Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6P.113/2003 /kra

Urteil vom 22. Oktober 2003
Kassationshof

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Kolly, Karlen,
Gerichtsschreiber Monn.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Josephsohn, Lutherstrasse 4, Postfach, 8021 Zürich,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich,
Kassationsgericht des Kantons Zürich, Postfach 4875, 8022 Zürich.

Gegenstand
Art. 9
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
und 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV sowie Art. 6 Ziff. 3 lit. a
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK (Strafverfahren; Willkür, rechtliches Gehör),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss
des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom
19. Juni 2003.

Sachverhalt:
A.
Im Dezember 1998 besuchte X.________ in Zürich eine Prostituierte in ihrem Zimmer. Sie vereinbarten Geschlechtsverkehr, den er im Voraus bezahlte. Nach wenigen Minuten beendete die Frau den Verkehr, obwohl X.________ noch nicht zum Orgasmus gekommen war. Auch war sie nicht bereit, den Verkehr nochmals aufzunehmen. X.________ geriet in Wut, behändigte ein sich am Tatort befindendes grosses Küchenmesser und stach der Prostituierten damit drei Mal in den Rücken und ein Mal in die linke Brust. In der Folge vollzog er an der zusammengesunken auf dem Boden liegenden Frau, die er zu diesem Zweck wieder aufs Bett legte, den Geschlechtsverkehr. Dabei wusste er oder nahm er jedenfalls an, dass sie bereits tot war.

Ebenfalls im Dezember 1998 verletzte X.________ in Zürich einen homosexuellen Passanten, der ihn zuvor "begrapscht" hatte, mit der Faust und mit einem Messer, um ihn zu berauben. Die Tat misslang nur deshalb, weil der Passant kein Geld bei sich hatte.
B.
Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, sprach X.________ am 19. November 2001 des Mordes im Sinne von Art. 112
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 112 - Handelt der Täter besonders skrupellos, sind namentlich sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung besonders verwerflich, so ist die Strafe lebenslängliche Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.154
StGB, des versuchten Raubes im Sinne von Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
StGB in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 21 - Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe.
StGB sowie der Störung des Totenfriedens im Sinne von Art. 262 Ziff. 1 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 262 - 1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt,
1    Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt,
2    Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
und 4
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 262 - 1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt,
1    Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt,
2    Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB schuldig und bestrafte ihn mit 13 Jahren Zuchthaus, abzüglich 1072 Tage erstandener Haft, sowie mit einer unbedingten Landesverweisung von 12 Jahren.
C.
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies am 28. November 2002 eine von X.________ gegen den obergerichtlichen Entscheid gerichtete kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit auf sie eingetreten werden konnte.

Dagegen führte X.________ beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde.
Das Bundesgericht hiess diese Beschwerde am 20. März 2003 teilweise gut und hob den Beschluss des Kassationsgerichts insoweit auf (Urteil 6P.6/2003).
D.
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde am 19. Juni 2003 erneut ab, soweit auf sie eingetreten werden konnte.

X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde und beantragt, der Beschluss des Kassationsgerichts vom 19. Juni 2003 sei aufzuheben und die Sache an das Kassationsgericht zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Es sei ihm die unentgeltliche Prozessführung zu gewähren und in der Person von Rechtsanwalt Andreas Josephsohn ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Am 20. März 2003 hob das Bundesgericht den früheren Entscheid des Kassationsgerichts vom 28. November 2002 nur in einem Punkt auf. Das Kassationsgericht hatte bei der Frage, ob das Anklageprinzip verletzt worden sei, festgestellt, das Obergericht sei nicht von einer sexuell motivierten Tötung ausgegangen, sondern habe angenommen, der Beschwerdeführer habe aus Wut über die vom Opfer angeblich nicht eingehaltene Vereinbarung gehandelt. Dabei führte das Kassationsgericht an anderer Stelle selber ausdrücklich aus, dass das Obergericht erwogen habe, "der Beschwerdeführer sei zum Schluss gekommen, sein Recht auf den noch nicht erlebten, ihm eigentlich zustehenden Orgasmus unter allen Umständen durchzusetzen, notfalls auch mit einer toten Frau". Mit dieser Formulierung ging das Obergericht nach Auffassung des Bundesgerichts klar und eindeutig davon aus, dass der Beschwerdeführer die Frau aus sexuellen Motiven niedergestochen habe. Folglich war die Feststellung des Kassationsgerichts, das Obergericht sei davon ausgegangen, der Beschwerdeführer habe nicht aus sexuellen Motiven, sondern aus Wut über die nicht eingehaltene Vereinbarung gehandelt, offensichtlich unhaltbar (Urteil 6P.6/2003 vom 20. März 2003, E. 3).

