritto d'impugnare le deliberazioni dell'assemblea generale.
Por stabilire se alle azioni d'una società holding, che non sono state
acquistate da essa, ma da una società figlia, sia applicabile il divieto
dell'art. 659 cp. 5 CO, è determinante il grado di dipendenza tra le due
imprese. Se la società figlia è dominata dalla holding in modo tale che non
ha, nei confronti di essa una volontà indipendente, le azioni in questione
sono virtualmente possedute dalla holding. Esse debbono quindi essere escluse
dal diritto di voto nell'assemblea generale della holding. A questo proposito
è inoperante (benchè in sè valido) un trapasso fiduciario della proprietà
delle azioni, il quale abbia soltanto effetti formali o crei una maggioranza
artificiale.

A. ­ Die Beklagte ist eine Holding-Gesellschaft. Sie bezweckt die dauernde
Verwaltung von Beteiligungen an Industrieunternehmungen. Es unterstehen ihr
zur Zeit vier Tochtergesellschaften, deren drei im Ausland

Seite: 275
(Österreich, Ungarn, Brasilien) und die Aktiengesellschaft T. in der Schweiz.
Eine frühere fünfte Tochtergesellschaft Y. wurde im Jahre 1941 aufgelöst. Von
den Persönlichkeiten, die vor dem 21. September 1944 dem Verwaltungsrat der
Beklagten angehörten, ist nur der geschäftsführende Vizepräsident Dr. Th.
massgeblich am Gesellschaftskapital beteiligt, und zwar durch die
Aktiengesellschaft A., deren sämtliche Aktien sich in Händen der Familie Th.
befinden.
Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten. Sie verfügen über ansehnlichen
Aktienbesitz. Zusammen mit der Familie Th. haben sie die überragende Mehrheit
inne. Darnach ergeben sich folgende Grossaktionär-Gruppen:
Gruppe S. (Kläger 1 und 2).
Gruppe L. (Kläger 3).
Gruppe A. oder Th.
B. ­ In den Jahren 1934 bis 1936 kauften einige Tochtergesellschaften nach dem
Willen des Verwaltungsrats der Beklagten Trustaktien auf. Es bestand die
Absicht, diese Aktien gelegentlich auf die Beklagte zu übertragen und sodann
eine Kapitalherabsetzung durchzuführen. Zum gleichen Zwecke wurden die
Aktienkäufe im Jahre 1937 fortgesetzt. Schliesslich hatten die
Tochtergesellschaften 15000 Aktien der Beklagten in ihren Portefeuilles.
Diesen Geschäften stimmte der Verwaltungsrat der Beklagten in seiner Sitzung
vom 25. August 1937 zu. In der Folge gingen insgesamt 14285 Stück der so
erworbenen Trustaktien auf die Tochtergesellschaft Y. über. Sie wurden auch
später nicht an die Beklagte abgetreten, sodass die vorgesehene Amortisation
unterblieb.
C. ­ Seit dem Jahre 1936 ergaben sich Schwierigkeiten für die Transferierung
von Erträgnissen zunächst der ungarischen, dann (seit 1938) auch der
österreichischen Tochterunternehmungen. Die Beklagte reichte bei der
schweizerischen Verrechnungsstelle ein Gesuch um Bewilligung der Teilnahme am
deutsch-schweizerischen Zahlungsverkehr ein. Es blieb vorerst erfolglos. Im
Laufe des

Seite: 276
Rekursverfahrens erklärte sich indessen das Volkswirtschaftsdepartement
bereit, durch entsprechende Ermächtigung der Verrechnungsstelle die
Dividenden- und Zinsüberweisungen der Tochtergesellschaften in Deutschland mit
40 % zum Transfer zuzulassen, sobald sich die Mehrheit des Aktienkapitals der
Beklagten nachweislich in Schweizerbesitz befinde.
Der Verwaltungsrat der Beklagten befasste sich mit der Situation in einer
Sitzung vom 3./5. Februar 1940. Er beschloss, eine schweizerische Mehrheit
mittels Verwendung der im Portefeuille der Y. liegenden Trustaktien (als
«Nostrobesitz» bezeichnet) zu schaffen. Im einzelnen wurde nach Erwägung
verschiedener Möglichkeiten festgelegt dass grundsätzlich die schweizerische
Mehrheit durch die Gruppe Th. (A.) hergestellt werden müsse; dass aber an
deren Stelle und mit deren Rückdeckung ein schweizerisches Bankinstitut
(nachstehend B. genannt) die nötigen Stück Aktien von der Y. direkt kaufen
solle; dass dieses unter Stundung des Kaufpreises berechtigt bleibe, die
Aktien innert bestimmter Frist zum Erwerbspreis an Y. zurückzuverkaufen; dass
das gleiche Recht, anderweitige Sicherung der schweizerischen Majorität
vorausgesetzt, der Gruppe Th. zustehe, wenn und soweit sie Aktien von B.
übernehme. Gleichzeitig wurde auf eine Amortisation des sogenannten
Nostrobesitzes verzichtet und statt dessen die Herabsetzung des Grundkapitals
durch die Reduktion des Nominalwertes der Aktien um 60 % in Aussicht genommen.
In Ausführung dieser Verwaltungsratsbeschlüsse wurden im Frühjahr 1940
Verträge zwischen B. und Y., zwischen B. und A., sowie zwischen Y. und A.
abgeschlossen. Sie haben im wesentlichen nachstehenden Inhalt:
a) Vertrag B. /Y.:
Y. verkauft an B. 7700 Trustaktien zum Preise von Fr. 30.­ per Stück und
händigt diese sofort aus. B. erkennt Y. für den Kaufpreis von Fr. 231000.­,
behält die Summe aber auf Sperrkonto als Sicherheit für die der A. gemäss
separatem Vertrag überbundene Abnahmeverpflichtung. B. ist

