Urteilskopf

123 IV 84

13. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Dezember 1996 i.S. G. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste (de):

Regeste (fr):

Regesto (it):


Sachverhalt ab Seite 84

BGE 123 IV 84 S. 84

A.- G. fuhr am 10. April 1995 am Steuer seines Personenwagens auf der Autobahn N2 im Gemeindegebiet Emmen in Richtung Basel und überschritt dabei die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 27 km/h (nach Abzug der Sicherheitsmarge von 6 km/h). Die hier gegebene Geschwindigkeitsbeschränkung beruht auf folgender Grundlage: Am 26. Mai 1992 verfügte der Regierungsrat des Kantons Luzern im Raum Luzern auf bestimmten Streckenabschnitten der Nationalstrassen N2 und N14 Geschwindigkeitsbeschränkungen, unter anderem die hier in Frage stehende. Am 25. Juni 1992 genehmigte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die Verfügung, worauf sie am 4. Juli 1992 im Luzerner Kantonsblatt veröffentlicht wurde. Allfälligen Beschwerden wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. Gegen die Verfügung des Kantons Luzern erhoben zahlreiche juristische und natürliche Personen fristgerecht Beschwerde beim Schweizerischen Bundesrat. Ein Antrag auf Wiedererteilung der aufschiebenden Wirkung wurde vom Eidgenössischen Finanzdepartement als Instruktionsinstanz mit Verfügung vom 1. September 1992 abgewiesen. Am 4. Dezember 1992 erliess der Regierungsrat des Kantons Luzern eine neue Verfügung über Geschwindigkeitsbeschränkungen auf den Nationalstrassen N2
BGE 123 IV 84 S. 85

und N14 im Raum Luzern. Die hier in Frage stehende Geschwindigkeitsbeschränkung wurde beibehalten. Am 19. Juni 1995 hob der Schweizerische Bundesrat die Verfügungen des Regierungsrates des Kantons Luzern vom 26. Mai und vom 4. Dezember 1992 auf. Bereits am 12. April 1995 hatte der Bundesrat in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, dass die von den Luzerner Behörden verfügten Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht mehr gerechtfertigt seien. Aufgrund dieser Pressemitteilung beschloss die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern am 3. Mai 1995, nur noch die bis und mit 11. April 1995 wegen Verstosses gegen die angefochtene Höchstgeschwindigkeit fehlbaren Fahrzeuglenker strafrechtlich zu verfolgen.
B.- Das Amtsgericht Hochdorf bestrafte G. am 7. März 1996 wegen Überschreitens der signalisierten Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 90 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt.
3    Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu vier Jahren wird bestraft, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, waghalsiges Überholen oder Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen.
3bis    Die Mindeststrafe von einem Jahr kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 unterschritten werden, wenn ein Strafmilderungsgrund nach Artikel 48 StGB235 vorliegt, insbesondere wenn der Täter aus achtenswerten Beweggründen gehandelt hat.236
3ter    Der Täter kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 mit Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren oder Geldstrafe bestraft werden, wenn er nicht innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Tat wegen eines Verbrechens oder Vergehens im Strassenverkehr mit ernstlicher Gefahr für die Sicherheit anderer, respektive mit Verletzung oder Tötung anderer verurteilt wurde.237
4    Eine besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegt vor, wenn diese überschritten wird um:
a  mindestens 40 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 30 km/h beträgt;
b  mindestens 50 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 50 km/h beträgt;
c  mindestens 60 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 80 km/h beträgt;
d  mindestens 80 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit mehr als 80 km/h beträgt.238
5    Artikel 237 Ziffer 2 des Strafgesetzbuches239 findet in diesen Fällen keine Anwendung.
SVG (SR 741.01) mit einer Busse von Fr. 280.--.
C.- Das Obergericht des Kantons Luzern wies am 25. September 1996 eine Kassationsbeschwerde des G. ab, soweit es darauf eintrat.
D.- G. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des Obergerichtes und das Urteil des Amtsgerichtes aufzuheben; er sei vom Vorwurf des Überschreitens der signalisierten Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn freizusprechen bzw. die Sache sei zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. a) Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV geltend, weil die Vorinstanz ihn wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung, begangen am 10. April 1995, bestrafte, obwohl entsprechende Geschwindigkeitsüberschreitungen mit Wirkung ab 12. April nicht mehr verfolgt wurden. Darin liege eine vor der Verfassung nicht haltbare Ungleichbehandlung. Auf die Beschwerde ist auch insoweit nicht einzutreten. Denn die Frage, ob der Beschwerdeführer aus Gründen der Gleichbehandlung ebenfalls nicht hätte verfolgt werden dürfen, ist nicht ein Frage des eidgenössischen Rechtes; sie hätte dem Bundesgericht mit
BGE 123 IV 84 S. 86

