S. 102 / Nr. 24 Strafgesetzbuch (d)

BGE 74 IV 102

24. Urteil des Kassationshofes vom 21. Juni 1948. i. S. Staatsanwaltschaft des
Kantons Basel-Stadt gegen Pencherek.

Regeste:
Art. 273
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 273 - Wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis auskundschaftet, um es einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation oder privaten Unternehmung oder ihren Agenten zugänglich zu machen,
StGB. Wer ausländischen Stellen Schmuggelgeschäfte anzeigt, macht
sich des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes schuldig.
Art. 273 CP. Celui qui signale des affaires de contrebande à des organismes
étrangers se rend coupable de service de renseignements économiques.
Art. 273 CP. Colui che segnala ad un organismo straniero degli affari di
contrabbando si rende colpevole di spionaggio economico.

A. ­ Am 24. Juli 1947 meldete der in Basel wohnhafte Simon Pencherek den
französischen Zollbehörden, der ebenfalls in Basel wohnende Ariste Heim habe
für Fr. 500.- goldene Uhren gekauft und diese nach Frankreich geschmuggelt.
Die Anzeige war falsch und wurde aus Rache erstattet.
Am 9. April 1948 teilte die Staatsanwaltschaft Basel Simon Pencherek mit, sie
beabsichtige wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes Anklage gegen ihn zu
erheben. Pencherek erhob Einsprache, worauf die Ueberweisungsbehörde am 14.
Mai 1948 beschloss, das angehobene Strafverfahren wegen wirtschaftlichen
Nachrichtendienstes einzustellen. Zur Begründung wird ausgeführt: Art. 273
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 273 - Wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis auskundschaftet, um es einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation oder privaten Unternehmung oder ihren Agenten zugänglich zu machen,

StGB habe die Bekämpfung der sogenannten Wirtschaftsspionage zum Gegenstand.
Darunter falle an sich jeder Vorgang des Wirtschaftslebens, an dessen
Geheimhaltung eine sich in der Schweiz aufhaltende Person ein schutzwürdiges
Interesse habe. Im vorliegenden Fall beziehe sich die Meldung indessen auf
gewöhnliche

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Schmuggeltätigkeit. Darin die Verletzung schweizerischer Wirtschaftsinteressen
zu erblicken, gehe zu weit. Es lasse sich nicht mehr mit dem Zweck der
Vorschrift vereinbaren, die Missachtung ausländischer Handelsschutzgesetze wie
von Zolleinfuhrvorschriften zu sichern. Die auf Wahrheit beruhende Anzeige von
Schmuggel bei auswärtigen Behörden sei nach dem geltenden Recht strafrechtlich
nicht fassbar. Da der Beschwerdeführer eine unrichtige Mitteilung gemacht
habe, sei der Tatbestand der falschen Anschuldigung gemäss Art. 303
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 303 - 1. Wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen,
1    Wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen,
2    Betrifft die falsche Anschuldigung eine Übertretung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
StGB in
Betracht zu ziehen. Ariste Heim stehe überdies der Weg der Privatklage wegen
Ehrverletzung nach Art. 173 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
StGB offen.
B. ­ Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt,
die Ueberweisungsbehörde anzuhalten, die Anklage wegen wirtschaftlichen
Nachrichtendienstes zuzulassen. Sie macht geltend, es bestehe ein
schutzwürdiges Interesse, dass die Verletzung ausländischer zollrechtlicher
Bestimmungen geheimgehalten werde.
Simon Pencherek ersucht um Abweisung der Beschwerde.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Gemäss Art. 273 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 273 - Wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis auskundschaftet, um es einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation oder privaten Unternehmung oder ihren Agenten zugänglich zu machen,
StGB macht sich strafbar, «wer ein Fabrikations- oder
Geschäftsgeheimnis einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen
Organisation oder privaten Unternehmung oder ihren Agenten zugänglich macht».
Die Bestimmung deckt sich mit Art. 4 des Bundesbeschlusses betreffend den
Schutz der Sicherheit der Eidgenossenschaft vom 21. Juni 1935 (sogenanntes
Spitzelgesetz). Die Vorinstanz anerkennt mit der bisherigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtes zu diesen Vorschriften, dass der Ausdruck a
Geschäftsgeheimnis» grundsätzlich alle Tatsachen des Wirtschaftslebens
umfasst, an deren Geheimhaltung ein schutzwürdiges Interesse besteht, ohne
Rücksicht darauf,. ob die Meldung wahr ist oder nicht (BGE 65 I 49 ff, 333 ff;
71 IV 218 f.). Sie hält aber dafür, dass Art. 273
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 273 - Wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis auskundschaftet, um es einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation oder privaten Unternehmung oder ihren Agenten zugänglich zu machen,
StGB nicht auch die Anzeige