Seite: 277
berechtigt, jedoch nicht verpflichtet, die gekauften Aktien innert 3 Jahren
ganz oder teilweise zum Stückpreis von Fr. 30.­ an Y. zurückzuverkaufen. Bis
zum eventuellen Rückverkauf fällig werdende Erträgnisse verbleiben B. ohne
Anrechnung an die Kaufpreisschuld.
b) Vertrag B. /A.:
A. verpflichtet sich, längstens innert 3 Jahren weniger 10 Tagen seit
Vertragsschluss dem B. 7700 Trustaktien zum Stückpreis von Fr. 30.­ abzunehmen
und zu bezahlen. B. verpflichtet sich für die gleiche Frist, der A. 7700
Trustaktien zur Verfügung zu halten und gegen Bezahlung von Fr. 30.­ per Stuck
auszuliefern. Bis dahin fällig werdende Erträgnisse sind der A. an den
Abnahmepreis anzurechnen. Kommt die A. innert genannter Frist ihrer
Abnahmepflicht nicht nach, so ist B. berechtigt, die Aktien gemäss Vertrag mit
der Y. an diese zurückzuverkaufen. Wird vom Rückverkaufsrecht Gebrauch
gemacht, so sind fällig gewordene Erträgnisse an die mit A. vereinbarte
Kommission anzurechnen.
c) Vertrag Y. /A .:
A. ist verpflichtet, bei Ablauf von 5 Jahren seit dem 1. März 1940 die auf
Grund des Vertrages mit B. von diesem gekauften Trustaktien zum Stückpreis von
Fr. 30.­ an Y. zurückzugeben, soweit sie alsdann «nicht mehr aus Transfer-
oder anderen Gründen zur Aufrechterhaltung der schweizerischen Majorität... in
ihrem Eigentum verbleiben müssen». Wenn und soweit letzteres eintritt, ist für
die zurückbehaltenen Stücke der definitive Preis auf Grund des dannzumal
gegebenen Aktienwertes durch eine dreigliedrige Experten-Kommission
festzusetzen. A. muss den dergestalt bestimmten Preis bezahlen, sofern er Fr.
40.­ nicht übersteigt. Ist er höher als Fr. 40.­, so hat A. das Recht, alle
von B. übernommenen Aktien zum Stückpreis von Fr. 30.­an Y. zu übertragen.
Die in den Verträgen stipulierten Fristen von 3 bzw. 5 Jahren wurden später
einheitlich auf 8 Jahre verlängert. An die Stelle der im Jahre 1941
aufgelösten Y. trat nachträglich die T.
Auf Grund der durch die Verträge entstandenen neuen Rechtslage wurden die
Forderungen der Beklagten an ihre Tochtergesellschaften schon im März 1940 mit
40 % zum deutsch-schweizerischen Clearing zugelassen. Im Mai 1941 konnte eine
Erhöhung der Quote auf 100 % erreicht werden. Die wirtschaftliche Folge war
eine erhebliche Steigerung der Einnahmen der Beklagten.
D. ­ Am 21. September 1944 fand eine

Seite: 278
ausserordentliche Generalversammlung der Beklagten statt. Das einzige
Traktandum lautete: Zuwahl in den Verwaltungsrat. Die 7700 von B. erworbenen
Aktien waren durch ein Mitglied des Verwaltungsrates der Beklagten vertreten.
Die Aktionärgruppen S. und L. bestritten die Stimmberechtigung dieser Aktien.
Daraufhin schritt die Versammlung zur Abstimmung. Mit 31341 gegen 26814
Stimmen beschloss sie die Zulassung der Aktienstimmen des B. und wählte die
vorgeschlagenen Herren in den Verwaltungsrat. Bei beiden Beschlüssen hatten
die 7700 Aktienstimmen von B. entscheidend mitgewirkt.
E. ­ Ähnliche Verhältnisse bestanden in der ordentlichen Generalversammlung
der Beklagten vom 12. Mai 1945. Die 7700 Aktien von B. waren jetzt durch den
Direktor einer anderen Schweizerbank vertreten. Sie wurden wiederum gegen die
Opposition der Kläger zu den Abstimmungen zugelassen. Ferner bestätigte die
Versammlung den Verwaltungsrat in der bisherigen Zusammensetzung mit 32341
gegen 26814 Stimmen.
F. ­ Innert der in Art. 706 Abs. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 706 - 1 Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
1    Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
2    Anfechtbar sind insbesondere Beschlüsse, die:
1  unter Verletzung von Gesetz oder Statuten Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
2  in unsachlicher Weise Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
3  eine durch den Gesellschaftszweck nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung oder Benachteiligung der Aktionäre bewirken;
4  die Gewinnstrebigkeit der Gesellschaft ohne Zustimmung sämtlicher Aktionäre aufheben.561
5    Das Urteil, das einen Beschluss der Generalversammlung aufhebt, wirkt für und gegen alle Aktionäre.
OR gesetzten Frist fochten die Kläger die
genannten Beschlüsse beider Generalversammlungen durch direkte Klagen beim
Bundesgericht an.
Aus den Erwägungen:
III. ­ Materiell bringen die Kläger vor, die Übertragung der 7700
Nostro-Aktien an B. beruhe auf einem Scheingeschäft oder habe nur
fiduziarischen Charakter: eventuell sei die Zulassung der von B. vertretenen
Aktien zu den Abstimmungen in den beiden Generalversammlungen in
gesetzwidriger Weise, entgegen Treu und Glauben, unter Verletzung berechtigter
Interessen der in Minderheit gebliebenen Aktionäre erfolgt. Jeder dieser
Standpunkte bedinge die Aufhebung der angefochtenen
Generalversammlungsbeschlüsse.
1. ­ Zu prüfen ist vorab die Simulationseinrede. Zwar haben die Kläger selbst
beim Abschluss der Verträge

Seite: 279
nicht mitgewirkt. Sie sind aber am Bestand oder Nichtbestand der Abmachungen
mittelbar interessiert und daher berechtigt, sich auf Simulation zu berufen.
Denn der Grundsatz von Art. 18
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
1    Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
2    Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen.
OR gilt allgemein, auch im Verhältnis zu am
Vertrage nicht beteiligten Personen.
a) Angesichts der zu Anfang des Jahres 1940 bestehenden Wirtschaftslage,
namentlich der Ordnung des zwischenstaatlichen Zahlungsverkehrs, war die
Schaffung einer schweizerischen Majorität im Aktienbesitz der Beklagten
notwendig. Die Massnahme bildete die unumgängliche Voraussetzung für den
Transfer der Erträgnisse ausländischer Tochtergesellschaften. Es ist
unbedenklich davon auszugehen, dass die Verträge zwischen Y., B. und A. diesem
Zweck dienen sollten und, wie der Transfererfolg zeigt, tatsächlich gedient
haben. Mit Rücksicht darauf muss das Vertragswerk als Ganzes ernstlich gewollt
gewesen sein. Daher kann es sich bei den Abmachungen ihrem Bestande nach nicht
um Scheinverträge handeln ... Unerheblich ist, ob dem Verwaltungsrat andere
Möglichkeiten für die Schaffung einer schweizerischen Majorität offen
gestanden hätten, und ob die fortgesetzte Beibehaltung der Mehrheit geboten
ist oder nicht. Einerseits genügt es zu wissen, dass der primär angestrebte
Zweck als solcher und die zu seiner Erreichung gewählten Mittel wirklich
gewollt waren. Anderseits hat das Bundesgericht die Gültigkeit der
beanstandeten Generalversammlungsbeschlüsse auf Grund der Rechtslage zu
untersuchen, die zufolge des Vertragswerkes tatsächlich bestand und heute noch
besteht. Was schliesslich die Stimmrechtsverhältnisse anbetrifft, so ist hier
davon auszugehen, dass B. die 7700 Aktien formell als Käufer erworben hat.
Daher war von den Vertragsschliessenden offenbar verstanden, dass mit den
Aktien das Stimmrecht auf B. übergehen solle. Den Interessen der Beklagten war
es in der Tat nur förderlich, gegenüber der Clearingbehörde eine klare
schweizerische Mehrheit nicht bloss im Aktienbesitz, sondern auch
stimmrechtlich auszuweisen. War also letzteres eine mitbeabsichtigte