staatsrechtlicher Beschwerde vorgelegt werden müssen (vgl. BGE 115 Ia 81 betreffend Gleichbehandlung im Unrecht). b) Die Beschwerde wäre im übrigen in diesem Punkte, auch wenn man sie insoweit als staatsrechtliche Beschwerde entgegennehmen würde, unbegründet, da die Entscheidung der Staatsanwaltschaft auf sachlichen Gründen beruht. Wenn die Öffentlichkeit durch die Presse am 12. April 1995 über den Entscheid des Bundesrates orientiert wurde, dann war es sachlich gerechtfertigt, auf dieses Datum abzustellen, wenn man bereits vor der formellen Aufhebung der Geschwindigkeitsbeschränkung und der Entfernung der Signaltafeln von einer Strafverfolgung absehen wollte. Ob es im übrigen angebracht war, vor der Entfernung der Signaltafeln auf eine Verfolgung von Geschwindigkeitsüberschreitungen zu verzichten, und ob nicht im Interesse der Rechtssicherheit damit bis zum Vollzug des Beschwerdeentscheides des Bundesrates hätte zugewartet werden müssen, kann bei dieser Sachlage offenbleiben.
3. Der Beschwerdeführer bringt vor, seine Bestrafung verletze den Grundsatz der lex mitior (Art. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
StGB). a) Nach Art. 102 Ziff. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 102 - 1 Die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches267 sind anwendbar, soweit dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält.
1    Die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches267 sind anwendbar, soweit dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält.
2    Die besonderen Bestimmungen des Strafgesetzbuches bleiben vorbehalten, ebenso die Gesetzgebung über die Bahnpolizei.
SVG sind die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches auch auf das Strassenverkehrsgesetz anwendbar, soweit dieses keine abweichenden Vorschriften enthält. Da dies nicht der Fall ist, findet Art. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
StGB Anwendung (vgl. BGE 116 IV 258 E. 3b). Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist das neue mildere Recht auf Taten anzuwenden, die noch vor Inkrafttreten des neuen Rechtes begangen wurden. Eine zum Zeitpunkt ihrer Begehung strafbare Verhaltensweise kann also strafrechtlich nicht mehr erfasst werden, wenn ihre strafrechtliche Beurteilung erst nach der Abschaffung der Strafbestimmung erfolgt. So konnte beispielsweise ein zum Zeitpunkt der Begehung strafbarer Ehebruch gemäss Art. 214 aStGB nach Aufhebung dieser Bestimmung am 1. Januar 1990 nicht mehr bestraft werden. Entsprechendes gilt für den im alten Recht weiter gefassten Tatbestand der unzüchtigen Veröffentlichungen gemäss Art. 204 aStGB: Verhaltensweisen, die zum Zeitpunkt ihrer Begehung noch von Art. 204 aStGB erfasst waren, konnten mit dem Inkrafttreten des neuen Sexualstrafrechtes nur noch bestraft werden, wenn sie auch nach neuem Recht unter die Strafbestimmung der Pornographie gemäss Art. 197
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 197 - 1 Wer pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornografische Vorführungen einer Person unter 16 Jahren anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht oder durch Radio oder Fernsehen verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornografische Vorführungen einer Person unter 16 Jahren anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht oder durch Radio oder Fernsehen verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1 öffentlich ausstellt oder zeigt oder sie sonst jemandem unaufgefordert anbietet, wird mit Busse bestraft. Wer die Besucher von Ausstellungen oder Vorführungen in geschlossenen Räumen im Voraus auf deren pornografischen Charakter hinweist, bleibt straflos.
3    Wer eine minderjährige Person anwirbt, damit diese an einer pornografischen Vorführung mitwirkt, oder wer sie zur Mitwirkung an einer derartigen Vorführung veranlasst, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
4    Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1, die sexuelle Handlungen mit Tieren oder mit Gewalttätigkeiten unter Erwachsenen oder nicht tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Haben die Gegenstände oder Vorführungen tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
5    Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1, die sexuelle Handlungen mit Tieren oder mit Gewalttätigkeiten unter Erwachsenen oder nicht tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt haben, konsumiert oder zum eigenen Konsum herstellt, einführt, lagert, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft. Haben die Gegenstände oder Vorführungen tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
6    Bei Straftaten nach den Absätzen 4 und 5 werden die Gegenstände eingezogen.
7    Handelt der Täter mit Bereicherungsabsicht, so ist mit Freiheitsstrafe eine Geldstrafe zu verbinden.
8    Minderjährige von mehr als 16 Jahren bleiben straflos, wenn sie voneinander einvernehmlich Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1 herstellen, diese besitzen oder konsumieren.
9    Gegenstände oder Vorführungen im Sinne der Absätze 1-5 sind nicht pornografisch, wenn sie einen schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert haben.
StGB fielen. Wer also im September 1992 eine nach dem damals noch gültigen alten Recht strafbare unzüchtige Veröffentlichung vornahm, konnte mit dem Inkrafttreten des neuen Rechtes am 1. Oktober 1992 nicht mehr bestraft werden, wenn
BGE 123 IV 84 S. 87