Das Kassationsgericht führt im neuen Entscheid vom 19. Juni 2003 aus, aus den verbindlichen Erwägungen des Bundesgerichts vom 20. März 2003 ergebe sich nicht, dass die Annahme des Obergerichts, der Beschwerdeführer habe auf das Opfer eingestochen und es getötet, um zu einem Orgasmus zu gelangen, willkürlich wäre. Der Beschwerdeführer habe selber zugestanden, dass er nach der Tötungshandlung mit dem Opfer den Geschlechtsakt vollzogen habe und dabei zu einem Orgasmus gelangt sei. Er sei wütend geworden, weil er seiner Auffassung nach noch nicht in den Genuss der Gegenleistung für sein Geld - nämlich einen Orgasmus - gekommen sei. Um seinen vermeintlichen Anspruch auf einen Orgasmus durchzusetzen - worin das Bundesgericht ein sexuelles Motiv erblicke - sei dem Beschwerdeführer offenbar jedes Mittel recht gewesen. Dass ihm die Tötungshandlung als solche sexuelle Befriedigung verschafft hätte - was eine abartige Veranlagung darstellen würde - , sei dem Beschwerdeführer im Einklang mit dem psychiatrischen Gutachten allerdings nicht vorgeworfen worden. Wenn dem Beschwerdeführer aber nicht vorgeworfen worden sei, die Tötungshandlung als solche habe ihm sexuelle Befriedigung verschafft - was den Vorwurf der Abartigkeit einschliessen würde
-, erweise sich die Annahme des Obergerichts, der Beschwerdeführer habe unter anderem aus sexuellen Motiven gehandelt, als vertretbar (angefochtener Entscheid S. 5/6).

Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner neuen staatsrechtlichen Beschwerde, schon im Zeitpunkt der Tötungshandlung die Absicht gehabt zu haben, nachher mit dem Opfer den Geschlechtsverkehr zu vollziehen (vgl. Beschwerde S. 5 - 9).

Die Beschwerde wäre in diesem Punkt nur gutzuheissen, wenn dem Kassationsgericht Willkür vorgeworfen werden könnte. Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid in dem vom Beschwerdeführer bemängelten Punkt offensichtlich unhaltbar ist oder zur tatsächlichen Situation in einem klaren Widerspruch steht (BGE 127 I 54 E. 2b). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer hat ausgesagt, dass er das Messer behändigte und damit auf das Opfer einstach, weil er entrüstet war, dass das Opfer den Geschlechtsverkehr mit ihm nicht noch einmal aufnehmen wollte (Urteil Obergericht vom 19. November 2001, S. 8), obwohl er seinen eigenen Aussagen zufolge nach dem ersten missglückten Geschlechtsverkehr sexuell immer noch erregt war (KA ND act. 1/10/9 S. 10). Es ist folglich nicht unwahrscheinlich, dass der sexuell immer noch erregte - und überdies stark alkoholisierte - Beschwerdeführer auch deshalb auf die Frau einstach, um anschliessend an der Wehrlosen den ihm vorenthaltenen Geschlechtsverkehr vollziehen zu können. Dieser Schlussfolgerung stehen die Ausführungen des psychiatrischen Gutachters, auf die sich der Beschwerdeführer zur Hauptsache bezieht, nicht entgegen. Gemäss dem Gutachter wurde dem Beschwerdeführer "im
Anschluss an die Tat und nach Abfuhr von Erregtheit und Aggressivität" voll bewusst, was er aus einem nichtigen Anlass heraus angerichtet hatte, und aus Wut über die Frau, die ihn zu einer Handlung veranlasst hatte, die nun seine Lebenszukunft zerstören würde, beging er die sexuelle Handlung an der Toten (vgl. Gutachten, KA HD act. 1/9, S. 31/32). Diese Ausführungen des Gutachters beziehen sich auf die Zeit, nachdem der Beschwerdeführer zugestochen hatte und Erregtheit und Aggressivität zunächst plötzlich abgeklungen waren. Zur Frage, aus welchem Grund der Beschwerdeführer ursprünglich zugestochen hatte, als er noch erregt und aggressiv war, sagen die Ausführungen nichts aus. Folglich vermögen sie die Schlussfolgerung der kantonalen Richter, der Beschwerdeführer habe zugestochen, um den Geschlechtsverkehr vollziehen zu können, nicht zu widerlegen. Die Beschwerde ist in diesem Punkt abzuweisen.
2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, das Anklageprinzip sei verletzt worden, da eine Absicht, nach der Tat zu einem Orgasmus zu kommen, in der Anklageschrift nicht "aufscheine" (vgl. Beschwerde S. 9/10).

