S. 32 / Nr. 8 Erfindungspatente (d)

BGE 70 IV 32

8. Urteil des Kassationshofs vom 11. Februar 1944 i.S. Baumann gegen H.
Schuberth, FOFAG, Forsanosefabrik.


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Regeste:
Patentberühmung, Art. 46 PatG.
Begriff des Versehene der Ware usw. mit einer ein Patent vortäuschenden
Bezeichnung (Erw. 1).
Das Inverkehrbringen der Ware oder der Geschäftspapiere ist
Tatbestandsmerkmal. Mittäterschaft durch Inverkehrbringen (Erw. 2).
Faire croire à l'existence d'un brevet, art. 46 loi sur les brev. d'inv.
Notion de l'acte de munir un produit, etc. d'une mention tendant à faire
croire à l'existence d'un brevet (consid. 1).
La? mise en circulation de la marchandise ou des papiers de commerce est un
élément constitutif de l'infraction. Participation par coauteur du fait de la
mise en circulation (consid. 2).
Far credere che esista un brevetto, art. 46 della legge sui brevetti
d'invenzione.
Nozione del munire un prodotto, eco. di una menzione intesa a far credere che
esista un brevetto (consid. 1).
La messa in circolazione della merce o delle carte d'affari è un elemento
costitutivo dell'infrazione. Partecipazione alla messa in circolazione
(consid. 2).

Aus dem Talbestand:
Der Beschwerdeführer Baumann, Leiter der schweizerischen Zweigniederlassung
einer chemischen Fabrik in Frankfurt a. M., versandte in der Schweiz einen
durch das Hauptgeschäft gedruckten Werbeprospekt, in dem ein Präparat als
patentiert bezeichnet wird, während in der Schweiz dafür kein Patent besteht.
Er wurde deswegen vom Bezirksgericht Zürich der Patentberühmung gemäss Art. 46
PatG schuldig erklärt. Der Kassationshof weist seine Beschwerde ab.
Aus den Erwägungen:
1.- Nach Art. 46 PatG wird mit Geldbusse bis zu Fr. 1000.­bestraft, wer
unbefugterweise seine Geschäftspapiere,

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Anzeigen oder Erzeugnisse mit einer Bezeichnung versieht, welche zum Glauben
verleiten soll, dass ein Patent besteht.
Die Vorinstanz logt diese Vorschrift in strenger Anlehnung an den Wortlaut
dahin aus, dass es ausschliesslich auf das Versehen der Ware oder
Geschäftspapiere mit der ein Patent vortäuschenden Bezeichnung ankomme,
während das Inverkehrbringen der so bezeichneten Ware oder Papiere nicht
erforderlich, aber auch nicht genügend sei für die Erfüllung des
Straftatbestandes der Patentberühmung. Sie erblickt jedoch in dem vom
Beschwerdeführer zu vertretenden Versand der in Frage stehenden Werbeprospekte
wegen der darin liegenden Bezugnahme auf die Ware ein Versehen derselben mit
der Patentbezeichnung. Diese Auffassung ist indes abwegig. Nach dem
allgemeinen Sprachgebrauch versieht eine Ware oder ein Papier mit einer auf
ein Patent hinweisenden Bezeichnung, wer diese darauf anbringt. Es ist somit
eine körperliche Verbindung zwischen Bezeichnung und Ware bezw. Papier
erforderlich, damit von einem Versehen gesprochen werden kann. Ein bloss
mittelbares Versehen, wie es der Vorinstanz vorzuschweben scheint, gibt es
nicht. Wäre das Gesetz in dem von der Vorinstanz vertretenen Sinne
aufzufassen, so bedürfte es einer besonderen Erwähnung der Patentberühmung
durch Anbringen des auf ein Patent hinweisenden Zeichens auf den
Geschäftspapieren überhaupt nicht, wie der Beschwerdeführer mit Recht bemerkt.
Denn jede Verwendung von Geschäftspapieren mit einer solchen Bezeichnung
stellte dann ein mittelbares Versehen der Ware selbst mit der Bezeichnung dar.
2.- Die Beschwerde erweist sich jedoch gleichwohl als unbegründet. Der
Beschwerdeführer hat den Tatbestand der Patentberühmung dadurch erfüllt, dass
er die in Frage stehenden Werbeprospekte in der Schweiz in Verkehr gebracht
hat. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz muss nämlich zu dem Anbringen der auf
ein Patent hinweisenden Bezeichnung auch noch das Inverkehrbringen