die Verhaltensweise nicht unter die neue Pornographiebestimmung fiel. b) Art. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
StGB ist auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar. Der Beschwerdeführer wurde bestraft wegen Verletzung von Verkehrsregeln nach Art. 90 Ziff. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 90 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt.
3    Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu vier Jahren wird bestraft, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, waghalsiges Überholen oder Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen.
3bis    Die Mindeststrafe von einem Jahr kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 unterschritten werden, wenn ein Strafmilderungsgrund nach Artikel 48 StGB235 vorliegt, insbesondere wenn der Täter aus achtenswerten Beweggründen gehandelt hat.236
3ter    Der Täter kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 mit Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren oder Geldstrafe bestraft werden, wenn er nicht innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Tat wegen eines Verbrechens oder Vergehens im Strassenverkehr mit ernstlicher Gefahr für die Sicherheit anderer, respektive mit Verletzung oder Tötung anderer verurteilt wurde.237
4    Eine besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegt vor, wenn diese überschritten wird um:
a  mindestens 40 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 30 km/h beträgt;
b  mindestens 50 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 50 km/h beträgt;
c  mindestens 60 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 80 km/h beträgt;
d  mindestens 80 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit mehr als 80 km/h beträgt.238
5    Artikel 237 Ziffer 2 des Strafgesetzbuches239 findet in diesen Fällen keine Anwendung.
SVG. Danach macht sich strafbar, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. Der Beschwerdeführer wurde bestraft, weil er eine signalisierte Höchstgeschwindigkeit missachtet hat (Art. 27 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 27 - 1 Signale und Markierungen sowie die Weisungen der Polizei sind zu befolgen. Die Signale und Markierungen gehen den allgemeinen Regeln, die Weisungen der Polizei den allgemeinen Regeln, Signalen und Markierungen vor.
1    Signale und Markierungen sowie die Weisungen der Polizei sind zu befolgen. Die Signale und Markierungen gehen den allgemeinen Regeln, die Weisungen der Polizei den allgemeinen Regeln, Signalen und Markierungen vor.
2    Den Feuerwehr-, Sanitäts-, Polizei- und Zollfahrzeugen ist beim Wahrnehmen der besonderen Warnsignale die Strasse sofort freizugeben. Fahrzeuge sind nötigenfalls anzuhalten.99
SVG). Die Pflicht, Signale zu befolgen, wurde durch den Beschwerdeentscheid des Bundesrates, mit welchem die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung aufgehoben wurde, nicht in Frage gestellt. Ebenso wurde mit dem Entscheid des Bundesrates die Verfügung des Regierungsrates des Kantons Luzern nicht rückwirkend aufgehoben, nachdem insbesondere das Eidgenössische Finanzdepartement Begehren um aufschiebende Wirkung abgewiesen hatte. Im vorliegenden Zusammenhang kann im übrigen offenbleiben, ob die Verkehrsteilnehmer verpflichtet waren, bis zur Entfernung der Signalisation die ursprünglich angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung zu beachten oder ob die Missachtung der Signalisation nach dem Entscheid des Bundesrates strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden konnte, wogegen immerhin spricht, dass sich alle Verkehrsteilnehmer grundsätzlich auf die Gültigkeit von signalisierten Höchstgeschwindigkeiten verlassen dürfen (BGE 113 IV 123). Die Aufhebung einer Verkehrsbeschränkung bedeutet deshalb nicht, dass eine vor der Aufhebung erfolgte Missachtung der Beschränkung nach der Aufhebung in Anwendung der lex mitior nicht mehr bestraft werden dürfte. Grundgedanke des lex-mitior-Prinzips ist, dass die Tat zufolge Änderung der Rechtsanschauung nicht mehr bzw. weniger strafwürdig erscheint (BGE 89 IV 113 E. 1a), wie dies bei den oben erwähnten Beispielen der Aufhebung der Strafbestimmung betreffend den Ehebruch und der Änderung der Pornographiebestimmung gezeigt wurde. Die Aufhebung einer Geschwindigkeitsbeschränkung ändert nichts daran, dass nach der Rechtsanschauung eine von der gesetzlichen Höchstgeschwindigkeit abweichende signalisierte Höchstgeschwindigkeit beachtet werden muss. c) Auch aus der vom Beschwerdeführer angerufenen Rechtsprechung ergibt sich nichts anderes. So wurde in BGE 116 IV 258 E. 4e ausdrücklich bestätigt, dass nur eine geänderte Rechtsauffassung zur Anwendung von Art. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
StGB führen kann. Aus diesem Grunde