Seite: 280
Folge der Aktienübertragung, so bestätigt das eher die Ernsthaftigkeit der
Verträge als dass es sie bezweifeln liesse. Damit ist freilich noch nicht
gesagt, dass die Ausübung des Stimmrechts durch B. auch zulässig war.
b) Es bleibt die Frage, ob inhaltlich simulierte Verträge vorliegen, d.h. ob
von den Beteiligten etwas anderes gewollt war, als was in den einzelnen
Abreden zum Ausdruck gebracht ist.
Im Vertrag mit der Y. trat B. als Käufer der Aktien auf. Aus der Gesamtheit
der Abmachungen wie aus den wegleitenden Beschlüssen des Verwaltungsrates geht
aber hervor, dass B. an Stelle der A. (Gruppe Th.) eingeschaltet wurde, er
somit in Wirklichkeit nicht Käufer für eigene Rechnung war. Seine Rechte an
den dinglich zu Eigentum erworbenen Aktien sind sowohl zeitlich wie in
Hinsicht auf den finanziellen Genuss beschränkt. Denn er muss die Aktien
später auf die A. übertragen und sich die Erträgnisse an den Verkaufspreis
anrechnen lassen. Umgekehrt hat die A. innert der vertraglichen Frist die
Aktien zu übernehmen. Kommt sie dieser Pflicht nicht nach, so kann B. die
Aktien an die T. zurückverkaufen, wobei aber der finanzielle Ertrag in der
Zwischenzeit wiederum der A. zugutekommt. Das alles deutet auf ein
fiduziarisches Verhältnis. B. erscheint als Treuhänder der A. Als solcher wird
er denn auch von der Beklagten bezeichnet.
Diese Regelung entspricht dem Vertragszweck... Der Umstand, dass B. nur
fiduziarischer Aktienbesitzer ist, kann daher nicht zur Annahme eines
Scheingeschäftes führen. Die Treuhandschaft war offensichtlich gewollt. Sie
dokumentiert geradezu die Ernsthaftigkeit der Abmachungen in ihrer inneren
Zusammengehörigkeit. Die Verträge stellen in allen wesentlichen Punkten die
sinngerechte Ausführung der massgebenden Verwaltungsratsbeschlüsse dar...
c) Simulation liegt vor, wenn beide Vertragsparteien darüber einig sind, dass
die gegenseitigen Erklärungen nicht gelten, sondern nur gegenüber Dritten den
Schein

Seite: 281
eines Rechtsgeschäftes erwecken sollen (BGE 71 II 99 /100). Das trifft für die
besprochenen Verträge unter keinem Gesichtspunkte zu. Vielmehr hat sich
ergeben, dass die Beteiligten das, was in ihren Abmachungen niedergelegt ist,
auch wirklich gewollt haben. Mithin kann weder von simulierten Vereinbarungen,
noch von einem dahinter stehenden dissimulierten Geschäft die Rede sein.
2. ­ Als Käufer der Aktien ist B. deren Eigentümer geworden. Die
Treuhandverpflichtung gegenüber der A. vermag daran nichts zu ändern. Sie ist
ohne Einfluss auf das von B. erworbene dingliche Recht. Denn nach den
Abmachungen besteht nur ein obligatorischer Anspruch der Treugeberin auf
Übertragung der Aktien an sie. Und dass in diesem Falle die Erträgnisse an den
Kaufpreis angerechnet werden müssen, betrifft die wirtschaftliche, nicht die
rechtliche Seite des Eigentums an den Aktien. Dritten, auch der Beklagten
gegenüber, kann B. voll über die mit dem Aktieneigentum verbundenen Rechte
verfügen. Also ist er an sich auch befugt, das Stimmrecht auszuüben (in diesem
Sinne mittelbar gemäss der dem Fiduziar eingeräumten Rechtsstellung BGE 71 II
100
; vgl. HENSELER, Die Legitimationsübertragung von Aktien nach allgemeinen
rechtlichen Grundsätzen unter besonderer Berücksichtigung der schweizerischen
Gesetzgebung, Berner Diss. 1940, S. 33 /34; ZINKE, Der Stimmrechtsausschluss
des Aktionärs in der Generalversammlung bei Interessenkollision nach
schweizerischem und deutschem Recht, Zürcher Diss. 1939, S. 53 /54; STAUB,
Kommentar zum DHGB Anm. 16 zu § 222). Darüber kann zumal nach den
Stimmrechtsvorschriften des revidierten schweizerischen Aktienrechts kein
Zweifel bestehen. Denn in Art. 691
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 691 - 1 Die Überlassung von Aktien zum Zwecke der Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung ist unstatthaft, wenn damit die Umgehung einer Stimmrechtsbeschränkung beabsichtigt ist.
1    Die Überlassung von Aktien zum Zwecke der Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung ist unstatthaft, wenn damit die Umgehung einer Stimmrechtsbeschränkung beabsichtigt ist.
2    Jeder Aktionär ist befugt, gegen die Teilnahme unberechtigter Personen beim Verwaltungsrat oder zu Protokoll der Generalversammlung Einspruch zu erheben.
2bis    Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung sind berechtigt, an der Generalversammlung teilzunehmen.499
3    Wirken Personen, die zur Teilnahme an der Generalversammlung nicht befugt sind, bei einem Beschlusse mit, so kann jeder Aktionär, auch wenn er nicht Einspruch erhoben hat, diesen Beschluss anfechten, sofern die beklagte Gesellschaft nicht nachweist, dass diese Mitwirkung keinen Einfluss auf die Beschlussfassung ausgeübt hatte.
OR ist die Überlassung von Aktien lediglich
zum Zwecke der Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung, die
sogenannte Legitimationsabtretung, im Prinzip zulässig erklärt worden.
Umsoweniger darf der fiduziarische Aktieneigentümer vom Stimmrecht
ausgeschlossen werden. Und selbst wenn diese Eigenschaft B. nicht zukäme, oder
wenn