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gewöhnlicher Schmuggeltätigkeit habe unter Strafe stellen wollen. Dieser
Ansicht kann nicht beigepflichtet werden. Der wirtschaftliche
Nachrichtendienst ist wie der politische und der militärische
Nachrichtendienst (Art. 272
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 272 - 1. Wer im Interesse eines fremden Staates oder einer ausländischen Partei oder einer andern Organisation des Auslandes zum Nachteil der Schweiz oder ihrer Angehörigen, Einwohner oder Organisationen politischen Nachrichtendienst betreibt oder einen solchen Dienst einrichtet,
1    Wer im Interesse eines fremden Staates oder einer ausländischen Partei oder einer andern Organisation des Auslandes zum Nachteil der Schweiz oder ihrer Angehörigen, Einwohner oder Organisationen politischen Nachrichtendienst betreibt oder einen solchen Dienst einrichtet,
2    In schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Als schwerer Fall gilt es insbesondere, wenn der Täter zu Handlungen aufreizt oder falsche Berichte erstattet, die geeignet sind, die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft zu gefährden.
und 274
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 274 - 1. Wer für einen fremden Staat zum Nachteile der Schweiz militärischen Nachrichtendienst betreibt oder einen solchen Dienst einrichtet,
1    Wer für einen fremden Staat zum Nachteile der Schweiz militärischen Nachrichtendienst betreibt oder einen solchen Dienst einrichtet,
2    Die Korrespondenz und das Material werden eingezogen.
StGB) ein Vergehen gegen den Staat (vgl.
die Ueberschrift zum 13. Titel des StGB), insbesondere gegen dessen
Gebietshoheit (Botschaft des Bundesrates zum Spitzelgesetz, BBl 1935 I 743;
BGE 71 IV 218). Diese wird durch jede Spitzeltätigkeit, die Fabrikations- oder
Geschäftsgeheimnisse preisgibt, beeinträchtigt, auch durch die Anzeige von
Schmuggelgeschäften. Anzeichen dafür, dass der Gesetzgeber den Spionen, die
für den Zolldienst ausländischer Mächte arbeiten, eine Vorzugsstellung
einräumen wollte, fehlen. Hiezu bestand umso weniger Anlass, als
Uebertretungen fiskalischer Gesetze in Frage stehen, für die gemäss Art. 11
des Bundesgesetzes betreffend die Auslieferung gegenüber dem Ausland vom 22.
Januar 1892 die Auslieferung nicht bewilligt, also keine Rechtshilfe geleistet
wird, so dass hier der ausländischen Macht Angaben verschafft werden, die ihr
von den Behörden nach Gesetz verweigert werden müssen, was einen besonders
schweren Uebergriff in die Gebietshoheit der Schweiz bedeutet.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Der Beschluss der Ueberweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt vom 14. Mai
1948 wird aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen mit der
Auflage, die Anklage wegen wirtschaftlichen Nachrichtendienstes zuzulassen.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 74 IV 102
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 20. Juni 1948
Quelle : Bundesgericht
Status : 74 IV 102
Sachgebiet : BGE - Strafrecht und Strafvollzug
Gegenstand : Art. 273 StGB. Wer ausländischen Stellen Schmuggelgeschäfte anzeigt, macht sich des...


Gesetzesregister
StGB: 173 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 173 - 1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
1    Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
2    Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar.
3    Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
4    Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
5    Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat das Gericht dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
272 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 272 - 1. Wer im Interesse eines fremden Staates oder einer ausländischen Partei oder einer andern Organisation des Auslandes zum Nachteil der Schweiz oder ihrer Angehörigen, Einwohner oder Organisationen politischen Nachrichtendienst betreibt oder einen solchen Dienst einrichtet,
1    Wer im Interesse eines fremden Staates oder einer ausländischen Partei oder einer andern Organisation des Auslandes zum Nachteil der Schweiz oder ihrer Angehörigen, Einwohner oder Organisationen politischen Nachrichtendienst betreibt oder einen solchen Dienst einrichtet,
2    In schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Als schwerer Fall gilt es insbesondere, wenn der Täter zu Handlungen aufreizt oder falsche Berichte erstattet, die geeignet sind, die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft zu gefährden.
273 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 273 - Wer ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis auskundschaftet, um es einer fremden amtlichen Stelle oder einer ausländischen Organisation oder privaten Unternehmung oder ihren Agenten zugänglich zu machen,
274 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 274 - 1. Wer für einen fremden Staat zum Nachteile der Schweiz militärischen Nachrichtendienst betreibt oder einen solchen Dienst einrichtet,
1    Wer für einen fremden Staat zum Nachteile der Schweiz militärischen Nachrichtendienst betreibt oder einen solchen Dienst einrichtet,
2    Die Korrespondenz und das Material werden eingezogen.
303
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 303 - 1. Wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen,
1    Wer einen Nichtschuldigen wider besseres Wissen bei der Behörde eines Verbrechens oder eines Vergehens beschuldigt, in der Absicht, eine Strafverfolgung gegen ihn herbeizuführen,
2    Betrifft die falsche Anschuldigung eine Übertretung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
BGE Register
65-I-47 • 71-IV-217 • 74-IV-102
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
basel-stadt • anklage • stelle • kassationshof • vorinstanz • geheimhaltung • strafgesetzbuch • spionage • begründung des entscheids • entscheid • angabe • uhr • frage • gold • wahrheit • frankreich • bundesbeschluss betreffend den schutz der sicherheit der eidgenossenschaft • rache • bundesgericht • falsche anschuldigung
BBl
1935/I/743