BGE 123 IV 84 S. 88

wurde angenommen, der Verstoss gegen eine nur vorübergehend geltende Sondervorschrift betreffend die Anwendbarkeit des Warenumsatzsteuerbeschlusses bleibe auch dann strafbar, wenn zum Zeitpunkt der Beurteilung die Sondervorschrift wieder aufgehoben war. Auch aus BGE 97 IV 233 lässt sich nichts anderes herleiten. Wenn das Bundesgericht in jener Entscheidung angenommen hat, eine Einschränkung des Anwendungsbereiches der Ausverkaufsverordnung führe dazu, dass ein vor der Änderung begangener Verstoss gegen die Ausverkaufsverordnung nun nach dem neuen milderen Recht zu beurteilen sei, dann offenbar deshalb, weil es davon ausgegangen ist, diese Änderung beruhe auf einer Änderung der Rechtsanschauung.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 123 IV 84
Datum : 23. Dezember 1996
Publiziert : 31. Dezember 1998
Quelle : Bundesgericht
Status : 123 IV 84
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 2 Abs. 2 StGB; Art. 27 Abs. 1 SVG, Art. 90 Ziff. 1 SVG und Art. 102 Ziff. 1 SVG; Aufhebung einer Geschwindigkeitsbeschränkung;


Gesetzesregister
BV: 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
SVG: 27 
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 27 - 1 Signale und Markierungen sowie die Weisungen der Polizei sind zu befolgen. Die Signale und Markierungen gehen den allgemeinen Regeln, die Weisungen der Polizei den allgemeinen Regeln, Signalen und Markierungen vor.
1    Signale und Markierungen sowie die Weisungen der Polizei sind zu befolgen. Die Signale und Markierungen gehen den allgemeinen Regeln, die Weisungen der Polizei den allgemeinen Regeln, Signalen und Markierungen vor.
2    Den Feuerwehr-, Sanitäts-, Polizei- und Zollfahrzeugen ist beim Wahrnehmen der besonderen Warnsignale die Strasse sofort freizugeben. Fahrzeuge sind nötigenfalls anzuhalten.99
90 
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 90 - 1 Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.
1    Mit Busse wird bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt.
2    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt.
3    Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu vier Jahren wird bestraft, wer durch vorsätzliche Verletzung elementarer Verkehrsregeln das hohe Risiko eines Unfalls mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingeht, namentlich durch besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, waghalsiges Überholen oder Teilnahme an einem nicht bewilligten Rennen mit Motorfahrzeugen.
3bis    Die Mindeststrafe von einem Jahr kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 unterschritten werden, wenn ein Strafmilderungsgrund nach Artikel 48 StGB235 vorliegt, insbesondere wenn der Täter aus achtenswerten Beweggründen gehandelt hat.236
3ter    Der Täter kann bei Widerhandlungen gemäss Absatz 3 mit Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren oder Geldstrafe bestraft werden, wenn er nicht innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Tat wegen eines Verbrechens oder Vergehens im Strassenverkehr mit ernstlicher Gefahr für die Sicherheit anderer, respektive mit Verletzung oder Tötung anderer verurteilt wurde.237
4    Eine besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegt vor, wenn diese überschritten wird um:
a  mindestens 40 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 30 km/h beträgt;
b  mindestens 50 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 50 km/h beträgt;
c  mindestens 60 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit höchstens 80 km/h beträgt;