Seite: 282
er, wie die Kläger behaupten, Treuhänder der Beklagten und nicht der A. sein
sollte, so müsste ihm das Stimmrecht nach Art. 691
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 691 - 1 Die Überlassung von Aktien zum Zwecke der Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung ist unstatthaft, wenn damit die Umgehung einer Stimmrechtsbeschränkung beabsichtigt ist.
1    Die Überlassung von Aktien zum Zwecke der Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung ist unstatthaft, wenn damit die Umgehung einer Stimmrechtsbeschränkung beabsichtigt ist.
2    Jeder Aktionär ist befugt, gegen die Teilnahme unberechtigter Personen beim Verwaltungsrat oder zu Protokoll der Generalversammlung Einspruch zu erheben.
2bis    Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung sind berechtigt, an der Generalversammlung teilzunehmen.499
3    Wirken Personen, die zur Teilnahme an der Generalversammlung nicht befugt sind, bei einem Beschlusse mit, so kann jeder Aktionär, auch wenn er nicht Einspruch erhoben hat, diesen Beschluss anfechten, sofern die beklagte Gesellschaft nicht nachweist, dass diese Mitwirkung keinen Einfluss auf die Beschlussfassung ausgeübt hatte.
OR grundsätzlich
zugestanden werden, da er Inhaber der Aktien ist und da, was oben dargetan
wurde, bei der Übertragung von den Vertragschliessenden auch der Übergang des
Stimmrechts mitgewollt war.
3. ­ Bestehen das Vertragswerk als solches und dementsprechend der Erwerb der
7700 Aktien durch B. zu Recht, so schliesst das dennoch nicht aus, dass die
Umgehung einer Stimmrechtsbeschränkung im Sinne von Art. 691 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 691 - 1 Die Überlassung von Aktien zum Zwecke der Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung ist unstatthaft, wenn damit die Umgehung einer Stimmrechtsbeschränkung beabsichtigt ist.
1    Die Überlassung von Aktien zum Zwecke der Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung ist unstatthaft, wenn damit die Umgehung einer Stimmrechtsbeschränkung beabsichtigt ist.
2    Jeder Aktionär ist befugt, gegen die Teilnahme unberechtigter Personen beim Verwaltungsrat oder zu Protokoll der Generalversammlung Einspruch zu erheben.
2bis    Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung sind berechtigt, an der Generalversammlung teilzunehmen.499
3    Wirken Personen, die zur Teilnahme an der Generalversammlung nicht befugt sind, bei einem Beschlusse mit, so kann jeder Aktionär, auch wenn er nicht Einspruch erhoben hat, diesen Beschluss anfechten, sofern die beklagte Gesellschaft nicht nachweist, dass diese Mitwirkung keinen Einfluss auf die Beschlussfassung ausgeübt hatte.
OR
vorliegt, oder dass aus anderen Gründen die Aktien nicht stimmberechtigt sind.
Die Kläger berufen sich auf Art. 659
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 659 - 1 Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
1    Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
2    Der Erwerb eigener Aktien ist auf 10 Prozent des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals beschränkt.
3    Steht der Erwerb im Zusammenhang mit einer Übertragbarkeitsbeschränkung oder einer Auflösungsklage, so beträgt die Höchstgrenze 20 Prozent. Die über 10 Prozent hinaus erworbenen Aktien sind innert zweier Jahre zu veräussern oder durch Kapitalherabsetzung zu vernichten.
OR. Sie machen geltend, die 7700 von B.
übernommenen Aktien seien ein Teil jener Titel, welche in den Jahren nach 1934
durch Tochtergesellschaften der Beklagten zum Zwecke der Amortisation
zurückgekauft wurden. Die Tochtergesellschaften, namentlich die Y. und die T.
seien von der Beklagten vollständig abhängig. In Wirklichkeit habe also sie
selbst gehandelt. In Anbetracht des Erwerbszweckes habe die Weiterveräusserung
der 7700 Aktien nicht erfolgen dürfen. Diese seien trotz formeller Begebung an
B. als gesellschaftseigene Aktien anzusprechen. Die Beklagte verweist
demgegenüber auf den selbständigen Charakter ihrer Tochterunternehmungen.
Nach Art. 659 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 659 - 1 Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
1    Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
2    Der Erwerb eigener Aktien ist auf 10 Prozent des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals beschränkt.
3    Steht der Erwerb im Zusammenhang mit einer Übertragbarkeitsbeschränkung oder einer Auflösungsklage, so beträgt die Höchstgrenze 20 Prozent. Die über 10 Prozent hinaus erworbenen Aktien sind innert zweier Jahre zu veräussern oder durch Kapitalherabsetzung zu vernichten.
OR darf die Aktiengesellschaft eigene Aktien nicht zu
Eigentum erwerben. Eine analoge Vorschrift enthielt das alte OR in Art. 628.
Sie ist, wie das Bundesgericht schon vor Jahren erklärte, u.a. namentlich auf
die Erwägung zurückzuführen, dass aus dem Erwerb eigener Aktien sich «eine
unzulässige Beeinflussung der Stimmrechtsverhältnisse in der
Generalversammlung durch die Gesellschaftsorgane ergeben» kann (BGE 43 II
298
). Während nun das Erwerbsverbot dem Anwendungsgebiete nach eingeschränkt
ist, beansprucht der genannte ihm zugrundeliegende Schutzgedanke generelle
Geltung. Die Entschlussfreiheit der Generalversammlung muss auch da

Seite: 283
sichergestellt sein, wo der Gesetzgeber im Interesse der internen Verhältnisse
oder der Verkehrsbedürfnisse der Gesellschaft Ausnahmen vom Erwerbsverbot
statuiert (Art. 659 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 659 - 1 Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
1    Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
2    Der Erwerb eigener Aktien ist auf 10 Prozent des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals beschränkt.
3    Steht der Erwerb im Zusammenhang mit einer Übertragbarkeitsbeschränkung oder einer Auflösungsklage, so beträgt die Höchstgrenze 20 Prozent. Die über 10 Prozent hinaus erworbenen Aktien sind innert zweier Jahre zu veräussern oder durch Kapitalherabsetzung zu vernichten.
OR) oder wo die Gesellschaft eigene Aktien
vorschriftswidrig erwirbt. Denn in der Generalversammlung üben die Aktionäre
ihre Herrschaftsrechte aus. Hier soll ausschliesslich von ihnen über die
Geschicke der Gesellschaft entschieden werden. Auf die Willensbildung der
Versammlung darf weder unmittelbar noch mittelbar durch Zwang oder Lenkung von
oben eingewirkt werden (vgl. WIELAND, Handelsrecht II S. 89, 233). Diese
elementaren Grundsätze des Aktienrechts können nur gewahrt werden, wenn auch
naheliegenden Umgehungsmöglichkeiten gewehrt ist. Deshalb dürfen nach Abs. 5
des Art. 659
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 659 - 1 Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
1    Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
2    Der Erwerb eigener Aktien ist auf 10 Prozent des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals beschränkt.
3    Steht der Erwerb im Zusammenhang mit einer Übertragbarkeitsbeschränkung oder einer Auflösungsklage, so beträgt die Höchstgrenze 20 Prozent. Die über 10 Prozent hinaus erworbenen Aktien sind innert zweier Jahre zu veräussern oder durch Kapitalherabsetzung zu vernichten.
OR «die von der Gesellschaft erworbenen Aktien ... in der
Generalversammlung nicht vertreten werden».
Es frägt sich indessen, ob unter den Begriff der «von der Gesellschaft
erworbenen Aktien» auch die Aktien einer Holdinggesellschaft fallen, die nicht
von ihr, sondern von einer Tochtergesellschaft erworben worden sind. Dabei
braucht nicht untersucht zu werden, ob und wann der Erwerb von Aktien der
Muttergesellschaft durch die Tochtergesellschaften überhaupt erlaubt ist.
Angefochten ist vorliegend nicht der Aktienerwerb als solcher, sondern die
spätere stimmrechtliche Aktivierung eines Teiles der von den
Tochtergesellschaften der Beklagten angekauften Aktien. Nach der sogenannten
modifizierten Einheitstheorie (vgl. v. STEIGER, ZSR 1943 S. 273 a ff.) kommt
der Tochtergesellschaft juristische Selbständigkeit zu. Also besitzt und
vertritt sie die Aktien der Muttergesellschaft als eine von dieser
verschiedene Rechtspersönlichkeit. Daraus ergibt sich zunächst, dass solche
Aktien in der Generalversammlung der Muttergesellschaft nicht grundsätzlich
vom Stimmrecht ausgeschlossen sind. Ob sie aber zugelassen werden können, ist
nach den Umständen des konkreten Einzelfalles zu beurteilen. Wegleitend muss
der oben umschriebene Zweckgedanke des Art. 659 Abs. 5
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 659 - 1 Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
1    Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
2    Der Erwerb eigener Aktien ist auf 10 Prozent des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals beschränkt.
3    Steht der Erwerb im Zusammenhang mit einer Übertragbarkeitsbeschränkung oder einer Auflösungsklage, so beträgt die Höchstgrenze 20 Prozent. Die über 10 Prozent hinaus erworbenen Aktien sind innert zweier Jahre zu veräussern oder durch Kapitalherabsetzung zu vernichten.
OR