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hinzutreten, damit der Tatbestand der Patentberühmung erfüllt ist. Anders kann
der Wortlaut des Gesetzes vernünftigerweise gar nicht verstanden werden. Der
Zweck der Gesetzesvorschrift geht dahin, das Publikum vor einer Täuschung über
das Bestehen eines Patentschutzes zu behüten. Eine solche Täuschungsgefahr
besteht aber nur, wenn die Waren oder Geschäftspapiere, welche diese
Bezeichnung tragen, in den Verkehr gelangen. Das blosse Versehen, das
Anbringen der Bezeichnung für sich allein, schafft eine solche Gefahr noch
nicht.
Nach der Meinung des Beschwerdeführers ist die Bestimmung so zu verstehen,
dass das allein massgebende Anbringen der täuschenden Bezeichnung in der
Absicht auf nachheriges Inverkehrbringen geschehen sein müsse, während das
Inverkehrbringen selber nicht Tatbestandsmerkmal sei. Allein diese
Betrachtungsweise ist gekünstelt und führt in ihren praktischen Auswirkungen
zu unhaltbaren Ergebnissen. Könnte doch bei Abstellen auf sie das Gesetz mit
Leichtigkeit dadurch umgangen werden, dass ein Geschäftsmann auf seinen Waren
und Papieren unbefugterweise das Patentzeichen anbrächte, mit dem
Inverkehrbringen aber bis nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist
zuwartete; dann könnte er sich ungestraft die aus der Irreführung des
Publikums über das Bestehen eines Patentschutzes sich ergebenden Vorteile
verschaffen. Ebenso müsste unbehelligt gelassen werden, wer von einem
Geschäftsvorgänger Waren und Papiere erworben hat, die solche unwahre
Bezeichnungen tragen, und sie hernach in Verkehr bringt. Dass eine Lösung, die
zu solchen Ergebnissen führt, im Willen des Gesetzgebers gelegen habe, darf
aber nicht vermutet werden. Von einer unzulässigen Auslegung des Gesetzes kann
nicht die Rede sein, wenn dem Gesetzeswortlaut derjenige Sinn beigelegt wird,
der sich als der allein vernünftige aufdrängt.
Ist aber das Inverkehrbringen Tatbestandsmerkmal des Delikts der
Patentberühmung, so ist der Einwand des Beschwerdeführers unbehelflich, er
habe den in Frage

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stehenden Prospekt von der Hauptniederlassung in Frankfurt fertig gedruckt
erhalten, habe also die das Bestehen eines Patentes behauptende Bemerkung
nicht selber im Text angebracht. Durch das Inverkehrbringen der Prospekte hat
er eine massgebende Ausführungshandlung begangen. Da er dabei in seiner
Eigenschaft als verantwortlicher Filialleiter tätig geworden ist, nimmt er
nicht nur die Stellung eines nebensächlich Beteiligten ein, sondern diejenige
eines hauptsächlich mitwirkenden. Er ist deshalb nach der im StGB massgebenden
subjektiven Theorie als Mittäter zu betrachten (BGE 69 IV 97).
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 70 IV 32
Datum : 01. Januar 1943
Publiziert : 11. Februar 1944
Quelle : Bundesgericht
Status : 70 IV 32
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Patentberühmung, Art. 46 PatG.Begriff des Versehene der Ware usw. mit einer ein Patent...


Gesetzesregister
PatG: 46
BGE Register
69-IV-97 • 70-IV-32
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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