d  mindestens 80 km/h, wo die Höchstgeschwindigkeit mehr als 80 km/h beträgt.238
5    Artikel 237 Ziffer 2 des Strafgesetzbuches239 findet in diesen Fällen keine Anwendung.
102
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 102 - 1 Die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches267 sind anwendbar, soweit dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält.
1    Die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches267 sind anwendbar, soweit dieses Gesetz keine abweichenden Vorschriften enthält.
2    Die besonderen Bestimmungen des Strafgesetzbuches bleiben vorbehalten, ebenso die Gesetzgebung über die Bahnpolizei.
StGB: 2 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
197
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 197 - 1 Wer pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornografische Vorführungen einer Person unter 16 Jahren anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht oder durch Radio oder Fernsehen verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornografische Vorführungen einer Person unter 16 Jahren anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht oder durch Radio oder Fernsehen verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1 öffentlich ausstellt oder zeigt oder sie sonst jemandem unaufgefordert anbietet, wird mit Busse bestraft. Wer die Besucher von Ausstellungen oder Vorführungen in geschlossenen Räumen im Voraus auf deren pornografischen Charakter hinweist, bleibt straflos.
3    Wer eine minderjährige Person anwirbt, damit diese an einer pornografischen Vorführung mitwirkt, oder wer sie zur Mitwirkung an einer derartigen Vorführung veranlasst, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
4    Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1, die sexuelle Handlungen mit Tieren oder mit Gewalttätigkeiten unter Erwachsenen oder nicht tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Haben die Gegenstände oder Vorführungen tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
5    Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1, die sexuelle Handlungen mit Tieren oder mit Gewalttätigkeiten unter Erwachsenen oder nicht tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt haben, konsumiert oder zum eigenen Konsum herstellt, einführt, lagert, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft. Haben die Gegenstände oder Vorführungen tatsächliche sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zum Inhalt, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
6    Bei Straftaten nach den Absätzen 4 und 5 werden die Gegenstände eingezogen.
7    Handelt der Täter mit Bereicherungsabsicht, so ist mit Freiheitsstrafe eine Geldstrafe zu verbinden.
8    Minderjährige von mehr als 16 Jahren bleiben straflos, wenn sie voneinander einvernehmlich Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Absatz 1 herstellen, diese besitzen oder konsumieren.
9    Gegenstände oder Vorführungen im Sinne der Absätze 1-5 sind nicht pornografisch, wenn sie einen schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert haben.
BGE Register
113-IV-123 • 115-IA-81 • 116-IV-258 • 123-IV-84 • 89-IV-113 • 97-IV-233
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesrat • 1995 • lex mitior • frage • regierungsrat • weiler • autobahn • inkrafttreten • bundesgericht • aufschiebende wirkung • strassenverkehrsgesetz • sachverhalt • staatsrechtliche beschwerde • ehebruch • vorinstanz • pressemitteilung • nationalstrasse • entscheid • strafgesetzbuch • pornographie
... Alle anzeigen