Seite: 284
sein. Unter diesem Gesichtspunkte kommt es nicht allein auf die formale
Trennung von Mutter- und Tochtergesellschaft nach Rechtssubjekt und Vermögen,
sondern wesentlich auf das zwischen ihnen bestehende Abhängigkeitsverhältnis
an. Und zwar ist entscheidend der Grad des Abhängigkeitsverhältnisses. Je
nachdem sind die beiden Unternehmen stimmrechtlich als Einheit zu behandeln.
Denn wenn die Tochtergesellschaft zufolge überragender Kapitalbeteiligung oder
mit anderen Mitteln derart von der Muttergesellschaft beherrscht wird, dass
ihr dieser gegenüber kein selbständiger Wille zukommt, so ist der
Muttergesellschaft auch die Verfügungsgewalt über ihre im Eigentum der
Tochtergesellschaft befindlichen Aktien gegeben. Diese (üblicherweise als
gebundene oder Verwaltungsaktien bezeichnet) erscheinen virtuell wie eigene
Aktien der Muttergesellschaft. Entsprechend fallen sie unter das
Vertretungsverbot des Art. 659 Abs. 5
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 659 - 1 Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
1    Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
2    Der Erwerb eigener Aktien ist auf 10 Prozent des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals beschränkt.
3    Steht der Erwerb im Zusammenhang mit einer Übertragbarkeitsbeschränkung oder einer Auflösungsklage, so beträgt die Höchstgrenze 20 Prozent. Die über 10 Prozent hinaus erworbenen Aktien sind innert zweier Jahre zu veräussern oder durch Kapitalherabsetzung zu vernichten.
OR. Ansonst hätte es eine
Holdinggesellschaft jederzeit in der Hand, ihre im Portefeuille der
dominierten Tochtergesellschaft liegenden Aktien stimmrechtlich zur Geltung zu
bringen. Die Tochtergesellschaft könnte eigens dazu ausersehen oder sogar
errichtet werden, die Aktien der Muttergesellschaft zu halten und ihr in der
Generalversammlung das erwünschte Übergewicht zu sichern. Alsdann liesse sich
das Vertretungsverbot beliebig umgehen und der in Art. 659 Abs. 5
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 659 - 1 Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
1    Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
2    Der Erwerb eigener Aktien ist auf 10 Prozent des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals beschränkt.
3    Steht der Erwerb im Zusammenhang mit einer Übertragbarkeitsbeschränkung oder einer Auflösungsklage, so beträgt die Höchstgrenze 20 Prozent. Die über 10 Prozent hinaus erworbenen Aktien sind innert zweier Jahre zu veräussern oder durch Kapitalherabsetzung zu vernichten.
OR
verankerte Schutz wäre gebrochen.
Dieselbe Betrachtungsweise hat sich auch im deutschen Aktienrecht durchgesetzt
(über die Entwicklung siehe ZINKE, a.a.O. S. 91 ff.). Nachdem Rechtsprechung
und Doktrin lange Zeit das Stimmrecht der gebundenen Aktien grundsätzlich
bejaht hatten, brachte das Aktiengesetz von 1937 in diesem Punkte eine
Neuerung. Es bestimmt in § 114 Abs. 6 u.a., dass das Stimmrecht nicht ausgeübt
werden darf für Aktien, die einem von der Gesellschaft abhängigen Unternehmen
gehören. Die amtliche Begründung und die Kommentare erblicken in der
Vorschrift die zwingende Folgerung aus dem Gedanken, der bereits dem

Seite: 285
Stimmrechtsausschluss gesellschaftseigener Aktien in § 226 Abs. 5 HGB
zugrundelag und der sich deckt mit dem, was oben über Sinn und Zweck des Art.
659 Abs. 5
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 659 - 1 Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
1    Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
2    Der Erwerb eigener Aktien ist auf 10 Prozent des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals beschränkt.
3    Steht der Erwerb im Zusammenhang mit einer Übertragbarkeitsbeschränkung oder einer Auflösungsklage, so beträgt die Höchstgrenze 20 Prozent. Die über 10 Prozent hinaus erworbenen Aktien sind innert zweier Jahre zu veräussern oder durch Kapitalherabsetzung zu vernichten.
OR ausgeführt wurde (KÜCH, Aktiengesetz S. 297;
SCHLEGELBERGER-QUASSOWSKI, Kommentar zum Aktiengesetz S. 505; GADOW-HEINICHEN,
Kommentar zum Aktiengesetz S. 489 /90),
Für das schweizerische Recht wird die dargelegte Auffassung vertreten von
SIEGWART (Aktiengesellschaft, Einleitung N. 181 ff.) und im Ergebnis
übereinstimmend auch von anderen Autoren (v. STEIGER, a.a.O. S. 321 a; ZINKE,
a.a.O. S. 62 ff.; gegenteiliger Meinung SCHUCANY, zu Art. 659 N. 10).
Abweichungen zeigen sich hier wie im weiteren Schrifttum hinsichtlich der
Formulierung und der Begründung. Verschiedentlich werden wirtschaftliche
Überlegungen in den Vordergrund gestellt (ZINKE; ähnlich JOSS,
Konzernrechtsfragen im deutschen und schweizerischen Recht 1936, S. 206). Das
Wirtschaftliche in der Frage der Abhängigkeit zweier oder mehrerer Unternehmen
ist aber zumeist nur die fassbare Auswirkung der rechtlichen Situation. Und
diese muss letztlich massgebend bleiben, wenn festzustellen ist, inwieweit die
einheitliche Behandlung von über- und untergeordneten Gesellschaften geboten
erscheint (so v. STEIGER, a.a.O. S. 274 a ff.).
4. ­ Prüft man den Streitfall im Lichte der vorstehenden Grundsätze, so ergibt
sich:
a) Es ist offenkundig, dass die Beklagte ihre Tochtergesellschaften,
insbesondere die Y. und die T. vollständig beherrscht hat und noch beherrscht.
Das geht einwandfrei aus den Handlungen ihres Verwaltungsrates hervor. Er war
es, der in den Jahren 1934 - 1937 den Rückkauf von Trustaktien durch die
Tochtergesellschaften anordnete, und zwar im ausschliesslichen Interesse der
Beklagten, nämlich zur Vorbereitung der ursprünglich in Aussicht genommenen
Herabsetzung ihres Grundkapitals. Mit der gleichen Machtvollkommenheit
verschob der Verwaltungsrat später einen Teil der Aktien von der Y. ins
Portefeuille