Der Anklagegrundsatz dient dem Schutz der Verteidigungsrechte des Angeklagten und konkretisiert insofern das Prinzip der Gehörsgewährung (Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV und Art. 6
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
EMRK; BGE 120 IV 348 E. 2b). Nach diesem Grundsatz bestimmt die Anklage das Prozessthema. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens können mithin nur Sachverhalte sein, die dem Angeklagten in der Anklageschrift vorgeworfen werden. Diese muss nebst der Person des Angeklagten die ihm zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so präzise umschreiben, dass die Vorwürfe im objektiven und subjektiven Bereich genügend konkretisiert sind (vgl. BGE 126 I 19 E. 2a; 120 IV 348 E. 2b und c).

Die Anklage gegen den Beschwerdeführer hält fest, dieser habe auf die Prostituierte eingestochen, weil sie den vereinbarten, durch ihn bereits im voraus bezahlten Geschlechtsverkehr schon nach wenigen Minuten und aus seiner Sicht vorzeitig beendet hatte, obwohl er noch nicht zum Orgasmus gekommen war, und weil er sich darüber entrüstete, dass sie den Geschlechtsverkehr mit ihm nicht noch einmal aufnehmen wollte. In der Folge habe er den Geschlechtsverkehr an der zusammengesunkenen Frau vollzogen, um doch noch zu dem Orgasmus zu kommen, auf den er Anspruch zu haben glaubte (vgl. Urteil Obergericht vom 19. November 2001, S. 3).

Aus diesen Ausführungen ist klar ersichtlich, dass die Anklage davon ausging, der Beschwerdeführer habe aus sexuellen Motiven zugestochen. Von einer Verletzung des Anklagegrundsatzes kann nicht die Rede sein.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
OG).

Er stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Dieses ist gutzuheissen, weil die Vorbringen des Beschwerdeführers nicht von vornherein aussichtslos waren.

Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Der Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Andreas Josephsohn, wird für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 2'000.-- entschädigt.
5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. Oktober 2003
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 6P.113/2003
Datum : 22. Oktober 2003
Publiziert : 06. November 2003
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Verfahren
Gegenstand : Tribunale federale Tribunal federal {T 0/2} 6P.113/2003 /kra Urteil vom 22. Oktober


Gesetzesregister
BV: 9 
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden.
29
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
EMRK: 6
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.
a  innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden;
b  ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben;
c  sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist;
d  Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten;
e  unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht.
OG: 156
StGB: 21 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 21 - Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe.
112 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 112 - Handelt der Täter besonders skrupellos, sind namentlich sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung besonders verwerflich, so ist die Strafe lebenslängliche Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren.154
140 
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 140 - 1. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
1    Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht hat, einen Diebstahl begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.195
2    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr196 bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt.
3    Der Räuber wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft,
4    Die Strafe ist Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt.
262
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 262 - 1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt,
1    Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt,
2    Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
BGE Register
120-IV-348 • 126-I-19 • 127-I-54
Weitere Urteile ab 2000
6P.113/2003 • 6P.6/2003
Stichwortregister
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