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4.4.4. Die vorliegend ermittelte (unter einer Stunde liegende) Zeitersparnis pro Tag bildet entgegen der Auffassung der Rekurrenten grundsätzlich keinen Grund, die Autokosten für die Umwegstrecke zu gewähren (RGE vom 20. August 2009 in Sachen C. + R.M., mit Hinweis). Weiter ist der von der Rekurrentin beantragte Umweg von 37.4 % in Prozentpunkten deutlich höher als die erzielte Zeitersparnis von 30.9 %. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich damit wesentlich von denjenigen Fällen, in denen die Kosten für die Zurücklegung der schnellsten Route gewährt wurden bzw. ist direkt vergleichbar mit dem RGE vom 20. August 2009 in Sachen C. + R.M., in welchem ein entsprechender Anspruch verneint wurde (Erw. 4.3.1). Selbst unter Berücksichtigung einer täglichen Fahrtdauer von 188 Minuten ist die geltend gemachte längere Fahrtstrecke aus steuerrechtlicher Sicht für die Erzielung des Erwerbseinkommens der Rekurrentin nicht begründet. Die resultierenden Mehrkosten sind den privaten Lebenshaltungskosten zuzurechnen. 68

Berufskosten; Umschulungskosten (§ 35 Abs. 1 lit. e StG) Ist eine Pflegefachfrau infolge eines Unfalls nur mehr sehr eingeschränkt in der Lage, körperlich belastende Arbeit zu leisten, sind die Kosten für eine Ausbildung als Kunsttherapeutin als Umschulungskosten zum Abzug zuzulassen. Aus dem Entscheid des Steuerrekursgerichtes vom 28. April 2011 in Sachen U. + C.F. (3-RV.2011.6).

Aus den Erwägungen 2. 2.1. Die Rekurrentin arbeitete gemäss Steuererklärung im Jahr 2007 als Pflegefachfrau beim X-Spital sowie beim Rekurrenten in der Gemeinschaftspraxis Y. In der Steuererklärung 2007 machten die Rekurrenten Weiterbildungskosten für den Lehrgang der Rekurrentin in

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Kunst- und Ausdruckstherapie von insgesamt CHF 4'155.00 geltend. Mit dem Rekurs brachten sie im Eventualbegehren vor, bei dem Lehrgang handle es sich um eine krankheitsbedingte Umschulung weshalb die Kosten zum Abzug zuzulassen seien. (...) 4.1.4. Vom Umfang des Lehrgangs und von dessen Ausrichtung her liegt dieser nicht mehr im Rahmen des Üblichen für den Beruf einer Pflegefachfrau.(...) 4.1.5. Es handelt sich nach dem Gesagten bei dem Kurs um eine Ausbildung und nicht um eine Weiterbildung. Somit sind die Kosten nicht als Weiterbildungskosten abziehbar. (...) 4.2.8. Bei der Beurteilung, ob abzugsfähige Umschulungskosten gegeben sind, ist vorliegend vom ausgeübten Beruf als Pflegefachfrau auszugehen. In Ausübung dieser Tätigkeit war die Rekurrentin gemäss Arztberichten und IV-Entscheiden eingeschränkt, insbesondere was körperliche Arbeiten sowie Belastbarkeit und Konzentrationsfähigkeit anbelangt. Gerade die berufsspezifischen Bereiche des Pflegeberufs waren demnach für die Rekurrentin aufgrund ihres Schmerzleidens und der beeinträchtigten Belastbarkeit nur sehr beschränkt ausübbar. Im Berufsalltag müssen Patienten, aber auch beispielsweise Betten und medizinische Geräte angehoben werden. Eine "ruhigere" Arbeitsumgebung ist im Bereich Spitalpflege schwer vorstellbar. Die "Verweistätigkeiten" Patientenadministration, Schulungen etc. stellen hingegen nicht die berufstypischen Tätigkeiten einer Pflegefachfrau dar. Die Ausübung des Berufs als Pflegefachfrau mit Einschränkungen bei der körperlichen Tätigkeit und der Belastbarkeit führt damit offensichtlich längerfristig zu einer erheblich verminderten Einsatzfähigkeit, was sich auch auf die Laufbahn der Rekurrentin im Pflegebereich auswirken muss. Im Übrigen käme auch ein Rückzug auf die genannten pflegefernen Bereiche einem Berufswechsel gleich. Der Therapeuten-Lehr-

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gang andererseits ermöglicht der Rekurrentin eine Tätigkeit, welche näher beim angestammten Beruf als Pflegefachfrau liegt, als rein administrative Arbeit im Gesundheitswesen. Patientenkontakt und Gesundheitsfürsorge sind hier weitgehend möglich. Der Rekurrentin bot sich in der Praxis des Rekurrenten eine konkrete Möglichkeit der Berufsausübung als Kunsttherapeutin, weshalb der Lehrgang nicht aufs Geratewohl erfolgte. Vielmehr erscheint der Berufswechsel zur Therapeutin mit Blick auf den bisherigen Werdegang und die sich in der Praxis des Rekurrenten bietende Ausübungsmöglichkeit naheliegender als eine weitgehend aufs Administrative beschränkte Tätigkeit im Spital. Aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung erweisen sich die Beweggründe der Rekurrentin für einen Berufswechsel zur Therapeutin und den entsprechenden Lehrgang als objektiv gewichtig. Bei den Kosten des Lehrgangs in Kunsttherapie handelt es sich somit um abzugsfähige Umschulungskosten. 69

Gewinnungskosten; Aus- und Weiterbildungskosten (§ 36 Abs. 1 StG, § 41 lit. b StG) Ein ehemaliger Servicetechniker, der einen mehrjährigen Lehrgang zum Naturheilpraktiker absolviert, kann die Kosten nicht als Weiterbildungskosten vom Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit in Abzug bringen, auch wenn er bereits während des Lehrgangs aufgrund der erlernten Kenntnisse die Tätigkeit als Masseur aufnimmt. Ab dem Beginn des Lehrganges hat der Rekurrent vollkommen neue Fachkenntnisse erworben und diese fortlaufend angewandt. Die mit der Fortführung des Lehrganges in Zusammenhang stehenden Kosten können somit auch nur als Ausbildungskosten qualifiziert werden. 28. April 2011 in Sachen H.W. (3-RV.2010.140).

Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 3-RV.2011.6
Datum : 28. April 2011
Publiziert : 31. Dezember 2011
Quelle : AGVE - Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide
Status : 3-RV.2011.6
Sachgebiet : Spezialverwaltungsgericht, Abteilung Steuern, 2000-2020 AGVE-Sammlung
Gegenstand : Berufskosten; Umschulungskosten (§ 35 Abs. 1 lit. e StG) Ist eine Pflegefachfrau infolge eines Unfalls nur mehr sehr eingeschränkt


Stichwortregister
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