Seite: 286
der T. Die Abhängigkeit beider Unternehmen offenbart sich vollends in der
souveränen Art, mit der der Verwaltungsrat im Februar 1940 über die Verwendung
der zur Herstellung einer schweizerischen Majorität notwendigen Anzahl
Trustaktien beriet und verfügte. Das geschah wiederum zu einem Zweck, der nur
oder doch vorwiegend der Beklagten selber diente. Derartige Kompetenzen setzen
als Grundlage eine auf unbedingte Subordination der Tochtergesellschaften
bedachte Gestaltung der rechtlichen Beziehungen voraus. Die Beklagte gibt denn
auch zu, dass sie ihre Tochtergesellschaften «kontrolliert». Sie anerkennt,
dass die Y. eine Finanzierungsgesellschaft war. Sie bestreitet nicht, dass
deren Aktien zu 100 % in ihren Händen lagen und dass gleiches für die T.
zutrifft. Die enge Verbundenheit dieses letzteren Unternehmens mit der
Beklagten erhellt ferner daraus, dass beide das nämliche Geschäftsdomizil
haben und dass in den Verwaltungsräten eine teilweise Personalunion besteht.
Aus alledem folgt in der Tat die rechtlich-wirtschaftliche Beherrschung der
Tochtergesellschaften durch die Beklagte.
Es entspricht diesem Herrschaftsverhältnis, wenn die Beklagte selbst die in
den Portefeuilles der Tochtergesellschaften befindlichen Trustaktien als
«Nostroaktien» bezeichnet. Gewiss ist damit nicht ihr Eigentum an den Titeln
dargetan, wohl aber, dass diese für sie als Werte gelten, die in ihrer freien
Verfügungsgewalt stehen. Anders wäre der Verwaltungsrat auch gar nicht in der
Lage gewesen, über das Schicksal der formell den Tochtergesellschaften
gehörenden Trustaktien nach eigenem Gutfinden zu disponieren. Das Protokoll
der Sitzung vom 3. /5. Februar 1940 enthält in dieser Hinsicht
unmissverständliche Einträge. U.a. ist hier über die Diskussion des
Amortisationsprojektes zu lesen: «Es wird zunächst übereinstimmend
festgestellt, dass der Nostrobesitz derzeit einen Vorteil darstellt und dass
die gänzliche Amortisation des Nostrobesitzes zufolgedessen nicht in Frage
kommt. Und diesen «Vorteil» hat der Verwaltungsrat

Seite: 287
schon vorher für die Ziele der Beklagten ausgenützt, indem er anstelle der
Amortisation die Veräusserung eines Teiles des «Nostrobesitzes» in die Wege
leitete. Das und die nachfolgenden Vorgänge beleuchten in aller Schärfe auch
die Ohnmacht der betroffenen Tochtergesellschaft. Für sie waren die erhaltenen
Weisungen bindend. Durch die erforderlichen Vereinbarungen mit B. und mit der
A. vollzog sie den Willen der Beklagten. Es blieb ihr nicht einmal
anheimgestellt, die Aktien auf offenem Markte und in freier Wahl des Erwerbers
abzustossen. Die Beklagte bestimmte im voraus den genehmen Käufer, um den
Aktienbesitz, damit auch die Stimmrechte, in der von ihr gewünschten Richtung
zu lenken. Dergestalt setzte sie ihren massgebenden Einfluss gerade in dem für
das Leben der Aktiengesellschaft empfindlichsten Punkte durch.
Sonach unterliegt es keinem Zweifel, dass die 7700 Trustaktien nur kraft der
dominierenden Stellung und des daraus fliessenden unbeschränkten
Verfügungsrechts der Beklagten weitergegeben wurden, daher als sogenannte
Verwaltungsaktien zu qualifizieren sind.
b) Macht der Übergang dieser Aktien ins fiduziarische Eigentum des B. den
Einspruch gegen ihre Vertretung in der Generalversammlung der Beklagten
hinfällig? Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das aus zwei Gründen zu
verneinen
aa) Trotz der an sich gültigen Verträge sind die 7700 Trustaktien in engster
rechtlicher und wirtschaftlicher Verbindung mit der T. und durch sie mit der
Beklagten geblieben. Die Änderung in den Eigentumsverhältnissen ist nur eine
äusserlich-formale. Hierin liegt wohl auch der Kern der von den Klägern
angebrachten Simulationseinrede. Die Verträge sind nicht simuliert, sondern
enthalten den Willen der Beteiligten. Aber das rechtlich Gewollte zeitigt in
der Wirkung nicht die Lösung der Aktien aus dem Bannbereich der Beklagten. Das
wird sofort klar, wenn man die Abmachungen im Zusammenhang betrachtet und den
darin vorgesehenen normalen Ablauf der Dinge

Seite: 288
herausgreift. Darnach sollen die Aktien mit Ende der achtjährigen
Vertragsdauer an die T. zurückgelangen. Inzwischen besitzt sie vorerst B. als
Treuhänder der A. Beider Eigentumsrechte sind durch die übernommenen
Rückgabeverpflichtungen zeitlich beschränkt. Beide haben hinsichtlich des
Wertes der Aktien keinerlei Risiko übernommen. Kauf- und Weiter- bezw.
Rückverkaufspreis sind in allen Verträgen gleich festgesetzt, sodass
Wertverminderung oder Wertvermehrung allein die Tochtergesellschaft der
Beklagten trifft, die schlussendlich wieder unbeschränkte Inhaberin der Titel
wird. Entsprechend erfolgte keine Effektivzahlung. Die Y. wurde von B. für den
Kaufpreis nur buchmässig erkannt. Zum gleichen Preis muss die A. später die
Aktien übernehmen und sie an die T. zurückverkaufen. Daraus ergibt sich dann
ohne weiteres die verrechnungsweise Kaufpreistilgung unter Entlastung des B.
Ähnliches gilt für die Erträgnisse. Diese können zwar von B. bezogen und
behalten werden. Sie sind aber später der A. anzurechnen, sei es an den
Kaufpreis, sei es ­ bei direkter Rückgabe der Aktien an die T. ­ an die
vereinbarte Kommission. Auch im letzteren Fall bleibt B. unter dem Titel
«Erträgnisse», je nach Höhe der Kommission und der Dividenden, möglicherweise
nichts oder nicht viel. Das wirtschaftliche Element in bezug auf seine
Beteiligung ist also lediglich in der stabilen Kommission zu erkennen. Was mit
den Erträgnissen endgültig zu geschehen hat, wenn die A. der
Abnahmeverpflichtung gegenüber B. nachkommt, ist allerdings ungeklärt. Da die
A. nicht effektive Zahlung leisten, sondern B. durch Rückgabe der Titel an die
Erstverkäuferin entlasten wird, liegt die Entscheidung zwischen ihr und der T.
Der Vertrag enthält darüber keine Angaben. Die Frage kann indessen offen
bleiben. Wesentlich ist, dass die Erträgnisse grundsätzlich nicht B. zukommen,
sondern verrechnet werden müssen. Mithin kann keine Rede davon sein, dass mit
dem Eigentum an den Aktien Nutzen und Gefahr an B. übergegangen wären.
Ebensowenig trifft das für die

Seite: 289
A. zu. Diese, bezw. die hinter ihr stehende Gruppe Th. weigerte sich von allem
Anfang an, durch die Aktienübertragung irgend ein Risiko einzugehen. Das
erhellt aus der Stellungnahme ihres Repräsentanten im Verwaltungsrat der
Beklagten anlässlich der Sitzung vom 3./ 5. Februar 1940. Damals schlug der
Verwaltungsratspräsident in der Annahme, dass die schweizerische Majorität nur
durch die Gruppe Th. hergestellt werden könne, eine Wertschriftenhinterlage
zur Sicherstellung des gestundeten Kaufpreises für die aus dem Nostrobesitz
abzugebenden Aktien vor. Dr. Th. fand sich dazu nicht bereit. Er erklärte,
dass er «auf die Transaktion nicht eintreten könnte, wenn eine solche
Bedingung gestellt würde». Wie die Verträge zeigen blieb es bei dieser
Ablehnung des Risikos.
Die dreiseitigen Vereinbarungen laufen also auf eine rein formale Verschiebung
der Aktien ohne wirtschaftliche Konsequenzen hinaus. Das Interesse am
Kapitalwert der Titel wie die damit verbundenen Gefahren sind restlos bei der
T. geblieben. An sie werden die Aktien sozusagen automatisch wieder
zurückgehen. Diese haben daher ihren Charakter als trusteigene Aktien nicht
verloren. B. besitzt und verwaltet sie letztlich für die T. Er ist, zwar nicht
der Form nach aber im Effekt, deren Treuhänder und vertritt deren Interessen,
damit implicite diejenigen der Beklagten als der beherrschenden Gesellschaft.
Das aber verbietet die Zulassung der von B. gehaltenen Aktien zum Stimmrecht.
Wie erwähnt betreffen die eben angestellten Überlegungen nur den Normalfall.
Sie kennzeichnen aber auch die Situation, die im Zeitpunkt der angefochtenen
Beschlüsse bestand und noch immer besteht. Darauf muss bei der Beurteilung
abgestellt werden. Ausserdem haben es die Parteien in der Hand, die Verträge
zu verlängern bis die Erhaltung einer schweizerischen Mehrheit im Aktienbesitz
nicht mehr notwendig ist. Es bleibt daher ungewiss, ob sie von den möglichen
Ausnahmebehelfen jemals Gebrauch machen wollen oder müssen. Jedenfalls könnte
das

Seite: 290
erst in Zukunft geschehen und wäre für den jetzigen Zustand ohne Belang.
bb) Zu Anfang 1940 belief sich der in den Portefeuilles der
Tochtergesellschaften liegende sogenannte Nostrobesitz der Beklagten auf 16569
Aktien. Ihm wurden in der Folge die an B. veräusserten 7700 Stück entnommen.
Die restlichen Aktien waren im Umlauf und gemäss Präsenzliste der
Generalversammlung vom 21. September 1944 mehrheitlich wie folgt verteilt:
auf die Gruppen S. und L. mit 26814 Stück,
auf die Gruppe Th. (A.) mit 23481 Stück,
auf die Verwaltungsräte (ohne Dr. Th.) mit 160 Stück.
Somit entfallen auf nicht vertretenen Splitterbesitz 2976 Stück. In der
Generalversammlung vom 12. Mai 1945 waren die Vertretungsverhältnisse nicht
wesentlich verschieden.
Zum Zwecke der Schaffung einer schweizerischen Majorität wurden die 7700
Nostroaktien an B. verkauft. Es geht jedoch aus den Verhandlungen des
Verwaltungsrates der Beklagten hervor, dass nach dessen Intentionen die
Mehrheitsbildung der Gruppe Th. zugedacht war. Und ihr fiel sie, wenn auch
durch die gewollte Vermittlung eines Dritten, tatsächlich zu. Als
fiduziarischer Käufer wurde B. zwar Eigentümer der Aktien. Er war daher
formell berechtigt, u.a. das mit dem Aktienbesitz verbundene Stimmrecht
auszuüben. In Wirklichkeit aber verfügt über seine Stimmkraft die Treugeberin,
also die A. bezw. die Gruppe Th. B. ist in seiner risikolosen
Treuhänderstellung an den Belangen der Beklagten völlig uninteressiert. Das
bewies er selber indem er seine Aktien in der Generalversammlung vom 21.
September 1944 durch ein Mitglied des Verwaltungsrates der Beklagten, in der
Generalversammlung vom 12. Mai 1945 durch den Direktor einer anderen Bank
vertreten liess. Anderseits könnte die A. selbst gegen einen eventuellen
Widerstand des B. ihren Willen ohne weiteres durchsetzen. Denn nach den
Abmachungen ist

Seite: 291
sie berechtigt, die Aktien während der Vertragsdauer jederzeit in ihre
unmittelbare Gewalt zu bringen. Praktisch, wenn auch indirekt, sind die Aktien
ihr zugewiesen. Dadurch fiel der Gruppe Th. die Mehrheit der in den beiden
Generalversammlungen vertretenen Aktien zu. Überdies hat sie die absolute
Mehrheit aller im Umlauf befindlichen Aktien inne, da sie zusammen mit
denjenigen des B. insgesamt über 31181 Stück gebietet.
Mittels der Verträge wurde also die Mehrheitsstellung einer einzelnen
Aktionärgruppe herbeigeführt. Das muss als unstatthaft erklärt werden.
Andernfalls könnte der Verwaltungsrat durch die formelle Aktivierung
gesellschaftseigener Aktien die Stimmverhältnisse ermessensweise reglieren und
es wäre der dauernden Vergewaltigung der Generalversammlung offene Bahn
gegeben. Das würde allem, was oben über die Bedeutung und die Funktionen
dieses obersten Gesellschaftsorgans ausgeführt wurde, widersprechen. Gewiss
kann sich in jeder Gesellschaft eine Mehrheit natürlich herausbilden, die dann
in der Lage ist, der Minderheit ihren Willen aufzuzwingen. Derart
zustandegekommene Beschlüsse sind nur anfechtbar, wenn erwiesenermassen die
Mehrheit sich von unsachlichen Motiven leiten liess (BGE 69 II 257). Von
diesem Standpunkte aus könnte man die Kläger verhalten, einen entsprechenden
Beschluss abzuwarten. Bezüglich der Aufnahme von zwei angesehenen
schweizerischen Persönlichkeiten in den Verwaltungsrat dürfte die genannte
Voraussetzung kaum zutreffen. Den Klägern liegt aber offensichtlich weniger an
der Umstossung der an sich harmlosen Wahlen als daran, die Zulassung der 7700
von B. gehaltenen Aktienstimmen ein für allemal zu verhindern. Hier geht es um
das Prinzip. Denn bei Mitwirkung dieser Stimmen sehen sich die Kläger eben
nicht vor eine auf natürlichem Wege entstandene, sondern vor eine künstlich
gemachte Majorität gestellt. Und Verschiebungen der vorliegenden Art hat sich
die Minderheit in der Tat nicht gefallen zu lassen. Sie ist berechtigt, gegen
eine so

Seite: 292
gestaltete Übermacht aufzutreten und jeden von ihr gefassten Beschluss
anzufechten. Im internen Leben der Gesellschaft soll sich die letzte
Auseinandersetzung unter den Aktionären vollziehen, und zwar im
unbeeinflussten Spiel der Kräfte auf Grund wirklicher Machtverhältnisse. Die
freie Willensbildung der Generalversammlung ist nur gewährleistet, wenn jede
künstliche Mehrheitsbildung durch die Verwaltung, wie sie hier mit der
Verschiebung eigener Aktien ohne reale Interessen- und Risikobelastung erfolgt
ist, verunmöglicht wird. Das muss, soweit die Aktienverschiebung als solche
rechtlich erhalten bleibt, durch Versagen des Stimmrechts geschehen.
5. ­ Sonach ist die Rechtslage zusammengefasst die, dass trotz Bestandes der
Verträge und ihrer Wirkungen in bezug auf Eigentum oder Besitz der 7700 Aktien
deren Stimmrecht zu ruhen hat. Das führt zur Gutheissung der Klagebegehren.
Denn die angefochtenen Generalversammlungsbeschlüsse sind erstelltermassen nur
durch die Mitwirkung der nicht stimmberechtigten Aktien zustandegekommen,
deshalb ungültig.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 72 II 274
Datum : 01. Januar 1946
Publiziert : 10. März 1946
Quelle : Bundesgericht
Status : 72 II 274
Sachgebiet : BGE - Zivilrecht
Gegenstand : Aktienrecht; Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen.Ob Aktien einer Holdinggesellschaft, die...


Gesetzesregister
OR: 18 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 18 - 1 Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
1    Bei der Beurteilung eines Vertrages sowohl nach Form als nach Inhalt ist der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten, die von den Parteien aus Irrtum oder in der Absicht gebraucht wird, die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen.
2    Dem Dritten, der die Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, kann der Schuldner die Einrede der Simulation nicht entgegensetzen.
659 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 659 - 1 Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
1    Die Gesellschaft darf eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe des Anschaffungswerts vorhanden ist.
2    Der Erwerb eigener Aktien ist auf 10 Prozent des im Handelsregister eingetragenen Aktienkapitals beschränkt.
3    Steht der Erwerb im Zusammenhang mit einer Übertragbarkeitsbeschränkung oder einer Auflösungsklage, so beträgt die Höchstgrenze 20 Prozent. Die über 10 Prozent hinaus erworbenen Aktien sind innert zweier Jahre zu veräussern oder durch Kapitalherabsetzung zu vernichten.
669 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 669
691 
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 691 - 1 Die Überlassung von Aktien zum Zwecke der Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung ist unstatthaft, wenn damit die Umgehung einer Stimmrechtsbeschränkung beabsichtigt ist.
1    Die Überlassung von Aktien zum Zwecke der Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung ist unstatthaft, wenn damit die Umgehung einer Stimmrechtsbeschränkung beabsichtigt ist.
2    Jeder Aktionär ist befugt, gegen die Teilnahme unberechtigter Personen beim Verwaltungsrat oder zu Protokoll der Generalversammlung Einspruch zu erheben.
2bis    Mitglieder des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung sind berechtigt, an der Generalversammlung teilzunehmen.499
3    Wirken Personen, die zur Teilnahme an der Generalversammlung nicht befugt sind, bei einem Beschlusse mit, so kann jeder Aktionär, auch wenn er nicht Einspruch erhoben hat, diesen Beschluss anfechten, sofern die beklagte Gesellschaft nicht nachweist, dass diese Mitwirkung keinen Einfluss auf die Beschlussfassung ausgeübt hatte.
706
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 706 - 1 Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
1    Der Verwaltungsrat und jeder Aktionär können Beschlüsse der Generalversammlung, die gegen das Gesetz oder die Statuten verstossen, beim Gericht mit Klage gegen die Gesellschaft anfechten.
2    Anfechtbar sind insbesondere Beschlüsse, die:
1  unter Verletzung von Gesetz oder Statuten Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
2  in unsachlicher Weise Rechte von Aktionären entziehen oder beschränken;
3  eine durch den Gesellschaftszweck nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung oder Benachteiligung der Aktionäre bewirken;
4  die Gewinnstrebigkeit der Gesellschaft ohne Zustimmung sämtlicher Aktionäre aufheben.561
5    Das Urteil, das einen Beschluss der Generalversammlung aufhebt, wirkt für und gegen alle Aktionäre.
BGE Register
43-II-293 • 69-II-246 • 71-II-99 • 72-II-274
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
beklagter • tochtergesellschaft • verwaltungsrat • eigentum • muttergesellschaft • kaufpreis • frist • wille • aktiengesellschaft • eigene aktien • holdinggesellschaft • frage • stelle • rechtslage • bundesgericht • charakter • minderheit • simulation • stimmberechtigter • bewilligung oder genehmigung
... Alle anzeigen